Urteil des BGH vom 08.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Unterhalt, Berufliche Tätigkeit, Einkünfte, Scheidung

ECLI:DE:BGH:2016:080616BXIIZB84.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 84/15
Verkündet am:
8. Juni 2016
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1578 b
Der ehebedingte Erwerbsnachteil des unterhaltsberechtigten Ehegatten be-
grenzt regelmäßig die Herabsetzung seines nachehelichen Unterhaltsan-
spruchs gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB. Dieser Nachteil ist nicht hälftig auf beide
geschiedenen Ehegatten zu verteilen, sondern in voller Höhe zugunsten des
Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 - XII ZB 84/15 - OLG Düsseldorf
AG Krefeld
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Senats für
Familiensachen
des
Oberlandesgerichts
Düsseldorf
vom
29. Januar 2015 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewie-
sen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines gerichtlichen Ver-
gleichs über nachehelichen Unterhalt.
Die Beteiligten schlossen im März 1993 die Ehe und trennten sich im
August 2006. Auf den im September 2007 zugestellten Scheidungsantrag wur-
de die Ehe durch seit 21. Dezember 2010 rechtskräftigen Beschluss geschie-
den. Aus der Ehe sind drei 1994, 1996 und 1998 geborene Kinder hervorge-
gangen, von denen das mittlere beim Antragsteller und das jüngste bei der An-
tragsgegnerin leben.
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Mit gerichtlichem Vergleich vom 16. Mai 2012 verpflichtete sich der An-
tragsteller, ab dem 1. Juli 2012 an die Antragsgegnerin monatlichen nacheheli-
chen Unterhalt in Höhe von 610
€ zu zahlen. Nach dem Vergleich war eine Ab-
änderung des Unterhaltsbetrags erst ab dem 1. Juli 2013 möglich, ohne dass
sich einer der Beteiligten auf eine Präklusion berufen durfte. Zudem war gere-
gelt, dass der Vergleich weder eine abschließende Regelung noch eine Befris-
tung enthalte und bei einem Abänderungsantrag die dann geltenden Einkom-
mensverhältnisse der Beteiligten zugrunde zu legen seien.
Der Antragsteller hat die Abänderung des Vergleichs dahingehend bean-
tragt, dass er ab dem 1. Februar 2014 keinen nachehelichen Unterhalt mehr
schulde. Er verfügt über ein unterhaltsrelevantes monatliches Nettoeinkommen
in Höhe von 3.127
€. Die Antragsgegnerin ist gelernte Bürokauffrau, hat Fortbil-
dungen absolviert und könnte in diesem Beruf aktuell ein bereinigtes monatli-
ches Nettoeinkommen von 1.292,58
€ erzielen. Hätte sie nicht nach der Geburt
des ersten Kindes ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben, könnte sie als Büro-
kauffrau hingegen bereinigt 1.775,02
€ monatlich verdienen.
Das Amtsgericht hat dem Abänderungsantrag teilweise entsprochen und
den ab dem 1. Februar 2014 zu zahlenden monatlichen Unterhalt auf 200
herabgesetzt. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Oberlandesge-
richt den Unterhaltsbetrag für diese Zeit auf monatlich 482
€ bestimmt.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsteller die
Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Der Antragsgegnerin könne angesichts der allgemein bekannten Kapi-
talmarktlage entgegen der Annahme des Amtsgerichts, das unter Zugrundele-
gung eines Zinssatzes von 1,5 % zu monatlich erzielbaren Kapitalerträgen von
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€ gelangt war, kein unterhaltsrelevantes Zinseinkommen zugerechnet wer-
den. Die vorzunehmende Unterhaltsberechnung führe zu einem nach den ehe-
lichen Lebensverhältnissen bestimmten monatlichen Unterhaltsbedarf der An-
tragsgegnerin von 786
€. Maßgeblich sei aber der angemessene Lebensbedarf.
Die Ehe habe bis zur Stellung des Scheidungsantrags 14,5 Jahre gedauert und
die Antragsgegnerin habe in dieser Zeit die drei gemeinsamen Kinder großge-
zogen. Der Antragsteller habe jedoch von der Trennung bis zur Stellung des
Abänderungsantrags Trennungs- und nachehelichen Unterhalt gezahlt. Mit
Blick auf ihre berufliche Vorbildung sei die Antragsgegnerin nun auf den Grund-
satz verwiesen, selbst für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.
Es entspreche aber nicht der Billigkeit, den Unterhaltsanspruch trotz des
Fortbestehens ehebedingter Nachteile entfallen zu lassen. Ein solcher Nachteil
liege darin, dass die Antragsgegnerin aufgrund des beruflichen Aussetzens
während der Ehe nun nur ein um 482
€ niedrigeres Monatseinkommen erzielen
könne als bei Hinwegdenken der Ehe. Dieser Nachteil werde nicht durch ehe-
bedingte Vorteile kompensiert. Für eine hälftige Teilung des ehebedingten
Nachteils im Wege des Halbteilungsgrundsatzes sei kein Raum. Der Anspruch
des Unterhaltsberechtigten auf den angemessenen Lebensbedarf stelle keinen
ehebedingten Nachteil des Unterhaltspflichtigen dar. Dies ergebe sich aus dem
Wortlaut des § 1578 b Satz 2 und 3 BGB sowie der systematischen Auslegung
dieser Vorschrift, bei der es um den verbleibenden Teil eines ursprünglich am
Halbteilungsgrundsatz orientierten Unterhaltsanspruchs gehe. Der Nach-
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teilsausgleich erschöpfe sich in einem Minus zu dem grundsätzlich nach der
Scheidung geschuldeten Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Rechtlich zutreffend hat das Oberlandesgericht das grundsätzliche
Vorliegen eines Anspruchs der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunterhalt
nach § 1573 Abs. 2 BGB bejaht. Ohne Belang ist insoweit, ob sich dieser wie
vom Oberlandesgericht ermittelt auf monatlich 786
€ beläuft oder - wie die
Rechtsbeschwerde geltend macht - auf Seiten der Antragsgegnerin fiktive Zins-
einkünfte von monatlich bis zu 84
€ aus dem für den Verkauf der gemeinsamen
Immobilie der Ehegatten erzielten Erlös zu berücksichtigen sind. Denn selbst
wenn Letzteres der Fall sein und es sich zusätzlich bei diesen Kapitaleinkünften
um nicht eheprägendes Einkommen handeln sollte, läge der nach den eheli-
chen Lebensverhältnissen bemessene Unterhaltsanspruch noch deutlich über
dem vom Oberlandesgericht zuerkannten Betrag von monatlich 482
€.
b) Aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das
Oberlandesgericht diesen Unterhaltsanspruch gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB auf
482
€ monatlich herabgesetzt hat.
aa) Nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nacheheli-
chen Unterhalt auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn
eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unter-
haltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur
Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre.
Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung sind § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB
zu entnehmen. Danach ist neben der Dauer der Ehe vorrangig zu berücksichti-
gen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetre-
ten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor
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allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes
und aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während
der Ehe ergeben. Ein ehebedingter Nachteil äußert sich in der Regel darin,
dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt,
die er ohne Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (st. Rspr. des Senats, vgl.
Beschluss vom 14. Mai 2014 - XII ZB 301/12 - FamRZ 2014, 1276 Rn. 27
mwN).
§ 1578 b BGB beschränkt sich allerdings nicht auf die Kompensation
ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausge-
hende nacheheliche Solidarität. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile fest-
stellbar sind, ist eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unter-
halts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den
ehelichen Lebensverhältnissen vorzunehmen. Bei der insoweit gebotenen um-
fassenden Billigkeitsabwägung ist das im Einzelfall gebotene Maß der nachehe-
lichen Solidarität festzulegen. Wesentliche Aspekte hierbei sind neben der
Dauer der Ehe insbesondere die in der Ehe gelebte Rollenverteilung wie auch
die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung. Bei
der Beurteilung der Unbilligkeit einer fortwährenden Unterhaltszahlung sind fer-
ner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien von Bedeutung, so dass der
Tatrichter in seine Abwägung auch einzubeziehen hat, wie dringend der Unter-
haltsberechtigte neben seinen eigenen Einkünften auf den Unterhalt angewie-
sen ist und in welchem Maße der Unterhaltspflichtige - unter Berücksichtigung
weiterer Unterhaltspflichten - durch diese Unterhaltszahlungen belastet wird. In
diesem Zusammenhang kann auch eine lange Dauer von Trennungsunterhalts-
zahlungen bedeutsam sein (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014
- XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 21 f. mwN und vom 19. Juni 2013
- XII ZB 309/11 - FamRZ 2013, 1291 Rn. 23 f. mwN).
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Als Rechtsfolge sieht § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB die Herabsetzung bis
auf den angemessenen Lebensbedarf vor. Dieser Maßstab bildet regelmäßig
die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts und bemisst
sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe
und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (st. Rspr.,
vgl. etwa Senatsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 214/13 - FamRZ 2014,
1007 Rn. 18 und Senatsurteil vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ
2013, 1366 Rn. 75 mwN). Aus dem Begriff der Angemessenheit folgt aber zu-
gleich, dass der nach § 1578 b Abs. 1 BGB herabgesetzte Unterhaltsbedarf
jedenfalls das Existenzminimum des Unterhaltsberechtigten erreichen muss
(Senatsurteil vom 16. Januar 2013 - XII ZR 39/10 - FamRZ 2013, 534 Rn. 26
mwN).
Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in
Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie ist vom
Rechtsbeschwerdegericht aber daraufhin zu überprüfen, ob der Tatrichter die
im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder
für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt
gelassen hat. Der rechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der
Tatrichter sich mit dem Verfahrensstoff und den Beweisergebnissen umfassend
und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig
und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstößt (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - XII ZB 235/12 - FamRZ
2014, 823 Rn. 15 mwN).
bb) Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist die tatrichterliche Entscheidung,
den Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin gemäß § 1578 b Abs. 1 Satz 1
BGB auf monatlich 482
€ herabzusetzen, rechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Das Oberlandesgericht hat den ehebedingten Nachteil der Antrags-
gegnerin zutreffend ermittelt. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwischen dem
angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des
§ 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Einkommen, das der Unterhaltsberechtig-
te tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte (vgl. Se-
natsbeschluss vom 26. März 2014 - XII ZB 214/13 - FamRZ 2014, 1007 Rn. 18
mwN). Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, dieser Nachteil müsse hälf-
tig auf beide geschiedenen Ehegatten verteilt und daher betragsmäßig halbiert
werden.
(a) Allerdings wird diese Auffassung vereinzelt in der Literatur vertreten
(Schausten FF 2011, 243 ff. sowie diesem folgend Kieninger FamRZ 2013,
1355 f. und Schürmann in Eschenbruch/Schürmann/Menne Der Unterhaltspro-
zess 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 1331). Durch den vollständigen Nachteilsausgleich
werde der ehebedingte Nachteil des Unterhaltsberechtigten auf den Unterhalts-
pflichtigen verschoben. Die ohne die Herabsetzung (noch) höhere Unterhalts-
verpflichtung könne hierfür nicht als Rechtfertigung dienen, weil sie auf den
ehelichen Lebensverhältnissen beruhe; § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB setze aber
gerade voraus, dass die Orientierung an diesen unbillig sei. Die Aufteilung des
ehebedingten Nachteils zwischen den geschiedenen Ehegatten entspreche zu-
dem sowohl dem Grundgedanken des Zugewinnausgleichs als auch der Se-
natsrechtsprechung dazu, dass ehebedingt geringere Rentenanwartschaften
keinen ehebedingten Nachteil darstellten, wenn der Versorgungsausgleich er-
folgt sei.
(b) Dieser Argumentation ist das Oberlandesgericht zu Recht nicht ge-
folgt.
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(aa) Bei § 1578 b BGB handelt es sich um eine unterhaltsbegrenzende
Norm. Sie setzt das Bestehen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt
voraus und ermöglicht neben einer Befristung dessen Herabsetzung, indem die
Bedarfsbemessung von den ehelichen Lebensverhältnissen gelöst und statt-
dessen auf den angemessenen Lebensbedarf abgestellt wird. An der Rechtsna-
tur des Unterhaltsanspruchs selbst ändert dies nichts (vgl. auch Borth FamRZ
2013, 1356). Der vollständige ehebedingte Nachteil entspricht dem - durch die
eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten nicht gedeckten - Teil des Be-
darfs, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch dann durch Unterhaltszah-
lungen gedeckt werden soll, wenn sich die wirtschaftliche Stellung des Unter-
haltsberechtigten nicht mehr nach den ehelichen Lebensverhältnissen, sondern
nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bestimmt. Dem-
entsprechend sieht die gesetzliche Bestimmung des § 1578 b Abs. 1 Satz 1
BGB für die Bedarfsbemessung eine Berücksichtigung ehebedingter Nachteile
des Unterhaltspflichtigen nicht vor, sondern stellt allein darauf ab, wie der Un-
terhaltsberechtigte ohne Ehe und Kindererziehung stünde, so dass dessen
ehebedingte Erwerbsnachteile den Umfang der Herabsetzung begrenzen (vgl.
BT-Drucks. 16/1830 S. 18). Die von der Rechtsbeschwerde vertretene Rechts-
auffassung würde hingegen dazu führen, dass dem Unterhaltsberechtigten ent-
gegen dem gesetzgeberischen Willen aus eigenem Einkommen und nacheheli-
chem Unterhalt gerade nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, um
seinen eigenen angemessenen Lebensbedarf zu decken.
(bb) Die eine Halbierung des ehebedingten Nachteils fordernde Meinung
verkennt zudem, dass es sich bei der Pflicht zur Zahlung nachehelichen Unter-
halts gerade nicht um eine durch die eheliche Rollenverteilung bedingte Einbu-
ße in der Möglichkeit handelt, Einkünfte zu erzielen, sondern um eine von Ge-
setzes wegen an die Scheidung geknüpfte Rechtsfolge (vgl. auch Senatsurteil
vom 23. November 2011 - XII ZR 47/10 - FamRZ 2012, 197 Rn. 28), die nicht
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die Einkunftserzielung, sondern die Verteilung des Einkommens betrifft. Der
Gedanke der Nachteilshalbierung stützt sich auf den Zirkelschluss, bei der Er-
mittlung des Unterhaltsanspruchs eben diesen Anspruch als Bemessungsfaktor
zu berücksichtigen. Darüber hinaus würde dieser Ansatz ohnedies immer dann
versagen, wenn der Unterhaltsberechtigte als Folge der in der Ehe praktizierten
Rollenverteilung nach der Scheidung nicht mehr in der Lage ist, ein sein Exis-
tenzminimum sicherndes Einkommen zu erzielen. Umgekehrt kann die Berück-
sichtigung eines ehebedingten Erwerbsnachteils des Unterhaltsberechtigten nie
dazu führen, dass diesem ein höherer Unterhaltsanspruch als nach den eheli-
chen Lebensverhältnissen zuzuerkennen ist (so aber Kieninger FamRZ 2013,
1355), weil § 1578 b Abs. 1 BGB ausschließlich eine Herabsetzung ermöglicht
(vgl. Wendl/Wönne Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
9. Aufl. § 4 Rn. 1020).
(cc) Die vollständige Berücksichtigung des ehebedingten Nachteils steht
nicht im Widerspruch zum Zugewinnausgleich. Denn bei diesem geht es um die
Verteilung von ehezeitlich erworbenem Vermögen, während sich § 1578 b BGB
mit der Abdeckung eines nachehelichen Unterhaltsbedarfs befasst. Nichts an-
deres folgt auch aus der Senatsrechtsprechung, wonach ehebedingte Nachteile
im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB regelmäßig nicht mit den durch die
Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursachten geringeren
Rentenanwartschaften begründet werden können, wenn für diese Zeit ein Ver-
sorgungsausgleich stattgefunden hat, und Nachteile in der Versorgungsbilanz
dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit als voll-
ständig ausgeglichen anzusehen sind (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014
- XII ZB 235/12 - FamRZ 2014, 823 Rn. 17 mwN). Denn die Regelungen zum
Versorgungsausgleich stellen insoweit das speziellere Ausgleichssystem dar.
Mit ihnen wird erreicht, dass das ehezeitlich erworbene Vorsorgevermögen
grundsätzlich hälftig unter den Ehegatten aufgeteilt wird und dadurch beidersei-
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tige Alterseinkünfte gesichert werden, die die ehezeitliche Vorsorgelage und
damit insoweit die ehelichen Lebensverhältnisse abbilden. Mehr als einen Un-
terhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gewährt das Gesetz dem Un-
terhaltsberechtigten aber ohnedies nicht.
(dd) Hinzu kommt, dass § 1578 b BGB nicht nur die Herabsetzung, son-
dern in seinem Absatz 2 auch die zeitliche Begrenzung sowie in Absatz 3 eine
Kombination aus Herabsetzung und zeitlicher Begrenzung ermöglicht. Der
Tatrichter kann bei der im Einzelfall zu treffenden Billigkeitsentscheidung, in die
auch ehebedingte Erwerbsnachteile des Unterhaltspflichtigen einfließen kön-
nen, daher im Wege einer teilweisen zeitlichen Begrenzung auch zu dem Er-
gebnis gelangen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch ein Unterhalt
zu zahlen ist, der den angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten
nicht vollständig abdeckt (vgl. etwa Botur in Büte/Poppen/Menne Unterhalts-
recht 3. Aufl. § 1578 b BGB Rn. 29; vgl. auch BT-Drucks. 16/1830 S. 18).
(2) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch, dass das Ober-
landesgericht der Antragsgegnerin keine aus ihrem Geldvermögen erzielbaren
Zinseinkünfte auf den nach dem Maßstab des Nachteilsausgleichs bemessenen
Unterhaltsanspruch angerechnet hat. Der Antragsteller macht bereits nicht gel-
tend, dass es sich bei diesem Vermögen bzw. den hieraus erzielbaren Zinsein-
künften um einen aus der Ehe herrührenden Vorteil handeln würde. Nur wenn
es sich aber um (fiktive) Einkünfte handelte, die der Antragsgegnerin ohne die
Ehe nicht zur Verfügung stehen würden, könnten diese ggf. als ein den ehebe-
dingten Nachteil teilweise kompensierender Vorteil anzusehen sein; dies hängt
von der Beurteilung der Frage ab, ob die Antragsgegnerin auch allein eine pri-
vate Vermögensbildung in dieser Höhe hätte betreiben können (vgl. Senatsur-
teil vom 31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 55 ff.; vgl.
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auch Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637
Rn. 33). Dafür, dass dies nicht der Fall ist, ist nichts ersichtlich.
Unabhängig davon ist die tatrichterliche Beurteilung, dass die Antrags-
gegnerin im derzeitigen Zinsumfeld keine relevanten Zinseinkünfte erzielen
könne, im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens hinzunehmen. Selbst
unterstellt, die Möglichkeit der Vermögensnutzung stellte einen ehebedingten
Vorteil dar, müsste die Antragsgegnerin sich nur auf eine sichere Geldanlage
verweisen lassen (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterli-
chen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 637 mwN). Die Würdigung des Oberlandesgerichts,
aus einer solchen sei bei dem allenfalls in Rede stehenden Kapitalbetrag von
rund 67.000
€ derzeit kein unterhaltsrelevantes Zinseinkommen zu erzielen,
verstößt weder gegen Denk- noch gegen Erfahrungssätze. Die Rechtsbe-
schwerde beschränkt sich auf die Behauptung des Gegenteils und setzt damit
ihre Würdigung an die Stelle derjenigen durch das Oberlandesgericht. Dies ist
ihr im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt.
Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Antragsgegnerin
habe monatliche Zinseinkünfte von 40
€ zugestanden. Die Rechtsbeschwerde-
erwiderung verweist zu Recht darauf, dass in dem von der Rechtsbeschwerde
zitierten Schriftsatz aus dem Beschwerdeverfahren weder bestimmte Einkünfte
noch ein erzielbarer Zinssatz unstreitig gestellt, sondern lediglich unter Berück-
sichtigung der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung eine rechnerische
Obergrenze mitgeteilt worden ist.
(3) Dass das Oberlandesgericht die Antragsgegnerin im Rahmen der
Bedürftigkeitsprüfung nicht nach § 1577 Abs. 3 BGB auf die Verwertung des
aus dem Verkauf des gemeinsamen Hausanwesens erlangten Vermögens-
stamms verwiesen hat, wird weder von der Rechtsbeschwerde gerügt noch
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lässt es Rechtsfehler erkennen (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Oktober 2012
- XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 54).
Dose Klinkhammer Schilling
Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Krefeld, Entscheidung vom 23.07.2014 - 68 F 76/14 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.01.2015 - II-9 UF 96/14 -