Urteil des BGH vom 19.11.2014

Leitsatzentscheidung zu Nachforderung, Rechtskraft, Scheidungsverfahren, Teilklage, Beschwerdeinstanz

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
X I I Z B 4 7 8 / 1 3
Verkündet am:
19. November 2014
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1361; FamFG § 238
Zur Nachforderung "vergessenen" Altersvorsorgeunterhalts (Fortführung von
Senatsurteil BGHZ 94, 145 = FamRZ 1985, 690).
BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - XII ZB 478/13 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. November 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Schilling, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats
des Kammergerichts in Berlin vom 19. Juli 2013 wird auf Kosten
der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie streiten um
Altersvorsorgeunterhalt für einen Teil der Trennungszeit.
Die Beteiligten lebten seit 1999 getrennt; ihr Scheidungsverfahren war
seit dem Jahr 2001 rechtshängig. Mit Schreiben vom 2. Juni 2009 forderte
die Antragstellerin den Antragsgegner zur Auskunft über seine Einkünfte aus
allen Einkommensarten auf. In einem anschließenden Trennungsunterhaltsver-
fahren wurde der Antragsgegner durch Beschluss des Amtsgerichts vom
7. Dezember 2010 verpflichtet, für die Zeit ab Dezember 2010 einen laufenden
Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.074,19
€ und für den Zeitraum von
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Juni 2009 bis November 2010 einen Unterhaltsrückstand in Höhe von insge-
samt 9.725,58
€ zu zahlen. Die Unterhaltsbemessung in diesem Verfahren be-
ruhte auf einer konkreten Bedarfsermittlung. Dieser lagen die von der Antrag-
stellerin geltend gemachten Aufwendungen für Lebensmittel, Bekleidung, Ur-
laub, Halten eines Kraftfahrzeuges, Nebenkosten eines mietfrei von ihr bewohn-
ten gemeinsamen Einfamilienhauses, Gesundheitspflege (Arztbesuche, Arz-
neimittel, Körperpflege), Medien (Zeitschriften, Bücher, Kabelfernsehen, Rund-
funkgebühren), Telefon, Kontoführungsgebühren und Geschenke zugrunde.
Mit einem am 9. Dezember 2011 zugestellten Abänderungsantrag
verlangte die Antragstellerin unter Hinweis darauf, dass sie nach dem Auszug
aus dem ehemaligen Familienheim durch die Anmietung einer Mietwohnung
höhere Wohnkosten habe, eine Erhöhung des laufenden Trennungsunterhalts
von monatlich 2.047,19
€ auf zuletzt monatlich 2.547,75 €. Auf diesen Antrag
wurde der Antragsgegner im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum
26. April 2012 durch Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Mai 2012 unter Abän-
derung des Ausgangsbeschlusses dazu verpflichtet, für die Zeit ab dem 9. De-
zember 2011 an die Antragstellerin einen erhöhten monatlichen Trennungsun-
terhalt in Höhe von 2.295,46
€ zu zahlen; die von beiden Eheleuten gegen die
Abänderungsentscheidung eingelegten wechselseitigen Beschwerden wurden
am 23. November 2012 zurückgenommen. Die Scheidung der Beteiligten ist
seit dem 6. September 2013 rechtskräftig.
Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin mit einem am 5. Sep-
tember 2012 zugestellten Nachforderungsantrag begehrt, ihr für den Zeitraum
ab dem 1. Juni 2009 über den bereits titulierten Trennungsunterhalt hinaus ei-
nen rückständigen und laufenden Altersvorsorgeunterhalt in wechselnder mo-
natlicher Höhe zwischen 669,69
€ und 746,21 € zuzusprechen. Das Amtsge-
richt hat diesem Antrag teilweise entsprochen und den Antragsgegner unter Zu-
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rückweisung des weitergehenden Antrages verpflichtet, seit dem 1. Juli 2011
über den in der Entscheidung vom 7. Dezember 2010 und in der Abänderungs-
entscheidung vom 8. Mai 2012 festgesetzten "Trennungs-Elementarunterhalt"
hinaus einen Altersvorsorgeunterhalt in unterschiedlicher monatlicher Höhe zwi-
schen 569,61
€ und 629,90 € zu zahlen. Gegen diese Entscheidung haben die
beiden Beteiligten Beschwerde eingelegt. Während die Beschwerde der An-
tragstellerin erfolglos geblieben ist, hat das Beschwerdegericht die angefochte-
ne Entscheidung des Amtsgerichts auf das Rechtsmittel des Antragsgegners
geändert und den Antrag insgesamt als unzulässig zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antrag-
stellerin, mit der sie ihre Anträge auf Zahlung von Altersvorsorgeunterhalt seit
Juni 2009 weiterverfolgt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris veröffentlicht ist,
hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Antragstellerin aus verfah-
rensrechtlichen Gründen daran gehindert sei, Altersvorsorgeunterhalt isoliert
geltend zu machen. Hierzu hat es das Folgende ausgeführt:
Zwar entfalle bei der konkreten Bedarfsberechnung die zweistufige Be-
rechnung von Elementar- und Vorsorgeunterhalt, so dass über diese Ansprüche
im Falle ihrer gemeinsamen Anhängigkeit per Teilbeschluss entschieden wer-
den könne. Die Möglichkeit einer Entscheidung durch Teilbeschluss eröffne
dem Unterhaltsberechtigten aber nicht in jedem Fall die Geltendmachung des
Altersvorsorgeunterhalts im Wege des Teilantrages. Wenn im Vorverfahren Un-
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terhalt ohne nähere Aufschlüsselung in Elementar- und Vorsorgeunterhalt gel-
tend gemacht werde, könne Vorsorgeunterhalt mit einem isolierten Zusatzan-
trag grundsätzlich nur noch dann nachträglich geltend gemacht werden, wenn
sich der Unterhaltsberechtigte zumindest erkennbar eine Nachforderung vorbe-
halten habe.
Auch bei einem konkret berechneten Unterhaltsbedarf müsse sich ein
Unterhaltsschuldner nicht generell darauf einrichten, dass noch Altersvorsorge-
unterhalt geltend gemacht werde. Einen Vorbehalt bezüglich einer weiteren
Nachforderung habe die Antragstellerin im Ausgangsverfahren nie ausdrücklich
erklärt. Zwar habe der von der Antragstellerin konkret geltend gemachte Bedarf
keinerlei Positionen enthalten, die dem Bereich der Altersvorsorge zugerechnet
werden könnten. Ohne weitere Anzeichen müsse der Unterhaltsschuldner aber
selbst dann noch nicht damit rechnen, dass noch Altersvorsorgeunterhalt gel-
tend gemacht werden würde. Gerade bei guten Einkommensverhältnissen kön-
ne bereits ein zur Versorgung im Alter geeignetes Vermögen auf Seiten des Un-
terhaltsberechtigten vorhanden sein. Die Antragstellerin sei Miteigentümerin
eines Grundstücks gewesen und es habe angesichts der wirtschaftlichen Ver-
hältnisse der Beteiligten nahegelegen, dass sie ihren Miteigentumsanteil - wie
später auch geschehen - gegen Zahlung eines angemessenen Kapitalbetrags
als Wertausgleich auf den Antragsgegner übertragen würde. Es sei auch denk-
bar, dass der Unterhaltsberechtigte beabsichtigt habe, durch ein im Wege des
Zugewinnausgleichs zugeflossenes Vermögen Altersvorsorge zu betreiben und
deshalb keinen gesonderten Altersvorsorgeunterhalt geltend gemacht habe.
Hier habe die Antragstellerin im Scheidungsverfahren in der Folgesache Zuge-
winnausgleich von dem Antragsgegner die Zahlung eines erststelligen Teilbe-
trags in Höhe von 1.000.000
€ verlangt. Die Antragstellerin habe auch sonst
nicht erkennen lassen, dass sie beim Trennungsunterhalt zunächst nur einen
Elementarunterhalt geltend gemacht habe. Auch im Scheidungsverfahren habe
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sie ihren nachehelichen Unterhaltsanspruch zunächst nur nach einem konkret
ermittelten (Elementar-) Bedarf berechnet und erst fast drei Jahre nach Anhän-
gigkeit der Folgesache Unterhalt zeitgleich mit dem Antrag im vorliegenden Ver-
fahren zusätzlichen Vorsorgeunterhalt verlangt.
Aus dem verzugsbegründenden Schreiben vom 2. Juni 2009 könne die
Antragstellerin nichts herleiten. Allein die Schaffung der Voraussetzungen, um
Unterhalt für die Vergangenheit fordern zu können, bedeute noch nicht, dass
sich der Unterhaltsschuldner deshalb auf eine Geltendmachung von Altersvor-
sorgeunterhalt auf unabsehbare Zeit einrichten müsste. Die Antragstellerin ha-
be die Möglichkeit gehabt, Altersvorsorgeunterhalt im Wege eines Abände-
rungsverfahrens geltend zu machen, wobei dann, wenn die Voraussetzungen
für einen zulässigen Abänderungsantrag gegeben seien, auch Altersvorsorge-
unterhalt erstmals geltend gemacht werden könne. Dies hätte die Antragstelle-
rin zum Anlass nehmen müssen, in dem am 9. Dezember 2011 rechtshängig
gewordenen Abänderungsverfahren einen weiteren Unterhalt in Form des Al-
tersvorsorgeunterhalts geltend zu machen. Dies sei aber in dem Abänderungs-
verfahren nicht geschehen, welches bis zum rechtskräftigen Abschluss in der
Beschwerdeinstanz nur den Elementarunterhalt zum Gegenstand gehabt habe.
Die Rechtskraft des zwischenzeitlich durchgeführten Abänderungsverfahrens
habe damit zur Konsequenz, dass der im Weg des Zusatzantrags verfolgte An-
spruch der Antragstellerin auf Altersvorsorgeunterhalt als unzulässig zurückzu-
weisen sei.
Gegen diese Ausführungen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Er-
folg.
2. Mit Recht hat das Beschwerdegericht erkannt, dass der Zulässigkeit
des von der Antragstellerin angebrachten Nachforderungsantrags die Rechts-
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kraft der in den Trennungsunterhaltsverfahren ergangenen Entscheidungen ent-
gegensteht.
a) In der zivilprozessualen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist
seit jeher anerkannt, dass sich das Problem der sogenannten verdeckten Teil-
klage nicht stellen kann, wenn in einem Vorprozess wiederkehrende Leistungen
im Sinne von § 258 ZPO zuerkannt worden sind. Hat die im Vorprozess obsie-
gende Partei in diesem Verfahren nur scheinbar die volle Leistung geltend ge-
macht, kann sie im folgenden Prozess um eine Zusatz- oder Nachforderungs-
klage dem Einwand entgegenstehender Rechtskraft nicht mit dem Argument
begegnen, dass sich die Rechtskraft der im Vorprozess erstrittenen Entschei-
dung von vornherein nur auf den dort eingeklagten Betrag beschränke. Dies
beruht auf der Regelung des § 323 ZPO. Nach deren Sinn und Zweck ist nach
rechtskräftiger Verurteilung zu wiederkehrenden, sich aus einem bestimmten
Rechtsverhältnis ergebenden Leistungen eine Klage auf zusätzliche Leistungen
nur unter den Voraussetzungen und im Umfang des § 323 ZPO zulässig. Au-
ßerhalb des Anwendungsbereichs von § 323 ZPO ist eine isolierte Zusatz- oder
Nachforderungsklage nur in den Ausnahmefällen zulässig, in denen in dem Vor-
prozess die aus dem bestimmten Rechtsverhältnis fließenden wiederkehrenden
Leistungen nur teilweise eingeklagt waren. Eine solche Teilklage im Vorprozess
ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn dort ausdrücklich erklärt oder aus den
Umständen eindeutig zu entnehmen war, dass die in bestimmter Höhe be-
gehrten wiederkehrenden Leistungen nur einen Teil einer an sich höheren For-
derung darstellen (BGH Urteil vom 10. Juli 1986 - IX ZR 138/85 - NJW 1986,
3142 f. und grundlegend BGHZ 34, 110, 113 ff. = NJW 1961, 871, 872 f.).
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat in ständiger Recht-
sprechung erkannt, dass ein Leistungsantrag auf Unterhalt nur dann zulässig
ist, wenn kein Abänderungsantrag zu erheben ist. Die Forderung eines zu-
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sätzlichen Unterhalts im Wege des Zusatz- oder Nachforderungsantrages ist
folglich nur dann möglich, wenn sich der schon vorliegende Unterhaltstitel ein-
deutig nur auf einen Teilbetrag des geschuldeten Unterhalts beschränkt
(Senatsurteile BGHZ 94, 145, 146 ff. = FamRZ 1985, 690 f. und vom 3. De-
zember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 13). Wie der Senat in
diesem Zusammenhang wiederholt entschieden hat, ist im Unterhaltsrecht im
Zweifel davon auszugehen, dass Unterhalt in voller Höhe geltend gemacht wird,
so dass die Vermutung gegen das Vorliegen eines Teilantrags spricht. Für die
Annahme eines Teilantrags ist daher zu fordern, dass der Unterhaltsberechtigte
im Erstverfahren entweder ausdrücklich einen Unterhaltsteilanspruch geltend
gemacht oder sich wenigstens erkennbar eine Nachforderung von Unterhalt
vorbehalten hat (Senatsurteile BGHZ 94, 145, 147 = FamRZ 1985, 690, 691;
vom 13. Dezember 1989 - IVb ZR 22/89 - FamRZ 1990, 863, 864; vom 27. No-
vember 2002 - XII ZR 295/00 - FamRZ 2003, 444 f. und vom 3. Dezember 2008
- XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 13).
Hinsichtlich des Anspruchs auf Altersvorsorgeunterhalt gelten in dieser
Hinsicht keine grundlegenden Besonderheiten. Der nach § 1361 Abs. 1 Satz 2
BGB bzw. nach § 1578 Abs. 3 BGB geschuldete Vorsorgeunterhalt ist dazu be-
stimmt, als Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf des Berechtig-
ten umfassenden Unterhaltsanspruchs den Aufbau einer Altersvorsorge zu er-
möglichen. Ob der Unterhaltsberechtigte neben seinem laufenden Elementar-
unterhalt auch Vorsorgeunterhalt geltend machen will, steht in seinem freien
Belieben. Hat der Unterhaltsberechtigte im Erstverfahren lediglich Elementarun-
terhalt geltend gemacht, hängt die Zulässigkeit einer Nachforderung von Vor-
sorgeunterhalt im Wege eines neuen Leistungsantrags davon ab, ob sich der
Berechtigte diese Nachforderung im Erstverfahren vorbehalten hat (Senatsurteil
BGHZ 94, 145, 147 f. = FamRZ 1985, 690, 691).
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c) Ob im Erstverfahren ein Nachforderungsvorbehalt erklärt worden
ist oder ob aus den Umständen eindeutig entnommen werden kann, dass sich
der Anspruchsteller im Erstverfahren die Geltendmachung weiterer Unter-
haltsansprüche vorbehalten wollte, unterliegt der selbständigen und unbe-
schränkten Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht (vgl. Senatsurteil
vom 15. Juni 1994 - XII ZR 128/93 - FamRZ 1994, 1095, 1096; BGH Urteil vom
20. November 1997 - VII ZR 26/97 - NJW 1998, 995). Der Senat teilt im vorlie-
genden Fall das vom Beschwerdegericht gefundene Auslegungsergebnis.
aa) Die Antragstellerin hat sich im Erstverfahren zum Trennungsunterhalt
die Nachforderung von Vorsorgeunterhalt nicht ausdrücklich vorbehalten, was
auch die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede stellt. Die Rechtsbeschwerde zeigt
auch - über den Umstand der Nichtgeltendmachung von solchen, der Vermö-
gensbildung dienenden Bedarfspositionen im Erstverfahren hinaus - keine wei-
teren Gesichtspunkte auf, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass sich die
Antragstellerin die Nachforderung von Vorsorgeunterhalt vorbehalten haben
könnte. Die bloße Nichtgeltendmachung von Vorsorgeunterhalt im Erstverfah-
ren kann aber für sich genommen noch nicht die Annahme eines Nachforde-
rungsvorbehalts begründen.
bb) In den Fällen der zweistufigen Unterhaltsberechnung nach einer Ein-
kommensquote ergibt sich dies bereits daraus, dass die Forderung von Vorsor-
geunterhalt zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes zwangsläufig zu einer
Verkürzung des laufenden Elementarunterhalts führt. Daher kann in diesen Fäl-
len ein naheliegendes Motiv für die unterlassene Geltendmachung von Alters-
vorsorgeunterhalt in der fehlenden Bereitschaft des Berechtigten liegen, sich
auf den mit dem Aufbau eines Altersvorsorgevermögens einhergehenden Kon-
sumverzicht einzulassen. Schon dieser Gedanke schließt die Annahme eines
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Nachforderungsvorbehalts regelmäßig aus (Senatsurteil BGHZ 94, 145, 148
= FamRZ 1985, 690, 691).
cc) Aber auch in den Anwendungsfällen der einstufigen Unterhaltsbe-
rechnung (etwa bei der Geltendmachung eines konkreten Unterhaltsbedarfs
oder bei einer am Nachteilsausgleich orientierten Unterhaltsbemessung), in de-
nen der Unterhaltspflichtige Altersvorsorgeunterhalt ohne Verletzung des Halb-
teilungsgrundsatzes neben dem vollen ungekürzten Elementarunterhalt leisten
kann, können allein aus der unterbliebenen Geltendmachung von Vorsorgeun-
terhalt für sich genommen keine genügenden Anhaltspunkte für einen Nachfor-
derungsvorbehalt gewonnen werden.
Denn die unterlassene Geltendmachung von Vorsorgeunterhalt kann
auch dadurch begründet sein, dass sich der Unterhaltsberechtigte im Erstver-
fahren überhaupt nicht bewusst war, ohne Kürzung des Elementarunterhalts
auch Vorsorgeunterhalt verlangen zu können. Auch dann kann ein Nachforde-
rungsvorbehalt nicht bejaht werden, weil aus Sicht des Unterhaltsberechtigten
nämlich der gesamte von ihm erstrebte Unterhalt geltend gemacht worden ist,
während die Annahme eines Nachforderungsvorbehalts gerade voraussetzt,
dass sich dieser des Bestehens einer weiteren Forderung bewusst war (vgl.
Senatsurteil BGHZ 94, 145, 148 = FamRZ 1985, 690, 691 und Senatsbeschluss
vom 7. November 2012 - XII ZB 229/11 - FamRZ 2013, 109 Rn. 46).
Selbst wenn das Bewusstsein für die Geltendmachung von Vorsorgeun-
terhalt beim Unterhaltsberechtigten vorhanden gewesen sein sollte, sind bei der
einstufigen Unterhaltsberechnung - abhängig von den jeweiligen Umständen
des Einzelfalls - durchaus wirtschaftliche Opportunitätsgründe für die unterlas-
sene Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt denkbar. Bei einer zeitlich
absehbar begrenzten Unterhaltspflicht - etwa wegen einer beabsichtigten Wie-
derverheiratung des Unterhaltsberechtigten - kann die Beschränkung auf den
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Elementarunterhalt dadurch veranlasst sein, dass die zusätzliche Geltendma-
chung von Altersvorsorgeunterhalt nur zum Aufbau einer Bagatellversorgung
führen würde, die für den Unterhaltsberechtigten von geringem Interesse ist.
Bei überdurchschnittlich günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen kann - wie das
Beschwerdegericht zutreffend ausführt - ein mögliches Motiv für die Beschrän-
kung auf den Elementarunterhalt auch darin gesehen werden, dass der unter-
haltsberechtigte Ehegatte aus der vermögens- und güterrechtlichen Auseinan-
dersetzung der Eheleute den Zuwachs eines erheblichen Kapitalvermögens
erwartet, mit dem er sich für das Alter ausreichend versorgt sieht und der des-
halb die gesonderte Geltendmachung eines Altersvorsorgebedarfs bei wirt-
schaftlicher Betrachtungsweise entbehrlich erscheinen lässt (zur Auswirkung
von Kapitaleinkünften auf den Altersvorsorgebedarf vgl. Senatsurteil vom
18. Dezember 1991 - XII ZR 2/91 - FamRZ 1992, 423, 425).
d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht diesem Ergeb-
nis auch die Rechtsprechung des Senats zu §§ 1360 a Abs. 3, 1613 Abs. 1
Satz 1 BGB nicht entgegen. Der Senat hat ausgesprochen, dass es wegen der
Einheitlichkeit von Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt für eine Inanspruch-
nahme des Unterhaltspflichtigen für die Vergangenheit ausreicht, wenn von die-
sem Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs
begehrt worden ist; eines gesonderten Hinweises, es werde auch Altersvorsor-
geunterhalt verlangt, bedarf es nicht (vgl. Senatsurteil vom 22. November 2006
- XII ZR 24/04 - FamRZ 2007, 193 Rn. 43 f.). Diese Ausführungen beziehen
sich aber - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat - allein auf die
Schaffung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung
von Altersvorsorgeunterhalt für die Vergangenheit. Ihnen lässt sich nichts für
die Beurteilung der hier maßgeblichen Frage entnehmen, ob es dem Unter-
haltsberechtigten angesichts eines bestehenden rechtskräftigen Unterhaltstitels
aus verfahrensrechtlichen Gründen verwehrt ist, die zusätzliche Leistung von
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Altersvorsorgeunterhalt im Rahmen eines weiteren Leistungsantrages nachzu-
fordern (vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 229/11 -
FamRZ 2013, 109 Rn. 46).
3. Es kommt auch nicht in Betracht, den als Nachforderungsantrag unzu-
lässigen Antrag der Antragstellerin entsprechend § 140 BGB in einen Abände-
rungsantrag (§ 238 FamFG) umzudeuten.
a) Hat sich der Unterhaltsberechtigte im Erstverfahren die Nachforderung
von Vorsorgebedarf nicht vorbehalten und damit aus Sicht des Gerichts und
des Verfahrensgegners den gesamten Unterhaltsanspruch zum Gegenstand
des Verfahrens gemacht, kann er eine Erhöhung des im Erstverfahren titulierten
Unterhalts wegen des nicht geltend gemachten Vorsorgebedarfs allerdings
noch mit einem Abänderungsantrag erreichen. Haben dabei - wie hier - die Vo-
raussetzungen des § 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB (oder des § 1578 Abs. 3 BGB)
bereits im Erstverfahren vorgelegen, kann eine wesentliche Änderung der tat-
sächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (§ 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG) nicht
allein mit dem nachträglich gefassten Entschluss begründet werden, nunmehr
auch einen - im Erstverfahren möglicherweise "vergessenen" - Altersvorsorge-
bedarf nachträglich geltend machen zu wollen. Erst wenn eine Anpassung des
bestehenden Unterhaltstitels dadurch eröffnet wird, dass sich die für die Un-
terhaltsbemessung in der Erstentscheidung maßgeblichen tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, kann auch Vorsorgeunter-
halt verlangt werden (Senatsurteil BGHZ 94, 145, 149 = FamRZ 1985, 690,
691; Wendl/Schmitz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis
8. Aufl. § 10 Rn. 168).
b) Die Umdeutung eines unzulässigen Nachforderungsantrags in einen
(zulässigen) Abänderungsantrag ist zwar grundsätzlich möglich, wenn die An-
tragsbegründung die abzuändernde Endentscheidung bezeichnet und im Übri-
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gen den Anforderungen des § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG genügt (vgl. BGH Ur-
teil vom 2. Juli 2004 - V ZR 290/03 - FamRZ 2004, 1712, 1713). Unter den hier
obwaltenden Umständen scheidet eine Umdeutung aber aus, weil der Antrag
der Antragstellerin auch als Abänderungsantrag aus mehreren Gründen unzu-
lässig wäre.
aa) Ändern sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster In-
stanz oder nach dem ihm im schriftlichen Verfahren gleichstehenden Zeitpunkt
(§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO) die der erstinstanz-
lichen (Abänderungs-) Entscheidung zugrunde gelegten Verhältnisse, kann der
durch diese Entwicklung begünstigte Beteiligte nach seiner Wahl entweder Be-
schwerde einlegen oder einen (neuen) Abänderungsantrag stellen (vgl. Keidel/
Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 238 Rn. 47; Wendl/Schmitz Das Unterhalts-
recht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 10 Rn. 171; Prütting/Helms/
Bömelburg FamFG 3. Aufl. § 238 Rn. 34).
Im vorliegenden Fall könnte der Antrag der Antragstellerin als neuer Ab-
änderungsantrag nur dann die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 238 Abs. 1
Satz 2 FamFG erfüllen, wenn mit dem Antrag (auch) geltend gemacht worden
wäre, dass sich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen tatsächlichen
oder rechtlichen Verhältnisse seit dem Ablauf der Schriftsatzfrist im erstinstanz-
lichen Abänderungsverfahren (26. April 2012) wesentlich geändert hätten. Ein
solches Vorbringen ist weder der Antragsbegründung noch dem sonstigen Vor-
trag der Antragstellerin zu entnehmen; ihr Antrag stützt sich allein auf die nach-
trägliche Geltendmachung von Vorsorgeunterhalt.
bb) Darüber hinaus hatte die Antragstellerin ihr Wahlrecht, gegen den
erstinstanzlichen Abänderungsbeschluss vom 8. Mai 2012 entweder Rechtsmit-
tel einzulegen oder neuerlichen Abänderungsantrag zu erheben, bereits verlo-
ren, nachdem die erstinstanzliche Entscheidung von dem Antragsgegner (und
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auch von der Antragstellerin selbst) mit der Beschwerde angegriffen worden
war. Im Zeitpunkt seiner Anbringung bei Gericht im Juli 2012 wäre der Antrag
der Antragstellerin somit als (neuer) Abänderungsantrag auch deshalb offen-
kundig unzulässig gewesen, weil ihm als Verfahrenshindernis die anderweitige
Rechtshängigkeit (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG iVm § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO)
des bis zur Rücknahme der Beschwerden im November 2012 noch in der Be-
schwerdeinstanz anhängigen Abänderungsverfahrens entgegenstand.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 29.01.2013 - 139 F 13696/12 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.07.2013 - 13 UF 56/13 -