Urteil des BGH vom 02.11.2010

BGH (stgb, nötigung, missbrauch, alter, schuldspruch, stpo, stv, kauf, verurteilung, hauptverhandlung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 522/10
vom
2. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 2. November 2010 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Mai 2010 mit den
Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Missbrauchs
von Kindern in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauchs von
Kindern und in Tateinheit mit sexueller Nötigung" zu der Freiheitsstrafe von
zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
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1. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen
sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit versuchtem schwerem
sexuellem Missbrauch eines Kindes nicht. Die Tatbestände des § 176 Abs. 1
StGB und § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB setzen jeweils nicht nur in objektiver Hin-
sicht voraus, dass das Opfer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, son-
dern auch, dass der Täter ein solches Alter des Opfers zumindest billigend in
Kauf nimmt. Feststellungen zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht jedoch
rechtsfehlerhaft nicht getroffen (vgl. Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 267 Rn. 7).
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Hierzu folgt auch aus dem Urteilszusammenhang nichts (vgl. BGH, Beschluss
vom 29. Oktober 2002 - 3 StR 358/02, StV 2003, 393); dem angefochtenen Ur-
teil lassen sich insbesondere keine Feststellungen etwa zur körperlichen Ent-
wicklung und zum Erscheinungsbild des zur Tatzeit 12 Jahre alten Opfers ent-
nehmen, die klar ersichtlich machen, dass dem Angeklagten das Alter seines
Opfers zumindest gleichgültig gewesen war (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April
2008 – 5 StR 589/07, NStZ-RR 2008, 238).
2. Der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tat-
einheit mit versuchtem schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes ist daher
aufzuheben; dies gilt auch für die - für sich gesehen rechtsfehlerfreie - Verurtei-
lung wegen sexueller Nötigung, da die Verwirklichung dieses Tatbestandes in
Tateinheit zu den angeklagten Verstößen gegen §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 2
Nr. 1 StGB steht.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass Beden-
ken gegen die strafschärfende Erwägung des Landgerichts bestehen, der An-
geklagte habe sich "an einem noch sehr jungen Mädchen" vergriffen.
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Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer