Urteil des BGH vom 18.07.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 291/13
Verkündet am:
18. Juli 2014
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
MeAnlG § 13
a) Der Grundstückseigentümer kann den Entschädigungsanspruch nach § 13
MeAnlG nicht dadurch abwenden, dass er von dem früheren Eigentümer der
Anlage deren Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt und diesen in
entsprechender Anwendung der Regelung in § 1001 Satz 2 BGB auf ein Recht zur
Wegnahme verweist.
b) Der Entschädigungsanspruch des ehemaligen Anlageeigentümers für den
Rechtsverlust nach § 13 MeAnlG entfällt oder vermindert sich nicht, wenn sich auf
dem Grundstück schon eine von dem Grundstückseigentümer angelegte Drainage
(Altanlage) befand, die bei der Neuerrichtung der Entwässerungsanlagen im Zuge
der Herstellung einer Komplexmelioration zerstört und durch die am 1. Januar
1995 noch vorhandene Anlage ersetzt wurde.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2014 - V ZR 291/13 - OLG Dresden
LG Chemnitz
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2014 durch die Richter Dr. Lemke und Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 17. Oktober 2013 wird auf
Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Vater des Beklagten brachte in den 1950er Jahren seinen Betrieb
mit landwirtschaftlichen Grundstücken in eine LPG, einen Vorgängerbetrieb der
Klägerin, ein. Die LPG errichtete zwischen 1977 und 1979 - u.a. unter Ein-
beziehung der von dem Vater des Beklagten eingebrachten Grundstücke - eine
Entwässerungsanlage (sog. Komplexmelioration).
Der Beklagte schied 1992 aus dem Unternehmen der Klägerin aus. Zwi-
schen den Parteien kam es zu einem Rechtsstreit über einen Anspruch des
Beklagten auf bare Zuzahlung, der 1996 mit einer Entscheidung des Landwirt-
schaftssenats des Bundesgerichtshofs endete (Beschluss vom 29. November
1996 - BLw 22/96 - unveröffentlicht). Der Beklagte, der die eingebrachten
Grundstücke von der Klägerin zurückerhalten hatte, veräußerte diese im Jahre
2000 an einen Dritten.
Die Klägerin hat den Beklagten im Jahre 2004 auf Zahlung einer Ent-
schädigung in Höhe des Werts der am 1. Januar 1995 kraft Gesetzes in dessen
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Eigentum übergegangenen Anlagen verklagt. Das Landgericht hat der Klage in
Höhe des von einem gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Werts der
Anlage am 1. Januar 1995
von 8.500 € zzgl. Zinsen stattgegeben. In der
Berufungsinstanz hat der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einem
restlichen Abfindungsanspruch nach § 44 LwAnG erklärt, weil die
Meliorationsanlagen in der Umwandlungsbilanz der Klägerin nicht mit Null DM
hätten in Ansatz gebracht werden dürfen, woraus sich ein restlicher
Abfindungsanspruch in Höhe von 3.957,40 € ergebe. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung unter Zurückweisung der hilfsweisen Aufrechnung
zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision
verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung und die
Hilfsaufrechnung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Klägerin nach § 13
MeAnlG i.V.m. § 951 Abs. 1, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB.
Deren Rechtsvorgängerin sei Eigentümerin der von ihr zwischen 1977 und
1979 errichteten Anlage geworden. Der Beklagte sei auf Grund des
gesetzlichen Eigentumsübergangs am 1. Januar 1995 als damaliger
Grundstückseigentümer zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet, woran
sich durch die im Jahre 2000 erfolgte Veräußerung des Grundstücks an einen
Dritten nichts ändere. Der Beklagte sei durch den Übergang des Eigentums an
der Anlage auch bereichert, da diese am 1. Januar 1995 funktionstüchtig
gewesen sei und seine Grundstücke - jedenfalls nach seinem Vorbringen bis
zum
Schluss
der
mündlichen
Verhandlung
-
über
keine
andere
Entwässerungsanlage verfügten.
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Die hilfsweise Aufrechnung des Beklagten mit einem ergänzenden Ab-
findungsanspruch nach § 44 LwAnpG dürfte bereits unzulässig sein, da es sich
um eine rechtswegfremde Gegenforderung handele. Es bestehe jedoch auch in
der Sache kein Gegenanspruch. Dem stehe bereits die rechtskräftige Ent-
scheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. November 1996 entgegen, mit der
dem Beklagten ein Anspruch auf eine bare Zuzahlung in Höhe von 61.139,30
DM zuerkannt worden sei. Die Klägerin hätte den Wert der Meliorationsanlagen
auch nicht eigenkapitalerhöhend in die für die Abfindung der Mitglieder
maßgebliche Bilanz einstellen müssen.
II.
Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Klägerin
gegen den Beklagten ein Anspruch auf Entschädigung nach § 13 MeAnlG
zusteht.
a) Dieser Anspruch setzt allerdings voraus, dass selbständiges Anlage-
eigentum an einer Entwässerungsanlage bestand, weil die Entschädigung für
den Rechtsverlust durch den gesetzlich angeordneten Übergang des
Eigentums an den Entwässerungsanlagen auf den Grundstückseigentümer
(§ 12 Satz 1 MeAnlG) gewährt wird. Das ist hier der Fall. Die Anlage wurde mit
ihrer Errichtung Eigentum der LPG und nicht des Grundstückseigentümers.
Die sich auf den Wortlaut des § 13 Abs. 2 LPGG 1959 berufende
gegenteilige Auffassung der Revision, dass an den von den LPGn unter
Geltung des LPGG vom 3. Juni 1959 (GBl. I S. 577) errichteten
Meliorationsanlagen selbständiges Anlageneigentum im Sinne des § 1 Abs. 1
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MeAnlG nicht entstanden sei, ist unzutreffend. Zwar ist es richtig, dass die
zitierte Vorschrift im LPGG 1959 die Entstehung selbständigen (von dem
Eigentum an Grund und Boden unabhängigen) genossenschaftlichen
Eigentums nur für die von den LPGn errichteten Gebäude (und angepflanzten
Waldflächen) anordnete, dies aber - im Unterschied zu § 27 des LPG-Gesetzes
vom 2. Juli 1982 (GBl. I S. 443) - nicht auch für die von der LPG errichteten
Anlagen bestimmte. Die Revision übergeht bei ihrer an den Wortlaut
anknüpfenden Gesetzesauslegung jedoch, dass diese Vorschriften unter
Berücksichtigung der Rechtspraxis der ehemaligen DDR auszulegen und anzu-
wenden sind (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1997 - VI ZR 63/96, BGHZ 135,
158, 161 f.; Urteil vom 18. März 1998 - IV ZR 126/96, VIZ 1998, 332, 333; Urteil
vom 2. März 2000 - III ZR 141/99, BGHZ 144, 29, 40). In der DDR wurde unter
Bezugnahme auf die Bestimmung des Umfangs des genossenschaftlichen
Eigentums in Art. 13 der DDR Verfassung vom 6. April 1968 (Neufassung vom
7. Oktober 1974, GBl. I S. 432) die Vorschrift in § 13 Abs. 2 LPGG 1959 dahin
ausgelegt, dass (auch) die von den LPGn in Ausübung ihres gesetzlichen
Bodennutzungsrechts errichteten Anlagen genossenschaftliches Eigentum
wurden (Oehler in LPG-Recht [1976], S. 240, 241).
Danach entstand an den - u.a. auf den von dem Vater des Beklagten in
die LPG eingebrachten und daher nach § 8 und § 10 LPGG 1959 ihrem Boden-
nutzungsrecht unterliegenden Flächen - errichteten Meliorationsanlagen gemäß
§ 13 Abs. 2 LPGG 1959 selbständiges Anlageeigentum der Genossenschaft (so
auch: OLG Brandenburg, VIZ 2000, 163, 164; vgl. auch OVG Magdeburg, RdL
1999, 244, 245). Das nach § 13 Abs. 2 LPGG entstandene Anlageeigentum
blieb genossenschaftliches Eigentum nach § 27 LPGG 1982 und bestand nach
Art. 231 § 5 Abs. 1 Satz 1 EGBGB über den 3. Oktober 1990 hinaus fort.
b) Der Grundstückseigentümer kann den Entschädigungsanspruch nach
§ 13 MeAnlG nicht dadurch abwenden, dass er von dem früheren Eigentümer
der Anlage deren Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt und
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diesen in entsprechender Anwendung der Regelung in § 1001 Satz 2 BGB auf
ein Recht zur Wegnahme verweist. Die von der Revision zitierte
Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 21. Dezember 1956 - V ZR 110/56,
BGHZ 23, 61, 65) zum Schutz des Eigentümers vor Wertersatzansprüchen aus
aufgedrängter Bereicherung betrifft unrechtmäßige, gegen den Willen des
Grundstückseigentümers
vorgenommene
Baumaßnahmen
auf
seinem
Grundstück. Diese Rechtsprechung ist auf die in § 1 MeAnlG bezeichneten
Anlagen nicht übertragbar. Das Meliorationsanlagengesetz knüpft an die
Rechtslage in der ehemaligen DDR an, nach der die LPGn zur Errichtung von
Meliorationsanlagen
auf
den
ihrem
gesetzlichen
Bodennutzungsrecht
unterliegenden Flächen berechtigt waren (§ 10 Abs. 1 Buchstabe b LPGG
1959; § 18 Abs. 2 Nr. 2 LPGG 1982); die Errichtung sog. komplexer Anlagen
zur Verbesserung der Bodenbewirtschaftung nach der Meliorationsordnung
vom 29. Juni 1967 - GBl. II, S. 411), die über die Grenzen einzelner LPGn
hinausgehen konnten (Oehler, Staat und Recht [1965], 1829, 1835), wurde
zudem staatlicherseits gefördert. Für einen Schutz des Eigentümers vor
unerwünschten Meliorationsmaßnahmen nach den Grundsätzen über die
aufgedrängte Bereicherung ist vor diesem Hintergrund kein Raum (Thiele in
Thiele/Krajewski/Winterstein/Röske, Schuldrechtsanpassungsgesetz, 2. Aufl.,
§ 13 MeAnlG Rn. 6).
c) Der Entschädigungsanspruch ist nicht im Hinblick auf eine vor 1977
vorhandene Entwässerungsanlage (Vormelioration) zu kürzen. Der Anspruch
des ehemaligen Anlageeigentümers für den Rechtsverlust nach § 13 MeAnlG
entfällt oder vermindert sich nicht, wenn sich auf dem Grundstück schon eine
von dem Grundstückseigentümer angelegte Drainage (Altanlage) befand, die
bei der Neuerrichtung der Entwässerungsanlagen im Zuge der Herstellung
einer Komplexmelioration zerstört und durch die am 1. Januar 1995 noch
vorhandene Anlage ersetzt wurde.
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aa) § 13 MeAnlG berücksichtigt solche Vormeliorationen nicht. Die Höhe
der Entschädigung bemisst sich nach Satz 2 dieser Vorschrift nach dem Wert
der Anlage im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs. Der Gesetzgeber hat vor
dem Hintergrund der unterschiedlichen Auffassungen zu den für die Vergütung
nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblichen Bemessungsgrundlagen
ausdrücklich eine Entschädigung des früheren Eigentümers nach dem Wert der
Anlage bestimmt (BT-Drucks. 12/7135, S. 80).
bb) Die Anwendung des § 13 MeAnlG ist auch nicht im Hinblick auf die
Erwägung
zur
Entschädigungspflicht
in
den
Gesetzesmaterialien
einzuschränken, wonach die von der LPG angelegte Drainage deshalb einen
Vorteil für den Bodeneigentümer darstelle, weil er - wäre die Anlage nicht
vorhanden - selbst eine Drainage anlegen müsste (BT-Drucks. 12/7135, S. 79).
Eine solche (teleologische) Reduktion einer Vorschrift nach ihrem Zweck ist
allerdings geboten, wenn der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der von
ihm gewählten Gesetzesfassung bedacht hat und ihre wortgetreue Anwendung
das gesetzgeberische Ziel deutlich verfehlen würde (BGH, Urteil vom
5. Juli 2007 - IX ZR 185/06, BGHZ 173, 116 Rn. 31; Beschluss vom
29. November 2013 - BLw 4/12, NJW-RR 2014, 243 Rn. 23). Von einer solchen
Verfehlung der gesetzgeberischen Intention kann hier jedoch nicht
ausgegangen werden.
Dagegen spricht bereits, dass der Gesetzgeber in § 13 Satz 2 MeAnlG
das für den Rechtsverlust zu zahlende Entgelt nach dem objektiven (Rest-)Wert
der Anlage am 1. Januar 1995 und nicht nach dem Umfang der von dem
Grundstückseigentümer ersparten Aufwendungen bestimmt hat. Diese
Entschädigung wurde für Entwässerungsanlagen angeordnet, welche die LPGn
nach ihren Investitionsentscheidungen angelegt hatten (BT-Drucks. 12/7135, S.
74). Die Neuerrichtung einer Meliorationsanlage konnte von den privaten
Bodeneigentümern nicht verhindert werden (vgl. Oehler, LPG-Recht [1976],
S. 239), was selbst dann galt, wenn dabei die von den Bodeneigentümern zur
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Entwässerung ihrer Grundstücke angelegten Vormeliorationen zerstört wurden.
Vor
diesem
Hintergrund
ist
davon
auszugehen,
dass
das
Meliorationsanlagengesetz die nach den Rechtsverhältnissen in der DDR
entstandenen Rechte so hingenommen hat, wie es sie vorgefunden hat. Den
Anlageneigentümern ist eine nach einem einheitlichen Maßstab zu
bemessende Entschädigung für den Verlust ihres Eigentumsrechts zuerkannt
worden, während der hypothetische Umstand, dass der Eigentümer einen
entsprechenden Aufwand nicht gehabt hätte, wenn eine auf seinem Grundstück
bereits vorhandene Altanlage in der DDR nicht beseitigt worden wäre, bei der
Bemessung der Entschädigung außer Betracht bleibt.
d) Der Beklagte kann den Entschädigungsanspruch auch nicht mit dem
Argument abwenden, dass die Anlage für ihn keinen Vorteil mehr dargestellt
habe.
aa) Ein solcher Einwand ist allerdings grundsätzlich möglich, da § 13
Satz 1 MeAnlG auf die Vorschrift über die Vergütung für den Rechtsverlust in
§ 951 Abs. 1 BGB verweist. Diese Bestimmung ist wiederum keine eigene
Anspruchsgrundlage, sondern eine Rechtsgrundverweisung auf das allgemeine
Bereicherungsrecht (Senat, Urteil vom 26. Februar 1964 - V ZR 105/61, BGHZ
41, 157, 159; BGH, Urteil vom 11. Januar 1971 - VIII ZR 261/69, BGHZ 55, 176,
177). Auf Grund der Verweisung auf das Bereicherungsrecht müssen für den
Entschädigungsanspruch nach § 13 MeAnlG die Voraussetzungen eines
Anspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB erfüllt sein.
Der Grundstückseigentümer kann daher einwenden, dass er durch den
Übergang des Anlageneigentums nicht bereichert sei, weil die vorhandene Ent-
wässerungsanlage (objektiv) für sein Grundstück keinen Vorteil mehr darstellte
(Knauber in Kiethe, Schuldrechtsanpassungsgesetz, 3. Erg.Lfg., § 3 MeAnlG
Rn. 11). Der Grundstückseigentümer wird durch den Erwerb des Eigentums an
der Anlage nicht bereichert, wenn für die Entwässerung des Grundstücks kein
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Bedarf (mehr) besteht (Zimmermann in Grundstücksrecht-Ost, § 13 MeAnlG
Rn. 11).
bb) Dieser rechtliche Gesichtspunkt führt hier aber zu keinem von dem
Berufungsurteil abweichenden Ergebnis.
(1) Der Erwerb des Eigentums an der Entwässerungsanlage stellte einen
Vorteil für den Beklagten dar, da sein Grundstück am 1. Januar 1995 landwirt-
schaftlich genutzt wurde (und auch weiterhin so genutzt wird) und für diese
Nutzung eine Drainage zweckmäßig ist. Die Entwässerung des Grundstücks er-
folgte über die von der LPG angelegte Anlage, die nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs funktionsfähig war
und den von dem Sachverständigen ermittelten Wert hatte.
(2) Das von den Feststellungen im Berufungsurteil abweichende
Vorbringen des Beklagten in einem nachgereichten, nicht nachgelassenen
Schriftsatz, in dem er erstmals vorgetragen hat, dass der Erwerber die alte
Tonrohrmelioration weiter benutze, während die LPG-Melioration für ihn nicht
den geringsten Ertrag abwerfe und sich als eine reine Störung darstelle, ist
auch in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen. Diesen Vortrag hat das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nach § 296a Satz 1 ZPO nicht der
Entscheidung zugrunde gelegt und darin auch keinen Grund für eine
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO
gesehen. Der von der Revision erhobene Vorwurf einer Verletzung des Art. 103
Abs. 1 GG geht ins Leere, da das Berufungsgericht das Vorbringen zur
Kenntnis
genommen
und
in
seinem
Urteil
wiedergegeben,
aber
verfahrensfehlerfrei nach § 296a Satz 1 ZPO nicht mehr zugelassen hat. Die
Ablehnung einer nach § 156 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts liegenden
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist der Rechtsprüfung des
Revisionsgerichts entzogen, sofern sie nicht mit rechtsfehlerhaften Erwägungen
begründet ist, wofür hier von der Revision jedoch nichts dargelegt worden ist
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(vgl. Senat, Urteil vom 21. Februar 1986 - V ZR 246/84, NJW 1986, 1867,
1868).
e) Dem Anspruch steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.
Die Zurückweisung dieses Einwands im Berufungsurteil ist vor dem Hintergrund
der - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellung des Berufungsgerichts
nicht zu beanstanden, der Beklagte habe nicht einmal behauptet, er habe sich auf
Grund des Verhaltens der Klägerin darauf einrichten dürfen, dass diese ihren
Anspruch auf Wertersatz nicht geltend machen werde. Solche Umstände müssen
jedoch von dem Verpflichteten vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteil vom
30. März 2006 - VII ZR 44/05, BGHZ 167, 75 Rn. 24). Fehlt es daran, kommt ein
Ausschluss des Anspruchs wegen Verwirkung nicht in Betracht. Dieser Einwand
ist nämlich auch wenn der Anspruch erst lange Zeit (hier etwa zehn Jahre nach
seiner Entstehung) von dem Gläubiger geltend gemacht wird, nur dann begründet,
wenn zu dem Zeitablauf besondere auf dem Verhalten des Berechtigten be-
ruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen,
der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (Senat, Urteil
vom 12. Dezember 2008 - V ZR 49/08, NJW 2009, 847 Rn. 39, insoweit in BGHZ
179, 146 ff. nicht abgedruckt; Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09, NJW
2010, 1074 Rn. 19). Trägt der Verpflichtete hierzu nichts vor, kommt eine Ver-
wirkung nicht in Betracht.
f) Die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach § 13
MeAnlG durch die Klägerin stellt sich - auch angesichts des Umstands, dass
dessen Wert in der für den Anspruch des Beklagten auf bare Zuzahlung nach
§ 34 Abs. 1 LwAnpG 1990 (= § 28 Abs. 2 LwAnpG 1991) maßgeblichen
Umwandlungsbilanz mit Null DM bewertet wurde - nicht als eine mit dem
Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbare, unzulässige
widersprüchliche Rechtsausübung dar.
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aa) Ein solcher Einwand kommt allerdings grundsätzlich in Betracht. Ein
widersprüchliches Verhalten einer Partei ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn
für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn
andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen
lassen (BGH, Urteil vom 17. Februar 2005 - III ZR 172/04, BGHZ 162, 175, 181;
Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12).
Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Partei aus ihrem früheren
Verhalten Vorteile gezogen hat und ihr jetziges Verhalten hierzu in einem
unauflösbaren Widerspruch steht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1985 - IVa ZR
153/83, BGHZ 94, 344, 354; Bamberger/Roth/Sutschet, BGB, 3. Aufl., § 242
Rn. 125; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl., § 242 Rn. 319; NK-
BGB/Krebs, 2. Aufl., § 242 Rn. 98; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB
[2009], § 242 Rn. 301).
So könnte es sich verhalten, wenn ein LPG-Nachfolgeunternehmen
gegenüber einem (früheren) LPG-Mitglied den Entschädigungsanspruch nach
§ 13 MeAnlG in voller Höhe geltend machte, nachdem es zuvor dessen von
einer Bilanz abhängigen Ansprüche (nach § 28 Abs. 2, § 36 oder § 44 LwAnpG
1991)
deswegen
gekürzt
hat,
weil
den
Meliorationsanlagen
kein
Vermögenswert zukomme. Das dürfte selbst dann gelten, wenn das
Unternehmen im Zeitpunkt der Bilanzerstellung angesichts der damals noch
ausstehenden
gesetzlichen
Regelung
über
die
Anpassung
der
Rechtsverhältnisse an den Meliorationsanlagen nach dem handelsrechtlichen
Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) zu einer solchen Bewertung
berechtigt war. Für die Unzulässigkeit der Rechtsausübung kommt es allein
darauf an, ob ein objektiver Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt. Selbst
wenn eine Rechtsausübung an sich nicht zu missbilligen ist, kann sie
unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen
Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unver-
einbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig
schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04,
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NJW 2009, 1343 Rn. 41; Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-
RR 2013, 757 Rn. 12).
bb) In der Sache ist der Einwand jedoch deshalb unbegründet, weil für
eine Kürzung des Anspruchs des Beklagten durch die Bewertung der
Meliorationsanlagen mit Null DM weder etwas ersichtlich noch vorgetragen
worden ist. In dem Beschluss des Landwirtschaftssenats vom 29. November
1996 (BLw 22/96 - unveröffentlicht) zu dem Anspruch des Beklagten auf bare
Zuzahlung ist der Wert der Beteiligung des Beklagten an dem Unternehmen
nicht auf Grund des in der Umwandlungsbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals
gekürzt worden. Die nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 LwAnpG zu
berechnenden Beträge für den Inventarbeitrag, dessen Verzinsung und die
Bodennutzung bei der Berechnung der baren Zuzahlung sind nach den
gesetzlichen Bemessungsfaktoren ohne einen Abzug angesetzt worden. Da der
Landwirtschaftssenat in dem Beschluss für die Wertschöpfung durch Arbeit
(§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LwAnpG 1991) einen Betrag von 288 DM jährlich in
Ansatz gebracht hat, kann dahinstehen, ob - wie von dem Beklagten
vorgetragen - der in der Aufstellung der Klägerin (der sog. Personifizierung der
Beteiligungen) für Arbeit ausgewiesene Wert von 160 DM pro Arbeitsjahr unter
Berücksichtigung des Werts der Meliorationsanlagen auf einen Betrag von 258
DM pro Jahr zu erhöhen gewesen wäre.
2. Aus dem Vorstehenden folgt, dass auch die hilfsweise Aufrechnung
des Beklagten mit einem Gegenanspruch auf eine erhöhte Abfindung ohne
Erfolg bleibt.
Da das Berufungsgericht über die - seiner Ansicht nach allerdings vor die
Landwirtschaftsgerichte gehörende - Gegenforderung in der Sache entschieden
hat, ist der Senat nach § 17a Abs. 5 GVG daran gebunden (vgl. BGH, Urteil
vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97, NJW 1999, 651), weil diese
Vorschrift auf das Verhältnis von Landwirtschaftsgericht und Prozessgericht
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entsprechend anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 5. Februar 1996 - II ZR 293/93,
VIZ 1996, 347, 348).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Gegenforderung ist im
Ergebnis richtig. Zwar stünde einem Anspruch auf eine ergänzende Abfindung
die materielle Rechtskraft des oben genannten Beschlusses vom 29. November
1996 nach den für eine verdeckte Teilklage geltenden Grundsätzen dann nicht
entgegen, wenn der Beklagte einen insgesamt höheren Anspruch geltend
machen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1998 - BLw 46/97, VIZ
1999, 298). Da sich aus dem Vorbringen des Beklagten aber ein solcher
Anspruch nicht ergibt, ist die zur Aufrechnung gestellte Forderung zu Recht
abgewiesen worden.
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III.
Die Revision ist danach mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden
Kostenfolge zurückzuweisen.
Lemke
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 04.04.2013 - 4 O 1671/05 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 17.10.2013 - 10 U 651/13 -
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