Urteil des BGH vom 13.07.2011

Leitsatzentscheidung zu Lebensgemeinschaft, Gemeinsamer Haushalt, Geschiedener Ehegatte, Unterhaltspflicht, Materielle Rechtskraft

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 84/09
Verkündet am:
13. Juli 2011
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 1579 Nr. 2
a) Zweck der gesetzlichen Neuregelung in § 1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive
Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen
Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar er-
scheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unter-
haltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft ein-
gegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu
erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähig-
keit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.
b) Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unter-
haltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden
Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendi-
gung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch
regelmäßig im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf.
Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine ge-
wisse Zeit verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nacheheli-
cher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nachehe-
liche Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 84/09 - OLG Stuttgart
AG Ludwigsburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juli 2011 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Dose, Dr. Klinkhammer,
Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Familien-
senats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 16. April 2009 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlan-
desgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs zum
nachehelichen Unterhalt. Sie hatten im Oktober 1997 die Ehe geschlossen. Im
Mai 1999 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach der Trennung der Par-
teien im Februar 2004 wurde die Ehe im September 2005 rechtskräftig ge-
schieden.
Im Juni 2006 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, worin
sich der Kläger u.a. verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen nacheheli-
chen Unterhalt in Höhe von 700
€ zu zahlen.
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Der Kläger, der den Wegfall seiner Unterhaltspflicht begehrt, bezieht in-
zwischen höhere Einkünfte, weil er zum Leiter des Qualitätsmanagements auf-
gestiegen ist und seine Erwerbstätigkeit vorübergehend von wöchentlich
35 Stunden auf 40 Stunden aufgestockt hatte. Er ist neben der Beklagten und
dem gemeinsamen Sohn zwei weiteren im März 1993 und November 1997 ge-
borenen Kindern unterhaltspflichtig.
Die Beklagte ist ausgebildete Bauzeichnerin. Sie war seit der Geburt des
gemeinsamen Sohnes nur in geringfügigem Umfang erwerbstätig und widmete
sich der Betreuung des Sohnes und ihrer Tochter aus einer früheren Bezie-
hung. Nach der Trennung gab sie ihren Beruf auf. Von August 2006 bis August
2007 ließ sie sich zur Feng-Shui-Beraterin ausbilden. Als solche ist sie seit Ja-
nuar 2008 selbständig. Jedenfalls seit dem Frühjahr 2004 bis November 2008
unterhielt sie eine auf Dauer angelegte Partnerschaft mit dem Zeugen K.
Das Amtsgericht hat der Abänderungsklage stattgegeben und der Be-
klagten für die Zeit ab Januar 2008 wegen ihrer verfestigten Lebensgemein-
schaft weiteren Unterhalt versagt. Auf die Berufung der Beklagten hat das
Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und den Wegfall des Unter-
haltsanspruches auf die Zeit von April bis November 2008 begrenzt. Für die Zeit
ab Dezember 2008 hat es den Unterhalt herabgesetzt und zwar auf 359
€ für
Dezember 2008 und auf monatlich 484
€ für die Zeit ab Januar 2009. Zur Frage
des "Wiederauflebens des Unterhaltsanspruches nach Beendigung der nicht-
ehelichen Lebensgemeinschaft" hat das Oberlandesgericht die Revision zuge-
lassen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er ei-
nen Wegfall seiner Unterhaltspflicht auch für die Zeit ab Dezember 2008 be-
gehrt.
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Entscheidungsgründe:
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende
August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor die-
sem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November
2010 - XII ZB 179/10 - FamRZ 2011, 100).
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
I.
Das Oberlandesgericht hat für die hier noch relevante Zeit ab Dezember
2008 einen Wegfall des Anspruchs der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt
abgelehnt und ihren Unterhaltsanspruch lediglich zur Höhe reduziert. Dem Un-
terhaltsvergleich liege ein Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 2.359,34
zugrunde, während sich für 2007 ein durchschnittliches Nettoeinkommen des
Klägers in Höhe von 3.320,08
€ errechne, von dem auszugehen sei. Zwar wolle
das Unterhaltsrecht den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er
während der Ehe gestanden habe. Die Umstände, aus denen sich eine uner-
wartete berufliche Entwicklung nach der Trennung, zum Beispiel ein Karriere-
sprung, ergebe, seien aber von demjenigen darzulegen und zu beweisen, der
sich darauf berufe. Weil der Kläger dazu nichts vorgetragen habe, könne nicht
festgestellt werden, ob die nacheheliche Beförderung einen Karrieresprung dar-
stelle oder ob und in welchem Umfang diese Entwicklung bereits während der
Ehe angelegt gewesen sei. Die Ausweitung der Erwerbstätigkeit von monatlich
35 auf 40 Stunden, also um knapp 15 %, liege noch innerhalb des zu erwarten-
den Bereichs für eine verantwortliche Position. Auch wenn der Kläger die Mehr-
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arbeit jederzeit einstellen dürfe, sei sein tatsächlich erzieltes Einkommen in vol-
ler Höhe als unterhaltsrelevant anzusehen. Der Vortrag des Klägers in der Be-
rufungsverhandlung, wonach der Arbeitgeber die Mehrarbeitsvereinbarung in-
zwischen gekündigt habe, sei streitig. Mangels vorliegender Einkommensab-
rechnungen könne noch nicht festgestellt werden, inwieweit sich das Durch-
schnittseinkommen dadurch vermindere. Der Kläger sei insoweit auf ein Abän-
derungsverfahren verwiesen.
Neben dem Einkommen könne der Kläger eine Steuerrückerstattung in
Höhe von monatlich 300
€ erwarten und müsse sich, wie bei Vergleichsschluss,
einen Vorteil mietfreien Wohnens in Höhe von 200
€ anrechnen lassen. Beiträ-
ge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung seien weiterhin abzuzie-
hen. Zusätzliche Beiträge für eine Direktversicherung und einen Rentenfonds
seien hingegen nicht absetzbar, weil sie bereits bei Vergleichsschluss gezahlt,
seinerzeit aber nicht berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei die vom Bun-
desgerichtshof für eine zusätzliche Altersvorsorge festgelegte Höchstgrenze
von 4 % durch die Tilgung der Wohnhausfinanzierung aufgebraucht. Auch wei-
tere Kreditkosten seien nicht absetzbar, weil sie nicht bei Abschluss des Unter-
haltsvergleichs berücksichtigt worden seien bzw. einen Kredit beträfen, der eine
finanzielle Erstattung an die Beklagte im Gegenzug gegen die Rückübertragung
von Wohneigentum betreffe. Als Kindesunterhalt sei vom Einkommen des Klä-
gers neben dem Zahlbetrag auch das hälftige Kindergeld abzusetzen.
Der Beklagten sei für die Zeit ab April 2008 ein Einkommen aus voll-
schichtiger Tätigkeit als Bauzeichnerin zuzurechnen. Im Hinblick auf die Neure-
gelung des Betreuungsunterhalts und die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung
des gemeinsamen Sohnes in einer Kindertagesstätte sei der Beklagten nach
einer dreimonatigen Übergangsfrist eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumut-
bar. Auf der Grundlage ihrer Berufsausbildung und der Berufspraxis als Bau-
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zeichnerin sei eine Bewerbung in diesem Beruf nicht von vornherein aussichts-
los. Weil sie sich nicht ausreichend um eine solche Stelle bemüht habe, sei ihr
ein entsprechendes Einkommen fiktiv zuzurechnen. Zinseinkünfte aus der Zu-
wendung ihrer Mutter in Höhe von 120.000
€ seien der Beklagten nicht zuzu-
rechnen, weil diese auch im Rahmen des abzuändernden Vergleichs keine Be-
rücksichtigung gefunden hätten. Abzusetzen seien allerdings Kosten für die
Kranken- und Pflegeversicherung, die Berufshaftpflichtversicherung und - für
die Zeit ab 2008 - fiktive Kosten für eine Ganztagsbetreuung des gemeinsamen
Kindes.
Daraus ergebe sich nach Abzug des jeweiligen Erwerbstätigenbonus für
Dezember 2008 ein unterhaltsrelevantes Einkommen des Klägers in Höhe von
1.832,76
€, ein unterhaltsrelevantes Einkommen der Beklagten in Höhe von
1.115,01
€ und somit ein rechnerischer Unterhaltsanspruch der Beklagten in
Höhe von rund 359
€. Ab Januar 2009 ergebe sich ein monatliches unterhalts-
relevantes Einkommen des Klägers in Höhe von 2.080,26
€, ein solches der
Beklagten in Höhe von 1.113,27
€ und ein rechnerischer Unterhaltsanspruch in
Höhe von rund 484
€ monatlich.
Der Unterhaltsanspruch der Beklagten sei für die Zeit von Januar bis No-
vember 2008 zum überwiegenden Teil verwirkt. Die Beklagte habe im Frühjahr
2004 eine auf Dauer angelegte Partnerschaft mit dem Zeugen K. aufgenom-
men. Unter Berücksichtigung einer Ehedauer von unter acht Jahren und der
wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien erscheine eine weitere Belastung des
Klägers mit nachehelichem Unterhalt ab dem Jahre 2008 im Rahmen einer Ge-
samtschau unzumutbar. Bei der vorzunehmenden Billigkeitsprüfung seien je-
doch vorrangig die Belange des gemeinsamen Kindes zu berücksichtigen, das
davor bewahrt werden solle, infolge der Verwirkung von Unterhaltsansprüchen
des betreuenden Elternteils in eine soziale Notlage zu geraten. Für die Zeit von
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Januar bis März 2008 sei die Beklagte nicht in der Lage, aus ihrer Tätigkeit als
Feng-Shui-Beraterin ihren notwendigen Bedarf zu decken, so dass der Kläger
trotz der Verwirkung zur Deckung des Fehlbedarfs in Höhe von rund 278
€ ver-
pflichtet sei.
Die Beziehung der Beklagten zum Zeugen K. sei allerdings seit Novem-
ber 2008 endgültig beendet. Ende eine verfestigte Lebensgemeinschaft, sei in
einer weiteren umfassenden Abwägung aller Umstände zu überprüfen, inwie-
weit für den Unterhaltsschuldner durch ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht
die Grenze des Zumutbaren überschritten werde. Dabei komme es neben den
wirtschaftlichen Verhältnissen auf die Dauer der Ehe und die Dauer der objekti-
ven Unzumutbarkeit an. Vorliegend sei von einer Ehedauer von unter acht Jah-
ren auszugehen. Dem stehe eine objektive Unzumutbarkeit ab Anfang des Jah-
res 2008 bis zur Beendigung der Beziehung im November 2008 entgegen. Auf
einen endgültigen Wegfall seiner Unterhaltspflicht habe der Kläger nicht ver-
trauen dürfen und er habe auch nicht dargetan, im Vertrauen darauf wirtschaft-
liche Dispositionen getroffen zu haben. Die Neufassung des § 1586 a Abs. 1
BGB, nach der ein geschiedener Ehegatte, der eine weitere Ehe eingegangen
sei, nach Auflösung dieser Ehe von seinem früheren Ehegatten nur Betreu-
ungsunterhalt nach § 1570 BGB, nicht jedoch Anschlussunterhalt nach anderen
Unterhaltstatbeständen verlangen könne, führe zu keiner anderen Beurteilung.
Denn die Wertung dieser Vorschrift könne auf den Fall einer beendeten nicht-
ehelichen Lebensgemeinschaft nicht übertragen werden. Mit der Aufnahme und
Fortführung einer Partnerschaft, die sich im Laufe der Zeit zu einer nichteheli-
chen Lebensgemeinschaft verdichte, sei keine vergleichbare Aufgabe der
nachehelichen Solidarität verbunden. Der Schutz des Unterhaltspflichtigen sei
hier durch die Befristungsmöglichkeit nach § 1578 b Abs. 2 BGB gewährleistet.
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Eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b
Abs. 2 BGB sei nicht ausdrücklich geltend gemacht, jedoch anhand des Vor-
trags der Parteien von Amts wegen zu prüfen. Konkrete Umstände, die für eine
Befristung des Unterhaltsanspruchs sprächen, habe der Kläger jedoch nicht
angeführt. Aus dem allgemeinen Vortrag der Parteien ergebe sich, dass die
Ehe weniger als acht Jahre gedauert habe, während der die Beklagte ihren Be-
ruf als Bauzeichnerin überwiegend in einer Teilzeittätigkeit ausgeübt, im Übri-
gen den Haushalt geführt und die Tochter sowie den gemeinsamen Sohn be-
treut habe. Eine vollzeitige Erwerbspflicht sei der Beklagten erst mit der Neu-
fassung des Unterhaltsrechts zum Januar 2008 erwachsen. Es sei davon aus-
zugehen, dass die Beklagte als Bauzeichnerin ein Nettoeinkommen von rund
1.380
€ erzielen könne, während der Kläger über ein Nettoeinkommen in Höhe
von rund 3.320
€ verfüge. Allerdings habe der Kläger erhebliche Zahlungsver-
pflichtungen und schulde insgesamt drei Kindern Unterhalt. Nach dem allge-
meinen Vortrag der Parteien könne noch nicht davon ausgegangen werden,
dass eine zeitlich unbegrenzte Belastung des Klägers mit einer Unterhaltsver-
pflichtung unbillig sei. Entscheidend sei vielmehr, inwieweit die Beklagte durch
die Ehe berufliche Nachteile erlitten habe. Das Vorliegen solcher Nachteile sei
naheliegend, nachdem die Beklagte während der Ehe auf eine Vollzeitstelle
verzichtet habe, um den Haushalt zu versorgen und sich neben der Betreuung
ihrer Tochter um die Betreuung des gemeinsamen Sohnes zu kümmern. Nach
der Trennung habe sie die Ausübung ihres Berufes zugunsten der Kinderbe-
treuung ganz aufgegeben. Berufliche Nachteile seien auch nicht deswegen
ausgeschlossen, weil die Beklagte eine Ausbildung zur Feng-Shui-Beraterin
durchgeführt habe. Nachdem der darlegungs- und beweispflichtige Kläger zum
Fehlen oder zur Begrenzung berufsbedingter Nachteile der Klägerin nichts vor-
getragen habe, könne in der notwendigen Gesamtschau keine Unbilligkeit einer
zeitlich unbefristeten Unterhaltsverpflichtung festgestellt werden.
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II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Re-
vision nicht in allen Punkten stand.
1. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Revisionserwiderung ist die
Zulassung der Revision nicht auf die Problematik des § 1579 Nr. 2 BGB be-
schränkt, sondern umfasst auch die Frage der Befristung nach § 1578 b BGB.
Zwar kann das Berufungsgericht die Zulassung der Revision wirksam auf Teile
des Rechtsstreits begrenzen. Das setzt allerdings voraus, dass es sich um ei-
nen hinreichend klar umrissenen abgrenzbaren Teil der Entscheidung handelt
(Senatsurteile vom 4. Mai 2011 - XII ZR 70/09 - FamRZ 2011, 1041 Rn. 10 und
vom 12. Juli 2000 - XII ZR 159/98 - NJW-RR 2001, 485, 486). Eine solche wirk-
same Begrenzung liegt hier in der Zulassung der Revision auf Unterhaltsan-
sprüche ab dem 1. Dezember 2008. Eine Beschränkung auf einzelne Rechts-
fragen innerhalb dieses Streitgegenstandes, etwa die Anwendbarkeit des
§ 1579 Nr. 2 BGB, ist hingegen nicht zulässig (BGH Beschluss vom 10. Februar
2011 - VII ZR 71/10 - NJW 2011, 1228 Rn. 11 mwN).
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klage allerdings als Abände-
rungsklage behandelt, obwohl das Amtsgericht entsprechend dem Antrag des
Klägers lediglich festgestellt hat, dass er in Abänderung des gemeinsamen
Vergleichs ab Januar 2008 keinen nachehelichen Unterhalt an die Beklagte
mehr schuldet. Eine bloße Feststellung des Wegfalls der Unterhaltspflicht wäre
wegen des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs schon deswegen unzulässig,
weil dann der abweichende vollstreckbare Titel fortbestehen würde. Das Begeh-
ren des Klägers richtet sich vielmehr darauf, den gerichtlichen Vergleich als
Vollstreckungstitel aufzuheben. Weil der Titel nur im Rahmen einer Abände-
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rungsklage geändert werden kann, hat das Oberlandesgericht den Antrag des
Klägers zutreffend als Abänderungsantrag im Sinne des § 323 ZPO aF gewer-
tet.
3. Im Ergebnis zutreffend hat das Oberlandesgericht die Änderung der
Einkommensverhältnisse der Parteien seit Abschluss des Vergleichs bei der
Abänderung des Unterhaltsvergleichs berücksichtigt.
a) Der gerichtliche Unterhaltsvergleich entfaltet als Vollstreckungstitel im
Sinne des § 323 Abs. 4 ZPO aF (vgl. jetzt § 323 a ZPO und § 239 FamFG) kei-
ne materielle Rechtskraft. Er unterliegt deswegen auch nicht den Beschränkun-
gen des § 323 Abs. 2 und 3 ZPO (vgl. jetzt § 238 Abs. 2 und 3 FamFG), die auf
der Rechtskraft eines abzuändernden Unterhaltstitels beruhen. Der Umfang der
Abänderung einer Vereinbarung oder einer Urkunde im Sinne des § 323 Abs. 4
ZPO aF richtet sich vielmehr allein nach materiellem Recht (vgl. jetzt § 323 a
Abs. 2 ZPO und § 239 Abs. 2 FamFG). Auch danach sind Unterhaltsvereinba-
rungen allerdings nicht frei abänderbar; im Rahmen der Abänderung ist viel-
mehr stets der Inhalt der Vereinbarung der Parteien zu wahren. Eine Abände-
rung kommt nur dann nach § 313 BGB in Betracht, wenn sie wegen nachträgli-
cher Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse, des anwendbaren Rechts
oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung nach den Grundsätzen über den
Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage geboten ist (Senatsurteil
vom 4. Mai 2011 - XII ZR 70/09 - FamRZ 2011, 1041 Rn. 23 mwN).
b) Zutreffend hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass das Einkom-
men des Klägers seit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs jedenfalls nicht
gesunken ist. Der Kläger erzielt seit seiner Beförderung zum Leiter des Quali-
tätsmanagements sogar höhere Einkünfte als im Zeitpunkt des Vertragsschlus-
ses. Für die Zulässigkeit seiner Abänderungsklage kommt es deswegen nicht
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darauf an, ob die Beförderung auf eine außerordentliche nacheheliche Entwick-
lung zurückzuführen ist und deswegen bei der Bedarfsbemessung nach den
ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zu berück-
sichtigen wäre. Im Rahmen der aus anderen Gründen zulässigen Abände-
rungsklage hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage des Vortrags der Par-
teien einen Karrieresprung nicht feststellen können. Dagegen ist aus Rechts-
gründen nichts zu erinnern. Auch die Revision greift dies nicht an. Der Umfang
der Erwerbstätigkeit des Klägers übersteigt auch bei einer wöchentlichen Ar-
beitszeit von 40 Stunden nicht das im Berufsleben übliche Maß und ist deswe-
gen entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht überobligatorisch.
Allerdings hat das Oberlandesgericht nicht hinreichend beachtet, dass
der Kläger vorgetragen hat, aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen monat-
lich nur noch 35 Stunden zu arbeiten. Änderungen der Einkommensverhältnisse
der Parteien sind grundsätzlich schon in einem Ausgangsverfahren zu berück-
sichtigen und - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts -
nicht einem Abänderungsverfahren vorzubehalten (vgl. Wendl/Dose Das Unter-
haltsrecht der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 1 Rn. 24 ff.). Auch eine erst
im Verlauf des Berufungsverfahrens eingetretene Reduzierung der Arbeitszeit
wäre deswegen noch zu beachten (§§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO)
und vom Oberlandesgericht nach weiterer Aufklärung etwa im Wege des pro-
zessualen Auskunftsrechts gemäß § 643 ZPO (vgl. jetzt §§ 235 f. FamFG) in
die Unterhaltsbemessung einzubeziehen.
Soweit das Oberlandesgericht vom Einkommen des Klägers neben den
Zahlbeträgen auf den Kindesunterhalt zusätzlich das hälftige Kindergeld abge-
setzt hat, entspricht dies ebenfalls nicht der nach Erlass des Berufungsurteils
ergangenen Rechtsprechung des Senats. Danach kann bei der Bemessung des
Ehegattenunterhalts vom unterhaltsrelevanten Einkommen sowohl im Rahmen
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der Bedarfsbemessung (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 78/08 - FamRZ
2009, 1300 Rn. 45 ff.) als auch im Rahmen der Leistungsfähigkeit (Senatsurteil
vom 24. Juni 2009 - XII ZR 161/08 - FamRZ 2009, 1477 Rn. 21 ff.) nur der
Zahlbetrag auf den Kindesunterhalt abgesetzt werden. Auch dies wird das Be-
rufungsgericht zu berücksichtigen haben.
c) Keine rechtlichen Bedenken bestehen hingegen gegen die Zurech-
nung eines fiktiven Einkommens auf Seiten der Beklagten. Für die hier noch
relevante Zeit ab Dezember 2008 ist das Oberlandesgericht zutreffend von der
Neuregelung des Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB ausgegangen. Danach
schuldet der Unterhaltspflichtige dem betreuenden Elternteil nachehelich einen
Basisunterhalt bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des gemeinsamen
Kindes, der nur aus individuellen kind- oder elternbezogenen Gründen verlän-
gert werden kann. Der gemeinsame Sohn war zu diesem Zeitpunkt bereits über
neuneinhalb Jahre alt. Entgegen der Rechtsauffassung der Revisionserwide-
rung stand nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für ihn in erreichba-
rer Nähe die Möglichkeit einer Ganztagsbetreuung in einer Kindertagessstätte
zur Verfügung. Wenn das Oberlandesgericht im Hinblick darauf und unter Be-
rücksichtigung der sportlichen und musikalischen Aktivitäten des gemeinsamen
Sohnes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit der Beklagten für zumutbar erachtet
hat, ist dies aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn weitere
individuelle Umstände, die einer solchen Erwerbstätigkeit entgegenstehen
könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Auch gegen die Bemessung des
von der Beklagten erzielbaren Einkommens bestehen keine rechtlichen Beden-
ken. Die Revision greift dies ebenfalls nicht an.
4. Soweit das Berufungsgericht der Beklagten für die hier noch relevante
Zeit ab Dezember 2008 den vollen rechnerisch ermittelten Aufstockungsunter-
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halt zugesprochen und eine weitere Begrenzung nach § 1579 Nr. 2 BGB abge-
lehnt hat, hält dies den Angriffen der Revision nicht stand.
a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht allerdings davon ausgegangen,
dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten wegen ihrer verfestigten Lebens-
gemeinschaft in der Zeit von Januar bis November 2008 überwiegend entfallen
war. Dies hält auch den Gegenrügen der Beklagten stand.
Schon nach ständiger Rechtsprechung des Senats zum früheren Recht
konnte ein länger dauerndes Verhältnis des Unterhaltsberechtigten zu einem
anderen Partner zur Annahme eines Härtegrundes im Rahmen des § 1579
Nr. 7 BGB aF - mit der Folge der Unzumutbarkeit einer weiteren uneinge-
schränkten Unterhaltsbelastung für den Unterhaltspflichtigen - führen, wenn
sich die Beziehung in einem solchen Maße verfestigt hatte, dass sie als ehe-
ähnliches Zusammenleben anzusehen und gleichsam an die Stelle einer Ehe
getreten war. Dabei setzte die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft
nicht zwingend voraus, dass die Partner räumlich zusammenlebten und einen
gemeinsamen Haushalt führten, auch wenn eine solche Form des Zusammen-
lebens in der Regel als ein typisches Anzeichen hierfür angesehen wurde. Un-
ter welchen Umständen - nach einer gewissen Dauer, die im Allgemeinen zwi-
schen zwei und drei Jahren lag - auf ein eheähnliches Zusammenleben ge-
schlossen werden konnte, ließ sich nicht allgemein verbindlich festlegen. Letzt-
lich oblag es der verantwortlichen Beurteilung des Tatrichters, ob er den Tatbe-
stand des eheähnlichen Zusammenlebens aus tatsächlichen Gründen für ge-
geben erachtete oder nicht (Senatsurteile BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414
Rn. 26; BGHZ 157, 395 = FamRZ 2004, 614, 616 und BGHZ 150, 209
= FamRZ 2002, 810, 811).
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Mit der zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 1579
Nr. 2 BGB ist die verfestigte Lebensgemeinschaft als eigenständiger Här-
tegrund in das Gesetz übernommen worden. Auch damit wird kein vorwerfbares
Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten sanktioniert. Zweck der Vorschrift ist
es vielmehr, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebens-
verhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Un-
terhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Auch die gesetzliche Neurege-
lung hat nicht festgelegt, ab wann von einer verfestigten Lebensgemeinschaft
auszugehen ist, sondern ausdrücklich auf die hierzu ergangene Rechtspre-
chung Bezug genommen. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann danach
insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Um-
stände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsa-
mer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame
Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer
der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahele-
gen. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühe-
re Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich
damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt,
dass er diese nicht mehr benötigt (BT-Drucks. 16/1830 S. 21; vgl. auch Senats-
urteil vom 30. März 2011 - XII ZR 3/09 - FamRZ 2011, 791 Rn. 39). Kriterien
wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.
Die verfestigte Lebensgemeinschaft ist damit als Anwendungsfall der Unbillig-
keit nach § 1579 BGB zu begreifen und nicht als Fall der bloßen Bedarfsde-
ckung im Sinne von § 1577 Abs. 1 BGB. Die Belange eines gemeinsamen Kin-
des sind allerdings im Rahmen der Kinderschutzklausel im Einleitungssatz des
§ 1579 BGB zu beachten.
Auf dieser rechtlichen Grundlage ist die Annahme einer verfestigten Le-
bensgemeinschaft durch das Oberlandesgericht aus revisionsrechtlicher Sicht
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nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es dabei auch auf das Erscheinungsbild
der neuen Lebensgemeinschaft der Beklagten in der Öffentlichkeit abgestellt.
Dem Umstand, dass die Beklagte keinen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Le-
bensgefährten unterhielt, hat es dadurch Rechnung getragen, dass es eine ver-
festigte Lebensgemeinschaft erst ab Januar 2008, also nach 3 ¾ Jahren seit
Aufnahme der neuen Partnerschaft, angenommen hat. Entgegen der Auffas-
sung der Revisionserwiderung liegt darin jedenfalls keine rechtswidrige Belas-
tung der Beklagten.
b) Das Wiedererstarken des Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt für die
Zeit ab Dezember 2008 hat das Oberlandesgericht hingegen nicht rechtsfehler-
frei begründet.
aa) Zutreffend ist allerdings der Ansatz des Oberlandesgerichts, wonach
ein nach § 1579 BGB beschränkter oder versagter Unterhaltsanspruch bei
Wegfall des Härtegrundes grundsätzlich wieder aufleben kann. Insoweit unter-
scheidet sich die Vorschrift von der früheren Regelung in § 66 EheG, die eine
Verwirkung des Unterhaltsanspruchs vorsah. Ändern sich später die Gegeben-
heiten, die die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des früheren Ehegatten
auf Unterhalt begründet haben, bleiben diese Änderungen weder unberücksich-
tigt noch führen sie ohne Weiteres zur Wiederherstellung der unterhaltsrechtli-
chen Lage, die vor dem Eintritt der die Unzumutbarkeit begründenden Umstän-
de bestanden hat. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats
vielmehr eine neue umfassende Prüfung, ob die aus einer wiederauflebenden
Unterhaltspflicht erwachsenden Belastungen für den Unterhaltspflichtigen wei-
terhin die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten (Senatsurteile vom 6. Mai 1987
- IV b ZR 61/86 - FamRZ 1987, 689, 690 und vom 25. September 1985
- IV b ZR 49/84 - FamRZ 1986, 443, 444). In diese Prüfung sind grundsätzlich
alle Umstände einzubeziehen, die die gebotene Billigkeitsabwägung beeinflus-
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sen können. Erhebliche Bedeutung kommt dabei zunächst dem Maß der nach-
ehelichen Solidarität zu. Insbesondere in Fällen, in denen der unterhaltsberech-
tigte Ehegatte während der Ehezeit seine Erwerbstätigkeit aufgegeben hatte,
um den gemeinsamen Haushalt zu führen oder die gemeinsamen Kinder zu
betreuen, gewinnt auch die Ehedauer an Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom
6. Oktober 2010 - XII ZR 202/08 - FamRZ 2010, 1971 Rn. 21 und vom
11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 48). Auf der anderen
Seite ist auch zu berücksichtigen, wie lange die Verhältnisse gedauert haben,
die eine Unterhaltsgewährung als objektiv unzumutbar erscheinen ließen (OLG
Celle FamRZ 2008, 1627 Rn. 42). Entsprechend wird in der Literatur einhellig
die Auffassung vertreten, dass ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder
versagter nachehelicher Unterhaltsanspruch grundsätzlich wiedererstarken
kann, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichti-
gung aller Umstände bedarf (Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der fami-
lienrichterlichen Praxis 8. Aufl. Rn. 1384; Scholz/Kleffmann/Motzer Praxishand-
buch Familienrecht Stand: März 2011 Teil H Rn. 280; Johannsen/Henrich/
Büttner Familienrecht 5. Aufl. § 1579 BGB Rn. 68 ff.; Hoppenz/Hülsmann Fami-
liensachen 9. Aufl. § 1579 BGB Rn. 54 ff.; Borth Praxis des Unterhaltsrechts
2. Aufl. Rn. 414 und 476; Luthin/Koch Handbuch des Unterhaltsrechts 11. Aufl.
Rn. 2244; Büttner/Niepmann/Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Un-
terhalts 11. Aufl. Rn. 1190; Ehinger/Griesche/Rasch Handbuch Unterhaltsrecht
6. Aufl. Rn. 535 d; Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1579 Rn. 50
und Weinreich/Klein Fachanwaltskommentar Familienrecht 4. Aufl. § 1579
Rn. 166 f.).
bb) Im Rahmen dieser notwendigen umfassenden Zumutbarkeitsprüfung
sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die erst nach der Scheidung
hinzugetreten sind. Zum einen ist deswegen die Kinderschutzklausel zu beach-
ten, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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(BVerfGE 57, 361 = FamRZ 1981, 745, 749 f.) durch das Unterhaltsrechtsände-
rungsgesetz vom 20. Februar 1986 (BGBl. I S. 301) Eingang in den Einleitungs-
satz des § 1579 BGB gefunden hat. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass
sich der Unterhaltsberechtigte durch die Aufnahme einer verfestigten neuen
Lebensgemeinschaft aus der nachehelichen Solidarität der Ehegatten heraus-
gelöst und zu erkennen gegeben hatte, dass er diese nicht mehr benötigt (vgl.
BT-Drucks. 16/1830 S. 21). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nur un-
wesentlich von der Regelung des § 1586 a Abs. 1 BGB, wonach bei Auflösung
einer Zweitehe gegenüber dem geschiedenen ersten Ehegatten lediglich der
Betreuungsunterhalt wieder auflebt. Denn eine neue Ehe des Unterhaltsberech-
tigten führt stets zur endgültigen Auflösung der nachehelichen Solidarität, so
dass es für ein Wiederaufleben anderer Tatbestände an einer Legitimation fehlt,
während ein Wiederaufleben des Betreuungsunterhalts auf das schutzwürdige
Interesse der gemeinsamen Kinder zurückzuführen ist (vgl. BT-Drucks. 16/1830
S. 22).
Das Oberlandesgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Einge-
hung einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht notwendig eine gleiche end-
gültige Wirkung beinhaltet wie die Eingehung einer neuen Ehe. Auch der Vor-
schrift des § 1579 Nr. 2 BGB liegt allerdings die Überlegung zugrunde, dass ein
widersprüchliches Verhalten des Unterhaltsberechtigten vorliegt, wenn er sich
in eine neue verfestigte Lebensgemeinschaft begibt, aber gleichzeitig die nach-
eheliche Solidarität aus der geschiedenen Ehe einfordert.
Nach diesen rechtlichen Maßstäben lebt auch ein nach § 1579 Nr. 2
BGB versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig nur im Interesse gemeinsamer
Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände
gilt dies nur ausnahmsweise, wenn trotz der für eine gewisse Zeit verfestigten
neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität gefor-
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dert werden kann, das eine fortdauernde nacheheliche Unterhaltspflicht recht-
fertigen kann (so im Ergebnis auch Wendl/Gerhardt aaO Rn. 1384; Scholz/
Kleffmann/Motzer/Kühner aaO Rn. 280; Luthin/Koch aaO Rn. 2244).
cc) Diesen Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Der Entscheidung des Oberlandesgerichts fehlt schon insoweit eine hin-
reichende Begründung, als es der Beklagten trotz der relativ kurzen Ehedauer
und der zwischenzeitig verfestigten Lebensgemeinschaft der Beklagten für die
Zeit ab Dezember 2008 den rechnerisch ermittelten ungekürzten Aufstockungs-
unterhalt zugesprochen hat. Hinzu kommt, dass es nicht alle relevanten Um-
stände rechtsfehlerfrei gewürdigt hat.
Zu Unrecht hat das Oberlandesgericht für die Bemessung der Ehedauer
auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung und nicht, entsprechend der
Rechtsprechung des Senats, auf die Zustellung des Scheidungsantrags abge-
stellt (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010,
2059 Rn. 36; vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - FamRZ 2010, 1414 Rn. 30 und
BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 Rn. 35). Denn ab Zustellung des Schei-
dungsantrags konnte kein weiteres Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe und
insoweit auch keine weitere nacheheliche Solidarität mehr entstehen. Der Ehe-
dauer hat das Oberlandesgericht überdies lediglich eine Zeit der verfestigten
Lebensgemeinschaft von Januar bis November 2008 gegenübergestellt. Dabei
hat es unberücksichtigt gelassen, dass die Lebensgemeinschaft der Beklagten
seit dem Frühjahr 2004 bestand und sich bereits im Laufe der ersten Jahre ver-
festigt hatte. Wenn das Oberlandesgericht die Zeit bis zur endgültigen Verfesti-
gung der Lebensgemeinschaft unberücksichtigt lässt, muss es im Gegenzug
aber auch berücksichtigen, dass mit der Verfestigung der Lebensgemeinschaft
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ab Januar 2008 eine endgültige Aufgabe der nachehelichen Solidarität eingetre-
ten war (vgl. BT-Drucks. 16/1830 S. 21).
Im Rahmen der Zumutbarkeitsabwägung hat das Oberlandesgericht
auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die tatsächlichen Lebensver-
hältnisse der Parteien nicht wesentlich unterscheiden. Zwar hat das Oberlan-
desgericht für den Kläger ein unterhaltsrelevantes Einkommen errechnet, das
sich nach Abzug des Kindesunterhalts auf monatlich 2.080
€ beläuft, während
es der Beklagten lediglich Einkünfte in Höhe von 1.113
€ zugerechnet hat. Da-
bei hat es allerdings erhebliche weitere Kreditverbindlichkeiten des Klägers un-
berücksichtigt gelassen, weil diese zur Finanzierung seines Wohneigentums
aufgebracht werden und den Umfang der vom Senat akzeptierten zusätzlichen
Altersvorsorge übersteigen. Andererseits hat das Oberlandesgericht das der
Beklagten von ihrer Mutter zugewendete Vermögen in Höhe von 120.000
€ und
insbesondere auch die daraus resultierenden Zinsen unberücksichtigt gelassen,
weil die Parteien solche Einkünfte auch bei Abschluss ihres Vergleichs nicht
berücksichtigt hatten. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB
können diese Umstände allerdings nicht unberücksichtigt bleiben.
5. Die angefochtene Entscheidung kann deswegen keinen Bestand ha-
ben. Das Oberlandesgericht wird im Rahmen des § 1579 Nr. 2 BGB eine erneu-
te Zumutbarkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel-
falles durchzuführen und dabei insbesondere das Maß der nach Beendigung
einer verfestigten Lebensgemeinschaft regelmäßig nur noch sehr begrenzt zu
erwartenden nachehelichen Solidarität zu berücksichtigen haben.
6. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Ausführungen
des Berufungsgerichts zur zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der
Beklagten nach § 1578 b BGB nicht frei von Rechtsfehlern sind.
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Soweit das Oberlandesgericht im Rahmen der Prüfung einer zeitlichen
Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2 BGB von einem fortbeste-
henden ehebedingten Nachteil der Beklagten ausgegangen ist, widerspricht
dies der Rechtsprechung des Senats. Die Beklagte ist ausgebildete Bauzeich-
nerin und hatte in diesem Beruf zunächst vollschichtig und ab der Geburt des
gemeinsamen Sohnes im geringfügigen Umfang gearbeitet. Erst seit der Tren-
nung der Parteien im Februar 2004 bis zur Aufnahme ihrer Ausbildung zur
Feng-Shui-Beraterin im August 2006, also für zweieinhalb Jahre, war sie nicht
erwerbstätig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wäre es ihr
gleichwohl möglich, eine Vollzeittätigkeit als Bauzeichnerin zu finden. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts sprechen die zeitweilige Reduzierung
des Umfangs der Erwerbstätigkeit und die zweieinhalbjährige Erwerbslosigkeit
nicht zwingend für noch vorhandene Einkommenseinbußen. Der Wechsel der
Erwerbstätigkeit mit Ausbildung zur Feng-Shui-Beraterin ist ohnehin nicht ehe-
bedingt. Soweit die Beklagte sich trotz der Obliegenheit zur Aufnahme einer
vollschichtigen Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf auf einen fortdauernden
ehebedingten Nachteil beruft, hätte sie dazu im Rahmen ihrer sekundären Dar-
legungslast substantiiert vortragen müssen (Senatsurteile vom 20. Oktober
2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 32 ff. und BGHZ 185, 1 = FamRZ
2010, 875 Rn. 20 ff.). Erst ein solcher substantiierter Vortrag versetzt den un-
terhaltspflichtigen Kläger in die Lage, einen fortdauernden ehebedingten Nach-
teil zu akzeptieren oder ebenso substantiiert zu bestreiten.
Hinzu kommt, dass das Oberlandesgericht trotz der sehr begrenzten
nachehelichen Solidarität keine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts
nach § 1578 b Abs. 1 BGB geprüft hat, obwohl die dafür relevanten Umstände
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von den Parteien vorgetragen sind. Auch dies wird das Oberlandesgericht
nachzuholen haben, falls es im Rahmen des § 1579 Nr. 2 BGB zu einer Fort-
dauer des nachehelichen Unterhalts gelangt.
Hahne
Dose
Klinkhammer
Günter Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 13.11.2008 - 1 F 335/08 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 16.04.2009 - 11 UF 277/08 -