Urteil des BGH vom 18.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Private Krankenversicherung, Befristung, Ehevertrag, Erwerbseinkommen, Leistungsfähigkeit

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I I Z R 8 0 / 1 3
Verkündet am:
18. Februar 2015
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 313, 1578 Abs. 2 und Abs. 3, 1578 b
a) Haben die Parteien in einem Ehevertrag eine lebenslange Unterhaltsverpflich-
tung vereinbart, und hat sich die Rechtslage danach geändert (Möglichkeit der
Befristung), bleibt es dem Unterhaltspflichtigen im Zweifel unbenommen, sich auf
eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (im Anschluss an Senatsurteil
vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525).
b) Bei einer nach § 313 i.V.m. § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB gebotenen Herabset-
zung des Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf ist die ehevertragliche
Regelung, wonach eine Anrechnung von Erwerbseinkommen nicht erfolgt,
grundsätzlich auch weiterhin zu berücksichtigen.
c) Wird der in einem Ehevertrag festgeschriebene, einen Vorsorgeunterhalt nicht
ausweisende Bedarf des Unterhaltsberechtigten nach § 313 i.V.m. § 1578 b
Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt, so kön-
nen hierbei grundsätzlich auch die Kosten für eine angemessene Kranken- und
Pflegeversicherung sowie für eine angemessene Altersversorgung berücksichtigt
werden. Die betreffenden Einzelbeträge sind im Tenor gesondert auszuweisen
(im Anschluss an Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 - FamRZ
1982, 1187).
BGH, Urteil vom 18. Februar 2015 - XII ZR 80/13 - OLG Frankfurt am Main
AG Kassel
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-
Boeger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Familiensenats
in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. April
2013 aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers hinsichtlich ei-
nes monatlich 1.150
€ übersteigenden Unterhaltsbetrages zurück-
gewiesen worden ist. Die weitergehende Revision wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unterhalt nur bis zum 2. Juni
2013 geschuldet ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsver-
fahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der 1949 geborene Kläger begehrt mit seiner Klage Abänderung eines
zugunsten seiner von ihm geschiedenen und am 2. Juni 2013 verstorbenen
Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) titulierten Unterhaltsanspruchs. Aus der 1977
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geschlossenen Ehe sind die 1979 und 1981 geborenen Söhne hervorgegan-
gen; diese haben als Erben der Ehefrau den Rechtsstreit aufgenommen (im
Folgenden: Beklagte).
Nach ihrer Trennung im Jahr 1991 schlossen die Eheleute am 19. Sep-
tember 1996 einen notariellen Vertrag (im Folgenden: Ehevertrag), in dem sie
neben einer umfassenden Vermögens- und güterrechtlichen Auseinanderset-
zung den Unterhalt der Ehefrau regelten.
In Ziffer VII. des Ehevertrages vereinbarten die Eheleute, dass die Ehe-
frau 50 % der bereinigten Einnahmen aus der Zahnarztpraxis des Klägers als
Unterhalt erhalten sollte. Mit Wegfall der Unterhaltsverpflichtung den Kindern
gegenüber sollte sich die Quote auf 40 % verringern, wobei die Unterhaltszah-
lung lebenslang erfolgen und eigenes Erwerbseinkommen der Ehefrau - anders
als Renteneinkommen - nicht auf die Unterhaltsleistung angerechnet werden
sollte.
Nachdem die Ehe auf den im Jahr 1998 zugestellten Scheidungsantrag
im Jahr 1999 geschieden worden war, verurteilte das Berufungsgericht den Klä-
ger zuletzt auf der Grundlage des vorgenannten Vertrages, an die Ehefrau ab
Januar 2004 monatlich 2.810,83
€ zu zahlen.
Der Abänderungsklage, mit der der Kläger eine Herabsetzung und Be-
fristung des Unterhalts begehrt, hat das Amtsgericht in Anbetracht des wegge-
fallenen Kindesunterhalts insoweit stattgegeben, als er ab 1. April 2008 an die
Ehefrau 2.248,66
€ monatlich zu zahlen hat. Die hiergegen von den Parteien
jeweils eingelegten Berufungen und den vom Kläger in der Berufungsinstanz
hilfsweise gestellten Feststellungsantrag hat das Berufungsgericht im Wesentli-
chen zurückgewiesen.
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Der Senat hat mit Urteil vom 25. Januar 2012 (XII ZR 139/09 - FamRZ
2012, 525) das Berufungsurteil aufgehoben, soweit die Berufung des Klägers
für die Zeit ab dem 8. April 2008 zurückgewiesen und seine Feststellungsklage
abgewiesen worden ist.
Nachdem im Oktober 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Klägers eröffnet worden war, hat das Berufungsgericht das Verfahren für
die Zeit vom 8. April 2008 bis 31. Oktober 2011 gemäß § 240 ZPO als unter-
brochen angesehen. Im Übrigen hat es die Berufung für die Zeit ab 1. Novem-
ber 2011 durch Teilurteil erneut zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der
Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Mit ihr begehrt
er nunmehr eine Reduzierung des titulierten Unterhalts für die Zeit bis zum Tod
der Ehefrau auf 350
€ monatlich.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist teilweise begründet.
A.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Auch bei Anwendung des § 1578 b Abs. 2 i.V.m. § 313 BGB sei der Un-
terhalt der Ehefrau nicht zu befristen. Sie habe erhebliche, nicht mehr zu kom-
pensierende ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten.
Die Ehefrau habe ihren bereits drei Jahre lang ausgeübten Beruf als Bankkauf-
frau zu Beginn der Ehe im Alter von 23 Jahren aufgegeben. Ihre fehlende Be-
rufspraxis von nahezu 30 Jahren habe sie nicht mehr aufholen können. Wäre
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sie weiterhin in ihrem Berufsfeld tätig geblieben, hätte sie mittlerweile eine zu-
mindest mittlere Position in diesem Berufsfeld bekleiden können, während sie
nunmehr aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters lediglich geringfügig qualifiziert
mit entsprechend niedrigem Einkommen tätig sein könnte.
Allerdings sei der Unterhalt nach § 1578 b Abs. 1 BGB gemäß § 313
BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, nachdem der Klä-
ger nahezu zwölf Jahre lang Ehegattenunterhalt orientiert an den ehelichen Le-
bensverhältnissen habe zahlen müssen. Maßgeblich sei dabei das Einkommen,
das die Ehefrau ohne die ehebedingten Nachteile jetzt erzielen könnte und zwar
als Bankkauffrau in mittlerer Position. Nach dem ab 1. Juli 2012 gültigen Tarif-
vertrag für das private und öffentliche Bankgewerbe müsse bei ihr von einem
Monatsdurchschnittsnettoeinkommen - bereinigt um die Werbungskostenpau-
schale von 5 % - von etwa 1.950
€ ausgegangen werden.
Darauf, dass die Ehefrau in der Lage sei, ein Erwerbseinkommen von bis
zu 800
€ netto zu erzielen, komme es nicht an. Denn Einkommen aus ihrer Er-
werbstätigkeit sei auf den eigenangemessenen Bedarf nicht bedarfsmindernd
anzurechnen. Zwar werde der Unterhaltsanspruch der Ehefrau über § 313 BGB
unter Heranziehung des neuen Unterhaltsrechtes auf eine völlig neue Grundla-
ge gestellt. Andererseits sei der Ehevertrag über § 313 BGB nur insoweit an die
neue Rechtslage anzupassen, als sie gegenüber der damals geltenden Rechts-
lage zu einer anderen Beurteilung führe. Dies sei hinsichtlich der Erwerbsoblie-
genheit der Ehefrau jedoch nicht der Fall. Nach damaliger Rechtslage wäre
nach der Anrechnungsmethode erzieltes oder erzielbares Einkommen auf den
zugebilligten Unterhaltsbedarf anzurechnen gewesen. Hiervon hätten die ver-
tragsschließenden Parteien jedoch abgesehen, da nach dem Ehevertrag eige-
nes Einkommen der Ehefrau "durch Erwerbstätigkeit" auf die Unterhaltsleistung
nicht angerechnet werden solle. Weil sich die Rechtslage insoweit mit Ausnah-
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me des Wechsels von der Anrechnungsmethode zur Differenzmethode nicht
verändert habe, könne eine Vertragsanpassung auch über § 313 BGB nicht zu
einer Anrechnung jetziger Erwerbseinkünfte und erst recht nicht zur Anrech-
nung fiktiver Erwerbseinkünfte führen.
Allerdings sei der Ehefrau wegen des mietfreien Wohnens ein objektiver
Mietwert von 800
€ anzurechnen. Damit reduziere sich der angemessene, nicht
gedeckte Unterhaltsbedarf der Ehefrau auf 1.150
€.
Diesem Betrag sei der Krankenvorsorgeunterhalt in Höhe eines Beitra-
ges für eine private Krankenversicherung entsprechend dem Leistungsumfang
der gesetzlichen Krankenversicherung, mithin der Basistarif, zuzurechnen. Glei-
ches gelte für den Pflegeversicherungsbedarf. Dies ergebe sich nicht nur aus
§ 1578 Abs. 2 BGB, sondern auch aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs des
ehebedingten Nachteils nach § 1578 b BGB. Denn die Ehefrau wäre ohne den
ehebedingten Ausstieg aus dem Berufsleben gesetzlich kranken- und pflege-
versichert. Der angemessene Unterhaltsbedarf der Ehefrau erhöhe sich daher
um Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510
€ bzw. 535 €.
Weiterhin sei ihr ein Mehrbedarf als Altersvorsorgebedarf in Höhe des
Rentenversicherungsaufwands zuzubilligen. Bei einem ohne den ehebedingten
Nachteil erzielbaren Bruttoeinkommen von 40.534
€ wäre dies mit einem Ren-
tenversicherungsbeitrag von 19 % ein monatlicher Betrag von 642
€.
Damit ergebe sich insgesamt ein noch geschuldeter Unterhalt, der über
dem vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag von 2.248,66
€ monatlich liege,
weshalb die Berufung des Klägers nicht durchdringen könne.
In Höhe dieses Unterhalts sei Leistungsfähigkeit des Klägers (§ 1581
BGB) zumindest zu unterstellen. Es sei nicht ersichtlich, warum zugunsten des
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Klägers nunmehr von einem geringeren Gewinn vor Steuern als im Durchschnitt
für die Jahre 2004 bis 2007 mit 244.781
€ ausgegangen werden solle. Insbe-
sondere die vom Kläger konstruierte Praxisgemeinschaft mit der GmbH seiner
jetzigen Ehefrau könne dies nicht begründen. Der Kläger sei nach wie vor allein
Leistungsträger dieser Praxisgemeinschaft. Die unterschiedliche Verteilung der
Kosten zwischen der GmbH und ihm als niedergelassenem Kassenarzt lasse
nur aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung sein zahnärztliches Einkommen
geschmälert erscheinen, während die GmbH erhebliche Gewinne erziele. Diese
vertragliche Gewinnverlagerung zugunsten seiner jetzigen Ehefrau könne eine
eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen. Die Umsatz-
und Gewinnzahlen für 2009 sowohl des Klägers selbst als auch der Praxisge-
meinschaft zeigten, dass ohne die gewählte und damit unbeachtliche Gewinn-
verlagerung von einer zumindest gleichen Einkommenssituation wie in den Vor-
jahren auszugehen sei. Auch könne die Tatsache, dass mit Beschluss vom
24. Oktober 2011 über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren er-
öffnet worden sei, seine fehlende Leistungsfähigkeit nicht begründen, da nicht
nachvollziehbar sei, wie es bei der dargestellten Ertragslage der Praxis zu die-
ser Insolvenz habe kommen müssen. Jedenfalls habe der Kläger nicht vorge-
tragen, dass die Insolvenz unvermeidbar gewesen sei. Wenn der Kläger durch
Ansparabschreibungen vorübergehend seine Steuerlast reduziert habe, um
damit seine Liquidität zu erhöhen, so könne er die Belastung aus den erhöhten
Steuernachforderungen bei Auflösung der Ansparabschreibungen dem Unter-
haltsanspruch der Ehefrau nicht entgegenhalten, da bei der Bemessung dieses
Unterhaltsanspruchs bereits von der regelmäßigen und nicht reduzierten Steu-
erlast ausgegangen worden sei.
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B.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem
Umfang stand.
I.
Die im vorliegenden Verfahren vom Kläger begehrte Abänderung richtet
sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch nach dem bis zum 31. August
2009 geltenden Verfahrensrecht und ist mithin nach § 323 ZPO aF zu beurtei-
len (Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525
Rn. 19 mwN).
II.
Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass das Verfahren hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch streitgegen-
ständlichen Unterhaltsansprüche der Ehefrau für die Zeit ab 1. November 2011
nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist; Bedenken gegen die Zulässigkeit des
Teilurteils ergeben sich nicht (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2011
- XII ZR 170/06 - MDR 2012, 180 Rn. 15 mwN).
III.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht
von einer Befristung des Unterhalts abgesehen und den Bedarf der Ehefrau auf
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ihren angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt hat. Ebenso wenig ist etwas
dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht erzielbares Erwerbseinkom-
men der Ehefrau nicht auf ihren Bedarf angerechnet und den Kläger für leis-
tungsfähig erachtet hat. Demgegenüber ist die Behandlung des Vorsorgeunter-
halts nicht rechtsbedenkenfrei.
1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der titulierte Un-
terhaltsanspruch der Ehefrau aus dem Ehevertrag von 1996 im Rahmen der
vom Kläger erhobenen Abänderungsklage einer Anpassung nach § 313 BGB
unter Berücksichtigung der Regelungen des § 1578 b BGB unterliegt, wird von
den Parteien nicht angegriffen und ist im Ergebnis auch sonst revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 -
FamRZ 2012, 525 Rn. 49 f.; s. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Senats-
beschluss vom 11. Februar 2015 - XII ZB 66/14 - zur Veröffentlichung be-
stimmt).
2. Dagegen, dass das Berufungsgericht eine Befristung des Unterhalts
gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB abgelehnt hat, weil der Ehefrau ehebedingte
Nachteile entstanden seien, ist revisionsrechtlich ebenfalls nichts zu erinnern;
dies wird von der Revision auch nicht angegriffen.
a) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB ist bei der Billigkeitsabwägung,
ob der nacheheliche Unterhalt zu befristen ist, vorrangig zu berücksichtigen,
inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten
sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Liegen ehebedingte Nachteile vor,
scheidet eine Befristung des Unterhalts regelmäßig aus (Senatsurteil vom
25. Januar 2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 50 mwN).
b) Das Berufungsgericht hat solche Nachteile in revisionsrechtlich nicht
zu beanstandender Weise festgestellt. Es hat namentlich darauf abgestellt,
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dass die Ehefrau ehebedingt ihre Berufstätigkeit als Bankkauffrau eingestellt
hat und sie wegen ihrer Berufspause von nahezu 30 Jahren nur noch in einer
geringfügig qualifizierten Beschäftigung tätig sein kann, während sie bei unun-
terbrochener Beschäftigung in ihrem Berufsfeld zumindest eine mittlere Position
einnehmen könnte.
3. Es liegt im Rahmen rechtsfehlerfreier Ermessensausübung des Tat-
richters, dass das Berufungsgericht den unterhaltsrechtlichen Bedarf der Ehe-
frau im Wege des § 313 i.V.m. § 1578 b Abs. 1 BGB auf den angemessenen
Lebensbedarf herabgesetzt hat. Gegen diese für den Kläger günstige Würdi-
gung werden seitens der Beklagten im Übrigen keine Einwendungen erhoben.
Zwar erlaubte § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon bei Abschluss des
Ehevertrages im Jahre 1996 eine Herabsetzung auf den angemessenen Le-
bensbedarf. Bei langer Ehedauer wurde von der Herabsetzung allerdings re-
gelmäßig kein Gebrauch gemacht (vgl. Senatsurteil vom 7. März 2012 -
XII ZR 145/09 - FamRZ 2012, 951 Rn. 21 und Senatsbeschluss vom 19. Juni
2013 - XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 17 zum Krankheitsunterhalt). Mit
§ 1578 b BGB hat der Gesetzgeber zudem die bis dahin einer Befristung nicht
zugänglichen nachehelichen Unterhaltstatbestände ebenfalls in die Befris-
tungsmöglichkeit einbezogen. Auch insoweit kann die Herabsetzung im Rah-
men der Billigkeitsabwägung von nun an nicht mehr isoliert betrachtet werden,
sondern muss immer auch im Lichte einer kumulativ oder auch alternativ mögli-
chen Befristung gesehen werden. Dadurch bekommen die jeweils anzusetzen-
den Maßstäbe ein anderes Gewicht. Während nach altem Recht die Herabset-
zung das einzige und damit auch das einschneidendste Mittel darstellte, um
den Unterhalt zu begrenzen, stellt sie jetzt das mildere Mittel im Verhältnis zur
Befristung dar (vgl. Senatsurteil vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 -
FamRZ 2012, 197 Rn. 21 mwN).
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4. Entgegen der Auffassung der Revision ist es revisionsrechtlich nicht
zu beanstanden, dass das Berufungsgericht auf den festgestellten Bedarf im
Hinblick auf die Anrechnungsregelungen im Ehevertrag kein (fiktives) Einkom-
men der Ehefrau angerechnet hat.
a) Bei der Anpassung an die veränderten Verhältnisse muss die Grund-
lage der Vereinbarung möglichst beibehalten werden, für die in erster Linie der
Parteiwille maßgebend ist (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1986 - IVb ZR 34/85
- FamRZ 1986, 783, 784). Deshalb ist im Rahmen der Prüfung des § 1578 b
BGB von den Regelungen des notariellen Vertrages auszugehen, die bei einer
etwaigen Abänderung hieran anzupassen sind (Senatsurteil vom 25. Januar
2012 - XII ZR 139/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 51).
b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil gerecht. Es verweist
auf den Ehevertrag, nach dem zwar das Renteneinkommen der Ehefrau, nicht
aber eigenes Erwerbseinkommen auf die Unterhaltsleistung angerechnet wird
(Ziffer VII. 3. und 4. EV). Zu Recht nimmt das Berufungsgericht in diesem Zu-
sammenhang auf die damalige Rechtslage Bezug, wonach Erwerbseinkommen
- ohne eine solche Regelung - auf den Unterhalt anzurechnen war (so genannte
Anrechnungsmethode, s. etwa Senatsurteil BGHZ 148, 105 = FamRZ 2001,
986, 988). Daraus folgt, dass sich die Ehegatten bereits damals insoweit von
der Gesetzeslage gelöst haben, als der Ehefrau ihr Erwerbseinkommen an-
rechnungsfrei verbleiben sollte. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen.
5. Demgegenüber hat das Berufungsgericht den auf 800
€ monatlich ge-
schätzten Wohnvorteil auf den Bedarf der Ehefrau angerechnet. Diese Behand-
lung (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - XII ZR 8/08 - FamRZ 2010,
192 Rn. 17) ist für den Kläger vorteilhaft und wird auch von den Beklagten hin-
genommen.
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6. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht allerdings bei der Be-
rücksichtigung des Vorsorgeunterhalts. Weder hat es diesen im Tenor geson-
dert ausgewiesen, noch ergibt sich aus den Gründen des Berufungsurteils, aus
welchen konkreten Beträgen sich dieser im Rahmen des zugesprochenen Un-
terhalts zusammensetzt.
a) Zwar gehören zum Lebensbedarf des Berechtigten gemäß § 1578
Abs. 2 und Abs. 3 BGB dem Grunde nach auch die Kosten für die entsprechen-
den Versicherungen. Dabei kann der Unterhaltsberechtigte auch im Falle einer
Herabsetzung seines Bedarfs auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß
§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsorgeunterhalt beanspruchen (vgl. zum Alters-
vorsorgeunterhalt Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 -
FamRZ 2014, 823 Rn. 18 mwN).
Weil etwaiges Einkommen der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit nach der
Vereinbarung der Parteien nicht anzurechnen ist und sie deshalb keine Er-
werbsobliegenheit trifft, kann sie - entgegen der Auffassung der Revision - auch
im Rahmen eines von ihr erzielbaren Einkommens nicht fiktiv so gestellt wer-
den, als wäre damit auch ihr Vorsorgebedarf in entsprechender Höhe gedeckt.
b) Das Berufungsgericht hat es indes verabsäumt, den Vorsorgeunterhalt
im Tenor gesondert auszuweisen.
Nach der Rechtsprechung des Senats folgt aus der Zweckbindung
des Vorsorgeunterhalts, dass der darauf entfallende Betrag im Entscheidungs-
satz des Urteils besonders auszuweisen ist und der Unterhaltsberechtigte den
ihm zustehenden Gesamtunterhalt nicht nach freiem Ermessen auf den Ele-
mentar- und Vorsorgeunterhalt verteilen darf sowie den letzteren zweckbe-
stimmt zu verwenden hat (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - IVb ZR 311/81 -
FamRZ 1982, 1187, 1188). Damit und mit den - für den Fall der Zweckentfrem-
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dung - einhergehenden Sanktionen soll sichergestellt werden, dass der Unter-
haltsberechtigte den Vorsorgeunterhalt zweckentsprechend verwendet (Wendl/
Gutdeutsch Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 4
Rn. 868 ff., 924 ff. und 927).
c) Schließlich lässt sich auch der Begründung der angegriffenen Ent-
scheidung nicht entnehmen, aus welchen konkreten Beträgen sich der zuer-
kannte Vorsorgeunterhalt zusammensetzt.
Das Berufungsgericht ist für die Zeit bis einschließlich Dezember 2012
von einem Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf von 510
€ sowie einem
Altersvorsorgebedarf von 642
€ monatlich ausgegangen. Für die Zeit ab Januar
2013 hat das Berufungsgericht den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf
auf 535
€ erhöht. Damit liegt der Vorsorgebedarf unter Hinzurechnung des
Elementarunterhaltsbedarfs von 1.150
€ mit insgesamt 2.302 € bzw. 2.327 €
aber über dem zuerkannten Gesamtunterhalt von 2.248,66
€. Deshalb hätte
klargestellt werden müssen, welcher konkrete Teil des Vorsorgeunterhalts auf
den Kranken- und Pflegeversicherungsbedarf und welcher auf den Altersvor-
sorgebedarf entfällt (vgl. auch Thomas/Putzo/Reichold ZPO 35. Aufl. § 253
Rn. 9 mwN).
7. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Leistungsfähigkeit und
die hierzu von ihm getroffenen - von der Revision nicht angegriffenen - Feststel-
lungen, wonach der Kläger hinsichtlich des im Streit stehenden Unterhaltsbe-
trags als leistungsfähig im Sinne von § 1581 BGB anzusehen sei, halten sich im
Rahmen der Senatsrechtsprechung (s. etwa Senatsurteil vom 12. April 2000
- XII ZR 79/98 - FamRZ 2000, 815, 817).
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IV.
Hinsichtlich des im Tenor ausgewiesenen Unterhaltsbetrags kann der
Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache abschließend entscheiden, weil
dieser Betrag den Beklagten in jedem Falle als Elementarunterhalt zusteht (vgl.
Senatsurteil vom 30. November 2011 - XII ZR 35/09 - FamRZ 2012, 945). Aller-
dings ist im Tenor klarstellend darauf hinzuweisen, dass die Unterhaltspflicht
gemäß § 1586 Abs. 1 BGB mit dem Tod der Ehefrau am 2. Juni 2013 ihr Ende
gefunden hat.
Im Übrigen ist die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Umfang der
Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann inso-
weit in der Sache nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht abschließend entscheiden, weil
sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Kassel, Entscheidung vom 02.07.2008 - 511 F 938/08 UE -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 24.04.2013 - 2 UF 208/08 -
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