Urteil des BGH vom 03.09.2013

Kabelschloss Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZR 130/12
vom
3. September 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Kabelschloss
PatG § 139 Abs. 2
Bei der Bestimmung des herauszugebenden Anteils des Verletzergewinns, der durch
die Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre vermittelt worden ist, ist regelmäßig
auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit die erfindungsgemäße Ausgestaltung o-
der die damit unmittelbar oder mittelbar verbundenen technischen oder wirtschaftli-
chen Vorteile für die Abnehmer des Patentverletzers erkennbar waren oder ihnen
gegenüber werblich herausgestellt wurden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 24. Juli
2012 - X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 Rn. 18 ff. - Flaschenträger).
BGH, Beschluss vom 3. September 2013 - X ZR 130/12 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher,
Hoffmann und die Richterin Schuster
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in
dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom
4. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 144.707,12
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt als Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 0 361 155 (Klagepatents) von den Be-
klagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz wegen Patentverletzung in Höhe des
Verletzergewinns. Das Klagepatent betrifft die Kombination einer zweiradrahmen-
seitigen Kabelschlosshalterung mit einem von dieser betriebsmäßig trennbaren Ka-
belschloss. Das Berufungsgericht hat, wie zuvor das Landgericht, den auf der Benut-
zung der Erfindung beruhenden Anteil des Verletzergewinns in Höhe von 482.357
€,
den die Beklagten durch Umsätze in Höhe von 1.007.201
€ mit der Verletzungsform
erzielt haben, mit 10% bemessen und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat
die Revision nicht zugelassen; hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin,
die mit der Revision die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe weiterer 30%
des Verletzergewinns erreichen will.
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II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Weder hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung, noch greifen die auf die Verletzung von Verfahrens-
grundrechten gestützten Rügen durch oder erfordert sonst die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Beschwerde wirft der Rechtsstreit nicht die
Grundsatzfrage auf, ob bei der Bemessung des herauszugebenden Verletzerge-
winns nur solche Merkmale der Erfindung und in der Erfindung begründete funktio-
nelle Vorteile des Erzeugnisses berücksichtigt werden dürfen, die der Kunde vor dem
Kauf erkennen kann und die deshalb seine Kaufentscheidung beeinflussen.
Einen solchen Rechtssatz hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung nicht
zugrunde gelegt. Es hat vielmehr ausgeführt, dass für die Schätzung des Kausalan-
teils insbesondere die Bedeutung ins Gewicht falle, die die technische Lehre des
Klagepatents für die Verletzungsform gehabt habe, und hat in diesem Zusammen-
hang angenommen, dass die Erfindung nur eine Detailverbesserung des Kabel-
schlosses und seiner Halterung darstelle und keine wesentlichen Verbesserungen
gegenüber dem Stand der Technik bereitstelle. Es hat sodann den Berufungsangriff
für unbegründet erachtet, der sich dagegen richte, dass das Landgericht im Rahmen
seiner Gesamtabwägung auch darauf abstelle, ob und in welchem Umfang die Be-
klagten die technische Gestaltung von Fahrradschloss und Halterung eigens werblich
herausgestellt hätten.
Durch die Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass für die Bestimmung
des Anteils des herauszugebenden Verletzergewinns bei einer Patentverletzung wer-
tend zu bestimmen ist, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den durch
die Benutzung der Erfindung vermittelten technischen Eigenschaften des Produkts
oder anderen für die Kaufentscheidung der Abnehmer erheblichen Faktoren beruht.
Dabei ist die Höhe des herauszugebenden Gewinns vom Tatrichter unter Würdigung
aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen (BGH, Urteil vom 24. Juli 2013
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- X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 Rn. 18 ff. - Flaschenträger). Mit diesen Grundsätzen
steht das etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung der Entscheidung "Flaschenträger"
verkündete Berufungsurteil in Einklang. Es bedarf daher keiner Klärung in einem Re-
visionsverfahren, dass das Berufungsgericht bei der Bestimmung des auf die Verlet-
zung des Klagepatents entfallenden Gewinnanteils berücksichtigen durfte, dass die
durch das Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Details der Schnittstelle
zwischen Fahrradschloss und Schlosshalterung sowie die damit verbundenen Vortei-
le für die Käufer der Verletzungsform aufgrund der Verpackungsgestaltung nicht
wahrnehmbar waren und von den Beklagten auch sonst weder unmittelbar noch mit-
telbar werblich herausgestellt wurden. Denn ein solcher Umstand lässt Rückschlüsse
darauf zu, inwieweit die Marktchancen des vom Verletzer vertriebenen Produkts ge-
rade durch die erfindungsgemäße Ausgestaltung des Erzeugnisses und die hier-
durch vermittelten technischen oder wirtschaftlichen Vorteile beeinflusst wurden.
Nicht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte es
nur gestanden, wenn das Berufungsgericht insoweit allein auf die Wahrnehmbarkeit
der durch das Klagepatent unter Schutz gestellten Details der Schnittstelle zwischen
Fahrradschloss und Schlosshalterung abgestellt hätte, denn gerade bei einem an
private Endabnehmer veräußerten Erzeugnis können allein mit einer solchen Erwä-
gung die in der Regel komplexen und vielgestaltigen Gründe für den Markterfolg ei-
nes Produkts nicht angemessen erfasst werden. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil
das Berufungsgericht bei der grundsätzlich gebotenen Würdigung aller Umstände
des Einzelfalls vor allem auch auf die Bedeutung der technischen Lehre des Klage-
patents und die damit verbundenen technischen Vorzüge für die Verletzungsform
sowie auf die Erwartungen des Marktes abgestellt hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 28.07.2011 - 4a O 263/10 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.10.2012 - I-2 U 76/11 -
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