Urteil des BGH vom 28.10.2015

Leitsatzentscheidung zu Zwangsvollstreckung, Aufwand, Auskunftserteilung, Kauf

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 5 2 4 / 1 4
vom
28. Oktober 2015
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1379; FamFG § 61 Abs. 1
Allein der Umstand, dass ein Auskunftstitel vollstreckt wird, erhöht die für den Aus-
kunftspflichtigen durch die Auskunftsverpflichtung entstehende Beschwer nicht.
BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2015 - XII ZB 524/14 - OLG Köln
AG Köln
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Günter
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss
des 25. Zivilsenats als Senat für Familiensachen des Oberlandes-
gerichts Köln vom 25. September 2014 wird verworfen.
Beschwerdewert: bis 600
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verpflichtung, im Rahmen
eines isolierten Verfahrens über den Zugewinnausgleich Auskunft über ihr Ver-
mögen erteilen zu müssen.
Die Beteiligten schlossen am 30. April 1997 die Ehe und trennten sich
am 31. Juli 2006. Der Scheidungsantrag wurde am 20. Februar 2008 zugestellt.
Das Amtsgericht verpflichtete zunächst den Antragsteller, in der Folgesache
Güterrecht Auskunft zu erteilen.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht auch die Antragsgegne-
rin verpflichtet, Auskunft über ihr Anfangsvermögen zum 30. April 1997, über ihr
Trennungsvermögen zum 31. Juli 2006 und über ihr Endvermögen zum
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20. Februar 2008 zu erteilen durch Vorlage eines geordneten Vermögensver-
zeichnisses, das sich auf die jeweiligen Einsatzstichtage bezieht und in dem die
vorhandenen einzelnen Vermögenspositionen mit ihren jeweiligen wertbilden-
den Faktoren konkretisiert und belegt sind und zwar insbesondere zu
"- sämtlichen Konten, Sparkonten, Depots und sonstigen Fi-
nanzeinlagen bei inländischen und ausländischen Banken,
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Bausparguthaben,
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Fortführungswerte zu Lebensversicherungen,
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Immobilienbesitz,
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Verbindlichkeiten,
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Schmuckstücke,
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Kunstgegenstände,
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Kraftfahrzeuge,"
die erteilte Auskunft im Vermögensverzeichnis zu belegen und zwar durch
"- Kontoauszüge zu den Konten, Sparkonten, Depots und
sonstigen finanziellen Anlagen, insbesondere zum Aktien-
depot bei der Dresdner Bank (…) sowie Konto (…)
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Kontoauszüge zu Bausparguthaben,
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schriftliche Auskunft zu den Fortführungswerten der einzel-
nen Lebensversicherungen, insbesondere zu den Versiche-
rungen bei der Vorsorge Luxemburg mit den Versicherungs-
nummern (…) 90 sowie (…) 67,
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Grundbuchauszügen ggf. Beschreibungen der Aufbauten,
der Gebäudesubstanz, des Baujahres und der Mieteinnah-
men,
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Auszüge zu Darlehen einschließlich der Darlehensverträge,
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Vorlage des Kfz-Briefes von Alter und Beschreibung sowie
Erhaltungszustand des Kfz Mercedes (…),
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Vorlage von Belegen sämtlicher im Anfangs- und im End-
vermögen vorhandener Schmuckgegenstände, insbesonde-
re - soweit vorhanden - von evtl. abgeschlossenen Dieb-
stahlversicherungen, Banksafeeinlagen oder ähnlichem."
Das Oberlandesgericht hat den Verfahrenswert für das Beschwerdever-
fahren auf bis zu 600
€ festgesetzt und die Beschwerde der Antragsgegnerin
verworfen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 112 Nr. 2, 261 Abs. 1, 117 Abs. 1
Satz 4 FamFG iVm §§ 522 Abs. 1, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist
aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt
sind.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwer-
degerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin nicht in
ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-
schutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses
Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu
einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st. Rspr.,
vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838
Rn. 5 mwN). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, liegt auch kein entschei-
dungserheblicher Verstoß des Beschwerdegerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG
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vor. Schließlich erfordert die Fortbildung des Rechts keine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass
bei der vorzunehmenden Wertfestsetzung das Interesse der Rechtsmittelführe-
rin zugrunde zu legen sei, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Insoweit sei
auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung
der geschuldeten Auskunft erfordere. Die von der Antragsgegnerin aufgrund
des Teilbeschlusses des Amtsgerichts verlangte Auskunft mache die Hinzuzie-
hung eines Steuerberaters, Rechtsanwalts oder gegebenenfalls Sachverständi-
gen nicht erforderlich. Die Antragsgegnerin habe gemäß § 1379 BGB die Ver-
mögensgegenstände nach Anzahl, Art und wertbildenden Faktoren einzeln auf-
zuführen. Wertangaben seien hingegen nicht geschuldet, wohl aber solche über
wertbildende Merkmale. Insoweit genüge bezüglich vorhandener Konten, Spar-
konten etc. ein jeweiliger Kontoauszug, bezüglich vorhandener Lebensversiche-
rungen eine Auskunft über den Stand derselben, bezüglich Immobilienbesitz die
Vorlage von Grundbuchauszügen, hinsichtlich evtl. Schmuckstücke die Vorlage
vorhandener Belege über deren Kauf und bezüglich vorhandener Kraftfahrzeu-
ge des Kfz-Briefs sowie eine Beschreibung des Erhaltungsstands. Dabei gehe
es nur um ein Kraftfahrzeug, das sich im Eigentum der Antragsgegnerin befin-
de.
Die Vermögensverhältnisse der Antragsgegnerin seien aus weiteren Ver-
fahren bekannt. Die Antragsgegnerin sei in der Lage, mit überschaubarem Zeit-
aufwand die Aufstellung selbst vorzunehmen. Es sei nicht davon auszugehen,
dass der hier erforderliche Gesamtaufwand einen Wert von 600
€ übersteigen
würde.
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2. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine durchgreifenden Zulassungsgründe
i.S.v. § 574 Abs. 2 ZPO auf.
a) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Ent-
scheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
aa) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt ist
der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts. Danach ist für die Be-
messung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der Verpflichtung zur
Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Aus-
kunft nicht erteilen zu müssen. Abgesehen von dem - hier nicht vorliegenden -
Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses ist auf den Aufwand an Zeit
und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Aus-
kunft erfordert. Dabei kann die vom Beschwerdegericht vorgenommene Schät-
zung wegen des ihm hierbei eingeräumten Ermessensspielraums im Rechtsbe-
schwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob das Gericht
die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt
hat (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015,
838 Rn. 11 mwN zur Auskunftspflicht innerhalb eines Unterhaltsverfahrens).
Zur Bewertung des Zeitaufwands des Auskunftspflichtigen kann grund-
sätzlich auf die Stundensätze zurückgegriffen werden, die der Auskunftspflichti-
ge als Zeuge im Zivilprozess nach dem Justizvergütungs- und -entschädi-
gungsgesetz (JVEG) erhalten würde (Senatsbeschluss vom 23. März 2011
- XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 9 mwN). Diese belaufen sich auf einen
Betrag zwischen 3,50
€ (§ 20 JVEG) und - im Falle von Nachteilen bei der
Haushaltsführung - 14
€. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Pflichtige mit
der Erteilung der Auskunft weder eine berufstypische Leistung erbringt
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noch einen Verdienstausfall erleidet (Senatsbeschluss vom 28. November 2012
- XII ZB 620/11 - FamRZ 2013, 105 Rn. 11 mwN).
Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson bei der
Bemessung der Beschwer können nur berücksichtigt werden, wenn sie zwangs-
läufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten
Auskunftserteilung nicht in der Lage ist. Dies ist vom Auskunftspflichti-
gen substantiiert vorzutragen (vgl. Senatsbeschluss vom 23. März 2011
- XII ZB 436/10 - FamRZ 2011, 882 Rn. 12).
bb) Der angefochtene Beschluss steht mit dieser Rechtsprechung in Ein-
klang.
(1) Es ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Beschwerdegericht seine
- aufgrund bei ihm bereits laufender Verfahren gewonnener - Kenntnis von den
Vermögensverhältnissen der Antragsgegnerin in seine Ermessensentscheidung
hat einfließen lassen. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdege-
richt habe in seinem Hinweisbeschluss darauf abgestellt, dass die Antragsgeg-
nerin im bereits anhängigen Zugewinnausgleichsverfahren ohnehin Auskunft zu
erteilen habe, es mithin an der Kausalität fehle (vgl. dazu auch Senatsbe-
schluss vom 11. März 2015 - XII ZB 317/14 - FamRZ 2015, 838 Rn. 12), hat
das Beschwerdegericht ersichtlich nicht mehr an seiner Auffassung festgehal-
ten.
(2) Ebenso wenig verfängt die Rüge der Rechtsbeschwerde, wonach das
Beschwerdegericht nicht berücksichtigt habe, dass die Auskunft jeweils für drei
Stichtage zu erfolgen hat. Aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung
ergibt sich eindeutig, dass das Beschwerdegericht von der Auskunftserteilung
zu drei Stichtagen ausgegangen ist. Zwar ist der Rechtsbeschwerde einzuräu-
men, dass das Beschwerdegericht bei der Begründung, warum seiner Auffas-
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sung nach die erforderliche Beschwer nicht erreicht sei, nicht ausdrücklich auf
diesen Umstand eingegangen ist. Dem liegt aber offensichtlich die Erwägung
zugrunde, dass sich hierdurch der Aufwand für die Antragsgegnerin nicht signi-
fikant erhöhen dürfte. Die Antragsgegnerin kann die einmal ermittelten wertbil-
denden Faktoren mit Ausnahme des Alters des Vermögensgegenstands im
Wesentlichen für alle - in Betracht kommenden - Stichtage nutzbar machen. Die
Angabe des jeweiligen Alters zu den genannten Stichtagen erhöht ihren Ar-
beitsaufwand nicht entscheidend.
Ferner hat das Oberlandesgericht nachvollziehbar begründet, weshalb
die Hinzuziehung eines Sachverständigen und die Mithilfe eines Rechtsanwalts
oder Steuerberaters nicht notwendig sind. Wieso die Antragsgegnerin vor allem
hinsichtlich der Schmuckstücke, Kunstgegenstände, des Pkw und der Fortfüh-
rungswerte zu den Lebensversicherungen sachverständiger Hilfe bedürfe, trägt
die Rechtsbeschwerde nicht vor. Auch der Verweis auf das Vorbringen der An-
tragsgegnerin im Beschwerdeverfahren verhilft ihr nicht zum Erfolg. Dort hat sie
ebenfalls im Wesentlichen vorgetragen, dass sie die wertbildenden Faktoren
ohne Hilfe eines Rechtsanwalts und Steuerberaters bzw. eines Sachverständi-
gen gar nicht ermitteln könne. Wenn das Beschwerdegericht in diesem Zu-
sammenhang jedoch erläutert, dass hierzu die Vorlage einer Auskunft der Le-
bensversicherung, von vorhandenen Belegen über den Kauf etwaiger
Schmuckstücke sowie des Kfz-Briefs nebst einer Beschreibung des Erhaltungs-
zustands genüge, ist hiergegen nichts zu erinnern.
b) Der Rechtsbeschwerde bleibt schließlich auch der Erfolg versagt, so-
weit sie den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts mit der Begründung
bemüht, es sei nicht geklärt, ob eine eingeleitete Zwangsvollstreckung hinsicht-
lich der titulierten Auskunftsverpflichtung bei der Bemessung des Beschwerde-
werts im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG zu berücksichtigen sei.
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aa) Für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands bei der
Verpflichtung zur Auskunftserteilung ist allein das Interesse des Rechtsmittel-
führers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist allein auf
den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der
geschuldeten Auskunft erfordert. Dieses kann im Einzelfall auch Kosten der
Abwehr einer etwaigen Zwangsvollstreckung beinhalten, nämlich wenn die
Auskunftsverpflichtung, gegen die sich der Auskunftsschuldner zur Wehr setzt,
keinen vollstreckbaren Inhalt hat oder auf eine unmögliche Leistung gerichtet
ist. In diesem Fall erhöht sich die Beschwer nach der ständigen Rechtspre-
chung des Senats (Senatsbeschluss vom 2. September 2015 - XII ZB 132/15 -
juris Rn. 17 mwN) um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten
Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt
der Beschwerdeeinlegung muss der Auskunftsschuldner gewärtigen, dass er in
vollem Umfang aus dem im vorgenannten Sinne fehlerhaften Titel in Anspruch
genommen wird und sich hiergegen zur Wehr setzen muss.
bb) Demgegenüber vermag allein die von der Rechtsbeschwerde be-
hauptete Einleitung der Zwangsvollstreckung aus einem vollstreckbaren Aus-
kunftstitel die Beschwer hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung nicht zu erhö-
hen. Die hierdurch eintretende Beschwer ist Folge der Vollstreckung eines je-
den Titels und erhöht die auf die Auskunftsverpflichtung bezogene Beschwer
nicht.
Im Übrigen lässt sich den Akten entnehmen, dass die Antragsgegnerin
dem Vollstreckungsantrag des Antragstellers mangelnde Vollstreckungsreife
entgegengehalten hat. Das Amtsgericht hat die sofortige Wirksamkeit des Teil-
beschlusses nicht angeordnet (vgl. § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Wegen des
laufenden Rechtsmittelverfahrens konnte auch noch keine Rechtskraft eintreten
(§ 116 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Deswegen dürfte es am Wirksamwerden der
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Entscheidung als Voraussetzung für die Vollstreckung fehlen (vgl. § 120 Abs. 2
FamFG) und deshalb derzeit ohnehin eine Vollstreckung ausscheiden.
Dose
Weber-Monecke
Klinkhammer
Schilling
Günter
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 09.04.2014 - 323 F 90/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 25.09.2014 - 25 UF 83/14 -