Urteil des BGH vom 29.05.2009

BGH (ausschluss der haftung, vernehmung von zeugen, wand, abweichende meinung, haus, boden, grundstück, zustand, verhandlung, keller)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 137/08 Verkündet
am:
29. Mai 2009
Lesniak
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Dr. Klein und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Rich-
ter Dr. Roth für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12. Juni 2008 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen ande-
ren Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte erwarb 1994 ein Grundstück in O. bei H. .
Das an einem Hang gelegene Grundstück ist mit einem etwa 100 Jahre alten
teilweise in Fachwerkbauweise errichteten Haus bebaut. Das Gebäude wird
vom Tal her auf der Kellerebene betreten. Eine Fundamentsohle besteht nicht.
Die hangseitige Wand des Kellergeschosses ist nicht gegen Feuchtigkeit iso-
liert. Der Fußboden des Wohngeschosses über dem Kellergeschoss lagert auf
Balken.
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Der Beklagte nahm an dem Haus eigenhändig Arbeiten vor. 1995 ver-
mietete er es. Das Mietverhältnis endete im Sommer 2006. Der Beklagte bot
das Grundstück zum Kauf an. Die Kläger besichtigten das Haus und kauften
das Grundstück mit Notarvertrag vom 20. Juni 2006 für 65.000 € unter Aus-
schluss der Haftung für Sachmängel.
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Die Kläger bezahlten den Kaufpreis. Das Grundstück wurde aufgelassen
und übergeben. Die Kläger haben den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Sie be-
haupten, das Haus sei von Ameisen und Schimmel befallen und durchfeuchtet.
Zur Renovierung hätten sie den Fußbodenbelag im Wohngeschoss aufgehoben
und hierdurch erkannt, dass die Balken zwischen Keller und Obergeschoss
teilweise verfault und nicht mehr tragfähig seien. Auch das übrige Balkenwerk
sei zum Teil durch Feuchtigkeit und Insekten erheblich geschädigt. Dies sei
dem Beklagten aufgrund Reklamationen der Mieterin und aufgrund seiner Tä-
tigkeit im Hause bekannt. Die Mängel habe er beim Verkauf arglistig verschwie-
gen.
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Mit der Klage verlangen sie nach näherer Maßgabe die Erstattung ihrer
Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks, die Frei-
stellung von ihren Verpflichtungen aus dem Kauf gegenüber dem Finanzamt,
die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden
und seines Verzugs mit der Annahme der Rückübertragung des Grundstücks.
Der Beklagte hat widerklagend beantragt, die Kläger zur Zahlung anteiliger
Grundsteuer zu verurteilen.
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Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und der Einnahme
eines Augenscheins der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Beide Parteien
haben das Urteil des Landgerichts angefochten. Das Oberlandesgericht hat der
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Berufung des Beklagten stattgegeben, die Klage abgewiesen und die Berufung
der Kläger zurückgewiesen.
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstreben die Kläger die
Verurteilung des Beklagten nach den von ihnen im Berufungsverfahren gestell-
ten Anträgen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält ein arglistiges Verhalten des Beklagten für
nicht bewiesen. Es meint, einen Hinweis auf Schimmel habe es nach 2002 nicht
mehr gegeben; die Einlassung des Beklagten, er sei nach der Neueindeckung
einer Hälfte des Dachs der Auffassung gewesen, dessen Undichtigkeit sei be-
hoben, sei nicht widerlegt. Dass der Keller feucht sei, hätten die Kläger bei der
Besichtigung ohne weiteres bemerken können; dass er, wie von dem Landge-
richt festgestellt, nur mit Gummistiefeln betreten werden könne, hätten weder
der von den Klägern beauftragte Sachverständige noch der Zeuge S.
bestätigt, der das Haus zusammen mit der Mieterin A. über Jahre hinweg
bewohnt habe. Dass der Beklagte den Zustand der Balken über dem Kellerge-
schoss gekannt habe, könne nicht festgestellt werden. Die insoweit von dem
Landgericht getroffene Feststellung, der Beklagte habe Arbeiten an einer Wand
vorgenommen und dabei den angrenzenden Boden geöffnet, wodurch ihm der
Zustand der Deckenbalken bekannt geworden sei, sei nicht nachzuvollziehen,
weil dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen sei, an welcher Wand
welchen Raumes der Beklagte tätig geworden sei. Dass der Beklagte die Kläger
über den schlechten Zustand der Schwellen nicht aufgeklärt habe, hätten die
Kläger nicht bewiesen.
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II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Das von dem Beklagten den Klägern verkaufte Haus war erkennbar re-
novierungsbedürftig. Nach den insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des
Landgerichts brauchten die Kläger jedoch nicht davon auszugehen, dass nicht
offen liegende konstruktive Teile des Gebäudes irreparabel geschädigt sind. Die
Haftung des Beklagten ist insoweit im Kaufvertrag vom 20. Juni 2006 zwar aus-
geschlossen. Nach § 444 BGB ist dem Beklagten die Berufung auf den verein-
barten Haftungsausschluss aber verwehrt, wenn er diese Mängel arglistig ver-
schwiegen hat.
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Arglistiges Verschweigen liegt vor, wenn der Verkäufer einen Mangel
kennt oder für möglich hält und weiß oder damit rechnet, dass der Käufer bei
Offenbarung des Mangels den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbar-
ten Inhalt abgeschlossen hätte (st. Rspr. vgl. Senat, Urt. v. 10. Juni 1983, V ZR
292/81, WM 1983, 990; Urt. v. 20. März 1987, V ZR 27/86, NJW 1987, 2511;
Urt. v. 7. Juli 1989, V ZR 21/88, NJW 1989, 42).
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Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass der Beklagte die Frage
nach einer Feuchtigkeitsbeeinträchtigung des Hauses der Wahrheit zuwider
verneint habe und seine Kenntnis von dem Insektenbefall der Schwelle zum
Badezimmer und davon, dass die Balken zwischen Keller und Wohngeschoß
verfault sind, den Klägern verschwiegen habe. Letzteres folge daraus, dass der
Beklagte im unteren Bereich einer Wand und an dem angrenzenden Bereich
des Fußbodens Arbeiten vorgenommen habe. Der Schaden an Wand und Bo-
den bilde eine Einheit; die Arbeiten des Beklagten hätten entgegen seiner An-
gaben beide Bereiche erfasst. Hierbei könne dem Beklagten der Zustand der
Boden- bzw. Deckenbalken nicht verborgen geblieben sein. Bei der gebotenen
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Offenbarung hätten die Kläger den Vertrag vom 20. Juni 2006 nicht geschlos-
sen.
Die hiervon abweichende Feststellung des Berufungsgerichts wird, wie
die Revision zutreffend rügt, von dem Verfahrensrecht nicht getragen. Dass
dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen ist, für welche Wand und damit
für welchen angrenzenden Bodenbereich die von dem Landgericht getroffenen
Feststellungen gelten, führt nicht dazu, dass diese unzutreffend oder verfah-
rensfehlerhaft getroffen wären. Die abweichende Meinung des Berufungsge-
richts entbehrt einer Grundlage im Prozessrecht. Welche Teile des Bodens und
welche Wand das Landgericht in seinem Urteil angesprochen hat, kann nach
dem Prozessverlauf nicht zweifelhaft sein. Soweit das Berufungsgericht es für
erforderlich angesehen hat, die von dem Landgericht festgestellten Arbeiten
des Beklagten näher zu lokalisieren, konnte es die Parteien hiernach fragen.
Sie waren bei der Augenscheinsaufnahme des Landgerichts zugegen; der ge-
naue Ort von Wand und Boden, für den die Feststellungen des Landgerichts
getroffen sind, ist ihnen bekannt.
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Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil es
an den notwendigen Feststellungen fehlt. Die Sache ist daher an das Beru-
fungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei hat der Senat von § 563 Abs. 1 Satz 2
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ZPO Gebrauch gemacht. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung werden
auch die weiteren Angriffe der Revision gegen die getroffenen Feststellungen
zu berücksichtigen sein.
Krüger Klein
Schmidt-Räntsch
Stresemann
Roth
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 09.05.2007 - 3 O 370/06 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 12.06.2008 - 10 U 122/07 -