Urteil des BGH vom 30.09.2015
Leitsatzentscheidung zu Verzicht, Ehevertragliche Vereinbarung, Zukunft, Verwirkung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
X I I Z B 1 / 1 5
Verkündet am:
30. September 2015
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1361 Abs. 4, 1360 a Abs. 3, 1614
a) Die Beurteilung, ob eine unzulässige Unterschreitung des angemessenen
Unterhalts und damit ein nach § 134 BGB unwirksamer Verzicht auf künfti-
gen Trennungsunterhalt vorliegt, setzt voraus, dass zunächst die Höhe die-
ses angemessenen Unterhaltsanspruchs im hierfür erforderlichen Umfang
festgestellt worden ist.
b) Sonstige ehevertragliche Regelungen, die dem Unterhaltsberechtigten zum
Vorteil gereichen können, sind in die Prüfung nicht einzubeziehen. Denn die
Wirksamkeit der Regelung des Trennungsunterhalts ist isoliert zu betrachten
und wird nicht durch Vereinbarungen zu anderen Gegenständen berührt.
BGH, Beschluss vom 30. September 2015 - XII ZB 1/15 - OLG Düsseldorf
AG Wuppertal
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und
Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düs-
seldorf vom 5. Dezember 2014 im Kostenpunkt und insoweit auf-
gehoben, als der Beschwerde und dem Widerantrag des Antrags-
gegners stattgegeben und die Anschlussbeschwerde der Antrag-
stellerin zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbe-
schwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar
2012 bis Mai 2013.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner heirateten am 7. Januar 2005.
Die Ehe blieb kinderlos. Ende Dezember 2011 trennten sich die Beteiligten.
Durch Beschluss vom 13. Februar 2013, bezüglich des Scheidungsausspruchs
rechtskräftig seit dem 7. Mai 2013, wurde ihre Ehe geschieden.
Die Beteiligten hatten am 4. Januar 2005 einen notariellen Ehevertrag
geschlossen. Dieser enthält zum Unterhalt folgende Regelung:
"III.
Nachehelicher Unterhalt
1. Bei Scheidung wird - sofern die Ehefrau unterhaltsberechtigt
sein sollte - grundsätzlich der gesetzliche nacheheliche Unter-
halt geschuldet.
Jedoch wird ein etwaiger Unterhaltsanspruch hinsichtlich der
Höhe wie folgt begrenzt:
a) Der gesetzlich geschuldete Unterhalt soll in jedem Fall der
Höhe nach begrenzt sein, und zwar auf einen monatlichen
Betrag in Höhe von € 3.000.
b) Der vorbezeichnete Betrag soll wertbeständig sein. Er erhöht
oder vermindert sich in demselben prozentualen Verhältnis,
in dem sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden
für jeden Monat festgestellte und veröffentlichte Verbrau-
cherpreisindex für Deutschland auf der Basis 2000 = 100
- bzw. der an seine Stelle tretende Index - gegenüber dem
für den Beurkundungsmonat festzustellenden Index erhöht
oder vermindert. …
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c) Soweit also ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch die vorste-
hend vereinbarte Höchstgrenze übersteigen würde, verzich-
tet die Ehefrau auf den etwaigen übersteigenden Unterhalts-
betrag. Der Ehemann nimmt diesen Verzicht an.
d) Mit der Vereinbarung dieser Höchstgrenze ist vorbehaltlich
der nachfolgenden Regelung unter Ziffer 2 grundsätzlich kein
Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt verbun-
den. Vielmehr verbleibt es bezüglich Grund und Höhe eines
etwaigen Unterhaltsanspruches bei den gesetzlichen Be-
stimmungen. Nur wenn sich nach diesen ein höherer Unter-
haltsanspruch ergeben sollte, tritt die obige Höchstgrenze in
Kraft.
2. Sofern der Ehefrau auf der Grundlage der vorstehenden Rege-
lung in Ziffer 1 kein Unterhalt zusteht bzw. ein solcher nicht
mehr zusteht, verpflichtet sich der Ehemann, den vorstehend
vereinbarten Höchstbetrag einschließlich der Wertsicherung
monatlich zu zahlen, und zwar unabhängig davon, ob die ge-
setzlichen Voraussetzungen eines nachehelichen Unterhaltes
dem Grund und der Höhe nach bestehen. Die Zahlung erfolgt
auf Lebenszeit der Ehefrau.
…
Die Zahlungspflicht ruht, sofern die Ehefrau wieder heiratet. Die
Zahlungspflicht lebt wieder auf, ab Rechtskraft der Scheidung
der neuen Ehe der Ehefrau.
3. Herr … verzichtet für die Zeit nach der Scheidung auf jeden Un-
terhalt, auch für den Fall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit
oder für den Fall der Not.
4. Eine künftige Veränderung in den Verhältnissen der Beteiligten,
gleich welcher Art, hat keinen Einfluss auf den vereinbarten
teilweisen bzw. kompletten Unterhaltsverzicht.
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IV.
Vereinbarung zum ehelichen Unterhalt
1. Die Beteiligten erklärten im Wege einer sog. Unterhaltsverein-
barung, dass für den Trennungsunterhalt vorstehender Ab-
schnitt III zur Anwendung kommt und insoweit eine Zahlungs-
höchstgrenze bzw. ein Nichtverlangen vereinbart sind.
2. Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass hierin ein Ver-
zicht auf ehelichen Unterhalt nicht liegt, da ein solcher Verzicht
für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann.
3. Die Beteiligten stellen klar, dass bei Unwirksamkeit der vorste-
henden Vereinbarung die übrigen Bestimmungen dieses Ver-
trages ihre Gültigkeit behalten."
Im Übrigen haben die Beteiligten Gütertrennung vereinbart und den Ver-
sorgungsausgleich ausgeschlossen. Die Verpflichtung zur Zahlung eines inde-
xierten Trennungsunterhalts von monatlich 3.370
€ steht zwischen ihnen nicht
mehr im Streit.
Die Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren über den gezahlten
Betrag von monatlich 3.370
€ hinaus konkret berechneten Trennungsunterhalt
geltend. Sie vertritt die Auffassung, in der getroffenen Vereinbarung zum eheli-
chen Unterhalt liege ein unwirksamer Unterhaltsverzicht. Der Antragsgegner
hält die Vereinbarung für wirksam. Im Übrigen hat er sich auf Verwirkung beru-
fen und den geltend gemachten konkreten Bedarf der Höhe nach bestritten.
Das Amtsgericht hat - dem Antrag im Wesentlichen folgend - den An-
tragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin einen Unterhaltsrückstand für die
Zeit von Januar bis Mai 2012 von 33.119
€, für Juni und Juli 2012 monatlich
weitere 5.995
€, für August und September 2012 monatlich weitere 5.695 € so-
wie von Oktober 2012 bis Februar 2013 monatlich weitere 4.504
€ nebst Zinsen
zu zahlen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht
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den Beschluss abgeändert und den Antrag der Antragstellerin abgewiesen. Au-
ßerdem hat es diese auf den im Beschwerdeverfahren gestellten Antrag des
Antragsgegners verpflichtet, an ihn die aufgrund der sofortigen Wirksamkeit des
angefochtenen Beschlusses vollstreckten 82.918,19
€ nebst Zinsen zurück zu
zahlen. Den weiter gehenden Zahlungsantrag hat es ebenso wie die An-
schlussbeschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich
die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begeh-
ren bezüglich des Trennungsunterhalts weiter verfolgt sowie die vollständige
Abweisung des Rückzahlungsantrags des Antragsgegners erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfech-
tung zur Aufhebung des Beschlusses und insoweit zur Zurückverweisung der
Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat die ehevertragliche Vereinbarung zum
Trennungsunterhalt für wirksam gehalten und zur Begründung seiner Entschei-
dung ausgeführt:
Die Frage, in welchen Grenzen eine vertragliche Vereinbarung über den
Unterhalt während der Zeit des Getrenntlebens wirksam sei, sei umstritten. Ei-
nigkeit bestehe allerdings darüber, dass im Rahmen vertraglicher Regelungen
auch bezüglich des Trennungsunterhalts ein gewisser Spielraum für eine inte-
ressengemäße und situationskonforme Ausgestaltung des jeweiligen Unter-
haltsanspruchs gegeben sei. Während teilweise die Ansicht vertreten werde,
eine Verkürzung des gesetzlichen Unterhalts um mehr als ein Drittel sei nicht
mehr hinnehmbar, finde sich auch die Meinung, bei der Bemessung der zuläs-
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sigen Abweichung vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch sei nicht mit festen
Prozentsätzen zu arbeiten, sondern es sei sachgerechter, nach den Umständen
des Einzelfalles zu befinden. Auf eine Entscheidung des Meinungsstreits kom-
me es vorliegend indessen nicht an, weil die Vereinbarung der Beteiligten nicht
auf eine Regelung zur Höhe des Trennungsunterhalts reduziert werden könne.
Vielmehr hätten sie den Anspruch auf Zahlung von Trennungsunterhalt abwei-
chend von der gesetzlichen Vorschrift neu ausgestaltet, und zwar abgesehen
von der Höhe nur zum Vorteil der Antragstellerin. Die Regelung zum Tren-
nungsunterhalt müsse im Zusammenhang mit dem nachehelichen Unterhalt,
auf den in Nr. IV der Urkunde Bezug genommen worden sei, gesehen werden.
Nach Nr. III. 2 der Urkunde bestehe ein lebenslanger Unterhaltsanspruch unab-
hängig davon, ob ein gesetzlicher Anspruch dem Grund und der Höhe nach
überhaupt gegeben wäre. Darüber hinaus werde der Unterhaltsanspruch ab-
weichend von § 1579 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bereits dann versagt, wenn die
Antragstellerin in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebe, sondern erst,
wenn sie wieder heirate. Durch die Bezugnahme auf diese Regelung bestehe
ein Trennungsunterhaltsanspruch in der vereinbarten Höhe auch, wenn die ge-
setzlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Vereinbarung der Unter-
haltshöhe begrenze den Unterhalt daher nicht nur nach oben, sondern garantie-
re einen Mindestunterhalt in der vereinbarten Höhe, der unabhängig von einem
eigenen Einkommen zu zahlen sei. Auch von dem Ausschluss der Verwirkung
bei Begründung einer verfestigten Lebensgemeinschaft hätte die Antragstellerin
im Rahmen des Trennungsunterhalts profitieren können, wenn sich die Einlei-
tung oder Durchführung des Scheidungsverfahrens verzögert hätte. Unabhän-
gig davon, wie hoch ihr Bedarf sei, woraus die Höhe des Verzichts errechnet
werden könne, seien die vereinbarten Vorteile so gewichtig, dass bei einer Ge-
samtbetrachtung keine Bedenken gegen die Wirksamkeit bestünden. Schließ-
lich könnten, auch wenn es nicht mehr entscheidend darauf ankomme, durch
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die Bezugnahme auf den nachehelichen Unterhalt auch solche Vorteile einbe-
zogen werden, die sich nicht auf den Trennungsunterhalt, sondern nur auf den
nachehelichen Unterhalt bezögen. Da der Unterhaltsanspruch nur bei Wieder-
heirat entfalle und sich die Antragstellerin entschieden habe, ihren Lebensge-
fährten nicht zu heiraten, werde sie den vereinbarten Ehegattenunterhalt bis zu
ihrem Lebensende erhalten. Wegen der festgestellten Wirksamkeit des verein-
barten Unterhalts komme es auf die Frage der Verwirkung des Unterhaltsan-
spruchs daher nicht mehr an.
Die Verpflichtung zur Zahlung von 82.918,19
€ beruhe auf § 120 Abs. 1
FamFG i.V.m. § 717 Abs. 2 ZPO. Der Antragsgegner habe auf den für sofort
wirksam erklärten Beschluss des Amtsgerichts 86.062,08
€ gezahlt. Seinem
Rückzahlungsbegehren sei in der vorgenannten Höhe stattzugeben.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen hat das Ober-
landesgericht zu Unrecht einen Verzicht auf Trennungsunterhalt verneint. Nach
§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 i.V.m. § 1614 BGB ist ein Verzicht auf
künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 BGB nichtig.
Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick
und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Tren-
nungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruchs sei-
ner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe an-
heimzufallen droht (Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 -
FamRZ 2014, 629 Rn. 48).
a) Noch zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings ausgeführt, dass
das gesetzliche Verbot des Verzichts auf künftigen Trennungsunterhalt nicht
durch ein sogenanntes pactum de non petendo umgangen werden darf. Ein
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solches, nämlich die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberech-
tigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar
den Bestand des Unterhaltsanspruchs nicht, begründet aber eine Einrede ge-
gen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt
wie ein Unterhaltsverzicht. Deshalb ist in einem pactum de non petendo ein
unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft zu sehen
(Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - FamRZ 2014, 629
Rn. 48 mwN).
b) Dass dem Verlangen der Antragstellerin, ihr über den Betrag von
monatlich 3.370
€ hinaus Trennungsunterhalt zuzuerkennen, Nr. IV.1 des
Ehevertrags entgegensteht, kann mit der vom Beschwerdegericht gegebenen
Begründung aber nicht angenommen werden.
aa) Das wäre nur dann der Fall, wenn der Ehevertrag insoweit wirksam
wäre, also keinen nach § 1614 Abs. 1 BGB unwirksamen - auch nur teilweisen -
Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt beinhalten oder auf einen solchen
Verzicht hinauslaufen würde. Ob die Beteiligten einen Verzicht gewollt haben,
ist insofern unbeachtlich. Es kommt allein darauf an, ob der dem
Unterhaltsberechtigten von Gesetzes wegen zustehende Unterhalt objektiv
verkürzt wurde (Senatsurteil vom 27. Juni 1984 - IVb ZR 21/83 - FamRZ 1984,
997, 999). Der Unterhaltsberechtigte darf seine Rechte selbst dann nicht
aufgeben, wenn ihm hierfür eine gleichwertige Gegenleistung gewährt worden
ist (so schon RG JW 1919, 824, 825; allgemeine Meinung, siehe etwa
MünchKommBGB/Born 6. Aufl. § 1614 Rn. 8; Staudinger/Engler BGB [2000]
§ 1614 Rn. 11).
bb) Allerdings ist anerkannt, dass § 1614 Abs. 1 BGB einer vertraglichen
Ausgestaltung des Trennungsunterhalts für die Zukunft nicht entgegensteht.
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Vielmehr besteht für die Bemessung des Unterhalts insoweit ein Spielraum,
innerhalb dessen interessengemäße, angemessene Regelungen vereinbart
werden können. Nur eine Abrede, die unterhalb eines solchen Rahmens des
angemessenen Unterhalts iSv § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt, kann keinen
Bestand haben (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1984 - IVb ZR 21/83 - FamRZ
1984, 997, 999). In der Rechtsprechung und im Schrifttum wird weitgehend eine
Unterschreitung des rein rechnerisch ermittelten Unterhalts von bis zu 20 %
noch als angemessen und damit hinnehmbar erachtet, während eine
Unterschreitung um ein Drittel im Regelfall als mit § 1614 Abs. 1 BGB
unvereinbar angesehen wird. In dem dazwischenliegenden Bereich soll
aufgrund der Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. OLG Hamm
FamRZ 2001, 1023, 1024 und FamRZ 2007, 732, 733; OLG Düsseldorf MDR
2000, 1252; OLG Köln FamRZ 1983, 750, 752; Wendl/Bömelburg Das
Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 4 Rn. 85;
MünchKommBGB/Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 Rn. 49; Göppinger/Hoffmann
Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn. 1478; Staudinger/Voppel BGB [2012] § 1361
Rn. 305; Kilger/Pfeil in Göppinger/Börger Vereinbarungen anläßlich der
Ehescheidung 10. Aufl. 5. Teil Rn. 142; Niepmann/Schwamb Die Rechtspre-
chung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 153; Erman/Hammermann BGB
14. Aufl. § 1614 Rn. 6; Weinreich/Klein/Müting Familienrecht 8. Aufl. § 1614
Rn. 12; PWW/Soyka BGB 10. Aufl. § 1614 Rn. 3; jurisPK-BGB/Viefhues § 1614
Rn. 17; Eschenbruch in Eschenbruch/Schürmann/Menne Der Unterhaltspro-
zess 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 1902; Huhn RNotZ 2007, 177, 185; Schwackenberg
FPR 2001, 107).
cc) Die Beurteilung, ob eine unzulässige Unterschreitung des angemes-
senen Unterhalts vorliegt, setzt - ungeachtet bestehender Differenzierungen im
Rahmen der wiedergegebenen Auffassung - allerdings voraus, dass zunächst
die Höhe dieses angemessenen Unterhalts im hierfür erforderlichen Umfang
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festgestellt worden ist. Denn andernfalls lässt nicht erkennen, ob ein Verzicht
vorliegt. Darauf zielende Überlegungen hat das Beschwerdegericht indessen
nicht angestellt. Zwar brauchte es keine Feststellungen zur Leistungsfähigkeit
des Antragsgegners zu treffen, da er unstreitig uneingeschränkt leistungsfähig
ist. Das Beschwerdegericht hat aber offengelassen, wie der aufgrund der geho-
benen Einkommensverhältnisse geltend gemachte konkrete Bedarf der Antrag-
stellerin zu beurteilen ist. Ebenso wenig ist es dem Einwand des Antragsgeg-
ners nachgegangen, die Antragstellerin treffe nach § 1361 Abs. 2 BGB eine
Erwerbsobliegenheit, entweder im Rahmen des von ihr betriebenen Kochstu-
dios oder in ihrem vor der Ehe ausgeübten Beruf als Diplom-Psychologin.
dd) Dieser Prüfung war das Oberlandesgericht nicht deshalb enthoben,
weil sich andere Teile des Ehevertrags als für die Antragstellerin vorteilhaft er-
weisen. Denn die Wirksamkeit der Regelung des Trennungsunterhalts ist iso-
liert zu betrachten und wird nicht durch Vereinbarungen zu anderen Gegen-
ständen berührt. Daher kann der Regelung insbesondere nicht zur Wirksamkeit
verhelfen, dass die Antragstellerin nach Nr. III.2 des Ehevertrags ohne Wieder-
heirat den vereinbarten nachehelichen Unterhalt lebenslang beziehen kann.
ee) Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerdeerwiderung ein, § 1614
Abs. 1 BGB sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass nur ein Verzicht auf
künftigen Trennungsunterhalt, durch den eine Sozialhilfebedürftigkeit des Un-
terhaltsberechtigten entstehe, unwirksam sei; der Antragstellerin sei aber ein
Mindestunterhalt garantiert, der diese Folge ausschließe. Dass Drittinteressen,
insbesondere öffentliche Kassen, von der ehevertraglichen Regelung nicht be-
rührt würden, bleibt auf die Beurteilung ohne Einfluss. Zwar wird die Meinung
vertreten, ein Verzicht sei entsprechend dem Normzweck des Verzichtsverbots
bis zu der Grenze zulässig, von der an die Hilfsbedürftigkeit des Unterhaltsbe-
rechtigten zu einem Anspruch auf Sozialhilfe führe (Staudinger/Engler BGB
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[2000] § 1614 Rn. 10). Dieser Auffassung vermag der Senat indessen nicht zu
folgen. Es trifft zwar zu, dass § 1614 BGB, wie bereits ausgeführt, auch öffentli-
che Interessen im Blick hat; er dient aber gleichermaßen den Interessen des
Unterhaltsberechtigten (Motive IV 709: "Die Bestimmung rechtfertigt sich durch
die sittliche Grundlage der Unterhaltspflicht."). Demgemäß findet sich im Gesetz
keine Einschränkung derart, dass ein Verzicht bis zur Grenze der Sozialhilfebe-
dürftigkeit zulässig sei, sondern das uneingeschränkte Verbot, für die Zukunft
auf Unterhalt zu verzichten.
3. Danach kann der angefochtene Beschluss keinen Bestand haben. Der
Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden, da es
hierzu - sowohl hinsichtlich des Unterhalts - als auch des Rückzahlungsbegeh-
rens - weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb an
das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Für die Frage, ob ein unwirksamer Unterhaltsverzicht vorliegt, muss be-
rücksichtigt werden, dass angesichts der Verschiedenartigkeit der Einzelfälle
kein genereller Maßstab dafür herangezogen werden kann, von welcher exak-
ten prozentualen Unterschreitung des rein rechnerisch geschuldeten Unterhalts
an keine zulässige Regelung des angemessenen Unterhalts, sondern ein un-
wirksamer Unterhaltsverzicht vorliegt. Dabei dürfte in erster Linie darauf abzu-
stellen sein, ob der vereinbarte Unterhalt unter Berücksichtigung aller Umstän-
de so erheblich von dem rechnerisch ermittelten Unterhalt abweicht, dass er
nicht mehr als angemessen angesehen werden kann. Zur groben Einschätzung
dürfte zugrunde zu legen sein, dass eine Unterschreitung von bis zu 20 %
grundsätzlich als noch angemessen und damit zulässig erscheint, eine solche
von einem Drittel in der Regel aber nicht mehr. Im Übrigen ist unter besonderer
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Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls darüber zu befinden, ob noch
eine wirksame Ausgestaltung oder ein Unterhaltsverzicht vorliegt.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 10.04.2014 - 67 F 120/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 05.12.2014 - II-3 UF 141/14 -