Urteil des BGH vom 01.03.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 279/11
Verkündet am:
1. März 2013
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 433, 675
Ein Vermittler kann bei der Beratung über die finanziellen Vorteile eines Immobilien-
kaufs zugleich im eigenen und im fremden Namen handeln. Er kann daher von dem
Verkäufer auch dann zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend be-
vollmächtigt sein, wenn er seinerseits einen Vermittlungs- oder Beratungsvertrag mit
dem Kaufinteressenten geschlossen hat (Fortführung von Senat, Urteil vom 14. März
2003
– V ZR 308/02, NJW 2003, 1811).
BGH, Urteil vom 18. Januar 2013 - V ZR 279/11 - OLG Köln
LG Köln
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Januar 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 24. Mai 2011 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 1
abgewiesen worden ist.
Die Berufung der Beklagten zu 1 gegen das Urteil der 4. Zivil-
kammer des Landgerichts Köln vom 24. Februar 2010 wird mit
der Maßgabe zurückgewiesen, dass es anstelle des in dem drit-
ten Absatz des Tenors genannten Datums (1.1.2009) heißen
muss: 1.8.2009.
Die erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen
die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Kosten des Revisions-
verfahrens trägt die Beklagte zu 1. Die Beklagte zu 2 trägt die
durch ihre Nichtzulassungsbeschwerde entstandenen Kosten.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte zu 1 ist Eigentümerin eines in den 1930er Jahren errichte-
ten und im Jahr 1995 unter Denkmalschutz gestellten Wohngebäudekomple-
xes. Sie bestellte zu ihren Gunsten ein Erbbaurecht, teilte dieses - zwecks Ver-
äußerung - in Wohnungserbbaurechte auf und sanierte bis Ende des Jahres
2001 die Gebäude. Der Aufwand für die Sanierungsarbeiten sollte von den Er-
werbern der Wohnungserbbaurechte steuerlich als Sonderabschreibung in An-
satz gebracht werden können. Die Sonderabschreibung hing davon ab, dass
die Sanierungsmaßnahmen nach dem rechtswirksamen Abschluss des Er-
werbsvertrages durchgeführt wurden.
Mit der Vermarktung der Erbbaurechte beauftragte die Beklagte zu 1 die
Rechtsvorgängerin der inzwischen rechtskräftig zu einer Schadensersatzleis-
tung verurteilten Beklagten zu 2 (im Folgenden einheitlich Beklagte zu 2 ge-
nannt), die auf dem Gebiet der Anlageberatung und Finanzdienstleistung tätig
war. Der Kläger gehörte zu ihren Kunden. Zwei ihrer Mitarbeiterinnen bespra-
chen mit ihm den Erwerb einer Wohnung in dem Objekt. Sie erstellten am
8. Oktober 2001 einen Berechnungsbogen betreffend die später von dem Klä-
ger erworbene Wohnung Nr. 29; darin sind die auf den Kaufpreis von
217.588 DM entfallenden Sanierungskosten mit 170.959 DM angegeben. Im
Rahmen einer Prognoseberechnung wurden für die Jahre 2002 bis 2010 die
steuerlich absetzbaren Aufwendungen mit einem Betrag von 19.000 DM pro
Jahr in Ansatz gebracht und, trotz jährlicher Mieteinnahmen von etwas mehr als
10.000 DM, Verluste aus Vermietung und Verpachtung einschließlich Zinsen,
Erbbauzins und sonstiger Nebenkosten in Höhe von jährlich knapp 25.000 DM
errechnet. Als Datum des Baubeginns wurde der 1. August 2001 genannt, als
Fertigstellungstermin der 31. Dezember 2001.
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Der Kläger unterzeichnete zunächst einen
„Reservierungsauftrag“ für die
Wohnung Nr. 29, der von einer der beiden Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2
gegengezeichnet und an die Beklagte zu 1 weitergeleitet wurde. Am
12. November 2001 gab der Kläger - nach Besichtigung einer Wohnung, aller-
dings nicht der Wohnung Nr. 29 - ein notarielles Kaufangebot unter gleichzeiti-
gem Beitritt zu einem Mietpool ab, welches die Beklagte zu 1 am 22. November
2001 fristgerecht annahm. In diesem Zeitpunkt waren die Sanierungsarbeiten
bereits nahezu vollständig abgeschlossen. Der später noch angefallene und
deshalb steuerlich absetzbare Sanierungsaufwand betrug lediglich 826,20
€.
Der Kläger hat die Verurteilung beider Beklagten als Gesamtschuldner
zur Freistellung von Darlehensverbindlichkeiten Zug um Zug gegen Rücküber-
tragung des Wohnungserbbaurechts und zur Zahlung von 4.152,62
€ sowie die
Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht beantragt. Das Landgericht hat der
Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung
der Beklagten zu 2 zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten zu 1
die gegen diese gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelas-
senen Revision will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ur-
teils erreichen. Die Beklagte zu 1 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmit-
tels.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheiden Ansprüche des Klägers
aus Prospekthaftung ebenso aus wie Ansprüche auf Schadensersatz wegen
Nichterfüllung (§ 463 BGB aF) und wegen Verschuldens bei Vertragsverhand-
lungen. Eine Haftung der Beklagten zu 1 wegen der Verletzung einer besonde-
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ren vertraglichen Beratungspflicht komme ebenfalls nicht in Betracht, denn die
Beklagte zu 1 habe die Beratung des Klägers weder im Zusammenhang mit
dem Abschluss des Kaufvertrags noch im Wege eines selbständigen Bera-
tungsvertrags übernommen.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht Stand. Dabei kann
dahinstehen, ob die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil hinsichtlich
möglicher Ansprüche des Klägers aus Prospekthaftung, aus § 463 BGB aF und
wegen Verschuldens bei Vertragsschluss frei von Rechtsfehlern sind. Jeden-
falls verneint das Berufungsgericht zu Unrecht eine Haftung der Beklagten zu 1
wegen der Verletzung ihrer Pflichten aus einem Beratungsvertrag.
1. a) Nach der Rechtsprechung des Senats, die das Berufungsgericht
seinen Überlegungen zugrunde legt, kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein
Beratungsvertrag zustande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Ver-
tragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat er-
teilt; gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhand-
lungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Er-
werbs vorlegt, welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen
soll (siehe nur Urteil vom 31. Oktober 2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371, 374
mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
b) Für den Kläger wurde in Vorbereitung eines von mehreren Gesprä-
chen, die den Erwerb der später tatsächlich erworbenen Wohnung Nr. 29 unter
Ausnutzung steuerlicher Abschreibungsmöglichkeiten zum Gegenstand hatten,
von einer Mitarbeiterin der Beklagten zu 2 ein Berechnungsbogen erstellt. Darin
wurden auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Klägers und seiner
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Steuerlast die bei einem Ankauf der Wohnung erzielbaren Steuervergünstigun-
gen umfassend dargestellt und erläutert. Dass die Mitarbeiterin der Beklagten
zu 2 damit - erfolgreich - das Ziel verfolgte, die Vermittlung des Wohnungskaufs
zu fördern, steht außer Frage.
c) Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2 konnten einen Beratungsver-
trag für die Beklagte zu 1 zustande bringen.
aa) Stellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrags die Aufgabe der Be-
ratung des Kaufinteressenten und ist sie von dem Verkäufer einem Makler oder
sonstigen Vermittler überlassen worden, kann sich dessen stillschweigende
Bevollmächtigung zum Abschluss des Beratungsvertrags zwischen Verkäufer
und Käufer aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). Dabei sind für die An-
nahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung und an die Kundgabe des
Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen
(§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen, wenn der Käufer
dem Vermittler seinerseits keinen Maklerauftrag erteilt. Es reicht dann aus, dass
die individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Vorausset-
zung für den erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen war (Senat,
Urteil vom 14. März 2003 - V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812 f.; Urteil vom
13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875 Rn. 16).
Umgekehrt folgt daraus aber nicht, dass unmittelbare Rechtsbeziehun-
gen zwischen dem Vermittler und dem Kaufinteressenten die Annahme eines
kraft konkludent erteilter Vollmacht zustande gekommenen Beratungsvertrags
mit dem Verkäufer hindern (so zutreffend Krüger, ZNotP 2007, 442, 443; vgl.
auch Senat, Urteil vom 13. Oktober 2006 - V ZR 66/06, aaO, Rn. 17). Abgese-
hen davon, dass ein Handeln zugleich im eigenen und im fremden Namen so-
wohl bei der Abgabe von Willenserklärungen wie auch bei der Erfüllung von
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Verbindlichkeiten rechtlich möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1988
- VIII ZR 175/87, BGHZ 104, 95, 100; Urteil vom 21. April 1954 - VI ZR 55/53,
BGHZ 13, 111, 113 f.), kommt ohnehin stets in Betracht, dass ein Makler oder
Anlagevermittler bei der Vertragsanbahnung - ohne äußeren Einschnitt in sei-
nem Auftreten - auch für den Verkäufer, also in doppelter Funktion tätig wird
(vgl. Senat, Urteil vom 26. April 1991 - V ZR 165/89, BGHZ 114, 263, 269 ff.).
Folglich kann eine Haftung aus beiden Rechtsverhältnissen entstehen.
Im Hinblick auf eine Haftung des Verkäufers machen Rechtsbeziehungen
zwischen dem Kaufinteressenten und dem Vermittler lediglich nähere Feststel-
lungen dazu erforderlich, ob die - auf das Objekt des Verkäufers bezogene -
Beratung des Interessenten dessen Kaufentschluss fördern sollte, ob der Ver-
mittler dabei (auch) namens des Verkäufers handeln konnte und gehandelt hat
und ob der Kaufentschluss (auch) auf der Beratung in Vertretung des Verkäu-
fers beruhte. Ausreichend für die Annahme einer konkludenten Bevollmächti-
gung des Vermittlers zum Abschluss eines Beratungsvertrages ist die Feststel-
lung, dass der Verkäufer den Vermittler mit dem Vertrieb der Immobilie beauf-
tragt hat und dabei wusste oder jedenfalls nicht ausschließen konnte, dass die-
ser gegenüber Interessenten die finanziellen Vorteile eines Kaufs herausstellen
würde. Von Letzterem ist stets auszugehen, wenn sich bereits nach dem Ver-
triebskonzept des Verkäufers die Aufgabe stellt, den Kaufinteressenten über die
finanziellen Vorteile eines Erwerbs der angebotenen Immobilie zu beraten.
Dass die Beratung nach den Umständen (auch) im Namen des Verkäufers er-
folgt ist, kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass der Berater in den ver-
wendeten Prospekten als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist, dass er
von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet
oder dass der Verkäufer auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzich-
tet und es dem mit dem Vertrieb beauftragten Berater überlässt, die Vertrags-
verhandlungen bis zur Abschlussreife zu führen (vgl. Senat, Urteil vom
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31. Oktober 2003 - V ZR 423/02, BGHZ 156, 371, 375; Urteil vom 13. Oktober
2006 - V ZR 66/06, NJW 2007, 1874, 1875 Rn. 16 f.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist ungeachtet des zwischen dem Kläger
und der Beklagten zu 2 bestehenden, von dem Berufungsgericht als Anlagebe-
ratungsvertrag qualifizierten, Vertragsverhältnisses ein Beratungsvertrag mit der
Beklagten zu 1 zustande gekommen.
Ausweislich des von der Beklagten zu 1 erstellten Prospekts gehörte es
zu dem Vertriebskonzept, die steuerlichen Vorteile eines Erwerbs, insbesonde-
re die Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7i bzw. § 10f EStG (Denkmalab-
schreibung), herauszustellen. So wurden die begünstigten, zu 100% abschreib-
baren Kosten im Prospekt mit ca. 80% des Gesamtkaufpreises angegeben, er-
gänzt durch den Hinweis, dass der zu zahlende Erbbauzins bei Kapitalanlegern
wie Werbungskosten zu behandeln und damit ebenfalls abzugsfähig sei. Damit
stellte sich bei der Vermittlung des Kaufvertrages insbesondere die Aufgabe,
den Kaufinteressenten die steuerlichen Vorteile des Kaufs darzustellen. Indem
sie die Beklagte zu 2 auf dieser Grundlage mit dem Vertrieb der Wohnungen
beauftragte, bevollmächtigte die Beklagte zu 1 diese konkludent, im Rahmen
der Verkaufsverhandlungen eine solche Beratung vorzunehmen.
Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2 haben den Kläger anhand des
Prospekts und eines Berechnungsbogens über die steuerlichen und sonstigen
finanziellen Auswirkungen des Erwerbs der später erworbenen Wohnung bera-
ten. Dass die Beklagte zu 2 hierbei (auch) für die Verkäuferin, also für die Be-
klagte zu 1, tätig war, ließen die Umstände erkennen. Denn die nach den Fest-
stellungen des Berufungsgerichts verwendeten Berechnungsbögen enthielten
den Hinweis,
dass die Berechnung nur „im Zusammenhang, insbesondere mit
den Haftungshinweisen und Erläuterungen, sowie mit einem gültigen Verkaufs-
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prospekt“ gelte, welchen der Berater gerne aushändige. Dies machte deutlich,
dass die Beispielsrechnung keine selbständige Analyse der Rentabilität eines
fremden Anlageprodukts darstellte, sondern die in dem Verkaufsprospekt ent-
haltenen allgemeinen Angaben der Beklagten zu 1 konkretisierte und ergänzte
und damit Teil des Verkaufskonzepts war.
2. Die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2 haben den Kläger falsch bera-
ten. Das muss die Beklagte zu 1 - über die Beklagte zu 2 - gegen sich gelten
lassen (§ 278 BGB).
a) Der Beratungsvertrag verpflichtet zu richtiger und vollständiger Infor-
mation über die tatsächlichen Umstände, die für den Kaufentschluss des Er-
werbsinteressenten von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können (Senat,
Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 223/03, NJW 2005, 983). Wer als Verkäufer
für eine Immobilie wirbt und dabei Steuervorteile einer Anlage- oder Kaufent-
scheidung herausstellt oder in konkrete Finanzierungsvorschläge einbezieht,
muss Voraussetzungen, Hinderungsgründe und Ausmaß der Steuervorteile
richtig und so vollständig darstellen, dass bei dem Käufer über keinen für seine
Entscheidung möglicherweise wesentlichen Umstand eine Fehlvorstellung er-
weckt wird (Senat, Urteil vom 26. April 1991 - V ZR 165/89, BGHZ 114, 263,
268 mwN).
b) Gegen diese Pflicht haben die Mitarbeiterinnen der Beklagten zu 2
verstoßen. Mögen sie den Kläger über sämtliche Umstände der erhöhten
Denkmalabschreibung informiert haben, haben sie es doch unterlassen, ihn auf
den Stand der bereits begonnenen Sanierungsarbeiten hinzuweisen. Wollte
man diesen Hinweis in der Angabe auf dem Berechnungsbogen „Baubeginn
01.08.2001“ sehen, hätten sie dem Kläger das Ausmaß der Steuervorteile
falsch dargestellt.
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c) Die Verletzung der Beratungspflicht haben die Mitarbeiterinnen der
Beklagten zu 2 zu vertreten. Das wird entsprechend § 282 BGB aF (heute:
§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) vermutet. Die Vermutung ist nicht entkräftet worden.
d) Der Kaufentschluss des Klägers beruht auf der Beratung, welche auf
der Grundlage des Prospekts und der Berechnungsbögen und damit (auch) für
die Verkäuferin durchgeführt worden ist. Die Kausalität des Beratungsfehlers für
den Kaufentschluss wird vermutet, wenn es für den anderen Teil vernünftiger-
weise nur eine bestimmte Möglichkeit der Reaktion auf die Aufklärung gibt und
die Möglichkeit eines Entscheidungskonflikts ausscheidet (vgl. Senat, Urteil
vom 30. November 2007 - V ZR 284/06, NJW 2008, 649, 650; Urteil vom
6. April 2001 - V ZR 402/99, NJW 2001, 2021 f.). So liegt es hier; für die Mög-
lichkeit eines Entscheidungskonflikts fehlt jeder Anhaltspunkt.
e) Auf einen Haftungsausschluss kann sich die Beklagte zu 1 nicht beru-
fen. Der in dem Verkaufsprospekt enthaltene Ausschluss der Haftung „für den
Eintritt der Kosten, Ertrags-
und Steuerprognosen“ ist nicht einschlägig. Hiermit
sind ersichtlich Unwägbarkeiten, mit denen jede Prognose behaftet ist, gemeint
soweit sonstige außerhalb der Sphäre des Verkäufers liegende Umstände, die
sich auf das individuelle steuerliche Ergebnis auswirken können. Die unterblie-
bene Aufklärung darüber, in welchem (Sanierungs-)Zustand sich die ausge-
wählte Immobilie befand, betrifft dagegen einen konkreten, feststehenden Um-
stand aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1, der die in Aussicht
gestellten steuerlichen Denkmalsabschreibungen und damit den Anlagezweck
insgesamt in Frage stellte.
Soweit es im Prospekt ferner heißt, Personen und deren Unterbeauftrag-
te, die mit dem Vertrieb und der Vermittlung befasst seien, seien nicht Erfül-
lungsgehilfen des Prospektherausgebers, ist auch diese Regelung nicht ein-
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schlägig; denn sie bezieht sich nach dem Zusammenhang, in dem sie steht, auf
eine mögliche Haftung für Angaben, Aussagen oder Zusagen der Vertriebsbe-
auftragten, die von dem Prospektinhalt abweichen. Um solche Angaben geht es
hier nicht.
3. Den durch die Falschberatung entstandenen Schaden muss die Be-
klagte zu 1 dem Kläger ersetzen. Er ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er
den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte (Senat, Urteil vom 14. März 2003
- V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1814). Auf dieser Grundlage hat das Beru-
fungsgericht die von dem Landgericht in dem erstinstanzlichen Urteil vorge-
nommene Schadensberechnung im Rahmen der Zurückweisung der Berufung
der Beklagten zu 2 zu Recht bestätigt. Insbesondere muss sich der Kläger, ent-
gegen der von der Beklagten zu 1 vertretenen Meinung, die von ihm erzielten
Steuervorteile nicht anrechnen lassen (vgl. Senat, Urteil vom 30. November
2007 - V ZR 284/06, NJW 2008, 649, 650; BGH, Urteil vom 19. Juni 2008
- VII ZR 215/06, NJW 2008, 2773). Dem Kläger ist somit ein bezifferbarer
Schaden in Höhe von 174.844,66
€ entstanden, den er - Zug um Zug gegen
Rückübertragung des Erbbaurechts an der Wohnung Nr. 29 - in Höhe von
38.544,66
€ als Zahlung, in Höhe weiterer 3.893,49 € zusätzlich Zug um Zug
gegen Abtretung des Anspruchs auf Rückerstattung der gezahlten Grunder-
werbsteuer ebenfalls als Zahlung, im Übrigen im Wege der Freistellung von
seinen für die Finanzierung des Kaufpreises entstandenen Darlehensverbind-
lichkeiten ersetzt verlangen kann. Zusätzlich steht ihm ein Anspruch auf Erstat-
tung von 4.158,82
€ nebst Zinsen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.
4. Die von dem Landgericht ausgeurteilten Feststellungen, dass sich die
Beklagte zu 1 mit der Annahme des Übereignungsangebots des Klägers in Ver-
zug befindet und dass sie verpflichtet ist, ihm den aus dem Kauf des Erbbau-
rechts entstandenen weiteren Schaden zu ersetzen, lassen Rechtsfehler nicht
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erkennen; dabei hat der Senat die von dem Kläger in der mündlichen Verhand-
lung vor dem Berufungsgericht vorgenommene Klarstellung hinsichtlich der zeit-
lichen Einschränkung der weiteren Schadensersatzpflicht auch im Verhältnis zu
der Beklagten zu 1 berücksichtigt.
5. Die von der Beklagten zu 1 in der ersten Instanz erhobene und in der
zweiten Instanz aufrecht erhaltene Verjährungseinrede hindert die Durchset-
zung der Ansprüche nicht. Verjährung ist nicht eingetreten. Nach Art. 229 § 6
EGBGB, §§ 195, 199 BGB beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt
mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der
Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen sowie der Person des
Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen
müssen, frühestens jedoch am 1. Januar 2002. Davon, dass die erhöhte Denk-
malabschreibung dem Kläger nur zu einem geringen Teil zugute kam, erhielt er
erst durch den Feststellungsbescheid des Finanzamts Ende November 2006
Kenntnis. Dass der Kläger diese Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht
früher erlangt hat, verneint das Berufungsgericht - in der Begründung der Zu-
rückweisung der von der Beklagten zu 2 eingelegten Berufung - rechtsfehlerfrei.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, §§ 565, 516
Abs. 3 ZPO analog.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 24.02.2010 - 4 O 12/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 24.05.2011 - 24 U 82/10 -
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