Urteil des BGH vom 15.07.2015

Anteil, Kaufmann, Behandlung, Verordnung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 1 2 3 / 1 4
vom
15. Juli 2015
in der Betreuungssache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juli 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom
11. Februar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdege-
richt zurückverwiesen.
Wert:
341 €
Gründe:
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 (Staatskasse), mit der er ei-
ne Festsetzung der Betreuervergütung mit einem Stundensatz von 27
€ statt
eines erhöhten Stundensatzes von 33,5
0 € begehrt, führt zur Aufhebung der
Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwer-
degericht.
1. Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, wonach die Betreuerin durch
ihre im Jahr 1995 abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel für
die Betreuung nutzbare Kenntnisse i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben
habe, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hat die
maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig ermittelt und bei der Würdigung
einen falschen Maßstab zugrunde gelegt.
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a) Das Beschwerdegericht hat den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermit-
telt, indem es die Verordnung über die Berufsausbildung im Einzelhandel in den
Ausbildungsberufen Verkäufer/Verkäuferin und Kaufmann im Einzelhandel/
Kauffrau im Einzelhandel vom 16. Juli 2004 (BGBl. I S. 1806; im Folgenden:
EzHdlAusbV 2004) seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Denn für die 1995
abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin war die Verordnung über die Be-
rufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel
vom 14. Januar 1987 (BGBl. I S. 153; im Folgenden: EzHdlKfmAusbV 1987) die
maßgebliche Ausbildungsordnung. Da diese den Prüfungs- und Ausbildungsin-
halt, insbesondere auch in Bezug auf die vom Beschwerdegericht als für die
Betreuung nutzbar bewerteten Inhalte, in nicht unerheblicher Weise anders re-
gelt als die EzHdlAusbV 2004, beruht die Tatsachenfeststellung auf diesem
Fehler. Dies gilt auch in Anbetracht der erfolgten Anhörung der Betreuerin, de-
ren Ergebnis keine hinreichende Grundlage für die Feststellung bietet, dass die
Ausbildung einen anderen Inhalt hatte, als in der maßgeblichen Ausbildungs-
ordnung festgelegt war.
b) Im Ansatz zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass ein
erhöhter Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG nicht schon dann gerecht-
fertigt ist, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung be-
treuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat, sondern dass vielmehr erforder-
lich ist, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist (Senatsbeschlüs-
se vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - juris Rn. 4 und vom 16. Januar 2014
- XII ZB 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN).
Rechtlich zu beanstanden ist jedoch die Annahme, es sei ausreichend,
dass die vermittelten, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse für den erlernten
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Beruf prägend seien. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung, dass ein erhebli-
cher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und
dass das dadurch erworbene Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht
(Senatsbeschlüsse vom 25. März 2015 - XII ZB 558/14 - juris Rn. 4 und vom
16. Januar 2014 - XII ZB 525/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 4 mwN). Allein daraus,
dass bestimmte Kenntnisse für die Berufsausübung von erheblicher Bedeutung
sind, kann jedoch nicht darauf geschlossen werden, dass diese auch einen er-
heblichen Teil der Ausbildung darstellen. Solches Wissen kann nämlich auch
durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben werden,
was nicht zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG führt (Se-
natsbeschluss vom 4. April 2012 - XII ZB 447/11 - NJW-RR 2012, 774 Rn. 22).
Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2
VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts
der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung
nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit
feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selb-
ständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (vgl. Senatsbe-
schlüsse vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 252/13 - FamRZ 2014, 471 Rn. 5 und
vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 19). Der Umfang
bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei
nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben
werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands
oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbil-
dungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt.
Hier hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen zum Umfang und
Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbaren Wissens an der Gesamtaus-
bildung der Betreuerin getroffen. Die vorgenommene Schätzung im Rahmen
der Kontrollüberlegung hat insoweit keine hinreichende Tatsachengrundlage.
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Ferner fehlt es an der Feststellung, ob bzw. inwieweit das angenommene für
die Betreuung nutzbare Wissen über Grundwissen hinausgeht.
2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben. Da
die erforderlichen Feststellungen noch zu treffen sind, ist dem Senat eine ab-
schließende Entscheidung in der Sache verwehrt. Die Sache ist zur anderweiti-
gen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverwei-
sen (§ 74 Abs. 6 S. 2 FamFG).
Bei der erneuten Entscheidung wird das Beschwerdegericht nicht nur die
EzHdlKfmAusbV 1987 und die Anhörung der Betreuerin zu würdigen, sondern
- wie die Rechtsbeschwerde zu Recht vorbringt - auch den Ausbildungsrah-
menplan (Anlage 1 zu § 4 EzHdlKfmAusbV 1987), der die Ausbildungsinhalte
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und den Zeitpunkt, wann sie zu vermitteln sind, genauer beschreibt, zu berück-
sichtigen und sich mit den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hierzu ausei-
nanderzusetzen haben.
Dose
RiBGH Dr. Klinkhammer hat
Günter
Urlaub und ist deswegen an
einer Unterschrift gehindert
Dose
Botur
Guhling
Vorinstanzen:
AG Bautzen, Entscheidung vom 23.09.2013 - 33 XVII 569/12 -
LG Görlitz, Entscheidung vom 11.02.2014 - 4 T 89/13 -