Urteil des BGH vom 29.03.2017

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 196/06
Verkündet
am:
13. Dezember 2007
Preuß
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GesO § 21 (InsO § 63; InsVV § 11); BGB §§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221
a) Ist das Gesamtvollstreckungsverfahren (Insolvenzverfahren) nicht eröffnet
worden, hat der Sequester (vorläufige Insolvenzverwalter) einen materiell-
rechtlichen Vergütungsanspruch gegen den Schuldner.
b) Im Falle der Nichteröffnung betrifft die Entscheidung über "die Kosten des
Verfahrens" nicht die Vergütung und Auslagen des Sequesters (vorläufigen
Insolvenzverwalters). Selbst dann, wenn ein Gläubigerantrag auf Eröffnung
eines Gesamtvollstreckungsverfahrens (Insolvenzverfahrens) aus in der
Person des Antragstellers liegenden Gründen abgelehnt worden ist, können
dem Antragsteller nicht durch besonderen Beschluss die durch das Se-
questrationsverfahren (Eröffnungsverfahren) entstandenen Kosten auferlegt
werden.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - IX ZR 196/06 - OLG Rostock
LG Schwerin
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gero Fischer und
die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Dr. Detlev Fischer
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandes-
gerichts Rostock vom 25. September 2006 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Das Land Mecklenburg-Vorpommern (fortan: Antragsteller) beantragte
wegen einer Steuerforderung bei dem Amtsgericht Schwerin die Eröffnung ei-
nes Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Beklagten. Das
Amtsgericht ordnete die Sequestration des Vermögens der Beklagten an und
bestellte den Kläger zum Sequester. Später wies das Amtsgericht den Eröff-
nungsantrag wegen örtlicher Unzuständigkeit ab; die Kosten des Verfahrens
legte es dem Antragsteller auf.
1
Auf Antrag des Klägers setzte das Amtsgericht die von dem Antragsteller
zu tragenden Kosten auf 20.758,73 DM fest. Auf dessen Beschwerde hin hob
das Landgericht Schwerin diesen Beschluss auf und verwies die Sache an das
Amtsgericht zurück. Nunmehr entschied das Amtsgericht, die Kosten des Ver-
fahrens mit Ausnahme derjenigen für die Sequestration seien vom Antragsteller
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zu tragen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte sofortige Beschwerde verwarf
das Landgericht als unzulässig, weil der Kläger durch die Kostenentscheidung
nicht beschwert sei.
Dieser hat daraufhin die vorliegende Klage auf Zahlung von 10.613,77 €
(dies entspricht 20.758,73 DM) erhoben. Er macht gegen die Beklagte als Inha-
berin des verwalteten Vermögens einen Anspruch auf Ersatz der Sequester-
kosten geltend. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Beru-
fungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte den Klageabwei-
sungsantrag weiter.
3
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe einen materiell-
rechtlichen Anspruch in entsprechender Anwendung der §§ 1835, 1836, 1987,
2221 BGB. Dieser Anspruch richte sich gegen den Schuldner als Inhaber des
verwalteten Vermögens. Einen Anspruch gegen die Staatskasse, der den gel-
tend gemachten ausschließen könnte, habe der Kläger nicht. Die Verpflichtung
des Antragstellers, die Gerichtskosten zu tragen, umfasse nicht die Haftung für
den Vergütungsanspruch des Klägers. Materiell-rechtlich sei die Haftung der
Beklagten für die Vergütung des Klägers gerechtfertigt. Es sei richtig gewesen,
den Gesamtvollstreckungsantrag bei dem Amtsgericht Schwerin zu stellen.
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Ausweislich des Handelsregisters habe die Beklagte in dem dortigen Bezirk ih-
ren Sitz gehabt, und es habe auch ein Eröffnungsgrund vorgelegen.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
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1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage zulässig.
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a) Insbesondere ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegeben.
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aa) Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, seine Vergütung
und Auslagen gegen die Beklagte festsetzen zu lassen. Der Sequester kann
das Festsetzungsverfahren nicht aus eigenem Recht betreiben (vgl. für den vor-
läufigen Insolvenzverwalter BGH, Beschl. v. 23. Juli 2004 - IX ZB 256/03, n.v.;
für den Konkursverwalter ferner OLG Frankfurt/Main ZIP 1992, 1564, 1565;
Hess, Insolvenzrecht [2007] Anhang A § 11 InsVV Rn. 133; anders noch OLG
Hamburg KTS 1977, 16). Denn insofern fehlt es an einer Kostengrundentschei-
dung. Bei dem durch die Zustellung des Eröffnungsantrags an den Schuldner in
Gang gesetzten Sequestrationsverfahren stehen sich - nicht anders als im Kon-
kurseröffnungsverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1961 - VI ZR 208/60, NJW
1961, 2016) und nunmehr im Insolvenzeröffnungsverfahren (vgl. hierzu BGHZ
149, 178, 181; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. vor §§ 2-10 Rn. 17) - nur der
antragstellende Gläubiger und der Schuldner ähnlich wie die Parteien eines Zi-
vilprozesses gegenüber; der Sequester ist nicht "Partei" (AG Köln NZI 2000,
384). Demgemäß regelt die Kostenentscheidung nur das Verhältnis der "Partei-
en" zueinander und - mittelbar - dasjenige zur Staatskasse. Die Kosten des Se-
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questers (vorläufigen Insolvenzverwalters) gehören nicht zu den "Kosten des
Verfahrens". Dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu
den nach § 50 Abs. 1 Satz 2 GKG (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung
der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Oktober 2001, BGBl. I,
S. 2710) erstattungsfähigen Auslagen gehört, hat der Bundesgerichtshof bereits
entschieden (BGHZ 157, 370, 374, 377; BGH, Beschl. v. 26. Januar 2006 - IX
ZB 231/04, NZI 2006, 239). Er hat seinerzeit auch darauf aufmerksam gemacht,
dass dieses Problem im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich erörtert worden
ist, so dass nicht von einer planwidrigen Gesetzeslücke im Kostenverzeichnis
zum Gerichtskostengesetz ausgegangen werden kann. Für die Vergütung des
Sequesters kann nichts anderes gelten.
Gegenteiliges ergibt sich nicht aus § 54 Nr. 2 InsO, auf welchen sich die
Revision beruft. Danach sind auch die Vergütungen und die Auslagen des vor-
läufigen Insolvenzverwalters "Kosten des Insolvenzverfahrens". Abgesehen da-
von, dass diese Vorschrift auf den vorliegenden Fall noch nicht - zumindest
nicht unmittelbar - anwendbar ist, betrifft sie nur den Fall, dass das Insolvenz-
verfahren eröffnet worden ist. Dies ergibt sich eindeutig aus der Gesetzesge-
schichte. § 54 InsO beruht auf § 63 RegE-InsO. Dieser enthielt zunächst einen
zweiten Absatz, der lautete: "Die Kosten, die durch die Bestellung eines vorläu-
figen Insolvenzverwalters entstanden sind, gelten nach der Eröffnung des Ver-
fahrens als Teil der Kosten des Verfahrens". § 63 Abs. 2 RegE-InsO wurde auf
Vorschlag des Rechtsausschusses "zur redaktionellen Vereinfachung" in den
Abs. 1 Nr. 2 einbezogen; eine inhaltliche Änderung bedeutete dies nicht (BT-
Drucks. 12/7302, S. 161). In dieser Fassung wurde die Regelung als § 54 InsO
Gesetz.
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Dass die Kosten und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, falls
es nicht zur Verfahrenseröffnung kommt, nicht gegen den antragstellenden
Gläubiger festgesetzt werden können, wenn diesem allgemein "die Verfahrens-
kosten" auferlegt wurden, entspricht auch der herrschenden Meinung (OLG Cel-
le NZI 2000, 226, 227; LG Stuttgart NZI 2004, 630 f; MünchKomm-InsO/
Hefermehl, aaO § 54 Rn. 13b; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl. § 26 Rn. 32; HK-
InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 52; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 13 Rn. 58;
Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, InsO § 11 InsVV Rn. 69; a.A. AG Hamburg
ZInsO 2001, 1121, 1122; HmbKomm-InsO/Wehr, 2. Aufl. § 13 Rn. 90). Unter
der Geltung der Konkursordnung/Gesamtvollstreckungsordnung war diese An-
sicht in Bezug auf den Sequester ebenfalls vorherrschend (BGH, Urt. v. 11. Juli
1961 - VI ZR 208/60, NJW 1961, 2016; OLG Frankfurt/Main ZIP 1992, 1564;
OLG Naumburg ZIP 1994, 398, 399; LG Wuppertal ZIP 1984, 734, 735; LG
Köln KTS 1986, 360; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 106 Rn. 20; Eickmann,
Vergütungsverordnung [1989] Anhang A Rn. 33).
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bb) Der Kläger konnte im Insolvenzverfahren auch keine spezielle, seine
Kosten betreffende Kostengrundentscheidung erwirken.
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Allerdings tritt eine insbesondere in der Literatur im Vordringen begriffene
Auffassung dafür ein, dass dem Gläubiger, der einen - aus in der eigenen
Sphäre liegenden Gründen - unzulässigen oder unbegründeten Antrag auf In-
solvenzeröffnung gestellt hat, durch besonderen, das Innenverhältnis regelnden
Beschluss des Insolvenzgerichts aufgegeben werden kann, die Gebühren und
Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters zu tragen (AG Hamburg ZInsO
2001, 1121; Jaeger/Gerhardt, InsO §
22 Rn.
253
f; MünchKomm-InsO/
Schmahl, aaO § 13 Rn. 171; Uhlenbruck, aaO § 26 Rn. 32; HK-InsO/Kirchhof,
aaO § 14 Rn. 53; Hess, aaO § 11 InsVV Rn. 132; Frind/A. Schmidt ZInsO 2002,
13
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8, 12; ebenso bereits Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 106 Rn. 24; vgl. auch Haarmey-
er/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 11 Rn. 81, die diese Lösung freilich nur als
"vertretbar" bezeichnen).
Diese Ansicht ist indessen abzulehnen. Es mag wünschenswert sein,
den Schuldner - der, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. unten 2 e cc), die Ver-
gütung und Auslagen des Sequesters (vorläufigen Insolvenzverwalters) tragen
muss - nicht auf Dauer mit diesen durch einen unzulässigen oder unbegründe-
ten Antrag ausgelösten Kosten zu belasten. Nach der derzeitigen Gesetzeslage
gibt es jedoch für das Insolvenzgericht, das die Eröffnung des Verfahrens ab-
lehnt, keine Möglichkeit, einen besonderen, die Kosten des vorläufigen Insol-
venzverwalters regelnden Beschluss zu erlassen. Voraussetzung eines solchen
Beschlusses wäre - wie bei jeder Kostengrundentscheidung - ein vorausgegan-
genes Verfahren, an dem alle beteiligt waren, die durch den Kostenbeschluss
betroffen sind. Der vorläufige Verwalter ist aber - wie oben bereits ausgeführt -
nicht "Partei" des Eröffnungsverfahrens. Zudem ist die Pflicht, die Kosten des
Sequesters (vorläufigen Insolvenzverwalters) zu übernehmen, nicht Verfah-
rensgegenstand, und die Kosten des Sequesters (vorläufigen Insolvenzverwal-
ters) gehören auch nicht zu den "Kosten des Verfahrens". Der besondere Be-
schluss würde sich entweder über § 50 GKG hinwegsetzen oder - ohne voraus-
gegangenes Erkenntnisverfahren - einen materiellrechtlichen Erstattungsan-
spruch titulieren.
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b) Der Verhandlung und Entscheidung über die Klage steht ferner nicht
der Einwand der Rechtskraft entgegen. Zwar hat das Amtsgericht in dem Be-
schluss, mit dem es den Antrag auf Verfahrenseröffnung wegen Unzuständig-
keit abgewiesen hat, die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Zu
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den Kosten des Verfahrens gehört jedoch die streitgegenständliche Vergütung
des Klägers nicht (vgl. oben a aa).
2. Die Klage ist auch begründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem
Kläger einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz
zugesprochen. Dieser kann sich nur gegen die Beklagte als Inhaberin des ver-
walteten Vermögens richten und folgt aus §§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221
BGB analog.
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a) Die Tätigkeit des Sequesters (vorläufigen Insolvenzverwalters) kann
nicht unvergütet bleiben. Darüber besteht in Rechtsprechung und Schrifttum
Einigkeit.
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b) In der Gesamtvollstreckungsordnung ist nicht geregelt, wer für die
Vergütung und Auslagen des Sequesters aufzukommen hat, wenn es nicht zur
Eröffnung des Verfahrens kommt. Solche Lücken hat der Senat stets unter He-
ranziehung der Konkursordnung geschlossen; soweit deren Vorschriften schon
bei der Schaffung der Gesamtvollstreckungsordnung im Jahr 1990 als reform-
bedürftig empfunden und gerade die zur Abhilfe bestimmten Vorschläge im Re-
ferentenentwurf einer Insolvenzordnung übernommen wurden, kann auch auf
die dort vorgesehenen neuen Bestimmungen zurückgegriffen werden (BGHZ
135, 30, 34 f).
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c) Unter dem Recht der Konkursordnung - und dementsprechend auch
für die Gesamtvollstreckungsordnung - war die Zahlungspflicht für die Se-
questervergütung im Falle der Nichteröffnung umstritten.
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aa) Teilweise wurde die Ansicht vertreten, bei Rücknahme oder Abwei-
sung des Antrags richte sich der Vergütungsanspruch unmittelbar gegen die
Staatskasse (LG Frankfurt/Oder ZIP 1995, 485 f; Kilger/K. Schmidt, Insolvenz-
gesetze 17. Aufl. § 106 KO Anm. 4). Andere gingen von einer subsidiären Aus-
fallhaftung der Staatskasse aus, falls das Verfahren wegen Massearmut nicht
eröffnet wurde (LG Mosbach ZIP 1983, 710 f; LG Wuppertal ZIP 1984, 734 f;
LG Kassel ZIP 1985, 176 f; LG Frankfurt/Main Rpfleger 1986, 496; LG Stuttgart
ZIP 1995, 762, 763; LG Mainz NZI 1998, 131; LG Offenburg ZIP 1999, 244,
245; Kilger, 100 Jahre Konkursordnung 1977 S. 189, 215; Paulus EWiR 1995,
595 f).
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bb) Wieder andere befürworteten, dem Gläubiger die Vergütung und
Auslagen des Sequesters aufzuerlegen (Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO
4. Aufl. § 21 Rn. 77); dasselbe sollte gelten, wenn er seinen Antrag zurückge-
nommen hatte (LG Heilbronn KTS 1978, 188 f; LG Münster ZIP 1990, 807;
DZWIR 1999, 423; Hess, KO 4. Aufl. § 106 Rn. 29; Hess/Binz/Wienberg, GesO
4. Aufl. § 21 Rn. 9; Uhlenbruck/Delhaes, Konkurs- und Vergleichsverfahren
5. Aufl. Rn. 358).
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cc) Die wohl herrschende Auffassung ging dahin, der Sequester könne
grundsätzlich nur Befriedigung aus dem Vermögen des Schuldners (der "Mas-
se") suchen (OLG Frankfurt/Main ZIP 1992, 1564 f; LG Düsseldorf KTS 1957,
126 f; LG Köln KTS 1969, 124; 1986, 360, 361; LG Darmstadt ZIP 1981, 1360;
1998, 1198; LG Bückeburg NdsRpfl. 1987, 184; LG Gießen JurBüro 1987,
884 f; LG Frankenthal Rpfleger 1997, 38, 39; Jaeger/Weber, KO 8. Aufl. § 106
Rn. 14; Kuhn/Uhlenbruck, aaO § 106 Rn. 20b, 20d; Eickmann, Vergütungsver-
ordnung Anhang A Rn. 23, 33; ders. ZIP 1982, 21 f; Graeber, Die Vergütung
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des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. § 11 InsVV S. 41; Castendiek KTS
1978, 9, 16; Vallender InVo 1997, 4, 6; Grub EWiR 1998, 861 f).
Dieser Meinung neigte auch der Bundesgerichtshof zu. Wurde das Kon-
kursverfahren zunächst eröffnet und dieser Beschluss sodann im Beschwerde-
verfahren unter Zurückweisung des Gläubigerantrags aufgehoben, so entschied
der Bundesgerichtshof, der Antragsteller habe zwar die Kosten des eigentlichen
Eröffnungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen, nicht aber
auch dem Gemeinschuldner die Ausgaben für die Verwaltung der Konkursmas-
se zu erstatten (BGH, Urt. v. 11. Juli 1961 - VI ZR 208/60, NJW 1961, 2016 f).
Diese gehörten nicht zu den gerichtlichen Kosten des Konkursverfahrens. Den
Antragsteller damit zu belasten, sei auch deswegen nicht gerechtfertigt, weil die
vom Gericht angeordnete Konkursverwaltung nicht nur dem Interesse des An-
tragstellers, sondern aller am Konkursverfahren beteiligten Gläubiger gedient
habe. Wollte man bei einer Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses die gesam-
ten Kosten des zunächst eröffneten gemeinschaftlichen Verfahrens dem an-
tragstellenden Gläubiger zur Last legen, so wäre der Konkursantrag mit einem
Risiko verbunden, das bei den oft hohen Kosten der Verwaltung der Konkurs-
masse keinem Gläubiger zugemutet werden könnte. Für die Vergütung des vor-
läufigen Vergleichsverwalters ging der Bundesgerichtshof ebenfalls von der
Haftung des Schuldners aus; eine Ausfallhaftung der Staatskasse verneinte er
(BGH, Urt. v. 5. Februar 1981 - III ZR 66/80, NJW 1981, 1726, 1727).
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d) Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung hat sich der Streit fortgesetzt.
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aa) Allerdings wird eine Haftung der Staatskasse wohl nicht mehr vertre-
ten, seit der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass der Staat grundsätzlich
nicht für den Ausfall haftet, wenn auf einen Eigenantrag des Schuldners, dem
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die Verfahrenskosten nicht gestundet wurden, das Insolvenzverfahren mangels
Masse nicht eröffnet wird und das Schuldnervermögen nicht ausreicht, um Ver-
gütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters zu decken (BGHZ
157, 370, 372 ff).
bb) Die Auffassung, der antragstellende Gläubiger müsse alle Kosten
des Verfahrens, auch die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenz-
verwalters, tragen, wenn der Eröffnungsantrag als unzulässig oder aus Grün-
den, die im Verantwortungsbereich des Gläubigers lägen, als unbegründet ab-
gewiesen wird, ist zwar verbreitet. Es ist jedoch bereits im Vorstehenden (1 a
bb) dargelegt worden dass sie einer gesetzlichen Grundlage entbehrt
(Braun/Kind, InsO 3. Aufl. § 13 Rn. 13, der grundsätzlich ebenfalls für die Kos-
tentragungspflicht des Antragstellers eintritt, nimmt denn auch die Vergütung
und Auslagen des Sequesters ausdrücklich aus).
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cc) Auch unter der Geltung der Insolvenzordnung herrschend ist die An-
sicht, dass die Vergütung und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters
– jedenfalls im Außenverhältnis – ausschließlich von dem Schuldner aufzubrin-
gen sind (OLG Celle NZI 2000, 226, 227 f; Nowak in MünchKomm-InsO, § 11
InsVV Rn. 22; Uhlenbruck, aaO § 13 Rn. 84, § 26 Rn. 32; Kübler/Prütting/Pape,
InsO § 13 Rn. 132b, 133, § 26 Rn. 34 ff; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser,
§ 11 InsVV Rn. 66; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 14 Rn. 52; HK-InsO/Irschlinger,
§ 11 InsVV Rn. 12; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 13 Rn. 57 ff; FK-InsO/Lorenz,
aaO § 11 InsVV Rn. 32; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren
2. Aufl. Rn. 447 f; Mohrbutter EWiR 2000, 681, 682), und zwar auch nach Ab-
weisung oder Rücknahme des Gläubigerantrags (LG Stuttgart NZI 2004, 630 f;
MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 54 Rn. 14; MünchKomm-InsO/Nowak,
aaO § 11 InsVV Rn. 22; Uhlenbruck, aaO § 13 Rn. 84; FK-InsO/Lorenz, aaO).
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Diese Auffassung liegt auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs zugrunde (BGHZ 157, 370, 377).
e) Zutreffend - und zwar sowohl für die Insolvenzordnung als auch das
frühere Recht - ist die zuletzt genannte Auffassung.
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aa) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (BGHZ 157, 370, 372 ff)
fest, wonach in Fällen wie dem vorliegenden eine Primär- oder Ausfallhaftung
des Staates grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Für eine Primärhaftung des
Staates gibt es keine Grundlage, weil der Sequester - wie nunmehr auch der
vorläufige Insolvenzverwalter - kein Geschäft des Staates besorgt, sondern im
Interesse von Privatpersonen, nämlich der Gesamtheit der Gläubiger, tätig wird.
Im Übrigen kann im vorliegenden Fall von einem Ausfall des Klägers nicht die
Rede sein, solange die Möglichkeit besteht, dass er aus einem Titel, den er hier
gerade erst erstreiten will, gegen die Beklagte erfolgreich vollstrecken kann.
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Dass der Gläubiger den Schuldner durch die Einreichung eines Eröff-
nungsantrags bei einem unzuständigen Gericht schädigen kann, wenn nicht die
Staatskasse für die Kosten des Sequesters eintritt, ist im Allgemeinen nicht zu
befürchten. Das angegangene Gericht hat, bevor es Sicherungsmaßnahmen
trifft, etwa einen Sequester bestellt, seine Zuständigkeit zu prüfen. Nur aus-
nahmsweise kann es unaufschiebbare Maßnahmen anordnen, solange die Prü-
fung noch andauert (BGH, Beschl. v. 22. März 2007 - IX ZB 164/06, ZIP 2007,
878 ff).
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bb) Ebenso wenig besteht Anlass, von der Rechtsprechung des Senats
abzuweichen, wonach eine (verdrängende Außen-) Haftung des antragstellen-
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den Gläubigers gegenüber dem Sequester (vorläufigen Insolvenzverwalter)
nicht in Betracht kommt (oben 1 a aa).
cc) Es verbleibt deshalb nur die Haftung des Schuldners.
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(1) Dass die Kosten des Sequesters (vorläufigen Insolvenzverwalters)
stets vom Schuldner zu tragen sind, wenn das Verfahren nicht eröffnet worden
ist, ist nur konsequent. Denn falls es zur Eröffnung kommt, stellen die Vergü-
tung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters nach § 54 Nr. 2 InsO
aus der Insolvenzmasse vorab zu befriedigende Massekosten dar.
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(2) Der Gesetzgeber ist als selbstverständlich davon ausgegangen, der
Schuldner müsse mit seinem Vermögen für die Vergütung einstehen.
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Aus § 25 Abs. 2 Satz 1 InsO ergibt sich, dass der vorläufige Insolvenz-
verwalter mit Verfügungsbefugnis vor der Aufhebung seiner Bestellung seine
Vergütung und Auslagen aus dem Vermögen des Schuldners entnehmen darf.
Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter
ein materieller Anspruch entsprechend den Grundsätzen für die Vergütung ei-
nes "Vermögenspflegers" (§§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221 BGB) zusteht. Ob
das Insolvenzgericht den so genannten schwachen vorläufigen Verwalter er-
mächtigen kann, vor Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen Barmittel aus dem
Schuldnervermögen zur Deckung der entstandenen Kosten zurück zu behalten
(so LG Duisburg ZIP 2001, 1020 f; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 25 Rn. 6d; Kel-
ler, aaO Rn. 55; zur analogen Anwendung des § 25 Abs. 2 InsO vgl. ferner
BGH, Urt. v. 22. Februar 2007 - IX ZR 2/06, NZI 2007, 338, 339), kann dahin
stehen. Obgleich der lediglich "mitbestimmende" vorläufige Insolvenzverwalter,
der nur mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet worden ist (§ 21 Abs. 2
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Nr. 2 Alt. 2 InsO), oder der "schwache" vorläufige Insolvenzverwalter, den das
Insolvenzgericht mit minderen Rechten und Pflichten versehen hat (§ 22 Abs. 2
InsO), das Vermögen des Schuldners nicht verwaltet haben, so haben sie doch
die Verwaltung durch den Schuldner in einer ihren persönlichen Einsatz erfor-
dernden Weise begleitet. Dafür billigt das Gesetz ebenfalls eine Vergütung und
einen Auslagenersatz zu, und es spricht nichts dafür, dass im Außenverhältnis
jemand anders als der Schuldner dafür aufkommen soll.
(3) Für den vom Konkursgericht oder Gesamtvollstreckungsgericht ein-
gesetzten Sequester gilt nichts anderes. Anhaltspunkte dafür, dass die Insol-
venzordnung hinsichtlich des Schuldners der Vergütung und Auslagen der im
Eröffnungsverfahren tätig werdenden Amtsperson eine Änderung mit sich ge-
bracht hat, sind nicht ersichtlich (MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 54
Rn. 13b). Da - wie oben ausgeführt - schon unter der Konkursordnung herr-
schende Meinung war, dass die Vergütung und die Auslagen des Sequesters
ausschließlich von dem Gemeinschuldner aufzubringen sind, wäre eine aus-
drückliche Stellungnahme des Gesetzgebers zu erwarten gewesen, wenn er
davon hätte abrücken wollen.
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Nach der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf einer Insol-
venzordnung sollte § 63 Abs. 2 RegE "sicher (-stellen), dass der vorläufige In-
solvenzverwalter nach der Eröffnung des Verfahrens seine Vergütung aus der
Insolvenzmasse erhält" (BT-Drucks. 12/2443, S. 126). Zur Rechtslage, wenn es
nicht zu der Eröffnung kommt, äußerte sich die Begründung nicht. Auch das
Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. Ok-
tober 2001, das die Stundungsregelung eingeführt hat, lässt nicht erkennen,
dass die Haftung des Schuldners für die Vergütung des vorläufigen Insolvenz-
verwalters als neu empfunden wurde.
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dd) Der Schuldner, der mit seinem Vermögen im Außenverhältnis zu
dem Sequester (vorläufigen Insolvenzverwalter) für dessen Vergütung und Aus-
lagen aufkommen muss, kann im Innenverhältnis zu dem Antragsteller unter
Umständen berechtigt sein, von diesem Schadensersatz zu verlangen (OLG
Celle NZI 2000, 226, 227; LG Stuttgart NZI 2004, 630, 631; MünchKomm-
InsO/Schmahl, aaO § 13 Rn. 171, § 14 Rn. 140 ff; Uhlenbruck, aaO § 14
Rn. 117; HK-InsO/Kirchhof, aaO § 14 Rn. 54; FK-InsO/Schmerbach, aaO § 13
Rn. 59).
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Dr. Gero Fischer Dr. Ganter Raebel
Dr. Kayser Dr. Detlev Fischer
Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 10.02.2006 - 3 O 223/06 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 25.09.2006 - 3 U 49/06 -