Urteil des BGH vom 10.10.2012

BGH: zustand der mietsache, wohnung, anschluss, vermieter, ausnahme, ausschluss, verfügung, erlass, energie, härte

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 56/12
Verkündet am:
10. Oktober 2012
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin
Dr. Milger sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 63
des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte mietete im Jahr 1997 vom Rechtsvorgänger der Klägerin
eine mit Einzelofenheizung ausgestattete Wohnung in Berlin Mitte an und baute
mit dessen Einverständnis auf eigene Kosten eine Gasetagenheizung ein.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 kündigte die Klägerin dem Beklag-
ten umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen an, unter anderem den An-
schluss der Wohnung an die im Gebäude inzwischen vorhandene Zentralhei-
zung und die zentrale Wasserversorgung. Der Beklagte stimmte der Durchfüh-
rung der angekündigten baulichen Maßnahmen nicht zu. Die daraufhin von der
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Klägerin erhobene Duldungsklage haben die Parteien für erledigt erklärt, soweit
sie sich nicht auf den Anschluss der Wohnung an die Zentralheizung und die
zentrale Warmwasserversorgung bezog; insoweit hat das Amtsgericht die Kla-
ge abgewiesen. Das Landgericht hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert
und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revi-
sion erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch
Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Klägerin in der mündlichen Revisions-
verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Inhaltlich be-
ruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer
Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79,
81 ff.).
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch darauf, den An-
schluss ihrer Wohnung an die Zentralheizung und an die zentrale Warmwas-
serversorgung zu dulden. Es handele sich dabei um eine Modernisierung im
Sinne des § 554 Abs. 2 BGB, weil die Wohnung des Beklagten seitens des
Vermieters nur mit Einzelöfen ausgestattet sei. Dass der Beklagte aufgrund ei-
ner Modernisierungsvereinbarung mit der Klägerin eine Gasetagenheizung ein-
gebaut habe, bleibe außer Betracht, weil vom Mieter geschaffene Modernisie-
rungen im Rahmen des § 554 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden dürften;
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anderenfalls hätte es der Mieter in der Hand, eine Modernisierung des Vermie-
ters durch eigene Investitionen zu blockieren.
Der Beklagte könne auch nicht geltend machen, dass die Modernisierung
für ihn mit Rücksicht auf die zu erwartende Mieterhöhung eine unzumutbare
Härte darstelle, denn die Wohnung werde durch den Anschluss an die Zentral-
heizung und die zentrale Warmwasserversorgung lediglich in einen allgemein
üblichen Zustand versetzt (§ 554 Abs. 2 Satz 4 BGB). Ausgangspunkt für die
Beurteilung sei auch insoweit der für die Bemessung der Miete maßgebliche
Zustand, mithin der vom Vermieter zur Verfügung gestellte Zustand mit Einzel-
öfen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin ge-
gen den Beklagten, den Anschluss seiner Wohnung an die Zentralheizung und
die zentrale Warmwasserversorgung zu dulden, nicht bejaht werden.
Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kommt
es für die Beurteilung der Frage, ob vom Vermieter geplante bauliche Maßnah-
men des Vermieters als Verbesserung der Mietsache im Sinne des § 554
Abs. 2 BGB anzusehen sind, auf den gegenwärtigen Zustand der Mietsache
einschließlich der vom Mieter rechtmäßig vorgenommenen Verbesserungen an;
lediglich vertragswidrig vorgenommene bauliche Maßnahmen des Mieters blei-
ben außer Betracht (Senatsurteil vom 20. Juni 2012 - VIII ZR 110/11, WuM
2012, 448 Rn. 13).
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Dieser Maßstab gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob eine Härtefall-
prüfung nach § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB unterbleibt, weil die Mietsache durch die
vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme lediglich in einen Zustand versetzt
wird, wie er allgemein üblich ist; auch insoweit ist der gegenwärtige Zustand
einschließlich vom Mieter rechtmäßig vorgenommener Veränderungen zugrun-
de zu legen.
Die in § 554 Abs. 2 Satz 4 BGB vorgesehene Ausnahme von der Härte-
fallprüfung soll im Interesse der Verbesserung der allgemeinen Wohnverhält-
nisse verhindern, dass eine Modernisierung, mit der lediglich ein allgemein übli-
cher Standard erreicht wird, im Hinblick auf persönliche Härtegründe des Mie-
ters unterbleibt. Diese Zielsetzung verbietet es, einen vom Mieter rechtmäßig
geschaffenen Zustand, der diesem Standard bereits entspricht, außer Acht zu
lassen. Ein Ausschluss der Härtefallprüfung nach § 554 Abs. 2 BGB kann des-
halb nicht damit begründet werden, dass die früher vorhandenen Einzelöfen
dem heutigen allgemein üblichen Zustand nicht entsprechen. Gegenüber der
bereits vorhandenen Gasetagenheizung stellt die inzwischen eingebaute Zent-
ralheizung keine Wohnwertverbesserung dar, denn in der Regel ist eine
Gasetagenheizung, deren Einstellung der Mieter allein regeln kann, zumindest
ebenso komfortabel wie eine Zentralheizung. Es kann daher nicht angenommen
werden, dass erst mit dem Anschluss der Wohnung der Beklagten an die Zen-
tralheizung ein allgemein üblicher Wohnstandard erreicht würde.
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand ha-
ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). Die Sache ist nicht zur End-
entscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von
ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu ge-
troffen hat, ob der Anschluss der Wohnung des Beklagten an die Zentralhei-
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zung zu einer Einsparung von Energie führt und ob in der Person des Beklagten
ein Härtegrund im Sinne des § 554 Abs. 2 Satz 2 BGB vorliegt. Die Sache ist
daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-
rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 15.02.2011 - 5 C 75/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 10.01.2012 - 63 S 136/11 -