Urteil des BGH vom 15.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Aussetzung, Versorgung, Unterhaltspflicht, Vergleich

ECLI:DE:BGH:2016:150616BXIIZB89.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 89/16
vom
15. Juni 2016
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VersAusglG §§ 33, 34
Die Kürzung einer laufenden Versorgung wegen Unterhalt kann befristet oder
für künftige Zeiträume gestaffelt ausgesetzt werden.
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - XII ZB 89/16 - OLG München
AG Augsburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger
und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats
- Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom
28. Januar 2016 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückge-
wiesen.
Beschwerdewert: 1.000
Gründe:
I.
Die Ehe des Antragstellers (Ehemann) und der weiteren Beteiligten (Ehe-
frau) wurde durch rechtskräftigen Endbeschluss vom 27. September 2013 ge-
schieden. Der Versorgungsausgleich wurde hinsichtlich der nach § 32 Vers-
AusglG anpassungsfähigen Anrechte dahin geregelt, dass im Wege der inter-
nen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemanns bei der Antragsgegnerin
(Deutsche Rentenversicherung Bund) ein Anrecht in Höhe von 28,9206 Ent-
geltpunkten auf das bei der Antragsgegnerin vorhandene Konto der Ehefrau
und von dem Anrecht der Ehefrau bei der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe
von 4,9091 Entgeltpunkten auf das Konto des Antragstellers übertragen wur-
den.
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Der Ehemann bezieht seit dem 1. September 2015 eine Vollrente wegen
Alters
in Höhe von 1.232,80 € brutto. Ohne die Kürzung durch den Versor-
gungsausgleich betrüge die Rente 1.934,18 € brutto. Auf Antrag des Ehemanns
hat das Familiengericht die Kürzung des Anrechts monatlich für die Zeit vom
1.
September bis 31. Dezember 2015 in Höhe von 220 €, für die Zeit vom
1.
Januar bis 31. Dezember 2016 in Höhe von 200 € und für die Zeit vom
1.
Januar bis 30. September 2017 in Höhe von 150 € ausgesetzt, nachdem sich
der Ehemann durch gerichtlich vorgeschlagenen Vergleich zur Zahlung ent-
sprechender Unterhaltsbeträge an die Ehefrau verpflichtet hatte.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Beschwerde einge-
legt, mit der sie sich dagegen gewendet hat, dass eine gestaffelte Aussetzung
der Kürzung auch für künftige Zeiten ausgesprochen worden ist, da die Anpas-
sungsvoraussetzungen auch schon früher wegfallen könnten. Das Oberlandes-
gericht hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die zugelas-
sene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Allerdings ist das Rubrum von Amts wegen zu berichtigen, nachdem
die Instanzgerichte fehlerhaft die Ehefrau als Antragsgegnerin des Verfahrens
und den Versorgungsträger als weiteren Beteiligten behandelt haben. Das Ver-
fahren über die Aussetzung der Kürzung einer laufenden Versorgung (§§ 33 f.
VersAusglG) richtet sich gegen den Versorgungsträger, der deshalb als An-
tragsgegner anzusehen ist. Die ausgleichspflichtige und die ausgleichsberech-
tigte Person sind mögliche Antragsteller des Verfahrens (§ 34 Abs. 2 Satz 1
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VersAusglG). Eine antragsberechtigte Person, die den Antrag nicht stellt, nimmt
nicht die Rolle eines Antragsgegners ein, sondern die eines weiteren Beteilig-
ten.
2. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Aus der Befristung der Aussetzung der Kürzung erwachse der Antragsgegnerin
kein Nachteil. Denn der Ehemann habe die Antragsgegnerin nicht nur unver-
züglich über den Wegfall oder Änderungen seiner Unterhaltszahlungen, son-
dern gemäß § 34 Abs. 5 VersAusglG auch über den Bezug einer laufenden
Versorgung aus einem anpassungsfähigen Anrecht sowie über den Rentenbe-
zug, die Wiederheirat oder den Tod der Ehefrau zu unterrichten. Die dadurch
eröffneten Möglichkeiten einer gerichtlichen Abänderung (§ 34 Abs. 2 Satz 2
VersAusglG) oder Entscheidung des Versorgungsträgers über die Beendigung
der Aussetzung (§ 34 Abs. 6 Satz 1 VersAusglG) erführen durch die ausge-
sprochene Befristung und deren Rechtskraftwirkung keine Einschränkung.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Ver-
sorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die
ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen
Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die aus-
gleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich
einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte.
Die Aussetzung der Kürzung knüpft somit an den "gesetzlichen Unter-
haltsanspruch" an. Beruht die konkrete Unterhaltspflicht - wie hier - auf einem
Unterhaltsvergleich, ist auf den fiktiven gesetzlichen Unterhaltsanspruch abzu-
stellen (Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 234/11 - FamRZ 2012,
853 Rn. 25). § 33 Abs. 3 VersAusglG beschränkt nämlich die Aussetzung der
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Rentenkürzung auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs, den der
geschiedene Ehegatte nach § 33 Abs. 1 VersAusglG bei ungekürzter Versor-
gung hätte. Hierdurch begegnet die gesetzliche Neuregelung auch der Gefahr
von Manipulationen durch kollusives Zusammenwirken der Eheleute (Senats-
beschluss vom 26. Juni 2013 - XII ZB 64/13 - FamRZ 2013, 1640 Rn. 12 mwN).
Insoweit ist das Oberlandesgericht - von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet
- offensichtlich davon ausgegangen, dass die vom Familiengericht errechneten
und als Vergleich vorgeschlagenen Unterhaltsbeträge dem fiktiven gesetzlichen
Unterhaltsanspruch entsprechen.
Daneben ist die Anpassung gemäß § 33 Abs. 3 VersAusglG auch auf die
Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrech-
ten im Sinne des § 32 VersAusglG beschränkt, aus denen die ausgleichspflich-
tige Person eine laufende Versorgung bezieht. Diese Beschränkung auf hier
(28,9206 - 4,9091 =) 24,0115 Entgeltpunkte steht der ausgesprochenen Kür-
zung allerdings nicht entgegen.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtbeschwerde dagegen, dass gestaf-
felte Aussetzungsbeträge auch für künftige Zeiträume festgesetzt worden sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die gestaffelte Bemessung
eines Unterhalts und auch seine Begrenzung nicht zwingend voraus, dass der
Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch sich ändert oder entfällt, bereits er-
reicht ist. Wenn die dafür ausschlaggebenden Umstände im Zeitpunkt der Ent-
scheidung bereits eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist eine Be-
grenzung nicht einer späteren Abänderung nach § 238 FamFG vorzubehalten,
sondern schon im Ausgangsverfahren auszusprechen (Senatsurteil vom
14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Rn. 17 mwN).
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Dieselben Grundsätze gelten für die Entscheidung über die Aussetzung
der Kürzung einer laufenden Versorgung nach § 33 VersAusglG. Diese unter-
liegt ebenfalls einer späteren Abänderung, welche auch von dem Versorgungs-
träger verlangt werden kann (§ 34 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Sind allerdings
die Umstände für eine künftige Begrenzung der Aussetzung der Kürzung be-
reits im Zeitpunkt der Entscheidung eingetreten oder zuverlässig voraussehbar,
ist die Begrenzung nicht einer späteren Abänderung vorzubehalten, sondern
schon im Ausgangsverfahren auszusprechen.
Insoweit ist mit dem abgeschlossenen Unterhaltsvergleich, der eine zeit-
lich gestaffelte Begrenzung des Unterhalts bis zum vollständigen Entfallen der
Unterhaltspflicht mit Ablauf des September 2017 enthält, bereits hinreichend
voraussehbar, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Kürzung der
laufenden Versorgung in gleichem Maße entfallen, denn die Aussetzung der
Rentenkürzung ist nicht nur durch den von der fiktiven gesetzlichen Unterhalts-
pflicht gesetzten Rahmen begrenzt, sondern auch auf das Maß des - vereinba-
rungsgemäß - tatsächlich geschuldeten Unterhaltsbetrags (§ 33 Abs. 3 Vers-
AusglG; vgl. Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12 - FamRZ
2013, 189 Rn 22). Aufgrund dessen hat das Oberlandesgericht die Aussetzung
der Kürzung zutreffend gemäß den jeweils bestehenden Unterhaltsansprüchen
zeitlich gestaffelt.
Unabhängig davon bleibt der Ehemann verpflichtet, die Antragsgegnerin
auch künftig über den Wegfall oder die Änderungen der für die Aussetzung der
Kürzung der laufenden Versorgung maßgeblichen Tatsachen zu unterrichten
(§ 34 Abs. 5 VersAusglG). Eine Änderung der Unterhaltszahlung, abweichend
von dem geschlossenen Vergleich, berechtigte die Antragsgegnerin nach wie
vor, eine Abänderung der im Erstverfahren festgesetzten Staffelung gemäß
§ 34 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 VersAusglG zu beantragen. Ebenso hindert
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die schon festgesetzte Staffelung sie nicht, über die vorzeitige Beendigung der
Aussetzung in den von § 34 Abs. 5, Abs. 6 Satz 1 VersAusglG erfassten Fällen
aufgrund von Tatsachen zu entscheiden, die im Zeitpunkt der Erstentscheidung
noch nicht eingetreten oder zuverlässig voraussehbar und zu berücksichtigen
waren.
Dose
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Guhling
Krüger
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 23.11.2015 - 410 F 3050/15 -
OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 28.01.2016 - 4 UF 1698/15 -