Urteil des BGH vom 25.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Vergütung, Überprüfung, Genehmigung, Ausbildung, Aufwand

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 6 0 8 / 1 3
vom
25. Februar 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1835 Abs. 3; FamFG § 277 Abs. 2 Satz 2; RVG § 2, 23 Abs. 3 Satz 1;
KostO § 25 Abs. 1 Satz 1
a) Kann in einer Betreuungssache ein Rechtsanwalt, der zum Verfahrenspfleger
bestellt worden ist, nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, weil die Erfor-
derlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt
wurde oder in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Auf-
gaben erforderlich war, bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den Vor-
schriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
b) Ist in diesem Fall der Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur
betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen,
bestimmt sich der Geschäftswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren
nach § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 KostO (nunmehr § 99 GNotKG).
BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 - XII ZB 608/13 - LG Frankenthal (Pfalz)
AG Speyer
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-
Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 5 gegen
den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal
(Pfalz) vom 21. Oktober 2013 wird auf dessen Kosten zurückge-
wiesen.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Ihre
außergerichtlichen Kosten tragen die weiteren Beteiligten selbst.
Beschwerdewert: 28.724
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 begehrt als anwaltlicher Verfahrenspfleger der Be-
troffenen die Festsetzung einer Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergü-
tungsgesetz.
Die Betroffene steht seit 2001 unter umfassender Betreuung.
Im März 2011 hat der Beteiligte zu 3 als Betreuer der Betroffenen für
Vermögensangelegenheiten einen Antrag auf Genehmigung von drei Mietver-
trägen gestellt, mit denen Grundstücke, die im Miteigentum der Betroffenen und
ihres Ehemannes stehen, an die H. GmbH & Co.KG, an der die Betroffene als
1
2
3
- 3 -
Kommanditistin und als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist,
vermietet werden sollten. Im Oktober 2011 wurde der Beteiligte zu 1 zum Ver-
fahrenspfleger der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis "Vertretung im Betreu-
ungsverfahren" bestellt. Die Berufsmäßigkeit der Führung der Verfahrens-
pflegschaft wurde festgestellt. Die eingereichten Mietverträge wurden ihm zur
Prüfung übersandt. In einer ersten Stellungnahme wies der Beteiligte zu 1 auf
die Notwendigkeit der Überprüfung von weiteren Untermietverträgen hin, die
von der H. GmbH & Co. KG abgeschlossen werden sollten. Nach weiterem
Schriftwechsel mit dem Vermögensbetreuer nahm der Beteiligte zu 1 auch zu
den Untermietverträgen Stellung.
Am 30. April 2012 hat der Beteiligte zu 1 die Festsetzung einer Vergü-
tung in Höhe von insgesamt 96.634,90
€ geltend gemacht. Dabei hat er für die
Prüfung der Mietverträge eine 1,8-fache Geschäftsgebühr angesetzt und den
Geschäftswert aus den zusammengerechneten Werten der gesamten Mietein-
nahmen aller Mietverträge während deren Laufzeiten bestimmt. Nach erfolgter
Prüfung der Untermietverträge hat der Beteiligte zu 1 seinen Vergütungsantrag
berichtigt und die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 196.008,23
€ bean-
tragt, wobei er eine 1,8-fache Geschäftsgebühr aus dem Höchstwert von
30.000.000
€ berechnet hat.
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens der Rechtsan-
waltskammer den Geschäftswert auf der Grundlage der zu erwartenden Steu-
erersparnis der Betroffenen auf 2.800.000
€ bemessen und unter Zurückwei-
sung des weitergehenden Antrags die Vergütung des Beteiligten zu 1 auf
18.865,78
€ festgesetzt. Auf dessen Beschwerde hat das Landgericht die amts-
gerichtliche Entscheidung abgeändert und auf der Grundlage eines Geschäfts-
werts von 6.783.000
€ die Vergütung des Beteiligten zu 1 auf 46.925,03 € fest-
gesetzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betei-
4
5
- 4 -
ligten zu 5 (Justizfiskus), mit der er sich nur noch gegen Höhe des festgesetz-
ten Geschäftswerts wendet.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1
FamFG statthaft und konnte von dem Beteiligten zu 5 nach § 10 Abs. 4 Satz 2
FamFG ohne Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt eingelegt werden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
grundsätzlich erhalte ein Verfahrenspfleger, der - wie hier - die Verfahrens-
pflegschaft berufsmäßig geführt habe gemäß § 277 Abs. 2 FamFG neben dem
Ersatz seiner Aufwendungen (vgl. § 277 Abs. 1 FamFG) eine Vergütung in ent-
sprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG. Allerdings sei
in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein zum Verfahrens-
pfleger bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit als berufsspezifische Dienstleis-
tung - in entsprechender Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB - dann nach dem
Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte abrech-
nen könne, wenn die zu erbringenden Dienste derart schwierig und bedeutend
seien, dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung vernünftiger-
weise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.
Bei der Prüfung der zum Zwecke der betreuungsgerichtlichen Genehmi-
gung eingereichten (Haupt-)Mietverträge handele es sich um eine rechtsan-
waltsspezifische Tätigkeit. Der Verfahrenspfleger habe die Rechtsfolgen und
wirtschaftlichen Auswirkungen der in den Verträgen getroffenen Vereinbarun-
gen zwischen der Bruchteilsgemeinschaft der Betroffenen und ihrem Ehemann
6
7
8
- 5 -
und der H. GmbH & Co. KG überprüfen und in Relation zu den Interessen der
Betroffenen setzen müssen; hierfür seien umfassende Rechtskenntnisse zwin-
gend erforderlich gewesen.
Der Beteiligte zu 1 könne daher für die Überprüfung der Mietverträge ei-
ne Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG verlangen. Diese sehe einen Ge-
bührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vor, wobei bestimmt sei, dass eine Gebühr von
mehr als 1,3 nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder
schwierig gewesen sei. In Anlehnung an die Ausführungen im Gutachten der
Rechtsanwaltskammer sei es angemessen, im vorliegenden Fall eine Gebühr
von 1,8 anzusetzen.
Der Geschäftswert sei nicht an der erwarteten Steuerersparnis der Be-
troffenen auszurichten. Auftrag des Beteiligten zu 1 sei die Wahrnehmung der
Interessen der Betroffenen im Verfahren über die Genehmigung der (Haupt)-
Mietverträge gewesen. Er sei als Rechtsanwalt bestellt worden, um die Vor-
und Nachteile dieser Verträge, gemessen am Wohl und den rechtlichen und
wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen zu prüfen.
Der Geschäftswert für die anwaltliche Tätigkeit bestimme sich vorliegend
nach § 23 Abs. 3 RVG. Da für die Prüfung von Mietverträgen zur Vorbereitung
einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bzw. für die beantragte Genehmi-
gung des Betreuungsgerichts keine gesonderten wertabhängigen Gerichtsge-
bühren entstünden, könne § 23 Abs. 1 RVG, der eine entsprechende Anwen-
dung der Wertvorschriften für Gerichtsgebühren vorsehe, nicht zur Anwendung
gelangen. Vielmehr sei der Verweisung des § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG zu folgen
und (der zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch gültige) § 25 Abs. 1
KostO (jetzt § 99 Abs. 1 GNotKG) zur Bestimmung des Geschäftswertes heran-
zuziehen. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, der eine Bestimmung des Geschäftswertes
9
10
11
- 6 -
nach billigem Ermessen vorsehe, sei hier nicht anwendbar, da gerade nicht der
Fall vorliege, dass "sich der Geschäftswert aus diesen Vorschriften nicht ergibt
und auch sonst nicht feststeht...". Im Übrigen sei Gegenstand der beauftragten
Prüfungen des Verfahrenspflegers ersichtlich nicht (nur) die steuerrechtliche
Vorteilhaftigkeit der Mietverträge gewesen, sondern er habe eine umfassende,
an den wohlverstandenen Interessen der Betroffenen ausgerichtete Prüfung
aller Risiken und Rechtsfolgen der Verwertung der im Miteigentum der Be-
troffenen stehenden Grundstücke durch langfristige Vermietung vorzunehmen
gehabt.
Nach § 25 Abs. 1 KostO bemesse sich der Wert eines Mietrechts nach
der Höhe der während der Vertragslaufzeit zu erbringenden Leistungen des
Mieters. Als Geschäftswert für die Prüfung der drei Hauptmietverträge sei daher
die Höhe der vereinbarten Miete während der gesamten Vertragsdauer zugrun-
de zu legen. Allerdings sei lediglich die Hälfte der nach den Hauptmietverträgen
geschuldeten Miete anzusetzen, da die Betroffene, auf deren berechtigte Inte-
ressen es bei der Geschäftswertbestimmung letztendlich allein ankomme, als
hälftige Miteigentümerin nur die Hälfte der Mieteinnahmen ihrem Einkommen
bzw. Vermögen zurechnen könne.
Zudem seien nur die (hälftigen) Einnahmen aus den drei Hauptmietver-
trägen anzusetzen. Denn nur diese Mietverträge seien genehmigungspflichtig
i.S.d. § 1907 Abs. 3 BGB. Demgegenüber bestünde keine Genehmigungspflicht
hinsichtlich der zur Untervermietung derselben Grundstücke abgeschlossenen
Verträge. Denn die Untermietverträge seien von der H. GmbH & Co. KG, nicht
aber von der Betroffenen persönlich bzw. vertreten durch ihren Betreuer abge-
schlossen worden. Ihre mittelbare Beteiligung an dem Rechtsgeschäft durch
ihre Stellung als Kommanditistin der KG bewirke nicht, dass der Abschluss die-
ser Untermietverträge ebenfalls genehmigungspflichtig werde.
12
13
- 7 -
Schließlich sei auch davon auszugehen, dass die Prüfung der drei
Hauptmietverträge eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 1 und 2 RVG
darstelle. Der Geschäftswert betrage daher 6.783.000
€. Daraus ergebe sich
bei einer hier anzusetzenden 1,8-fachen Gebühr ein Betrag von 39.412,80
€.
Zuzüglich der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20
und Umsatzsteuer von 19 % (Nr. 7006 VV RVG) errechne sich eine an den Be-
teiligten zu 1 gemäß § 277 Abs. 5 FamFG aus der Staatskasse zu zahlende
Vergütung in Höhe von 46.925,03
€.
Eine Kürzung dieses Vergütungsanspruchs aus Gründen der Verhält-
nismäßigkeit sei nicht veranlasst. Denn eine derartige Beschränkung ergebe
sich aus dem Gesetz nicht. Die in § 22 Abs. 1 RVG und § 25 Abs. 1 Satz 3
KostO enthaltenen Begrenzungen werden nach vorstehender Berechnung nicht
erreicht. In diesen Normen komme eine gesetzgeberische Wertung zum Aus-
druck. Danach sei es bis zum Erreichen der gesetzlich festgelegten Grenzen zu
akzeptieren, dass bei hohem Geschäftswert eine entsprechend hohe Vergütung
entstehen könne.
Letztlich habe auch keine standesrechtliche Verpflichtung des Beteiligten
zu 1 bestanden, vor der Übernahme des Amtes auf eine "angemessene" Hono-
rarvereinbarung hinzuwirken.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Nach § 277 Abs. 1 Satz 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz
seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gemäß § 277 Abs. 2
Satz 2 FamFG erhält er neben den Aufwendungen nach Absatz 1 eine Vergü-
tung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vor-
münder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG), wenn die Verfahrenspfleg-
schaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wo-
14
15
16
17
18
- 8 -
nach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegen-
vormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist
§ 277 FamFG zwar nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist diese
Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser
kann daher eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bean-
spruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu er-
bringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen
Rechtsanwalt zuziehen würde (Senatsbeschluss vom 24. September 2014
- XII ZB 444/13 - FamRZ 2015, 137 Rn. 8 mwN).
b) Die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahrenspfleger im
Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ihm eine Vergütung
nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bewilligen ist, obliegt einer wer-
tenden Betrachtung des Tatrichters, die im Rechtsbeschwerdeverfahren nur
eingeschränkt überprüfbar ist (Senatsbeschluss vom 24. September 2014
- XII ZB 444/13 - FamRZ 2015, 137 Rn. 10 mwN). Soweit das Beschwerdege-
richt angenommen hat, dass im vorliegenden Fall ein Verfahrenspfleger ohne
juristische Ausbildung die Dienste eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen
hätte, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Auch die Rechtsbeschwerde
erhebt hiergegen keine Einwendungen.
c) Hat das Amtsgericht bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers
die für das Vergütungsverfahren bindende Feststellung getroffen, dass der Ver-
fahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt oder liegen die Voraus-
setzungen hierfür vor (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24. September 2014
- XII ZB 444/13 - FamRZ 2015, 137 Rn. 9 mwN), bestimmt sich die Höhe seiner
Vergütung nach den maßgeblichen Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungs-
gesetzes. Für die Überprüfung eines Vertrags durch einen Rechtsanwalt ent-
steht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die einen Gebührenrah-
19
20
- 9 -
men von 0,5 bis 2,5 vorsieht (vgl. dazu Mayer/Kroiß/Teubel RVG 6. Aufl. Vor-
bemerkung 2.3 zu Nr. 2300 VV RVG Rn. 6). Soweit das Beschwerdegericht
unter Heranziehung des Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer die
vom Verfahrenspfleger geltend gemachte 1,8-fache Gebühr für angemessen
hält, ist dies aus rechtsbeschwerderechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
Auch hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
d) Dass das Beschwerdegericht den Geschäftswert im vorliegenden Fall
nach § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 KostO (jeweils in der bis
zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung, vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG) be-
stimmt hat, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.
aa) Wird ein Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, richtet
sich der Gegenstandswert grundsätzlich nach den für die Gerichtsgebühren
geltenden Vorschriften (§ 23 Abs. 1 RVG). Von dieser Regelung werden grund-
sätzlich auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfasst (BeckOK
RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt [Stand: 1. Dezember 2014] § 23 Rn. 2). Da für
die Erteilung der Genehmigung der Mietverträge innerhalb eines anhängigen
Betreuungsverfahrens jedoch keine eigene Gebühr anfällt, weil die für die Be-
treuung zu erhebende Jahresgebühr nach § 92 KostO (nunmehr Nr. 11101 ff.
der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG) die gesamte Tätigkeit des Betreuungsge-
richts abdeckt, findet § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG vorliegend keine Anwendung. Der
Geschäftswert kann auch nicht nach § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG bestimmt werden,
der für die Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gilt, wenn die Tä-
tigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (vgl. Mayer/
Kroiß/Mayer RVG 6. Aufl. § 23 Rn. 13). Denn die Tätigkeit des Beteiligten zu 1,
die sich nur auf die Überprüfung der Mietverträge erstreckt hat, kann nicht Ge-
genstand eines gesonderten Gerichtsverfahrens sein. Zu Recht hat daher das
Beschwerdegericht § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG herangezogen, der für die Bestim-
21
22
- 10 -
mung des Geschäftswerts außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens unter an-
derem auch auf § 25 KostO verwies. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KostO bemisst
sich der Wert eines Miet- oder Pachtrechts nach dem Wert aller Leistungen des
Mieters oder Pächters während der ganzen Vertragszeit. Daher ist für den Ge-
schäftswert einer außergerichtlichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Zusam-
menhang mit der Erstellung oder Überprüfung eines Miet- oder Pachtvertrags
die Höhe der vom Mieter während der gesamten Vertragslaufzeit zu erbringen-
den Mietzahlungen maßgeblich. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt als Ver-
fahrenspfleger mit der Überprüfung eines Mietvertrags beauftragt wurde und
- wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen für die Abrechnung nach den
Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes gegeben sind.
bb) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, § 25 KostO sei nicht anwend-
bar, weil der Beteiligte zu 1 nicht unmittelbar am Vertragsschluss mitgewirkt
habe, folgt der Senat dem nicht. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten
wird, dass § 25 KostO nur für die inhaltliche Gestaltung eines Miet- oder Pacht-
vertrags und nicht für Maßnahmen gelte, die das Miet- oder Pachtverhältnis nur
von außen betreffen (Bengel in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO
17. Aufl. § 25 Rn. 3; BeckOK KostR/Soutier [Stand: 15. November 2014] § 25
Rn. 2), bezieht sich dies nur auf Sachverhalte, in denen sich auch der Umfang
der zu vergütenden Tätigkeit nach der Kostenordnung bestimmt. Bei der Vergü-
tung einer anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich der Gebührentatbestand hingegen
allein aus den Bestimmungen der Vergütungsverordnung, im vorliegenden Fall
aus Nr. 2300 VV RVG. Nach der Vorbemerkung 2.3 zu Nr. 2300 VV RVG um-
fasst die Geschäftsgebühr unter anderem auch die Mitwirkung bei der Gestal-
tung von Verträgen, wozu auch die Überprüfung eines Vertrags zählt (vgl.
Mayer/Kroiß/Teubel RVG 6. Aufl. Vorbemerkung 2.3 zu Nr. 2300 VV RVG
Rn. 6). Ist nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein
Gebührentatbestand verwirklicht, finden die Vorschriften der Kostenordnung
23
- 11 -
über die Verweisung in § 23 Abs. 3 Satz 1 RVG nur entsprechend Anwendung,
um den für die Vergütung maßgeblichen Geschäftswert festzulegen.
e) Eine Reduzierung der Vergütung des Beteiligten zu 1 aus Gründen
der Verhältnismäßigkeit kommt mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht in
Betracht. Soweit die Rechtsbeschwerde hierzu meint, zur Vermeidung absolut
unbilliger Ergebnisse müsse es möglich sein, in besonders gelagerten Einzelfäl-
len auch bei der Erbringung anwaltsspezifischer Dienste die Vergütung nach
dem Erfolg angemessen zu beschränken, insbesondere dann, wenn ein absolu-
tes Missverhältnis zwischen dem vom Verfahrenspfleger betriebenen Aufwand
und der ihm zugebilligten Vergütung bestehe, kann dem nicht gefolgt werden.
Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die eine Herabsetzung der Vergütung
des Verfahrenspflegers erlaubt, besteht nicht. § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO ver-
bietet es einem Rechtsanwalt sogar eine geringere als die gesetzlich vorgese-
hene Vergütung zu verlangen. Im Übrigen weist das Beschwerdegericht zu
Recht darauf hin, dass mit den in § 22 Abs. 1 RVG und § 25 Abs. 1 Satz 3
KostO getroffenen Begrenzungsregelungen die gesetzgeberische Wertung ver-
bunden ist, bis zu welcher Höhe ein Geschäftswert für die Berechnung der an-
waltlichen Gebühren zu akzeptieren ist.
Eine Herabsetzung der gesetzlich vorgesehenen Vergütung lässt sich
auch nicht damit rechtfertigen, dass der Verfahrenspfleger bei Vorliegen an-
waltsspezifischer Dienstleistungen nicht zwingend nach dem Rechtsanwalts-
vergütungsgesetz abrechnen müsse. Liegt eine anwaltsspezifische Dienstleis-
tung vor, steht dem Verfahrenspfleger ein Wahlrecht zu, eine Vergütung nach
§ 3 VBVG zu verlangen oder seine Tätigkeit nach dem Rechtsanwaltsvergü-
tungsgesetz abzurechnen (Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 277 Rn. 11). Macht
der anwaltliche Verfahrenspfleger von der letztgenannten Möglichkeit Ge-
brauch, stehen ihm die verdienten Gebühren in vollem Umfang zu. Dabei ist
24
25
- 12 -
auch zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des anwaltlichen Verfahrenspfle-
gers auf der Grundlage seiner Bestellung durch das Betreuungsgericht erfolgt.
Das Gebührenrisiko kann daher schon bei der Bestellungsentscheidung ange-
messen berücksichtigt werden. In Ausnahmefällen kann einer unverhältnismä-
ßig hohen Gebührenforderung auch damit begegnet werden, dass mit dem Ver-
fahrenspfleger eine entsprechende Gebührenvereinbarung getroffen wird (vgl.
§ 277 Abs. 3 FamFG).
f) Soweit die Rechtsbeschwerde meint, dass der vom Verfahrenspfleger
im vorliegenden Fall betriebene Aufwand in einem völligen Missverhältnis zur
Höhe der geltend gemachten Vergütung stehe, verkennt sie, dass das Anwalts-
gebührenrecht nicht auf den Umfang der geleisteten Tätigkeiten abstellt, son-
dern an Gebühren auslösende Tatbestände anknüpft, um die den Vergütungs-
regelungen für die anwaltliche Tätigkeit zu Grunde liegende Mischkalkulation
sicherzustellen.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Speyer, Entscheidung vom 07.03.2013 - 73 XVII 100/00 (2) -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 21.10.2013 - 1 T 97/13 -
26