Urteil des BGH vom 14.10.2015

Leitsatzentscheidung zu Fortsetzung des Mietverhältnisses, Zustand der Mietsache, Ausübung der Option, Allgemeine Geschäftsbedingungen

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I I Z R 8 4 / 1 4
Verkündet am:
14. Oktober 2015
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 536 b, 536 c
Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter führt
nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB dazu, dass der Mieter für die Zu-
kunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536 a BGB ausgeschlossen ist (im An-
schluss an Senatsurteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402).
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015 - XII ZR 84/14 - OLG Koblenz
LG Koblenz
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des
2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Juli 2014
aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entschei-
dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Miete, die diese wegen behaup-
teter Mietmängel einbehalten hat.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin vermietete der Beklagten mit Vertrag
vom 30. April 2001 eine Gewerbeimmobilie, in der die Beklagte vereinbarungs-
gemäß eine Fachklinik für Suchttherapie betreibt. Mietbeginn war der 1. Juni
2001, die Mietdauer betrug zehn Jahre. Zur Vertragslaufzeit regelt § 2 Ziffer 2
das Recht der Mieterin, "die Mietzeit
… 2x um je 5 Jahre zu verlängern (Opti-
on). Diese Optionen treten jeweils stillschweigend in Kraft, wenn die Mieterin
spätestens 12 Monate vor Ablauf der Mietzeit keine gegenteilige schriftliche
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Erklärung abgibt." Eine solche die Vertragsverlängerung verhindernde Erklä-
rung gab die Beklagte nicht ab.
Weiter ist in dem Vertrag unter § 13 geregelt, dass die Mieterin aus Män-
geln der Beschaffenheit der vermieteten Räume oder an den Inventargegen-
ständen keine Rechte herleiten kann, "es sei denn, der Vermieter hätte die Be-
seitigung dieser Mängel nicht innerhalb angemessener Frist vorgenommen,
nachdem die Mieterin ihn unter Setzung einer angemessenen Frist mit Ein-
schreiben-Rückschein abgemahnt hat."
Erstmals im Juli 2007 rügte die Beklagte verschiedene Mängel. Mit
Schreiben vom 25. August 2010 forderte die Beklagte die Klägerin zur Beseiti-
gung zahlreicher Mängel auf und wiederholte diese Aufforderung mit Schreiben
vom 27. Mai 2011 unter Fristsetzung. Nachdem sich ab Februar 2012 die Miete
aufgrund einer vertraglichen Wertsicherungsklausel erhöht hatte, zahlte die Be-
klagte die Miete nur noch zur Hälfte und behielt 5.524,48
€ pro Monat mit der
Begründung ein, die Miete sei wegen Mängeln der Mietsache um 50 % gemin-
dert. Die Klägerin macht mit der Klage Mietrückstände von insgesamt
27.622,40
€ für die Monate Mai bis September 2012 geltend.
Das Landgericht hat der Klage in voller Höhe stattgegeben und die Auf-
fassung vertreten, wegen vorbehaltloser Ausübung der Option könne sich die
Beklagte auf vor der Optionsausübung aufgetretene Mängel nicht mehr berufen.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2
ZPO im Beschlusswege zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte
mit der vom Senat zugelassenen Revision.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine mit Hinweis- und Zurückweisungsbe-
schluss bei juris und auszugsweise auch in ZMR 2014, 883 ff. veröffentlichte
Entscheidung wie folgt begründet:
Auf die Frage, ob die von der Beklagten gerügten Mängel vorlägen,
komme es nicht an. Die Beklagte habe nämlich von der Möglichkeit, das Ver-
tragsverhältnis durch Nichtausübung der Verlängerungsoption zu beenden, in
Kenntnis der Mängel keinen Gebrauch gemacht. Nach der zu § 539 BGB a.F.
ergangenen und auf die aktuelle Gesetzeslage übertragbaren Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs habe die Beklagte daher entsprechend § 536 b BGB
das Recht verloren, sich auf die Mängel zu berufen. Die Klägerin habe auch vor
der Vertragsverlängerung keine Zusage abgegeben, die Mängel zu beseitigen.
Die nach dem für die Optionsausübung maßgeblichen Stichtag, dem 31. Mai
2010, erfolgten Mängelrügen mit Fristsetzungen seien als Mängelvorbehalt
nicht geeignet, weil der Ausschluss der Mängelansprüche zu diesem Zeitpunkt
bereits eingetreten gewesen sei.
Die Mängelrechte der Beklagten seien auch nicht durch die Mieterhö-
hung im Februar 2012 wieder aufgelebt. Dies würde voraussetzen, dass durch
die Erhöhung das Äquivalenzverhältnis in relevanter Weise verschoben werde,
woran es vorliegend fehle. Selbst wenn man dies anders beurteilen wolle, erge-
be sich kein anderes Ergebnis. Denn ein solches Wiederaufleben könne nicht
zu einer Erweiterung der Mängelrechte führen. Wiederaufleben könnten - ohne-
hin nur bezogen auf den Erhöhungsanteil - die Rechte allein in dem Umfang, in
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dem sie der Beklagten nach der vertraglichen Regelung bis zu ihrem Verlust
zugestanden hätten. Das bedeute konkret, dass die Klägerin sich ihre Rechte
erneut in der nach § 13 des Mietvertrags vorgesehenen Form hätte sichern
müssen. Die Regelung in § 13 sei auch nicht unwirksam, selbst wenn es sich
dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln sollte. Bei gewerblichen
Mietverhältnissen bestünden keine Bedenken, die Minderung von zusätzlichen
Bedingungen wie der Ankündigung des Minderungsrechts einen Monat vor Fäl-
ligkeit der Miete abhängig zu machen. Dies entspreche letztlich auch dem ge-
setzlichen Leitbild des § 536 c Abs. 2 BGB. Auf die Frage der Verwirkung kom-
me es nach alledem nicht mehr an.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die von der Be-
klagten gemäß § 536 Abs. 1 BGB geltend gemachte Minderung sei entspre-
chend § 536 b BGB ausgeschlossen, weil die Beklagte trotz Mangelkenntnis die
Verlängerungsoption ausgeübt habe, ohne sich Rechte wegen der Mängel vor-
zubehalten.
a) Auf rechtliche Bedenken trifft bereits die Ansicht des Berufungsge-
richts, die Beklagte habe eine Verlängerungsoption ausgeübt.
Bei einer Verlängerungsoption handelt es sich um das der begünstigten
Partei eingeräumte Recht, ein befristetes Mietverhältnis vor Ablauf der Mietzeit
durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung um einen bestimmten
Zeitraum zu verlängern (vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015,
402 Rn. 21; BGH Urteil vom 14. Juli 1982 - VIII ZR 196/81 - NJW 1982, 2770;
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Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/Leonhard Gewerberaummiete Vor § 535
BGB Rn. 542; Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 12. Aufl. § 542 Rn. 184 f.).
Demgegenüber führt eine Verlängerungsklausel die Vertragsverlängerung allein
durch Schweigen herbei (vgl. etwa BGHZ 150, 373 = NJW 2002, 2170, 2171;
OLG Düsseldorf ZMR 2002, 910; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer/
Leonhard Gewerberaummiete Vor § 535 BGB Rn. 542).
Vorliegend haben die Mietvertragsparteien eine Kombination dieser Re-
gelungsmöglichkeiten vorgenommen, indem sie allein der Beklagten die Mög-
lichkeit eingeräumt haben, eine Vertragsverlängerung (um fünf Jahre) nach Ab-
lauf der zehnjährigen Vertragslaufzeit durch schriftliche Erklärung zu verhin-
dern. Dies ändert aber - ebenso wenig wie der Umstand, dass in der Vertrags-
klausel von einer "Option" die Rede ist - nichts daran, dass die Verlängerung
nicht an eine empfangsbedürftige Willenserklärung, sondern allein an die Nicht-
abgabe einer "gegenteiligen schriftlichen Erklärung" und damit das Schweigen
der Beklagten gebunden ist. Das Unterbleiben der Beendigungserklärung führte
mithin zur Fortsetzung des Mietverhältnisses mit demselben Inhalt bei Wahrung
des in die Zukunft verlängerten Vertrags (vgl. BGHZ 150, 373 = NJW 2002,
2170, 2171).
Ob die vorliegend erfolgte Vertragsverlängerung derjenigen durch Aus-
übung einer Verlängerungsoption entspricht, die der vom Berufungsgericht her-
angezogenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 539 BGB a.F. zu-
grunde lag (BGH Urteil vom 13. Juli 1970 - VIII ZR 230/68 - NJW 1970, 1740,
1742), kann jedoch dahinstehen.
b) Denn wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ent-
schieden hat, führt auch die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption
durch den Mieter nicht gemäß oder entsprechend § 536 b BGB zum Verlust der
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ihm nach §§ 536 und 536 a BGB zustehenden Rechte (Senatsurteil BGHZ 203,
148 = NJW 2015, 402 Rn. 16 ff. mwN; dazu Bi
ńkowski ZfIR 2015, 105 ff.).
aa) Bei der Ausübung einer Verlängerungsoption handelt es sich nicht
um einen Vertragsschluss im Sinne des § 536 b BGB. Die Option ist ein schon
im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht. Durch ihre Ausübung
kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das be-
stehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich
die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitab-
schnitt hinzufügt. Im Übrigen wird der Mietvertrag aber - ebenso wie bei der
Fortsetzung eines Mietverhältnisses aufgrund eines Verlängerungsmechanis-
mus - mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags
bleibt erhalten. Demnach bewirkt die Ausübung einer Verlängerungsoption kei-
ne Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Miet-
vertrags darstellt (Senatsurteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 20 f.
mwN).
bb) Auch die entsprechende Anwendung des § 536 b BGB kommt bei
vorbehaltloser Ausübung einer Verlängerungsoption nicht in Betracht (Senats-
urteil BGHZ 203, 148 = NJW 2015, 402 Rn. 22 ff. mwN).
(1) Zwar entsprach es zur früheren Rechtslage höchstrichterlicher Recht-
sprechung, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption die entsprechende
Anwendung von § 539 BGB a.F. rechtfertigte. Nachdem diese Norm entspre-
chend auch in den Fällen angewendet wurde, in denen der Mieter erst während
des Mietverhältnisses Mängel entdeckte, den Vertrag aber gleichwohl, ohne
Beanstandungen zu erheben, fortsetzte und erfüllte, musste das erst recht für
die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption gelten (BGH Urteil vom
13. Juli 1970 - VIII ZR 230/68 - NJW 1970, 1740, 1742).
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(2) Aufgrund der seit dem Inkrafttreten der §§ 536 b, 536 c BGB beste-
henden neuen Rechtslage ist diesem Erst-Recht-Schluss aber die Grundlage
entzogen. Es fehlt nämlich seit der Neuregelung durch das am 1. September
2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I
S. 1149) an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
Im Zuge der Einführung des Mietrechtsreformgesetzes hat der Gesetzgeber
bewusst davon abgesehen, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass der Mie-
ter den Mangel erst nach Vertragsschluss erkennt und trotz Kenntnis des Man-
gels die Miete über einen längeren Zeitraum hinweg vorbehaltlos in voller Höhe
weiterzahlt, sondern mit § 536 c BGB eine abschließende Regelung für nach-
träglich sich zeigende Mängel getroffen (Senatsurteil BGHZ 203, 148 = NJW
2015, 402 Rn. 24 ff. mwN).
(3) Eine entsprechende Anwendung des § 536 b BGB auf die vorbehalt-
lose Ausübung der Verlängerungsoption durch den Mieter ist auch nicht in An-
sehung des Gesetzeszwecks geboten. Tragender Grund für die in dieser Vor-
schrift getroffene Regelung ist der Gedanke, dass derjenige, der trotz Kenntnis
eines Mangels vorbehaltlos mietet, zu erkennen gibt, der durch den Mangel be-
einträchtigte Gebrauch der vermieteten Sache solle der vertragsgemäße Ge-
brauch sein, für den er die vom Vermieter geforderte und schließlich auch ver-
einbarte Miete zu entrichten gewillt ist. Darüber hinaus soll die Vorschrift der
Rechtssicherheit dienen, indem bei Beginn des Mietverhältnisses feststeht, ob
der vorhandene Zustand Rechte nach §§ 536, 536 a BGB begründen kann.
Die vorbehaltlose Optionsausübung durch den Mieter während des lau-
fenden Mietverhältnisses ist von der Situation des Vertragsschlusses bzw. Ver-
tragsbeginns jedoch verschieden. Die Grundentscheidung für das Mietverhält-
nis und den konkreten Zustand der Mietsache als vertragsgemäß ist gefallen,
die mietvertraglichen Rechte und Pflichten sind festgelegt und das Dauer-
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schuldverhältnis von Mieter und Vermieter besteht (oft seit längerer Zeit). Der
Mieter setzt sich daher nicht dem Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens
aus, indem er eine mangelhafte Sache von vorneherein als vertragsgerecht ak-
zeptiert, hiervon abweichend aber zu einem späteren Zeitpunkt die Rechte aus
§§ 536 und 536 a BGB geltend macht (Senatsurteil BGHZ 203, 148 = NJW
2015, 402 Rn. 28 ff. mwN).
2. Die angefochtene Entscheidung ist auch nicht aus anderen Gründen
im Ergebnis zutreffend.
a) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, es fehle an der
nach § 13 des Mietvertrags erforderlichen Aufforderung zur Mängelbeseitigung
unter Fristsetzung.
aa) Dabei kann dahinstehen, ob die entsprechende Vertragsklausel wirk-
sam ist. Deshalb bedarf auch keiner Prüfung, ob es sich bei ihr - was das Beru-
fungsgericht offen gelassen hat - um eine Allgemeine Geschäftsbedingung
handelt und ob es einer Kontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
BGB standhält, dass durch die Klausel im Ergebnis entgegen § 536 Abs. 1
Satz 1 und 2 BGB eine Minderung jedenfalls für den Zeitraum einer angemes-
senen Frist zur Beseitigung endgültig ausgeschlossen wird (vgl. dazu etwa Se-
natsurteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - NJW 2008, 2254 Rn. 14 ff.).
bb) Denn die Beklagte hat nach den tatrichterlichen Feststellungen deut-
lich vor dem Zeitraum, für den hier die Minderung im Streit steht, schriftlich
Mängel der Mietsache gerügt und - nach ihrem im Revisionsverfahren zu unter-
stellenden Vortrag erfolglos - eine Frist zur Beseitigung gesetzt, so dass den
Anforderungen der mietvertraglichen Bestimmung genügt ist.
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cc) Dem steht auch nicht entgegen, dass es an tatrichterlichen Feststel-
lungen dazu fehlt, ob die entsprechenden Schreiben klauselgemäß per Ein-
schreiben-Rückschein oder auf andere Weise versandt wurden.
Zu Vertragsklauseln in Mietverträgen über Gewerberaum, die eine
schriftliche Kündigung durch Einschreiben vorsehen, hat der Senat bereits ent-
schieden, dass die Schriftform konstitutive Bedeutung im Sinne von § 125
Satz 2 BGB hat, während die Versendung als Einschreibebrief nur den Zugang
der Kündigungserklärung sichern soll. Deswegen ist bei einer solchen Klausel
regelmäßig nur die Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für die Kündigungs-
erklärung vereinbart, wohingegen ihr Zugang auch in anderer Weise als durch
einen Einschreibebrief wirksam erfolgen kann (Senatsurteile vom 23. Januar
2013 - XII ZR 35/11 - NJW 2013, 1082 Rn. 8 und vom 21. Januar 2004
- XII ZR 214/00 - NJW 2004, 1320 mwN).
Für eine Klausel, die eine schriftliche Mängelrüge mit Fristsetzung per
Einschreiben-Rückschein als vertragliche Voraussetzung der Minderung be-
stimmt, gilt insoweit nichts anderes. Durch eine solche wird der Versendungsart
regelmäßig keine konstitutive Bedeutung beigegeben. Dafür, dass abweichend
hiervon auch die Versendungsart Wirksamkeitsvoraussetzung für die Mängel-
rüge mit Fristsetzung sein sollte, ist - entgegen der Auffassung der Revisions-
beklagten - nichts ersichtlich.
b) Die Revisionserwiderung dringt auch nicht mit dem Einwand durch, die
Beklagte habe das Recht verwirkt, aus den (behaupteten) Mängeln der Mietsa-
che für sie günstige Rechtsfolgen wie die Minderung herzuleiten. Die Vorinstan-
zen, die den Rechtsverlust bereits der Anwendung von § 536 b BGB entnom-
men haben, haben folgerichtig keine Feststellungen insbesondere zu dem für
eine Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment getroffen.
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Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern sich bei der Klägerin als Vermiete-
rin ein schutzwürdiges Vertrauen darauf bilden durfte, dass die Beklagte für die
Zukunft auf eine Mietminderung wegen schon gerügter Mängel verzichten wer-
de. Solches ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte der Ver-
längerung des Mietvertrags nicht widersprochen hat (vgl. Senatsurteil BGH 203,
148 = NJW 2015, 402 Rn. 34). Im Übrigen macht selbst die Revisionserwide-
rung nicht geltend, die Klägerin habe sich auch tatsächlich auf einen solchen
Rechtsverzicht eingerichtet, noch dazu in einem Maße, dass ihr durch die Gel-
tendmachung der Minderung ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.,
vgl. nur BGH Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13 - NJW 2014, 1230
Rn. 13 mwN).
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist
nicht zur Endentscheidung reif, so dass sie an das Berufungsgericht zurückzu-
verweisen ist.
Dose
Schilling
Günter
Botur
Guhling
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 09.07.2013 - 1 HKO 155/12 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 21.07.2014 - 2 U 901/13 -
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