Urteil des BGH vom 03.08.2016

Leitsatzentscheidung zu Vollstreckungsverfahren, Eltern, Androhung, Vollstreckungstitel

ECLI:DE:BGH:2016:030816BXIIZB86.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 86/15
vom
3. August 2016
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 89 Abs. 2
Der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG muss sich auf die Folgen einer Zuwider-
handlung gegen eine bereits bestehende (hier: Umgangs-)Verpflichtung aus
einem Vollstreckungstitel beziehen. Wird diese Verpflichtung später geändert,
wird der bereits erteilte Hinweis insoweit gegenstandslos; es bedarf deshalb
eines erneuten Hinweises.
BGH, Beschluss vom 3. August 2016 - XII ZB 86/15 - OLG Oldenburg
AG Aurich
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. August 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Schilling, Dr. Günter und Dr. Botur und
die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats
- 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg
vom 29. Januar 2015 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten
zu 1 zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vater) begehrt gegen die Beteiligte
zu 2 (im Folgenden: Mutter) die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Rahmen
der Vollstreckung seines Umgangsrechts mit den gemeinsamen Töchtern.
Die Eltern einigten sich durch einen gerichtlich gebilligten Vergleich vom
16. August 2011 über den Umgang des Vaters mit den beiden bei der Mutter
lebenden Töchtern. Während der Vergleich zum Umgang an den Wochenenden
und an den Feiertagen konkrete Regelungen enthält, vereinbarten die Eltern
hinsichtlich der Ferien, dass alle "Ferienzeiten
(…) nach Absprache der Eltern
hälftig aufgeteilt werden" sollen. Durch Beschluss vom selben Tag billigte das
1
2
- 3 -
Amtsgericht die Vereinbarung der Eltern zum Umgangsrecht und wies gemäß
§ 89 Abs. 1 und 2 FamFG auf die bei Zuwiderhandlung gegen die Umgangsre-
gelung möglichen Ordnungsmittel hin.
Auf Antrag des Vaters regelte das Amtsgericht durch Beschluss vom 7.
Februar 2014 in Abänderung des Vergleiches vom 16. August 2011 den Um-
gang in den Ferienzeiten unter anderem wie folgt neu:
"
1. (…)
b) Die Sommerferien 2014 verbringen die Kinder bis zum
20.8.2014 beim Kindesvater.
(…)
2. Der Antragsteller holt die Kinder hierzu am letzten Schultag vor
den jeweiligen Ferien nach dem Unterricht an der Schule ab und
nimmt sie mit zu sich nach Hause."
Nachdem der Umgang mit einer der beiden Töchter nicht zum Beginn
der Sommerferien 2014 stattgefunden hatte, hat der Vater beantragt, gegen die
Mutter ein empfindliches Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht bei-
getrieben werden kann, Ordnungshaft wegen des Verstoßes gegen den Be-
schluss des Amtsgerichts vom 7. Februar 2014 zu verhängen.
Das Amtsgericht hat den Antrag und das Oberlandesgericht die Be-
schwerde des Vaters zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Vater mit der
zugelassenen Rechtsbeschwerde.
3
4
5
- 4 -
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde (vgl. Senatsbeschluss vom 17. August
2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 4 mwN) ist unbegründet.
1. Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass die Vorausset-
zungen für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nicht erfüllt seien. Hinsichtlich
des vollstreckbaren Inhalts des Beschlusses vom 7. Februar 2014 seien die Be-
teiligten bisher nicht nach § 89 Abs. 2 FamFG belehrt worden. Zwar enthalte
der Beschluss des Amtsgerichts vom 16. August 2011, mit dem es die Einigung
der Kindeseltern gebilligt habe, eine Belehrung, welche die Voraussetzungen
des § 89 Abs. 2 FamFG erfülle. Diese habe sich allerdings nur auf den Inhalt
der Einigung beziehen können, soweit sie einen vollstreckbaren Inhalt gehabt
habe, also nicht auf Ziffer 3, wonach alle Ferienzeiten nach Absprache der El-
tern hätten hälftig aufgeteilt werden sollen.
Die Androhung habe sich auch nicht auf die Neuregelung des Umgangs
in den Ferienzeiten durch Beschluss vom 7. Februar 2014 erstrecken können.
Zwar sei dieser Beschluss in Abänderung des Vergleichs ergangen. Es ließe
sich deshalb argumentieren, dass die Neuregelung des Umgangs in den Feri-
enzeiten Teil des Vergleichs vom 16. August 2011 geworden und dadurch
nachträglich auch Gegenstand der Belehrung geworden sei. Zudem habe die
Mutter weder Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass sie damit zur Verwirkli-
chung des Umgangs verpflichtet werden sollte, noch für die Annahme, dass ein
Verstoß dagegen sanktionslos bleiben sollte.
In Rechtsprechung und Literatur werde jedoch die Auffassung vertreten,
dass eine Wiederholung des Warnhinweises erforderlich sei, wenn der mit ei-
nem Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG versehene Umgangstitel modifiziert
werde. Jedenfalls könnten einer bereits zweieinhalb Jahre zurückliegenden Be-
6
7
8
9
- 5 -
lehrung nicht nachträglich wesentliche vollstreckbare Inhalte zusätzlich unter-
legt werden.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Nach § 89 Abs. 2 FamFG ist in einem Beschluss, der die Herausgabe
einer Person oder die Regelung des Umgangs anordnet, auf die Folgen einer
Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel hinzuweisen. Diese Beleh-
rungspflicht ersetzt die nach früherem Recht gemäß § 33 Abs. 3 Satz 6 FGG
erst im Vollstreckungsverfahren erforderliche Androhung des Zwangsmittels.
Mit der schon in den Tenor der vollstreckbaren Entscheidung aufzunehmenden
Belehrung soll dem Verpflichteten deutlich gemacht werden, dass ein Verstoß
gegen den erlassenen Titel die Festsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen
nach sich ziehen kann. Der bisherige eigenständige Verfahrensschritt der An-
drohung im Vollstreckungsverfahren, der denselben Zweck verfolgte, ist damit
entfallen. Mit dieser Änderung wollte der Gesetzgeber das Vollstreckungsver-
fahren beschleunigen und eine Verlagerung des Streits über die Hauptsache in
das Vollstreckungsverfahren verhindern (BT-Drucks. 16/6308 S. 218). Die Be-
lehrung über die Vollstreckung durch Anordnung von Ordnungsgeld und Ord-
nungshaft ist mithin an die Stelle der früher notwendigen Androhung von
Zwangsgeld und Zwangshaft getreten (Senatsbeschluss vom 17. August 2011
- XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 8).
Damit hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Anordnung von
Ordnungsmitteln ausdrücklich großzügiger geregelt, um die Effektivität der
Vollstreckung von Umgangs- und Herausgabeentscheidungen zu erhöhen (Se-
natsbeschluss vom 1. Februar 2012 - XII ZB 188/11 - FamRZ 2012, 533
Rn. 16). Ein vollstreckungsfähiger Inhalt im Sinne von § 89 Abs. 1 FamFG setzt
lediglich eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangs-
rechts voraus. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art,
10
11
12
- 6 -
Ort und Zeit des Umgangs erforderlich. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der
Umgangstitel detailliert bezeichnete Verpflichtungen des betreuenden Eltern-
teils, insbesondere zum Bereithalten und Abholen des Kindes, enthält. Eine
Vollstreckbarkeit des Umgangstitels entfällt nach dem hier anwendbaren neuen
Recht deswegen erst dann, wenn der Umgang nicht hinreichend nach Art, Ort
und Zeit konkretisiert worden ist (Senatsbeschluss vom 1. Februar 2012
- XII ZB 188/11 - FamRZ 2012, 533 Rn. 18 mwN).
Auch ein gerichtlich gebilligter Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG ist
ein Vollstreckungstitel gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und kann als solcher
Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgelds nach § 89 FamFG sein
(Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 165/13 - FamRZ 2014, 732
Rn. 10 mwN).
b) Gemessen hieran hat das Oberlandesgericht zu Recht darauf abge-
stellt, dass für die im Streit stehende Umgangsregelung in den Ferien ein Hin-
weis nach § 89 Abs. 2 FamFG fehlte. Diese stellt einen neuen, selbstständigen
Vollstreckungstitel dar, der eines eigenen Hinweises auf Folgen einer Zuwider-
handlung bedarf.
Zwar enthält der Beschluss vom 7. Februar 2014 nunmehr eine vollstre-
ckungsfähige Regelung zum Ferienumgang. Es fehlt ihm aber ein Hinweis auf
die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen diese Umgangsregelung gemäß § 89
Abs. 2 FamFG. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfasst der
mit der familiengerichtlichen Billigung der Umgangsrechtsvereinbarung vom
16. August 2011 verbundene Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG die neue Feri-
enumgangsregelung nicht. Ein solcher Hinweis muss sich auf die Folgen einer
Zuwiderhandlung gegen eine bereits bestehende Verpflichtung aus einem Voll-
streckungstitel beziehen. Wird diese Verpflichtung später geändert, wird der
bereits erteilte Hinweis insoweit gegenstandslos; es bedarf deshalb eines er-
13
14
15
- 7 -
neuten Hinweises (Cirullies ZKJ 2011, 448, 450; s. auch zum alten Recht [§ 33
FGG] OLG Köln FamRZ 1998, 961, 962). Darauf, wieviel Zeit seit der Erteilung
des Hinweises vergangen ist, kommt es entgegen der Auffassung des Oberlan-
desgerichts nicht einmal an.
Ebenso kann die Frage, ob im Rahmen der erneut ergangenen Ent-
scheidung zum Umgangsrecht auf einen bereits erteilten Hinweis verwiesen
werden kann, dahin stehen. Denn an einer solchen Bezugnahme fehlt es hier.
Allein die Formulierung, dass der Ferienumgang "in Abänderung des Vergleichs
vom 16. August 2011" geregelt werde, vermag einen solchen Bezug nicht her-
zustellen, zumal der seinerzeit erteilte Hinweis ohnehin nur für die Wochenend-
und Feiertagskontakte Bedeutung erlangt hatte, wohingegen die damalige Feri-
enumgangsregelung nicht vollstreckungsfähig war und der Hinweis insoweit ins
Leere ging.
16
- 8 -
Dem Erfordernis eines erneuten Hinweises steht entgegen der Auffas-
sung der Rechtsbeschwerde schließlich auch nicht die gesetzgeberische Ab-
sicht entgegen, die Vollstreckung einer Umgangsregelung zu beschleunigen.
Denn die Beschleunigung wird bereits dadurch erreicht, dass der bisherige ei-
genständige Verfahrensschritt der Androhung im Vollstreckungsverfahren ent-
fallen ist (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ
2011, 1729 Rn. 8). Das Beschleunigungsgebot darf indes nicht dazu führen,
dass für den Vollstreckungsschuldner nicht mehr hinreichend konkret absehbar
ist, ob er bei einer Zuwiderhandlung gegen seine Umgangsverpflichtung mit
(empfindlichen) Ordnungsmitteln zu rechnen hat. Allein die Tatsache, dass be-
reits einmal ein Hinweis erteilt worden ist, genügt hierfür nicht (vgl. auch Se-
natsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729
Rn. 13 ff.).
Dose
Schilling
Günter
Botur
Krüger
Vorinstanzen:
AG Aurich, Entscheidung vom 14.11.2014 - 16 F 330/13 UG -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 29.01.2015 - 3 WF 216/14 -
17