Urteil des BGH vom 11.10.2016

Vertretungsmacht, Provision, Auszahlung, Rückzahlung

ECLI:DE:BGH:2016:111016UXIZR446.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 446/15
Verkündet am:
11. Oktober 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ellenberger,
die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. September 2015 in der
Fassung des Beschlusses vom 26. November 2015 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht gegenüber der beklagten Bank Bereicherungs- und
Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem von ihr finanzierten Er-
werb einer Eigentumswohnung geltend.
Der Kläger wurde im Jahr 1995 von einem Anlagevermittler geworben,
die 23 qm große Eigentumswohnung Nr. 40 in dem noch zu errichtenden Ap-
partementhaus "K. " nebst einem Tiefgaragenplatz zu erwer-
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ben. In dem Verkaufsprospekt werden die vertraglichen Grundlagen wie folgt
erläutert:
"Der Erwerber beauftragt einen unabhängigen Abwicklungsbeauftragten mit
dem Abschluss der vorgesehenen Verträge und der Wahrnehmung der im Ge-
schäftsbesorgung
svertrag beschriebenen Aufgaben. … Der Abwicklungsbeauf-
tragte vertritt die Erwerber bei dem Abschluss des Grundstückskauf- und
Werklieferungsvertrages, der Finanzierung und beim Abschluss der sonstigen
vorgesehenen Verträge. Weitere Aufgaben, also insbesondere auch die Prü-
fung des Objektes in bautechnischer Hinsicht, die Prüfung der Werthaltigkeit …
kommen dem Abwicklungsbeauftragten nicht zu. …" (S. 37 des Prospekts)
"Der Abwicklungsbeauftragte beauftragt im Namen des einzelnen Erwerbers
den Finanzierungsvermittler auftragsgemäß mit der Beschaffung der gemäß
Konzeption vorgesehenen langfristigen Darlehen sowie mit der Vermittlung von
Finanzierungsangeboten für eine Vorfinanzierung des konzeptionsgemäß vor-
gesehenen Eigenkapitals, soweit der Erwerber dies wünscht.
Der Finanzierungsvermittler ist zur umfassenden Betreuung, der Beratung be-
züglich aller Fragen der Endfinanzierung und der Vorlage unterschriftsreifer
Darlehensverträge zu verpflichten." (S. 37 des Prospekts)
"Für die Abwicklung des Erwerbsvorganges hat der Prospektherausgeber ein
Angebot eines Abwicklungsbeauftragten vorliegen. Der Abwicklungsbeauftragte
wird ausschließlich im Auftrag der zukünftigen Erwerber tätig werden. … Der
Abwicklungsbeauftragte übernimmt die abwickelnde Tätigkeit für den Erwerber
nach Maßgabe der in diesem Prospekt vom Prospektherausgeber gemachten
Vorgaben und des mit dem Erwerber zu schließenden Geschäftsbesorgungs-
vertrages. ...." (S. 40 des Prospekts)
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Abwicklungsbeauftragte war die Steuerberatungsgesellschaft mbH
(nachfolgend: Abwicklungsbeauftragte). Finanzierungsvermittlerin war die A.
GmbH
(nach-
folgend: Finanzierungsvermittlerin). Mit Schreiben vom 29. Mai 1995 bestätigte
die Beklagte der Finanzierungsvermittlerin ihre Bereitschaft, die Finanzierung
des Kaufpreises für die Erwerber von Einheiten in der Neubaumaßnahme zu
übernehmen.
Zwecks Erwerbs der Wohnung bot der Kläger der Abwicklungsbeauftrag-
ten mit notarieller Urkunde vom 2. August 1995 einen umfassenden Geschäfts-
besorgungsvertrag an und erteilte ihr eine ebensolche Vollmacht, die ausdrück-
lich auch den Abschluss eines Finanzierungsvermittlungsvertrags umfasste.
Der Gesamtaufwand sollte 170.898 DM betragen.
Zur Finanzierung des Gesamtaufwands schloss die Abwicklungsbeauf-
tragte namens des Klägers im August 1995 mit der Beklagten zunächst einen
Zwischenfinanzierungsvertrag. Davon zahlte die Beklagte auf Anweisung der
Abwicklungsbeauftragten einen Betrag in Höhe von 6.836 DM als Finanzie-
rungsvermittlungsprovision an die Finanzierungsvermittlerin aus. Mit notariellem
Kauf- und Werklieferungsvertrag vom 31. August 1995 erwarb die Abwick-
lungsbeauftragte namens des Klägers von der Bauträgerin als Verkäuferin die
Wohnung nebst Tiefgaragenplatz zu einem Kaufpreis von 132.651 DM. Am
24. Dezember 1995/3. Januar 1996 nahm die Abwicklungsbeauftragte zur Ab-
lösung der Zwischenfinanzierung namens des Klägers bei der Beklagten ein auf
zwei Unterkonten geführtes Endfinanzierungsdarlehen über 170.898 DM auf,
das durch eine Grundschuld am Wohnungseigentum in Darlehenshöhe und
durch Abtretung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung besichert wurde.
Die Beklagte zahlte auch die restliche Darlehenssumme auf Abwicklungskonten
aus, über die die Abwicklungsbeauftragte verfügen konnte. Im Hinblick auf den
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bevorstehenden Ablauf der vertraglich vereinbarten Zinsfestschreibung schloss
der Kläger mit der Beklagten am 24./30. Mai 2011 zur Ablösung des bestehen-
den Darlehens einen auf zwei Unterkonten geführten Forward-Darlehensvertrag
über 79.622,86
€ ab.
Mit der durch ein Mahnverfahren im Jahr 2012 eingeleiteten Klage hat
der Kläger zuletzt noch die Rückzahlung der von Januar 2008 bis zum 31. Mai
2014 gezahlten Zins- und Tilgungsraten in Höhe von insgesamt 32.010,85
und des Disagios in Höhe von 8.737,88
€, jeweils nebst Rechtshängigkeitszin-
sen, die Rückabtretung der Lebensversicherung sowie die Feststellung begehrt,
dass die Beklagte gegen ihn aus dem Darlehensvertrag vom 24./30. Mai 2011
keine Ansprüche geltend machen könne. Er hält die der Abwicklungsbeauftrag-
ten erteilte Vollmacht wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsge-
setz für unwirksam. Zudem macht er geltend, dass die Darlehensverträge we-
gen offenkundigen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam seien. Eine
Finanzierungsvermittlungsprovision sei von ihm nicht geschuldet gewesen. Die
Abwicklungsbeauftragte habe, indem sie die Darlehensverträge auch zur Fi-
nanzierung der Finanzierungsvermittlungsprovision geschlossen habe, pflicht-
widrig einen zu hohen Darlehensbetrag vereinbart. Hilfsweise stützt der Kläger
sein Begehren auf einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungspflicht-
verletzungen, weil er - wie er behauptet - über die wahre Rolle der Abwick-
lungsbeauftragten, die Höhe der Vermittlungsprovisionen, den Wert des Ob-
jekts, die erzielbare Miethöhe und die sittenwidrige Überhöhung des Kaufprei-
ses arglistig getäuscht worden sei; letzteres sei der Beklagten bekannt gewe-
sen.
Das Landgericht hat lediglich der negativen Feststellungsklage stattge-
geben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat
das Berufungsgericht, nachdem im Berufungsverfahren die Parteien den
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Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, die Beklagte zur Zahlung von 26.720,77
€ nebst Zinsen an den
Kläger verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die weitergehende Be-
rufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der - vom Senat zugelassenen -
Revision verfolgt die Beklagte ihr auf die vollständige Abweisung der Klage ge-
richtetes Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum
Nachteil der Beklagten entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der
von ihm in den Jahren 2009 bis 2014 in Höhe von insgesamt 26.720,77
€ ge-
leisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus Leistungskondiktion gemäß § 812
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu, weil der von den Parteien geschlossene Darle-
hensvertrag unwirksam sei.
Die Abwicklungsbeauftragte sei im Innenverhältnis zum Kläger nicht be-
rechtigt gewesen, einen Finanzierungsvermittlungsvertrag abzuschließen, durch
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den eine Provisionspflicht durch den bloßen Nachweis einer Finanzierungsmög-
lichkeit begründet werde. Zwar sehe der Prospekt ausdrücklich die Beauftra-
gung eines Finanzierungsvermittlers vor. Danach sollte aber der Finanzierungs-
vermittlungsvertrag eine Vermittlungs- und nicht lediglich eine Nachweistätigkeit
zum Gegenstand haben.
Zudem sei eine provisionspflichtige Finanzierungsvermittlungsleistung
nicht erfolgt. Die Beklagte behaupte selbst nicht, dass die von der Abwicklungs-
beauftragten beauftragte Finanzierungsvermittlerin den Abschluss der streitge-
genständlichen Darlehensverträge mit ihr verhandelt habe. Vielmehr sehe die
Beklagte die von der Finanzierungsvermittlerin erbrachte Leistung allein darin,
dass diese die generelle Finanzierungsbereitschaft der Beklagten nachgewie-
sen habe. Zwar könne eine Tätigkeit des Maklers vor Abschluss des Maklerver-
trages mit dem Kunden beim späteren Abschluss eines Nachweismaklervertra-
ges eine Provision auslösen. Dies gelte jedoch nicht im Falle eines Vermitt-
lungsmaklers. Die Finanzierungsvermittlerin habe auch keine Nachweistätigkeit
erbracht. Im Vorfeld des Vertriebs und ohne Festlegung der konkreten Finanzie-
rungsbedingungen sei konzeptionell und zeitlich kein Nachweis über eine kon-
krete Finanzierung zu marktüblichen Bedingungen möglich gewesen, weil we-
der die Beklagte marktübliche Bedingungen habe festlegen wollen noch die
Abwicklungsbeauftragte zu diesem Zeitpunkt die Marktüblichkeit zukünftiger
Bedingungen habe prüfen können.
Die Abwicklungsbeauftragte habe daher im Namen des Klägers keinen
Finanzierungsvermittlungsvertrag abschließen dürfen. Aufgrund dessen habe
sie auch kein Darlehen zur Vorfinanzierung einer Finanzierungsvermittlungs-
provision aufnehmen dürfen. Indem sie dies gleichwohl getan habe, habe sie
ihre Vertretungsmacht missbraucht.
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Dieser Missbrauch sei für die Beklagte objektiv evident gewesen. Die
Beklagte habe sowohl den Inhalt des Prospekts als auch den Umstand gekannt,
dass die Finanzierungsvermittlerin keine Vermittlungsleistung erbracht habe. Da
der Prospekt offenkundig nur für eine solche Tätigkeit eine Provision vorgese-
hen habe, hätte sich für die Beklagte der Schluss geradezu aufdrängen müs-
sen, dass die Abwicklungsbeauftragte zur Finanzierung der Provision kein Dar-
lehen habe aufnehmen dürfen.
Dies führe nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Darlehensver-
trags. Eine Teilnichtigkeit unter Aufrechterhaltung des übrigen Teils sei nur
dann anzunehmen, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspräche. Für
diesen komme es nicht darauf an, ob die Parteien das Rechtsgeschäft ohne
den nichtigen Teil tatsächlich gewollt hätten, sondern darauf, ob eine objektive
Bewertung ergebe, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil ver-
nünftigerweise vorgenommen worden wäre. Davon könne hier nicht ausgegan-
gen werden. Die Nichtigkeit erstrecke sich auch auf die Darlehensvereinbarung
vom Mai 2011, weil damit kein neues Rechtsverhältnis begründet worden sei.
Soweit die Zahlungen des Klägers vor dem 1. Januar 2009 erfolgt seien,
sei sein Anspruch auf Rückforderung allerdings verjährt. Hinsichtlich des
Disagios scheide ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch von
vornherein aus. Ein Anspruch des Klägers auf Rückabtretung von Ansprüchen
aus der Lebensversicherung sei ebenfalls verjährt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht einen An-
spruch des Klägers auf Rückzahlung von 26.720,77
€ gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 Fall 1 BGB nicht bejahen dürfen. Insoweit beanstandet die Revision mit
Erfolg, dass das Berufungsgericht angenommen hat, die zwischen den Parteien
geschlossenen Darlehensverträge seien wegen eines von der Abwicklungsbe-
auftragten begangenen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam. Entge-
gen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines
offensichtlichen Vollmachtsmissbrauchs nicht vor.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat grund-
sätzlich der Vertretene das Risiko eines - hier unterstellten - Missbrauchs der
Vertretungsmacht zu tragen (vgl. nur Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR
483/14, WM 2016, 1437 Rn. 23 mwN). Den Vertragspartner trifft keine Prü-
fungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist,
von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Ge-
brauch zu machen (Senatsurteil aaO mwN).
Etwas anderes gilt allerdings zum einen nur in dem Fall, dass der Vertre-
ter kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft
abschließt. Ein solches Geschäft verstößt gegen die guten Sitten und ist nichtig
(§ 138 BGB; vgl. nur Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14, WM 2016,
1437 Rn. 24 mwN). Zum anderen ist der Vertretene gegen einen erkennbaren
Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragspartner dann ge-
schützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdäch-
tiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete
Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber
dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomen-
te voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (vgl. nur Senatsurteil
aaO mwN). Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich
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nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Ge-
schäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (Senatsurteil aaO
mwN).
2. An einer solchen objektiven Evidenz fehlt es hier. Zwar ist ihre Fest-
stellung tatrichterliche Würdigung, die im Revisionsverfahren nur beschränkt
überprüfbar ist. Der Nachprüfung unterliegt aber jedenfalls, ob der Begriff der
objektiven Evidenz verkannt wurde und ob bei der Beurteilung wesentliche Um-
stände außer Betracht gelassen wurden. Ist das - wie hier - der Fall, kann das
Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen, wenn die Feststellungen
des Berufungsgerichts ein - wie hier - abgeschlossenes Tatsachenbild ergeben
(vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14, WM 2016, 1437
Rn. 25 mwN).
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe sich auf-
drängen müssen, dass die Finanzierungsvermittlerin ihr gegenüber keine vergü-
tungspflichtige Tätigkeit entfaltet habe, entbehrt einer ausreichenden Grundla-
ge. Art und Umfang der Tätigkeiten der Finanzierungsvermittlerin richten sich
nicht nach dem Prospekt (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14,
WM 2016, 1437 Rn. 26 mwN), sondern nach dem tatsächlich abgeschlossenen
Finanzierungsvermittlungsvertrag, mit dem sich das Berufungsgericht nicht be-
fasst hat. Insoweit fehlt es auch an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
b) Selbst wenn man unterstellt, dass der Inhalt des Finanzierungsvermitt-
lungsvertrags mit den Prospektangaben übereinstimmt, ergaben sich entgegen
der Annahme des Berufungsgerichts für die Beklagte keine massiven Ver-
dachtsmomente dafür, dass die Abwicklungsbeauftragte mit der Darlehensauf-
nahme zur Zahlung der Finanzierungsvermittlungsprovision ihre rechtlichen Be-
fugnisse aus der Vollmacht missbraucht hat.
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aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht solche Verdachtsmomente nicht
allein daraus abgeleitet, dass die Abwicklungsbeauftragte für den Kläger über-
haupt einen Finanzierungsvermittlungsvertrag abgeschlossen hat, der die Fi-
nanzierung einer Vermittlungsprovision nach sich zog. Bei dem Abschluss des
Kreditvertrags handelte es sich um ein alltägliches und normales Geschehen im
bankgeschäftlichen Kreditverkehr. Dies schloss auch die zu finanzierenden und
der Höhe nach marktüblichen Nebenkosten, wie insbesondere die Kosten der
Finanzierungsvermittlung, ein.
Ein Vollmachtsmissbrauch kann in diesem Zusammenhang nur dann vor-
liegen, wenn die Vereinbarung und Finanzierung einer solchen Provision von
dem Geschäftsbesorgungsvertrag und dem mit diesem Vertrag umzusetzenden
Investitionskonzept zum Nachteil des Kapitalanlegers - hier des Klägers - ab-
weicht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Juni 2008 - V ZR 83/07, WM 2008, 1703
Rn. 13). Den Abschluss des Finanzierungsvermittlungsvertrags und die Finan-
zierung des Gesamtaufwands hat der Kläger aber ausdrücklich gewünscht und
damit die Abwicklungsbeauftragte bevollmächtigt.
Ob der Abschluss des Finanzierungsvermittlungsvertrags erforderlich
oder wirtschaftlich sinnvoll war, hatte die Beklagte als finanzierende Bank nicht
zu prüfen, zumal sie im Zeitpunkt der Darlehensvergabe davon ausgehen durf-
te, dass der Finanzierungsvermittlungsvertrag bereits abgeschlossen worden
war. Davon abgesehen war ihr - auch im Fall einer vom Berufungsgericht ange-
nommenen Kenntnis der Einzelheiten des Prospektinhalts - eine Prüfung der
Sinnhaftigkeit des Abschlusses dieses Vertrags gar nicht möglich, weil hierfür
ihr möglicherweise verschlossen gebliebene Umstände - wie etwa steuerliche
Gründe - maßgeblich gewesen sein könnten.
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bb) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich die Evidenz eines
Vollmachtsmissbrauchs nicht damit begründen, der Beklagten habe sich bei
Abschluss des Darlehensvertrags aufdrängen müssen, dass die Finanzierungs-
vermittlerin ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbracht habe. Un-
abhängig von der Frage, ob die Abwicklungsbeauftragte durch die Finanzierung
einer - unterstellt - nicht geschuldeten Finanzierungsvermittlungsprovision die
ihr erteilte Vollmacht überhaupt missbraucht hätte, ergaben sich für die Beklag-
te jedenfalls keine Verdachtsmomente, dass die Finanzierungsvermittlerin ihre
vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbracht haben könnte.
(1) Die Vermittlungstätigkeit erfordert, dass der Makler auf den potenziel-
len Vertragspartner mit dem Ziel einwirkt, die Abschlussbereitschaft für den be-
absichtigten Hauptvertrag herbeizuführen (Senatsurteil vom 14. Juni 2016
- XI ZR 483/14, WM 2016, 1437 Rn. 32 mwN). Dabei kann der die Vergütungs-
pflicht auslösende Maklervertrag auch noch zeitlich nach bereits erfolgter Mak-
lerleistung abgeschlossen werden (vgl. Senatsurteil aaO mwN). Um die Provisi-
on zu verdienen, reicht es aus, wenn die Maklerleistung neben anderen Bedin-
gungen für den Abschluss des Hauptvertrags zumindest mitursächlich gewor-
den ist. Sie braucht nicht die einzige und nicht die hauptsächliche Ursache zu
sein. Beim Vermittlungsmakler genügt es, dass seine Tätigkeit die Abschluss-
bereitschaft des Dritten irgendwie gefördert hat, der Makler also beim Vertrags-
gegner ein Motiv gesetzt hat, das nicht völlig unbedeutend war (Senatsurteil
aaO mwN).
(2) Vor diesem Hintergrund musste sich der Beklagten das Fehlen einer
zumindest mitursächlichen Vermittlungsleistung der Finanzierungsvermittlerin
- anders als das Berufungsgericht meint - nicht deshalb aufdrängen, weil die
Finanzierungsvermittlerin die streitgegenständlichen Darlehensverträge nicht
mit ihr verhandelt hat.
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Das Berufungsgericht verkennt, dass bereits die vorab erzielte, im
Schreiben vom 29. Mai 1995 wiedergegebene allgemeine Finanzierungsab-
sprache auf eine Vermittlungsleistung zugunsten aller künftigen Erwerber - und
damit auch zugunsten des Klägers - zurückzuführen ist. In diesem Schreiben
bestätigt die Beklagte gegenüber der Finanzierungsvermittlerin unter Bezug-
nahme auf eine zwischen ihnen erzielte Übereinstimmung ihre Bereitschaft, den
Erwerbern von Wohnungen in dem Appartementhaus, die eine näher beschrie-
bene finanzielle Leistungsfähigkeit aufweisen, bei weiterer Vorlage im einzelnen
aufgeführter Unterlagen für Zwischenfinanzierungsdarlehen "zur Zeit" und "frei-
bleibend" Konditionen von 9,25% Zins bei 100% Auszahlung und für Endfinan-
zierungsdarlehen "freibleibend" Konditionen von 5,4% Zins p.a. bei 90% Aus-
zahlung und einer Zinsfestschreibung von fünf Jahren oder 7,0% Zins p.a. bei
90% Auszahlung und einer Zinsfestschreibung von zehn Jahren anzubieten.
Einer Vermittlungsleistung zugunsten des Klägers steht nicht entgegen, dass
die Abwicklungsbeauftragte das Angebot des Klägers zum Abschluss des Ge-
schäftsbesorgungsvertrages erst nach dem Zeitpunkt der Bestätigung der all-
gemeinen Finanzierungsbereitschaft durch die Beklagte angenommen hat und
der Kläger damit erst zu diesem Zeitpunkt als Erwerber feststand. Auch spielt
es keine Rolle, dass sich die in der allgemeinen Finanzierungsabsprache konk-
ret benannten Konditionen lediglich auf den damaligen Zeitpunkt bezogen. Letz-
teres entsprach der Vorgabe an die Finanzierungsvermittlerin, Darlehen zu je-
weils marktüblichen Bedingungen zu beschaffen. Dass die im August 1995 und
Dezember 1995/Januar 1996 geschlossenen Darlehensverträge dieser Vorga-
be nicht entsprochen hätten, macht der Kläger nicht geltend.
Selbst wenn diese Absprache, wie der Kläger behauptet und das Beru-
fungsgericht offen gelassen hat, nicht von der Finanzierungsvermittlerin, son-
dern ebenfalls von der Abwicklungsbeauftragten getroffen worden sein sollte,
hätten sich der Beklagten keine Zweifel an der Vergütungspflicht aufdrängen
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müssen. Vermittlungsleistungen müssen nicht höchstpersönlich erbracht wer-
den. Nach der Konzeption des Anlagemodells sollten die Anleger - wie auch
vorliegend geschehen - allein die Abwicklungsbeauftragte mit dem Abschluss
von Darlehensverträgen bevollmächtigen. Dann ist es aber nicht bedenklich,
wenn die finanzierende Bank auch nur unmittelbar mit dieser die allgemeinen
Konditionen für die Zwischen- und Endfinanzierung verhandelt und ihr von die-
ser die konkrete Finanzierungsanfrage und die Bonitätsunterlagen zugeleitet
werden. Aus Sicht der Bank liegt es nahe, dass die Abwicklungsbeauftragte
dabei mit Wissen und im Einverständnis der Finanzierungsvermittlerin als deren
Erfüllungsgehilfin agiert. Dies wird hier durch das Finanzierungsbestätigungs-
schreiben vom 29. Mai 1995 verdeutlicht, das die Beklagte, obwohl die zugrun-
de liegenden Verhandlungen nach der Behauptung des Klägers mit der Abwick-
lungsbeauftragten geführt worden sein sollen, an die Finanzierungsvermittlerin
richtete.
c) Mangels weiterer vom Berufungsgericht festgestellter oder vom Kläger
behaupteter Umstände kann damit ein für die Beklagte offensichtlicher Voll-
machtsmissbrauch durch die Abwicklungsbeauftragte nicht angenommen wer-
den.
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III.
Das angefochtene Urteil ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache hinsichtlich des Vorlie-
gens einer Rechtsscheinvollmacht und mangels Feststellungen zu den Scha-
densersatzansprüchen nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren
Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1
Satz 1 ZPO).
Ellenberger
Grüneberg
Maihold
Menges
Derstadt
Vorinstanzen:
LG Hechingen, Entscheidung vom 28.01.2015 - 1 O 243/12 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 23.09.2015 - 9 U 20/15 -
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