Urteil des BGH vom 03.06.2014

Stadtwerke Freudenstadt Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
E n V R 7 2 / 1 2
Verkündet am:
3. Juni 2014
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Enervie AssetNetWork GmbH
StromNEV § 11
a) Die Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze sind in die periodenübergrei-
fende Saldierung nach § 11 StromNEV einzubeziehen (Ergänzung zu BGH,
Beschluss vom 31. Januar 2012 - EnVR 31/10, RdE 2012, 209 - Stadtwerke
Freudenstadt).
b) Bei der Saldierung sind die Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze an-
zusetzen, die in der betroffenen Kalkulationsperiode tatsächlich angefallen
sind.
c) Entsprechendes gilt für Kosten, die durch Entgelte für die Betreiber dezentra-
ler Erzeugungsanlagen gemäß § 18 StromNEV entstehen.
BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 72/12 - OLG Düsseldorf
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juni 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die
Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Grüneberg, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 28. November 2012 verkün-
deten Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düs-
seldorf wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten der Rechtsbeschwerdeinstanz tragen die
Betroffene drei Viertel und die Bundesnetzagentur ein Viertel. Außer-
gerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird wie folgt fest-
gesetzt:
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für die Zeit bis zur Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die
Bundesnetzagentur: 12,5 Millionen Euro;
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für die Zeit danach: 9,4 Millionen Euro.
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Gründe:
I.
Die Betroffene betreibt ein Stromverteilernetz. Mit Beschluss vom
21. Januar 2009 setzte die Bundesnetzagentur die Erlösobergrenzen für die
Jahre 2009 bis 2013 niedriger als von der Betroffenen begehrt fest.
Mit ihrer Beschwerde hat sich die Betroffene unter anderem dagegen
gewandt, dass die Bundesnetzagentur im Rahmen der periodenübergreifenden
Saldierung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 ARegV und § 11 StromNEV für die Ka-
lenderjahre 2007 und 2008 hinsichtlich der gemäß § 18 StromNEV erbrachten
Zahlungen an Betreiber von dezentralen Erzeugungsanlagen nicht nur men-
genbedingte Differenzen berücksichtigt, sondern anstelle der in die Kalkulation
eingeflossenen Zahlungen aus den Geschäftsjahren 2004/2005 bzw. 2006 die
tatsächlichen Kosten aus den Jahren 2007 bzw. 2008 herangezogen hat.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde hinsichtlich dieses Punktes
zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der vom Beschwer-
degericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, der die Bundesnetzagentur ent-
gegentritt. Ihre eigene, einen anderen Punkt betreffende Rechtsbeschwerde hat
die Bundesnetzagentur zurückgenommen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist unbegründet.
1.
Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, soweit im
Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt be-
gründet:
Für die periodenübergreifende Saldierung nach § 11 StromNEV, die ge-
mäß § 34 Abs. 1 ARegV auch in der ersten Periode der Anreizregulierung zu
berücksichtigen sei, seien grundsätzlich nur Mengenabweichungen von Bedeu-
tung. Die im Rahmen des Entgeltgenehmigungsverfahrens geprüften Kosten
würden grundsätzlich nicht angepasst. Bei den Kosten für die Nutzung vorgela-
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gerter Netze seien hingegen nicht die planerisch kalkulierten, sondern die tat-
sächlich entstandenen Kosten heranzuziehen. Steigerungen bei diesen Kosten
könne der Netzbetreiber nach dem Grundsatz der Kostenwälzung unmittelbar
an den Netznutzer weitergeben. Eine auftretende Differenz sei deshalb stets
eine Mengendifferenz. Eine Bereinigung sei auch deshalb geboten, weil vorge-
lagerte Netzkosten ihrerseits der Regulierung unterlägen und bei dem jeweili-
gen Netzbetreiber reine Durchlaufposten seien. Schon in der Kostenregulierung
seien sowohl Erhöhungen als auch Senkungen dieser Kosten weiterzugeben
gewesen. In der Anreizregulierung würden diese Kosten zu den dauerhaft nicht
beeinflussbaren Kostenanteilen gezählt. Angesichts all dessen müssten sie in
der periodenübergreifenden Saldierung entsprechend § 11 StromNEV berück-
sichtigt werden.
Dieselben Erwägungen gälten in Bezug auf Kosten für die Vergütung für
dezentrale Einspeisungen. Diese stünden in einem spiegelbildlichen Zusam-
menhang mit den Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze und müssten
folglich in gleicher Weise in die periodenübergreifende Saldierung einbezogen
werden. Dem stehe nicht entgegen, dass bei der Bestimmung der Netzkosten
gemäß § 5 Abs. 3 StromNEV die tatsächlichen Zahlungen des letzten abge-
schlossenen Geschäftsjahrs zu berücksichtigen seien. Ungeachtet dieser Vor-
schrift handle es sich bei den angesetzten Kosten um Planwerte, die auf einer
Prognose beruhten. Im Rahmen der periodenübergreifenden Saldierung seien
Abweichungen bei den tatsächlich angefallenen Kosten deshalb in gleicher
Weise zu berücksichtigen wie bei den Kosten für die Nutzung vorgelagerter
Netze. Entgegen der Auffassung der Betroffenen diene § 5 Abs. 3 StromNEV
nicht dem Ziel, die in einem Geschäftsjahr angefallenen Kosten mit einem zeitli-
chen Versatz von zwei Jahren abwälzen zu können.
2.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.
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a)
Die in § 11 StromNEV vorgesehene periodenübergreifende Sal-
dierung dient dem Ausgleich von Abweichungen zwischen den geplanten und
den tatsächlich erzielten Erlösen einer Kalkulationsperiode, die aufgrund von
Prognosefehlern entstanden sind.
aa)
Diese Regelung soll in erster Linie verhindern, dass für den Netz-
betreiber ein Anreiz besteht, die Prognosemenge systematisch zu unterschät-
zen, um Mehrerlöse erzielen zu können (BR-Drucks. 245/05, S. 37). Die Vor-
schrift sieht einen Ausgleich aber auch dann vor, wenn die Prognosemenge zu
hoch ist und die Erlöse deshalb geringer ausgefallen sind als erwartet. Ebenso
wie die im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung in § 10 GasNEV (dazu BGH,
Beschluss vom 31. Januar 2012 - EnVR 31/10, RdE 2012, 209 Rn. 45 - Stadt-
werke Freudenstadt) dient § 11 StromNEV deshalb insgesamt dem Zweck, dem
Netzbetreiber diejenigen - und nur diejenigen - Erlöse dauerhaft zu belassen,
die er erzielt hätte, wenn er die tatsächlich angefallene Menge zutreffend prog-
nostiziert und die angesetzten Kosten auf diese Menge umgelegt hätte.
bb)
Wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, werden nach
§ 11 StromNEV grundsätzlich nur Mengenabweichungen berücksichtigt.
Dies ergibt sich daraus, dass bei der Saldierung zwar gemäß § 11 Satz 1
Nr. 1 StromNEV die tatsächlich erzielten Erlöse angesetzt werden, diese nach
Nummer 2 der genannten Vorschrift aber nicht den tatsächlich angefallenen
Kosten gegenüber gestellt werden, sondern den Kosten, die für die Kalkulati-
onsperiode nach §§ 4 ff. StromNEV zugrunde gelegt und auf die prognostizierte
Menge umgelegt wurden. Ein Differenzbetrag kann sich bei dieser Berech-
nungsweise grundsätzlich nur dann ergeben, wenn die tatsächlich angefallenen
Mengen von den prognostizierten Mengen abweichen.
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b)
Zu Recht ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass
Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze in die Saldierung einzubeziehen
sind.
aa)
Der Senat hat bereits entschieden, dass die Kosten für die Nut-
zung vorgelagerter Gasnetze in die periodenübergreifende Saldierung gemäß
§ 10 GasNEV einzubeziehen sind.
Hierbei hat er als unerheblich angesehen, dass diese Kosten bei der kos-
tenbasierten Entgeltregulierung für Gasnetze nicht Teil der Genehmigung nach
§ 23a EnWG gewesen sind. Als ausschlaggebend hat er vielmehr erachtet,
dass diese Kosten in vollem Umfang auf den Netzkunden abgewälzt werden
dürfen. Hieraus hat er die Schlussfolgerung gezogen, dass dem Netzbetreiber
dauerhaft diejenigen Erlöse verbleiben müssen, die er erzielt hätte, wenn er die
tatsächlich angefallene Menge zutreffend prognostiziert hätte (BGH, RdE 2012,
209 Rn. 46 - Stadtwerke Freudenstadt).
bb)
Für die periodenübergreifende Saldierung gemäß § 11 StromNEV
gilt nichts anderes.
Auch die Betreiber von Stromverteilernetzen dürfen Kosten für die Nut-
zung vorgelagerter Netzentgelte in vollem Umfang auf den Netzkunden abwäl-
zen. Kommt es zu Abweichungen zwischen den für eine Kalkulationsperiode
angesetzten und den in dieser Kalkulationsperiode tatsächlich angefallenen
Kosten, muss deshalb ein Ausgleich gemäß § 11 StromNEV erfolgen.
c)
Zu Recht hat das Beschwerdegericht entschieden, dass in diesem
Zusammenhang nicht nur Mengenabweichungen, sondern auch sonstige Kos-
tenabweichungen zu berücksichtigen sind.
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Dies ergibt sich aus dem bereits aufgezeigten Umstand, dass die Kosten
für die Nutzung vorgelagerter Netze - anders als sonstige in die Saldierung ein-
zubeziehende Kosten - nach dem unter anderem in § 14 StromNEV zum Aus-
druck gebrachten Prinzip der Kostenwälzung in vollem Umfang auf die jeweili-
gen Netznutzer abgewälzt werden dürfen. Dieses Prinzip gilt, wie der Senat
bereits entschieden hat, nicht nur für den Fall von Kostenerhöhungen. Vielmehr
waren die Netzbetreiber schon im Rahmen der Regulierung durch die Geneh-
migung von Nutzungsentgelten gemäß § 23a EnWG verpflichtet, Kostensen-
kungen in diesem Bereich durch Reduzierung ihrer Netzentgelte ebenfalls zeit-
nah an die Netznutzer weiterzugeben (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2009
- EnVR 76/07, juris Rn. 44). Mit diesem Regelungskonzept ist es nicht verein-
bar, einen Netzbetreiber dauerhaft mit Mehrkosten zu belasten, die sich wegen
eines zu niedrigen Ansatzes von Kosten für die Nutzung vorgelagerter Netze
ergeben, oder einem Netzbetreiber dauerhaft Mehrerlöse zu belassen, die sich
aufgrund eines zu hohen Kostenansatzes in diesem Bereich ergeben. Ebenso
wie eine Abweichung von den prognostizierten Mengen muss in diesem Zu-
sammenhang deshalb auch eine Abweichung von den prognostizierten Kosten
bei der Saldierung berücksichtigt werden.
Dies steht, wie das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend dargelegt
hat, in Einklang mit dem Regelungskonzept der Anreizregulierung. Nach § 4
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ARegV sind die Erlösober-
grenzen jährlich anzupassen, wenn sich die Kosten für die erforderliche Inan-
spruchnahme vorgelagerter Netzebenen ändern; hierbei ist auf die Kosten des-
jenigen Kalenderjahrs abzustellen, auf das die Erlösobergrenze Anwendung
finden soll. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV sind bei der Ermittlung der auf
dem Regulierungskonto zu verbuchenden Differenz die im betreffenden Kalen-
derjahr tatsächlich entstandenen Kosten heranzuziehen. Dies entspricht dem
Konzept, das das Beschwerdegericht zutreffend auch für die Saldierung nach
§ 11 StromNEV herangezogen hat.
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Der Umstand, dass die Stromnetzentgeltverordnung eine § 5 Abs. 1
Satz 2 ARegV vergleichbare Regelung nicht ausdrücklich vorsieht, führt nicht zu
einer abweichenden Schlussfolgerung. Aus der gleichen Zwecksetzung der
beiden Vorschriften und aus dem für die Entgeltgenehmigung und für die An-
reizregulierung in gleicher Weise geltenden Prinzip der Kostenwälzung ergibt
sich vielmehr, dass auch bei der Anwendung von § 11 StromNEV die in der
Kalkulationsperiode tatsächlich angefallenen Kosten für die Inanspruchnahme
vorgelagerter Netze heranzuziehen sind.
d)
Zutreffend ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt,
dass für Kosten, die durch Entgelte für die Betreiber dezentraler Erzeugungsan-
lagen gemäß § 18 StromNEV entstehen, dieselben Grundsätze gelten.
aa)
Dass diese Kosten in die Saldierung gemäß § 11 StromNEV ein-
zubeziehen sind, ergibt sich schon daraus, dass sie zu den nach §§ 4 ff.
StromNEV zugrunde zu legenden Kosten gehören, deren Berücksichtigung in
§ 11 Satz 1 Nr. 2 StromNEV ausdrücklich vorgesehen ist.
bb)
Zu Recht hat das Beschwerdegericht entschieden, dass auch bei
diesen Kosten nicht nur Mengenabweichungen, sondern auch sonstige Kosten-
abweichungen zu berücksichtigen sind.
Die aufgrund von § 18 StromNEV entstandenen Kosten für dezentrale
Einspeisung stehen in engem Zusammenhang mit den Kosten für die Nutzung
vorgelagerter Netze. Für die dezentrale Einspeisung von Energie bedarf es
nicht der Nutzung vorgelagerter Netze. Die dezentrale Einspeisung führt mithin
dazu, dass sich die Kosten für die Nutzung dieser Netze reduzieren. Auf die
Kosten des Netzbetreibers hat dies im Ergebnis keine Auswirkungen, weil er
den Betreibern dezentraler Erzeugungsanlagen gemäß § 18 StromNEV ein
Entgelt zahlen muss, das den durch die Einspeisung vermiedenen Netzentgel-
ten entspricht. Aus Sicht des Netzbetreibers macht es folglich keinen Unter-
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schied, ob er ein Entgelt für den Bezug aus vorgelagerten Netzen oder einen
Erstattungsbetrag für die dezentrale Einspeisung bezahlt. Der Senat hat hieraus
die Schlussfolgerung gezogen, dass beide Kostenarten bei einer Anpassung
der Erlösobergrenzen gemäß § 4 ARegV für die gesamte Regulierungsperiode
gleich zu behandeln sind, obwohl der Wortlaut von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
ARegV in der bis 8. September 2010 geltenden Fassung nur für die Kosten der
Inanspruchnahme vorgelagerter Netze ausdrücklich vorsah, auf das Kalender-
jahr abzustellen, für das die Erlösobergrenze Anwendung finden soll (BGH, Be-
schluss vom 30. April 2013 - EnVR 22/12, RdE 2013, 321 Rn. 80 - Regional-
werk Bodensee GmbH & Co. KG).
Dieselbe Schlussfolgerung ist auch im vorliegenden Zusammenhang ge-
boten. Wie auch die Betroffene nicht in Zweifel zieht, können Kosten, die auf-
grund von § 18 StromNEV entstanden sind, in gleicher Weise auf den Netzkun-
den abgewälzt werden wie Kosten für die Inanspruchnahme vorgelagerter
Netzebenen. Der Netzbetreiber hat zudem in der Regel keinen Einfluss darauf,
in welchem Umfang Entgelte für die Nutzung vorgelagerter Netze durch dezent-
rale Einspeisung vermieden werden und stattdessen Entgelte nach § 18
StromNEV anfallen. Angesichts dessen sind im Rahmen der Saldierung gemäß
§ 11 StromNEV auch die auf § 18 StromNEV beruhenden Kosten in derjenigen
Höhe anzusetzen, in der sie in der Kalkulationsperiode tatsächlich angefallen
sind.
cc)
Aus § 5 Abs. 3 StromNEV ergibt sich entgegen der Auffassung der
Betroffenen keine abweichende Beurteilung.
Nach § 5 Abs. 3 StromNEV sind Zahlungen, die gemäß § 18 StromNEV
an Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen entrichtet werden, bei der Be-
stimmung der Netzkosten in derjenigen Höhe zu berücksichtigen, in der sie im
letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr angefallen sind. Damit wird lediglich
eine spezielle Regelung dafür getroffen, wie die für die Kalkulation der Netzent-
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gelte maßgeblichen Kosten zu ermitteln sind. Dass die in der Kalkulation ange-
setzten Kosten auch für die periodenübergreifende Saldierung maßgeblich sein
sollen, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 StromNEV hingegen nicht.
Entgegen der Auffassung der Betroffenen kann § 5 Abs. 3 StromNEV
nicht der Grundsatz entnommen werden, dass der Netzbetreiber berechtigt sein
soll, die in einem abgeschlossenen Geschäftsjahr angefallenen Kosten in einem
darauffolgenden Geschäftsjahr vollständig auf die Netznutzer abzuwälzen. Aus
dem Prinzip der Kostenwälzung ergibt sich wie bereits aufgezeigt vielmehr,
dass Kosten dieser Art grundsätzlich in demjenigen Geschäftsjahr abzuwälzen
sind, in dem sie anfallen, und dass Abweichungen durch die periodenübergrei-
fende Saldierung gemäß § 11 StromNEV bzw. durch Buchungen auf dem Re-
gulierungskonto gemäß § 5 ARegV auszugleichen sind.
Dass § 5 Abs. 3 StromNEV für die Kalkulation der Kosten dennoch an
ein abgelaufenes Geschäftsjahr anknüpft, trägt, wie das Beschwerdegericht
zutreffend ausgeführt hat, lediglich dem Umstand Rechnung, dass die tatsächli-
chen Kosten im Voraus nicht bekannt sind und deshalb - wie bei nahezu allen
übrigen Kostenanteilen - im Rahmen der Kalkulation eine Prognose erforderlich
ist. Die Heranziehung von Daten aus dem letzten abgeschlossenen Geschäfts-
jahr entspricht der in § 3 Abs. 1 Satz 5 StromNEV normierten Grundregel. Diese
Regel wird in § 5 Abs. 3 StromNEV nur dahin modifiziert, dass anstelle der im
maßgeblichen Geschäftsjahr angefallenen Kosten die Zahlungen angesetzt
werden dürfen, die in diesem Jahr an Betreiber von dezentralen Erzeugungsan-
lagen geleistet wurden. Der Grundsatz, dass die Daten des letzten abgelaufe-
nen Geschäftsjahrs nur als Kalkulationsgrundlage dienen, bleibt davon unbe-
rührt. Deshalb kann aus § 5 Abs. 3 StromNEV ebenso wenig wie aus § 3 Abs. 1
Satz 5 StromNEV ein Recht des Netzbetreibers abgeleitet werden, die Kosten
dieses Geschäftsjahres im übernächsten Geschäftsjahr in voller Höhe auf die
Netznutzer abzuwälzen.
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Dass die Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahrs nur als Kal-
kulationsgrundlage dienen, wird bestätigt durch § 3 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2
StromNEV. Danach können bei Vorliegen gesicherter Erkenntnisse anstelle der
Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahrs auch Planwerte in die Kal-
kulation eingebracht werden. Diese Regelung konkretisiert das Angemessen-
heitserfordernis des § 21 Abs. 1 EnWG. Sie ist deshalb, wie der Senat bereits
entschieden hat, auch für die Kosten der Beschaffung von Verlustenergie her-
anzuziehen, für die § 10 Abs. 1 Satz 2 StromNEV abweichend von der Grund-
regel in § 3 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 1 StromNEV grundsätzlich den Ansatz der
tatsächlichen Kosten im abgelaufenen Kalenderjahr vorschreibt (BGH, Be-
schluss vom 14. August 2008 - KVR 36/07, RdE 2008, 337 Rn. 9 - Stadtwerke
Trier). Für die Kosten, die aufgrund von § 18 StromNEV entstehen, gilt nichts
anderes. Für diese enthält § 5 Abs. 3 StromNEV wie bereits dargelegt eine
Sonderregel dafür, in welcher Weise die Daten des letzten abgelaufenen Ge-
schäftsjahrs heranzuziehen sind. Ebenso wie § 10 Abs. 1 Satz 2 StromNEV
schließt es diese Sonderregel nicht aus, anstelle der Daten dieses Geschäfts-
jahres Planwerte anzusetzen, sofern gesicherte Erkenntnisse vorliegen. Die
Daten des letzten abgelaufenen Geschäftsjahrs stellen mithin auch in diesem
Zusammenhang lediglich eine Kalkulationsgrundlage dar, nicht aber einen ga-
rantierten Mindestbetrag, der im übernächsten Geschäftsjahr auf die Netznutzer
abgewälzt werden darf.
Der Einwand der Betroffenen, sie habe aufgrund der damals von der
Bundesnetzagentur vertretenen Rechtsauffassung nicht die Möglichkeit gehabt,
für die Kalkulation der aufgrund von § 18 StromNEV entstehenden Kosten
Planwerte anzusetzen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die von
der Betroffenen geltend gemachte Beschwer ergibt sich gerade daraus, dass
die tatsächlichen Kosten in den Jahren 2007 und 2008 erheblich geringer waren
als die bei der Kalkulation angesetzten Zahlungen in den Geschäftsjahren
2004/2005 bzw. 2006. Wäre diese Entwicklung schon bei der Kalkulation ab-
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sehbar gewesen und hätte die Betroffene deshalb entsprechende Planwerte
angesetzt, so hätte sie die Mehrerlöse, um deren Saldierung es im vorliegenden
Zusammenhang geht, nicht erzielen können. Auch unter diesem Aspekt ist es
mithin folgerichtig, die aufgrund der abweichenden Kalkulation erzielten Mehrer-
löse in die periodenübergreifende Saldierung einzubeziehen.
dd)
Entgegen der Auffassung der Betroffenen ergibt sich eine abwei-
chende Beurteilung auch nicht daraus, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 5
Abs. 1 Satz 2 ARegV in der bis 8. September 2010 geltenden Fassung nur für
die Kosten der Inanspruchnahme vorgelagerter Netze ausdrücklich vorsahen,
auf das Kalenderjahr abzustellen, für das die Erlösobergrenze Anwendung fin-
den soll.
Wie bereits oben dargelegt wurde, ergab sich schon nach der früher gel-
tenden Fassung aus dem Sinn und Zweck von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ARegV,
dass Kosten, die auf Entgelten für die Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen
gemäß § 18 StromNEV beruhen, nicht anders zu behandeln sind als Kosten für
die Nutzung vorgelagerter Netze (BGH, RdE 2013, 321 Rn. 80 - Regionalwerk
Bodensee GmbH & Co. KG). Die dafür maßgeblichen Erwägungen greifen auch
für § 5 Abs. 1 Satz 2 ARegV und § 11 StromNEV. Aus dem abweichenden
Wortlaut der Vorschriften kann entgegen der Auffassung der Betroffenen nicht
entnommen werden, dass der Verordnungsgeber vor deren Änderung ein ab-
weichendes Regelungskonzept verfolgt hat. Vielmehr lag aus den oben aufge-
zeigten Gründen eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch entsprechen-
de Anwendung der Vorschriften auf die aufgrund von § 18 StromNEV entstan-
denen Kosten zu schließen war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.
Im Hinblick auf den Umstand, dass die Bundenetzagentur zunächst
ebenfalls Rechtsbeschwerde eingelegt und diese später zurückgenommen hat,
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erscheint es angemessen, ihr einen entsprechenden Teil der Gerichtskosten
aufzuerlegen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten ist hingegen schon
deshalb nicht angebracht, weil die Rücknahme schon vor Begründung des
Rechtsmittels erfolgte.
Meier-Beck
Strohn
Grüneberg
Bacher
Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.11.2012 - VI-3 Kart 111/09 (V) -