Urteil des BGH vom 08.10.2014

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Lebensversicherung, Ausschluss, Ehevertrag, Anpassung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 3 1 8 / 1 1
vom
8. Oktober 2014
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 242 Cd
Zur Ausübungskontrolle bei einem ehevertraglichen Verzicht auf den Versor-
gungsausgleich in einer Doppelverdienerehe von Freiberuflern.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - XII ZB 318/11 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Schilling, Dr. Günter,
Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Mai
2011 aufgehoben.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Amts-
gerichts - Familiengericht - Tempelhof-Kreuzberg vom 20. Mai
2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Antragsgegnerin
auferlegt.
Beschwerdewert: 2.000
Gründe:
I.
Die Parteien streiten im Scheidungsverbund über die Folgesache Ver-
sorgungsausgleich und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob
ein ehevertraglich vereinbarter Ausschluss des Versorgungsausgleichs der
Ausübungskontrolle standhält.
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Der 1947 geborene Antragsteller und die 1959 geborene Antragsgegne-
rin schlossen am 26. Mai 1994 ihre Ehe, aus der keine gemeinsamen Kinder
hervorgegangen sind. Kurz vor der Eheschließung hatten die Parteien am
18. Mai 1994 einen notariell beurkundeten Ehevertrag geschlossen, in dem sie
den Güterstand der Gütertrennung vereinbarten und den Versorgungsausgleich
für den Fall der Scheidung ausschlossen. Ferner verzichteten die Parteien
wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsun-
terhalts. Beide Eheleute brachten jeweils ein minderjähriges Kind aus einer
früheren Ehe in die Verbindung mit, und zwar der (verwitwete) Antragsteller ei-
nen 1983 geborenen Sohn und die (geschiedene) Antragsgegnerin eine 1984
geborene Tochter. Der Scheidungsantrag wurde am 23. April 2009 zugestellt.
Der Antragsteller ist Zahnarzt in eigener Praxis. Er hat während der ge-
setzlichen Ehezeit zwischen dem 1. Mai 1994 und dem 31. März 2009 volldy-
namische Anwartschaften auf eine berufsständische Versorgung bei dem Betei-
ligten zu 2 (Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin) in monatlicher Höhe
von 772,13
€ erworben.
Die Antragsgegnerin ist Physiotherapeutin. Im Zeitpunkt der Eheschlie-
ßung betrieb sie eine eigene Großpraxis mit acht Angestellten, die sie 1988 für
einen Kaufpreis von umgerechnet rund 92.000
€ erworben hatte. Zur Finanzie-
rung des Praxiserwerbs hatte sie einerseits einen Kontokorrentkredit über um-
gerechnet rund 25.000
€ und andererseits ein tilgungsfreies Darlehen bei der
B.-Bank über umgerechnet rund 71.000
€ in Anspruch genommen, welches im
Jahr 2002 über die Auszahlung einer kapitalbildenden Lebensversicherung bei
der K.-Versicherung zurückgeführt werden sollte. Daneben hatte die Antrags-
gegnerin im Jahr 1991 zur Vermögensbildung eine fondsgebundene Lebens-
versicherung mit Rentenwahlrecht bei der N.-Versicherung eingerichtet, die mit
monatlichen Beiträgen in Höhe von umgerechnet rund 500
€ zu bedienen war
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und im Jahr 2009 zur Auszahlung kommen sollte. Die Antragsgegnerin hat in
der Ehezeit keine dem Versorgungsausgleich unterliegenden Versorgungsan-
rechte erworben. Aus vorehelichen Zeiten verfügt die Antragsgegnerin über
Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in monatlicher und
auf das Ende der Ehezeit bezogener Höhe von 419,27
€ (15,7856 Entgeltpunk-
te), die etwa zur Hälfte aus einem zu ihren Gunsten durchgeführten Versor-
gungsausgleich nach Scheidung ihrer ersten Ehe herrühren.
Im Jahr 1996 veräußerte die Antragsgegnerin ihre Praxis nebst Patien-
tenstamm für einen Kaufpreis von umgerechnet rund 141.000
€ und richtete
eine neue physiotherapeutische Einzelpraxis im damaligen Familienheim der
Eheleute ein, welches eine Gesamtwohnfläche von etwa 400 qm hatte und im
Alleineigentum des Antragstellers stand; diese Immobilie war zuvor umfang-
reich umgebaut worden. Den Verkaufserlös für die Praxis verwendete die An-
tragsgegnerin unter anderem zur Rückführung ihres Kontokorrentkredits und
zur weiteren Bedienung der Prämien für die Tilgungslebensversicherung bei der
K.-Versicherung. Ferner brachte sie einen Teil des Erlöses auch in die Umbau-
maßnahmen ein. Die Tilgungslebensversicherung bei der K.-Versicherung wur-
de im Jahr 2002 mit einer Ablaufleistung von rund 103.000
€ fällig und insbe-
sondere zur Ablösung des noch mit 71.000
€ valutierenden Kredits der An-
tragsgegnerin bei der B.-Bank eingesetzt.
Nachdem der Antragsteller im Jahr 2003 einen Unfall infolge eines epi-
leptischen Anfalls erlitten hatte, verkaufte er das vormalige Familienheim. Die
Parteien bezogen vorübergehend eine Mietwohnung. Im Jahr 2006 kauften sie
gemeinsam ein Einfamilienhaus, dessen Erwerb durch einen Kredit finanziert
wurde. Im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb löste die Antragsgegne-
rin ihre fondsgebundene Lebensversicherung bei der N.-Versicherung mit ei-
nem Rückkaufswert von rund 61.000
€ auf und brachte diesen Betrag in Investi-
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tionen für das gemeinsame Haus und die Kosten des Umzugs ein. Nach dem
Umzug richtete die Antragsgegnerin ihre physiotherapeutische Praxis, die sie
zuvor schon in die Mietwohnung verlegt hatte, nunmehr in der gemeinsamen
Immobilie ein. Der jährliche Bruttogewinn aus der selbständigen Tätigkeit der
Antragsgegnerin als Physiotherapeutin, der beim Betrieb der Großpraxis in den
Jahren 1993 bis 1996 zwischen 50.000
€ und 60.000 € gelegen hatte, sank in
den Jahren 1998 bis 2007 in der - in den verschiedenen Wohnimmobilien ge-
führten - Einzelpraxis auf etwa 5.000
€ bis 25.000 € ab. Das gemeinsame Ein-
familienhaus der Eheleute hatte am Ende der Ehezeit einen Wert von
320.000
€; die darauf ruhenden Finanzierungsverbindlichkeiten valutierten noch
mit rund 200.000
€.
Das Amtsgericht hat die Ehe durch Urteil vom 20. Mai 2010 geschieden
und die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Antragsgeg-
nerin abgelehnt. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin
hat das Beschwerdegericht den Versorgungsausgleich nach früherem Recht
uneingeschränkt durchgeführt, indem es zulasten der Versorgung des Antrag-
stellers im Wege der Realteilung bei dem Versorgungswerk der Zahnärzte-
kammer Berlin zugunsten der Antragsgegnerin monatliche und auf den
31. März 2009 bezogene Rentenanwartschaften in Höhe von 386,07
€ begrün-
det hat.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner zugelassenen
Rechtsbeschwerde, mit der er eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen
Entscheidung erstrebt.
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II.
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG und § 48
Abs. 1 VersAusglG noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht
und materielle Recht anzuwenden, weil das Verbundverfahren vor diesem Zeit-
punkt eingeleitet und eine Endentscheidung zum Versorgungsausgleich im ers-
ten Rechtszug vor dem 31. August 2010 erlassen worden ist (vgl. Art. 111
Abs. 5 FGG-RG, § 48 Abs. 3 VersAusglG).
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2011,
1587 veröffentlichten Entscheidung das Folgende ausgeführt:
Eine Nichtigkeit des Ehevertrags vom 18. Mai 1994 stehe nicht in Rede,
auch wenn sich die Antragsgegnerin darauf berufen habe, erst acht Tage vor
der Hochzeit mit dem Vertrag konfrontiert worden zu sein. Die Antragsgegnerin
habe insoweit nicht einmal hinreichend dargelegt, dass die im Vertrag enthalte-
nen Vereinbarungen inhaltlich mit ihr vorher nicht besprochen worden seien.
Vielmehr habe sie selbst vorgetragen, dass sich die Eheleute schon vor der
Hochzeit grundsätzlich darüber einig gewesen seien, auch nach der Heirat wirt-
schaftlich selbständig bleiben und vollschichtig in ihren eigenen Betrieben wei-
terarbeiten zu wollen. Die Antragsgegnerin sei als Inhaberin einer großen Phy-
siotherapiepraxis mit mehreren Angestellten auch nicht in einer grundlegend
unterlegenen Position gewesen. Allein der Umstand, dass die Hochzeitsvorbe-
reitungen vergeblich gewesen wären, wenn der Antragsteller bei Verweigerung
des Ehevertragsschlusses die Hochzeit abgesagt hätte, könne keinen subjektiv
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unlösbaren Konflikt begründen, der den Vertrag deshalb als eine evident einsei-
tige Übervorteilung erscheinen lasse.
Allerdings halte der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs
der gemäß § 242 BGB gebotenen Ausübungskontrolle nicht stand. Es wider-
spräche Treu und Glauben, wenn sich die Antragsgegnerin an der Vereinba-
rung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs festhalten lassen müss-
te, denn dies hätte eine evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der
Antragsgegnerin zur Folge. Aufgrund der tatsächlichen Gestaltung der Ehe, die
von den Vorstellungen der Ehegatten bei der Heirat abgewichen sei, habe die
Antragsgegnerin ihre Alterssicherung verloren. Diese Entwicklung habe im Jah-
re 1996 mit dem Verkauf der großen Physiotherapiepraxis ihren Ausgangspunkt
genommen. Durch die Entscheidung, die große Praxis zu verkaufen und im
Familienwohnheim eine Einzelpraxis zu betreiben, sei die Antragsgegnerin nicht
mehr in der Lage gewesen, vergleichbar hohe Gewinne zu erzielen. Durch die
erhebliche Verkleinerung der Praxis habe sie den Zugang zu einem großen Teil
ihrer früheren Patienten - vor allem der Kassenpatienten - verloren. Die An-
tragsgegnerin habe zudem nachvollziehbar dargelegt, dass sie den Verkaufser-
lös im Zusammenhang mit dem Schuldendienst und der Finanzierung der Um-
bauten und des Umzugs verbraucht habe und ihr deshalb keine Mittel für den
Erwerb einer neuen großen Praxis zur Verfügung gestanden hätten.
Die Aufgabe der Großpraxis im Jahre 1996 sei ehebedingt gewesen.
Maßgeblich für diese Beurteilung sei, wie sich die Verhältnisse in der Ehe tat-
sächlich - nicht einmal notwendig einvernehmlich - entwickelt hätten und die
Ehe tatsächlich gestaltet gewesen sei. Die von den Parteien hier einvernehm-
lich getroffene Entscheidung zur Veräußerung der Großpraxis sei unstreitig
dadurch veranlasst worden, dass die Antragsgegnerin nach der Eheschließung
nicht mehr genügend Zeit für die Führung der Praxis aufgewendet habe und
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sich die Praxisumsätze dadurch nachteilig entwickelt hätten. Entgegen der Dar-
stellung des Antragstellers habe dies aber nicht an der fehlenden Arbeitsbereit-
schaft der Antragsgegnerin, sondern daran gelegen, dass die Antragsgegnerin
wegen der Wahrnehmung von familiären Aufgaben keinen höheren zeitlichen
Einsatz für ihren Beruf mehr habe aufbringen können. Dieser Zusammenhang
sei nicht zu verkennen. Die Antragsgegnerin habe im Einzelnen dargelegt, dass
sie während des Zusammenlebens überwiegend mit der Betreuung und der
Erziehung der beiden Kinder betraut gewesen sei. Sie habe vorgetragen, sich
überwiegend auch um den Sohn des Antragstellers gekümmert zu haben, der
aufgrund einer nach dem Tode seiner Mutter bestehenden Belastungsreaktion
besonderer Zuwendung und therapeutischer Hilfe bedurft habe. Der Vortrag der
Antragsgegnerin zum Umfang der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder sei ohne
weiteres nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin habe auch unwidersprochen
klargestellt, dass es keine häusliche Fremdbetreuung für die Kinder gegeben
habe, sondern lediglich eine Haushaltshilfe. Es könne dahinstehen, ob es Mög-
lichkeiten gegeben hätte, die Einnahmesituation der Großpraxis durch betriebs-
organisatorische Maßnahmen wieder zu verbessern; allein maßgeblich sei,
dass die Entscheidung zur Veräußerung der Praxis von den Eheleuten einver-
nehmlich getroffen worden sei.
In der Folgezeit hätten sich die durch die Gestaltung der Ehe bedingten
Nachteile der Antragsgegnerin bei ihrer selbständigen Tätigkeit fortgesetzt.
Auch nachdem die Betreuungsbedürftigkeit der Kinder entfallen sei, habe die
Antragsgegnerin mit ihrer Einzelpraxis nicht mehr die gleichen Gewinnaussich-
ten gehabt wie vorher. Die Mittel für den Erwerb oder den Aufbau einer neuen
Großpraxis seien nicht vorhanden gewesen. Die tatsächliche Gewinnentwick-
lung zeige zudem, dass die Antragsgegnerin durch die mehrfachen Umzüge
und dadurch bedingten Standortwechsel auch beim Betrieb ihrer Einzelpraxis
beeinträchtigt gewesen sei. Die Antragsgegnerin habe sich mit ihrer beruflichen
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Tätigkeit stets auf die Belange der Familie eingerichtet. Es sei angesichts der
entstandenen Nachteile unbillig, wenn die Antragsgegnerin als Folge eines auf
gänzlich anderen Vorstellungen beruhenden Ehevertrags auf die (nacheheliche)
Solidarität verzichten müsste, die sie selbst während der Ehe aufgebracht habe.
Die Altersvorsorge der Antragsgegnerin sei im Zeitpunkt der Eheschlie-
ßung über die relativ geringfügigen gesetzlichen Rentenanwartschaften hinaus
ausschließlich auf die Ansparung von Kapital gegründet gewesen. Nach dem
Ergebnis der während der Ehe verlaufenen Entwicklung sei das ursprüngliche
Vorsorgekonzept der Antragsgegnerin weitgehend weggebrochen. Die Groß-
praxis, die mit der Einrichtung und dem Kundenstamm hätte veräußert werden
können, bestehe nicht mehr. Mit der Einzelpraxis könne die Antragsgegnerin
- wenn überhaupt - nur geringfügige Einkünfte erzielen. Die Lebensversiche-
rung bei der K.-Versicherung habe bestimmungsgemäß zur Tilgung des Praxis-
darlehens verwendet werden müssen, über dessen Gegenwert die Antragsgeg-
nerin nicht mehr verfüge. Die Lebensversicherung mit Rentenwahlrecht bei der
N.-Versicherung sei ebenfalls aufgelöst und im Rahmen der Anschaffung des
neuen Familienwohnheims verbraucht worden. Ob durch den Verkauf des ge-
meinsamen Wohnhauses für die Antragsgegnerin überhaupt ein Erlösanteil er-
wirtschaftet werden könne, der den damaligen Rückkaufswert der Versicherung
von 60.000
€ auch nur annähernd erreiche, sei völlig offen.
Der fast vollständige Verlust dieser Standbeine der Versorgung sei in vol-
lem Umfang als Nachteil zu berücksichtigen. Es sei davon auszugehen, dass
die Antragsgegnerin ihre Großpraxis ohne die Ehe erfolgreich weitergeführt und
entschuldet hätte; dafür spreche bereits der vor der Ehe erzielte konstante Ge-
winn der Praxis. Bei einem regelgerechten Verlauf wäre die Rückzahlung des
Betriebskredits bis zum Jahre 1999, spätestens aber bis zum Jahr 2002 abge-
schlossen gewesen. Der Verlust dieser Praxis entspreche mindestens dem An-
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teil an den Versorgungsanrechten, welche die Antragsgegnerin nach Anpas-
sung des Ehevertrags im Versorgungsausgleich zu erhalten habe. Der Antrag-
steller habe während der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in Höhe von
772,13
€ erworben, die im Anwartschafts- und Leistungsstadium volldynamisch
seien. Zu übertragen seien daher 386,07
€. Um eine monatliche lebenslange
Rente von rund 386
€ zu erhalten, hätte die Antragsgegnerin im April 2009 bei
Zugrundelegung der gängigen Kapitalisierungstabellen und einem angemesse-
nen Zinssatz von 4 % einen Kapitalbetrag von rund 84.454
€ anlegen müssen.
Wenn man demgegenüber nur den im Jahre 1996 erzielten Verkaufserlös
(141.116
€) ohne weiteren Wertgewinn ansetze und diesen Betrag auf das En-
de der Ehezeit im Jahre 2009 indexiere, ergebe sich schon ein Betrag von
171.000
€. Es könne daher auch dahinstehen, inwieweit der Verlust der Le-
bensversicherung bei der N.-Versicherung durch einen Erlösanteil aus dem
Verkauf des gemeinsamen Familienheims aufgewogen werden würde. Im Hin-
blick auf den fast vollständigen Verlust des für die Altersversorgung vorgesehe-
nen Grundstocks sei es angemessen, den Versorgungsausgleich vollständig
durchzuführen.
Dies sei für den Antragsteller nicht unbillig. Dieser verfüge weiterhin über
seine Zahnarztpraxis und zumindest über eine Lebensversicherung. Über seine
konkrete Vermögenssituation habe er keine Auskunft gegeben und seine Anga-
ben nicht belegt. Soweit der Antragsteller behauptet habe, dass die Einrichtung
seiner Praxis völlig veraltet sei, habe die Antragsgegnerin diesem nicht näher
konkretisierten Vortrag widersprochen. Zumindest seinen Patientenstamm wer-
de der Antragsteller veräußern können, so dass er durch den Versorgungsaus-
gleich - trotz seines relativ hohen Alters von 63 Jahren - nicht übermäßig belas-
tet werde. Jedenfalls müsse er die Verringerung seiner Altersvorsorge aus
Gründen der Solidarität, die aufgrund der tatsächlichen Ehegestaltung geboten
sei, hinnehmen.
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Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punk-
ten stand.
2. Noch zutreffend - und insoweit für die Rechtsbeschwerde günstig - ist
das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Ehevertrag
vom 18. Mai 1994 der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB
standhält. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats unterliegen die gesetzli-
chen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungs-
ausgleich grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Die Dispo-
nibilität der Scheidungsfolgen darf allerdings nicht dazu führen, dass der
Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen
beliebig unterlaufen werden kann. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat
der Tatrichter zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustan-
dekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den
Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwick-
lung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die
guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der
Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten
(Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Se-
natsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 17
und vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 16).
So liegt der Fall hier nicht. Weder der Ausschluss des Versorgungsaus-
gleichs noch die Vereinbarung der Gütertrennung noch der (teilweise) Unter-
haltsverzicht begegnen - für sich genommen - am Maßstab des § 138 BGB
durchgreifenden Bedenken. Bei Abschluss des Ehevertrags erzielten beide Par-
teien als Selbständige in eigener freiberuflicher Praxis auskömmliche Einkünfte,
die es ihnen auch ermöglichten, in dem für notwendig gehaltenen Umfang und
in der für richtig befundenen Weise Vorsorge für Alter, Krankheit und Invalidität
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zu treffen. Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeits-
kontrolle stand. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass das Zusam-
menwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen auf eine einseitige Be-
nachteiligung der (potentiell) einkommensschwächeren Antragsgegnerin hin-
ausliefe, könnte dies - da es ein unverzichtbares Mindestmaß an Scheidungs-
folgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht gibt - nach ständiger Recht-
sprechung des Senats das Verdikt der Sittenwidrigkeit erst dann begründen,
wenn sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Ver-
handlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und da-
mit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt (zuletzt Senats-
beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629 Rn. 39
mwN). Das Beschwerdegericht hat weder in der Ankündigung des Antragstel-
lers, ohne Abschluss eines Ehevertrags keine Ehe eingehen und gegebenen-
falls die Hochzeit absagen zu wollen, noch in den sonstigen Umständen des
Vertragsschlusses genügende Anhaltspunkte für eine unterlegene Verhand-
lungsposition der Antragsgegnerin erblickt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erken-
nen; auch die Antragsgegnerin erinnert mit ihrer Rechtsbeschwerdeerwiderung
hiergegen nichts mehr.
3. Soweit ein Ehevertrag - wie hier - der Wirksamkeitskontrolle standhält,
muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwie-
weit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht miss-
braucht (§ 242 BGB), wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom an-
deren Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass
diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend
ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten
Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und
Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt.
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a) Ein zunächst wirksam vereinbarter - völliger oder teilweiser - Aus-
schluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Aus-
übungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund
einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine
hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot eheli-
cher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (Senatsbeschlüsse vom
27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 20 und vom 6. Oktober
2004 - XII ZB 57/03 - FamRZ 2005, 185, 187).
Dabei steht die Ansicht des Beschwerdegerichts, dass die Abweichung
der tatsächlichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen, dem Ehevertrag
zugrunde liegenden Lebensplanung nicht notwendigerweise auf einem Einver-
nehmen der Ehegatten beruhen müsse, nicht im Einklang mit der Rechtspre-
chung des Senats (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 101 = FamRZ
2004, 601, 606). Die vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Auffassung
herangezogene Rechtsprechung des Senats zu § 1578 b BGB (vgl. Senatsur-
teile vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09 - FamRZ 2011, 628 Rn. 20 f. und
vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059 Rn. 27) kann für die
hier zu beurteilende Frage nach der Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung
der Eheleute im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle nicht nutzbar ge-
macht werden. Denn eine solche Korrektur des Ehevertrags wird durch die
- zumindest konkludente - Willensübereinstimmung der Ehegatten über eine
von der faktischen Grundlage ihres Ehevertrags abweichende Gestaltung ihrer
Lebensverhältnisse gerade erst legitimiert. Durch die gemeinsame Willensbetä-
tigung distanziert sich auch der durch den Ehevertrag begünstigte Ehepartner
vom ursprünglich geschlossenen Vertrag und seinen Grundlagen, was insbe-
sondere sein Vertrauen in den Bestand des Ehevertrags als weniger schutz-
würdig erscheinen lässt (vgl. auch Schmolke Grenzen der Selbstbindung im
Privatrecht S. 507). Es bedarf hierzu aber keiner näheren Erörterung, weil nach
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den Feststellungen des Beschwerdegerichts die Entscheidung zur Veräußerung
der Großpraxis der Antragsgegnerin im Jahre 1996 - die für das Beschwerdege-
richt den Anknüpfungspunkt für die von der Vertragsgrundlage abweichende
Gestaltung der Lebensverhältnisse darstellt - einvernehmlich getroffen worden
ist, wenn die Parteien auch unterschiedliche Gründe für die Herstellung dieses
Einvernehmens behauptet haben.
b) Die richterliche Ausübungskontrolle führt auf der Rechtsfolgenseite
weder ohne weiteres zur Unwirksamkeit des Ausschlusses der gesetzlichen
Scheidungsfolge noch dazu, dass die gesetzliche Regelung in Vollzug gesetzt
wird. Vielmehr hat der Richter diejenige Rechtsfolge anzuordnen, welche die
berechtigten Belange beider Parteien in der eingetretenen Situation in ausge-
wogener Weise berücksichtigt (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 101
= FamRZ 2004, 601, 606; vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013
- XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770 Rn. 21 und Senatsurteil vom 21. November
2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 21).
Durch die richterliche Anpassung von Eheverträgen im Wege der Aus-
übungskontrolle sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden. Der Ehe-
gatte kann daher durch die Anpassung des Ehevertrags nicht besser gestellt
werden, als er ohne die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einher-
gehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit stünde
(vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013, 770
Rn. 22 und Senatsurteil vom 28. Februar 2007 - XII ZR 165/04 - FamRZ 2007,
974 Rn. 28). Die richterliche Ausübungskontrolle hat sich daher im Ausgangs-
punkt daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte der sich durch den
Ausschluss des Versorgungsausgleichs benachteiligt sehende Ehegatte ohne
die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte
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erwerben können (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 -
FamRZ 2013, 770 Rn. 22).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Anpassung des
Ehevertrags vom 18. Mai 1994 im Hinblick auf den Ausschluss des Versor-
gungsausgleichs an sich schon deshalb aus, weil das Beschwerdegericht im
Hinblick auf den Aufbau von Versorgungsanrechten gerade keine ehebedingten
Nachteile der Antragsgegnerin festgestellt hat. Nach den Feststellungen des
Beschwerdegerichts wäre die hypothetische Versorgungsbiographie der An-
tragsgegnerin einerseits durch die - mit der Entschuldung ihrer physiotherapeu-
tischen Praxis verbundenen - Schaffung eines veräußerlichen Unternehmens-
wertes und andererseits durch die Ansammlung von Kapital in der (später auf-
gelösten) fondsgebundenen Lebensversicherung bei der N.-Versicherung ge-
prägt gewesen. Im Übrigen geht das Beschwerdegericht selbst davon aus, dass
die stets freiberuflich tätige Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt
hatte, ihre Versorgung - gegebenenfalls zusätzlich - auf den Erwerb von Ver-
sorgungsanrechten im Sinne von § 1587 a Abs. 2 BGB aF (etwa durch Entrich-
tung von freiwilligen Beiträgen in die gesetzliche Rentenversicherung oder
durch Zahlungen auf eine Leibrentenversicherung) zu stützen und daran durch
die ehebedingten Dispositionen über ihre Berufstätigkeit gehindert worden wä-
re.
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Be-
schwerdegericht maßgeblich herangezogenen Erwägung, dass die Altersvor-
sorgestrategie eines Selbständigen typischerweise auf die Bildung von Privat-
vermögen gegründet sei.
aa) Das Scheidungsfolgenrecht unterscheidet grundsätzlich streng zwi-
schen dem Versorgungsausgleich und dem Zugewinnausgleich (vgl. bereits
Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 23).
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Dem ersten unterliegt das in den Anrechten auf Versorgung wegen Alters oder
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestehende Versorgungsvermögen, dem zwei-
ten unterfällt das sonstige Vermögen. Allein die Vorstellung der Parteien, der
dem Zugewinnausgleich unterfallende Vermögensaufbau diene - was nicht un-
üblich ist - der Altersversorgung, rechtfertigt es selbst angesichts des weiten
Gestaltungsspielraumes, der dem Gericht bei der Anordnung der Rechtsfolgen
im Rahmen der Ausübungskontrolle eröffnet ist, noch nicht ohne weiteres, die
strikte gesetzliche Abgrenzung der beiden vermögensbezogenen Ausgleichs-
systeme unberücksichtigt zu lassen. So wird der Entstehung von Nachteilen,
die ein Haushalt führender Ehegatte beim Aufbau von Versorgungsanrechten
erlitten hat, im Rahmen der Ausübungskontrolle systemgerecht durch eine An-
passung der Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich Rechnung getragen.
Führt der danach anzuordnende Versorgungsausgleich zu einer Halbteilung der
von den Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte, besteht
für eine Ausübungskontrolle bezüglich der Vereinbarungen zur Gütertrennung
kein Anlass mehr, und zwar auch dann nicht, wenn die ehebedingten Versor-
gungsnachteile durch den Versorgungsausgleich nicht vollständig kompensiert
werden konnten und der (nichtselbständig) erwerbstätige Ehegatte in der Ehe-
zeit zusätzlich zu seinen Versorgungsanrechten ein zur Altersversorgung ge-
eignetes Privatvermögen aufgebaut hat (Senatsurteil vom 21. November 2012
- XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 36).
bb) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit mehrfach angedeutet,
dass es in Fällen der Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinn-
ausgleich besondere Sachverhaltskonstellationen geben könnte, in denen ein
"Hinübergreifen" auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem im
Rahmen der Ausübungskontrolle in Betracht gezogen werden kann (vgl. Se-
natsurteile vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 f.
und vom 26. Juni 2013 - XII ZR 133/11 - FamRZ 2013, 1366 Rn. 110).
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(1) Diese Überlegungen haben allerdings solche Fälle im Blick, in denen
ein Haushalt führender Ehegatte, der zugunsten der Familienarbeit auf die Aus-
übung einer versorgungsbegründenden Erwerbstätigkeit verzichtet hat, im Falle
der Scheidung im Versorgungsausgleich keine Kompensation für seine Nachtei-
le beim Aufbau von Versorgungsvermögen erlangt, weil sein (selbständig) er-
werbstätiger Ehegatte aufgrund seiner individuellen Vorsorgestrategie keine
nennenswerten Versorgungsanrechte erworben, sondern seine Altersvorsorge
bei vereinbarter Gütertrennung allein auf die Bildung von Privatvermögen ge-
richtet hat. In solchen Fällen kann es im Einzelfall geboten erscheinen, dem
Haushalt führenden Ehegatten zum Ausgleich für die entgangenen Versor-
gungsanrechte einen (modifizierten) Zugewinnausgleich zu gewähren, der ei-
nerseits durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erfor-
derlichen Betrag und andererseits durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichs-
anspruchs beschränkt ist (vgl. auch Münch FamRB 2008, 350, 354; Kogel Stra-
tegien beim Zugewinnausgleich 4. Aufl. Rn. 50 ff.; Bergschneider FamRZ 2008,
2116, 2117; ähnlich OLG Celle FamRZ 2008, 2115, 2116, allerdings ohne die
gebotene Beschränkung auf den Nachteilsausgleich).
(2) Damit lässt sich der vorliegende Sachverhalt einer Doppelverdiener-
ehe zweier selbständiger Ehegatten aber schon im Ausgangspunkt nicht ver-
gleichen. Kann ein Ehegatte in einer solchen Ehe keinen Zugewinnausgleich
erlangen, weil sein Partner tatsächlich keinen - oder keinen höheren - ehezeitli-
chen Zuwachs an Privatvermögen erzielt hat, wird dies (anders als im spiegel-
bildlichen Fall des unterlassenen Erwerbs von Versorgungsanrechten) übli-
cherweise nicht mit dessen Dispositionen über seine Altersvorsorgestrategie
erklärt werden können. Vielmehr können eine Vielzahl anderer Faktoren - etwa
Kapitalanlagerisiken, Markteinflüsse auf die Bewertung von Vermögensgegen-
ständen an den jeweiligen Stichtagen oder Vermögensverbrauch während der
Ehe - dafür verantwortlich sein, dass sich zugunsten eines Ehegatten im Falle
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einer Scheidung schon rechnerisch kein Zugewinnausgleichsanspruch ergibt.
Den Besonderheiten und Unwägbarkeiten des güterrechtlichen Ausgleichssys-
tems ist es von vornherein immanent, dass etwaige in der Gestaltung der Ehe
begründete Nachteile beim Vermögensaufbau im Zugewinnausgleich mögli-
cherweise nicht oder nicht ausreichend ausgeglichen werden können. Hat dies
dann ein Versorgungsdefizit zur Folge, welches (wie im Falle der Antragsgeg-
nerin) auf einer - für sich genommen nicht ehebedingten - Entscheidung beruht,
Altersvorsorge nur durch Bildung von Privatvermögen zu betreiben, kann der
betroffene Ehegatte generell nicht erwarten, dass dies durch eine die vertragli-
chen Abreden unterlaufende Teilhabe an den Versorgungsanrechten des ande-
ren Ehegatten kompensiert wird.
(3) Unabhängig davon fehlt es an ausreichenden Feststellungen zu den
güterrechtlichen Verhältnissen der Parteien, so dass die Entscheidung des Be-
schwerdegerichts selbst von dessen eigenem Rechtsstandpunkt aus Bedenken
begegnen muss.
Die getroffenen Feststellungen ermöglichen insbesondere keine Beurtei-
lung der realen Vermögensentwicklung auf Seiten des Antragstellers in der
Ehezeit. Sein aktives Endvermögen dürfte zum Stichtag im Jahre 2009 jeden-
falls aus dem Wert seiner Zahnarztpraxis, seinem hälftigen Anteil an dem ge-
meinsamen Einfamilienhaus im Wert von 60.000
€ (nach Abzug der Finanzie-
rungsverbindlichkeiten) sowie aus einer oder mehreren kapitalbildenden Le-
bensversicherungen bestehen, deren Wert zwischen den Parteien streitig und
von dem Antragsteller mit 100.000
€ angegeben worden ist. Demgegenüber
dürfte das aktive Anfangsvermögen im Jahre 1994 zumindest aus dem damali-
gen Wert seiner Zahnarztpraxis und dem Wert seines damaligen Hauses (vor
dem Umbau) bestanden haben. Weitergehende Erkenntnisse zu Vermögen
oder Verbindlichkeiten an den Stichtagen lassen sich aus der Entscheidung des
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Beschwerdegerichts nicht gewinnen. Nach den weiteren Feststellungen des
Beschwerdegerichts sind für den umfangreichen Umbau des ehemaligen Fami-
lienheims in den Jahren 1995 und 1996 - zum großen Teil durch den Antrag-
steller kreditfinanzierte - Investitionen in Höhe von mindestens 1.600.000 DM
(rund 820.000
€) getätigt worden, wobei nicht aufgeklärt ist, ob und in welchem
Umfang diese Investitionen bei der Veräußerung des Hauses im Jahre 2003
wieder eingebracht werden konnten. Ferner hat der Antragsteller geltend ge-
macht, seinerseits einen Betrag von 90.000
€ in den Umbau des gemeinsamen
Einfamilienhauses investiert zu haben. Allein auf der Grundlage der Feststel-
lungen des Beschwerdegerichts lässt sich daher nicht einmal sicher ausschlie-
ßen, dass das indexierte Anfangsvermögen des Antragstellers sein Endvermö-
gen selbst dann noch übersteigt, wenn man diesem Endvermögen (fiktiv) den
Kapitalwert der von dem Antragsteller in der Ehezeit zwischen 1994 und 2009
erworbenen Zahnarztversorgung hinzurechnen würde. Wäre dies aber der Fall,
hätte der Antragsteller in der Ehezeit bei einer Gesamtbetrachtung aller Mittel,
die aus Sicht des Beschwerdegerichts für die Altersversorgung von Selbständi-
gen bestimmt sind, keinen realen Vermögenszuwachs in der Ehe erwirtschaften
können. Würde er gleichwohl zum Ausgleich ehebedingter Nachteile der An-
tragsgegnerin herangezogen, obwohl - vom Standpunkt des Beschwerdege-
richts aus - die Ansammlung von Privatvermögen für den Antragsteller als Selb-
ständigen keine geringere Bedeutung für die Altersvorsorge hat, liefe dies auf
einen unzulässigen, sich aus den ehelichen Wirkungen ergebenden Schaden-
ersatzanspruch hinaus.
cc) Eine Korrektur der vertraglichen Abreden zum Versorgungsausgleich
käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller in der Ehezeit
einen auszugleichenden (fiktiven) Zugewinn erwirtschaftet hätte. Denn dies
könnte allenfalls Anlass zu der Prüfung geben, ob es dem Antragsteller nach
Treu und Glauben verwehrt ist, sich (ganz oder teilweise) auf die vereinbarte
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Gütertrennung zu berufen. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung
des Senats, dass der Zugewinnausgleich vom Kernbereich des Scheidungsfol-
genrechts nicht umfasst und sich eine Berufung auf eine wirksam vereinbarte
Gütertrennung deshalb nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmiss-
bräuchlich erweisen wird (grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 107 f.
= FamRZ 2004, 601, 608; zuletzt Senatsurteile vom 21. November 2012
- XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 35 und vom 17. Oktober 2007
- XII ZR 96/05 - FamRZ 2008, 386 Rn. 33); völlig ausgeschlossen ist dies aber
nicht (aA Braeuer FamRZ 2014, 77, 79 ff.). Die Berufung auf eine vereinbarte
Gütertrennung kann dem Verdikt des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sein,
wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleich-
bar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich
aber später aufgrund von Umständen, die dem gemeinsamen Risikobereich der
Ehegatten zugehören, nicht verwirklichen lässt (Senatsurteile BGHZ 158, 81,
107 f. = FamRZ 2004, 601, 608 und vom 17. Oktober 2007 - XII ZR 96/05 -
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FamRZ 2008, 386 Rn. 33). Einer näheren Erörterung der Frage, ob sich der
(fiktiv) zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs verpflichtete Antragsteller unter
den obwaltenden Umständen mit der Berufung auf die vereinbarte Gütertren-
nung rechtsmissbräuchlich verhalten würde, bedarf es allerdings nicht, weil es
hier damit sein Bewenden hat, dass die vom Beschwerdegericht festgestellten
ehebedingten Defizite der Antragsgegnerin beim Vermögensaufbau jedenfalls
nicht durch Anpassung der ehevertraglichen Vereinbarungen zum Versor-
gungsausgleich, sondern vielmehr - systemgerecht - im Güterrecht oder mit den
Instrumenten des Unterhaltsrechts auszugleichen wären.
Dose
Schilling
Günter
Nedden-Boeger
Botur
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 20.05.2010 - 134 F 4506/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.05.2011 - 13 UF 136/10 -