Urteil des BGH vom 28.06.2016

Stand der Technik, Vitamin, Steigerung, Patentgericht

ECLI:DE:BGH:2016:280616UXZR50.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 50/14
Verkündet am:
28. Juni 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Gröning, Dr. Grabinski, Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 17. Dezember 2013 verkündete Urteil
des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird
zurückgewiesen.
Der Beklagten werden - unter Aufhebung des angefochtenen Ur-
teils im Kostenpunkt - die Gerichtskosten und die außergerichtli-
chen Kosten der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Nichtigkeitsklage betrifft das am 26. August 1998 unter Inanspruch-
nahme einer Unionspriorität vom 4. September 1997 angemeldete und mit Wir-
kung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 1 011 653
(Streitpatent). Anspruch 1 des Streitpatents, auf den die Patentansprüche 2 bis
5 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, hat folgenden Wortlaut:
"Use of at least one type of xanthophylles in the preparation of a
medicament for the prophylactic and/or therapeutic improvement
of the duration of mammalian muscle function and/or treatment of
mammalian muscle disorders or diseases."
1
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Die Klägerin hat ihre Klage zunächst gegen die B. AB
als Beklagte gerichtet. Diese war bei Zustellung der Klage im Register des
Deutschen Patent- und Markenamtes als Inhaberin des Streitpatents eingetra-
gen, aber nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens wegen Vermögenslo-
sigkeit bereits seit mehreren Jahren aufgelöst und erloschen. Die Klagezustel-
lung erfolgte an die seinerzeit als Inlandsvertreter der B. AB
im Register eingetragenen Patentanwälte. Die F. Ltd.,
die nach mehrfachen Übertragungen des Patents seit 2005 materiell-
berechtigte Patentinhaberin ist, ist dem Rechtsstreit zunächst auf Seiten der
beklagten B. AB als Streithelferin beigetreten; am 9. Januar
2012 hat sie die Umschreibung des Streitpatents auf sich erwirkt. Mit der Streit-
helferin am 13. Dezember 2013 zugestelltem Schriftsatz hat die Klägerin erklärt,
die Klage werde insoweit geändert, als sie sich nunmehr gegen die bisherige
Streithelferin richte. Nach Erörterung eines etwaigen Parteiwechsels hat die
Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht erklärt, die
Streithelferin werde nur hilfsweise für den Fall verklagt, dass die Klage gegen
die ursprüngliche Beklagte unzulässig sein sollte.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht
patentfähig. Zudem fehle es an einer ausführbaren Offenbarung. Die Streithel-
ferin hat das Streitpatent im Hauptantrag in einer beschränkten Fassung sowie
mit fünf Hilfsanträgen verteidigt.
Das Patentgericht hat keinen Beklagtenwechsel angenommen und das
Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Streithelferin, mit der
diese in erster Linie begehrt, die Nichtigkeitsklage als unzulässig abzuweisen.
Zudem verteidigt sie das Streitpatent zuletzt im Umfang eines gegenüber der
erteilten Fassung beschränkten Hauptantrags und zweier Hilfsanträge, wobei
sie darüber hinaus die Streichung näher bezeichneter Stellen in der Patent-
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schrift beantragt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen und hat mit der
Berufungserwiderung erklärt, die Klage gegen "die Berufungsklägerin und bis-
herige Nebenintervenientin" zu richten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Das Patentgericht - dessen Entscheidung insoweit in GRUR 2014,
1029 veröffentlicht ist - hat angenommen, die Nichtigkeitsklage sei gegenüber
der zum Klagezeitpunkt als Patentinhaberin im Register eingetragenen B.
AB durch Zustellung an den im Register eingetragenen Inlands-
vertreter der Beklagten wirksam erhoben worden. Die seinerzeit wegen Vermö-
genslosigkeit bereits aufgelöste und erloschene B. AB sei
jedenfalls deshalb parteifähig gewesen, weil dieser aufgrund des Nichtigkeits-
verfahrens ein Kostenerstattungsanspruch hätte entstehen können. Für die
Klägerin habe zudem die Möglichkeit bestehen müssen, eine Nichtigerklärung
des Streitpatents zu erreichen. Die Klage und die weiteren Schriftsätze hätten
den im Register eingetragenen Inlandsvertretern wirksam zugestellt werden
können. Deren Vollmacht sei nach § 117 Abs. 2 InsO i.V.m. § 115 Abs. 2 InsO
als fortbestehend anzunehmen.
2.
Ob das Patentgericht zu Recht angenommen hat, dass die Klage
gegenüber der zum Klagezeitpunkt als Patentinhaberin im Register eingetrage-
nen B. AB erhoben worden ist, bedarf keiner abschließenden
Entscheidung. Dafür spricht allerdings, dass schon der Umstand, dass die Pat-
entnichtigkeitsklage gegen den im Register eingetragenen (früheren) Patentin-
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haber zu richten ist (§ 81 Abs. 1 Satz 2 PatG), es nahelegt, eine erloschene
Person insoweit weiterhin als partei- und prozessfähig zu behandeln. Jedenfalls
ist aber die dem Nichtigkeitsverfahren zunächst als Streithelferin auf Seiten der
B.
AB
beigetretene
F.
Ltd.
noch
wäh-
rend des Verfahrens vor dem Patentgericht aufgrund gewillkürten Beklagten-
wechsels wirksam an die Stelle der B. AB als Beklagte getre-
ten.
a)
Im Patentnichtigkeitsverfahren ist ein gewillkürter Beklagtenwech-
sel in erster Instanz aufgrund Erklärung des Klägers wie eine Klageänderung zu
behandeln, deren Zulässigkeit sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln
des Zivilprozessrechts richtet (vgl. zum Klägerwechsel: BGH, Urteil vom
28. Juni 1994 - X ZR 44/93, GRUR 1996, 865, 866 - Parteiwechsel). Nach
§ 263 ZPO ist dafür die Einwilligung des neuen Beklagten oder eine Sachdien-
lichkeitserklärung des Gerichts erforderlich. Bei einem gewillkürten Parteiwech-
sel auf Beklagtenseite ist zudem Voraussetzung für das Ausscheiden des bis-
herigen Beklagten aus dem Rechtsstreit entsprechend § 269 Abs. 1 ZPO von
Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache an dessen Zustimmung
(vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1980 - II ZR 96/80, NJW 1981, 989).
b)
Hiernach hat die im Schriftsatz der Klägerin vom 13. Dezember
2013 erklärte und am selben Tag zugestellte "Änderung der Klage", wonach
sich diese nunmehr gegen die bisherige Streithelferin richte, einen entspre-
chenden Parteiwechsel auf Beklagtenseite bewirkt. Da die Erklärung der Kläge-
rin zum Parteiwechsel in Reaktion auf das Prozessverhalten der bisherigen
Streithelferin erfolgt ist, die unter Verweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Re-
gisterumschreibung die passive Prozessführungsbefugnis der ursprünglich be-
klagten Partei und danach die Zulässigkeit der Klage in Abrede gestellt und die
passive Prozessführungsbefugnis als nunmehr eingetragene Patentinhaberin
für sich in Anspruch genommen hat, beruht der Beklagtenwechsel auf einer
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vorweggenommenen konkludenten Einwilligung der bisherigen Streithelferin, in
die Stellung als Beklagte einzurücken. Auf eine Sachdienlichkeitserklärung
durch das Patentgericht kommt es danach nicht mehr an, so dass der Partei-
wechsel mit Zustellung der Erklärung an die bisherige Streithelferin wirksam
geworden ist. Schon mangels vorangegangener Verhandlung zur Hauptsache
hat es einer Zustimmung der bisherigen Beklagten nicht bedurft, so dass dahin-
stehen kann, ob auch im Patentnichtigkeitsverfahren eine Zustimmung des
ausscheidenden Beklagten erforderlich ist. Die nachfolgende Erklärung der
Klägerin vom 17. Dezember 2013 mag als Widerruf der zunächst unbedingt
abgegebenen Erklärung über den Parteiwechsel angesehen werden, ist jedoch
nach bereits bewirktem Parteiwechsel ins Leere gegangen.
c)
Zweifel an der Zulässigkeit der gegen die jetzige Beklagte gerich-
teten Klage bestehen nicht, nachdem diese zuvor als Inhaberin des Streitpa-
tents im Register eingetragen worden ist und damit die passive Prozessfüh-
rungsbefugnis gemäß § 81 Abs. 1 S. 2 PatG erlangt hat (BGH, Urteil vom
16. Juli 1965 - Ia ZR 261/63, GRUR 1966, 107, 108 - Patentrolleneintrag; Urteil
vom 5. Dezember 1995 - X ZR 26/92, GRUR 1996, 190, 195 - Polyferon).
d)
Der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Nichtig-
keitsverfahren auf die Fälle der Legitimationsänderung nach Eintritt der Rechts-
hängigkeit entsprechend anzuwendende § 265 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil
vom 24. Oktober 1978 - X ZR 42/76, BGHZ 72, 236, 242 - Aufwärmvorrichtung;
Urteil vom 4. Februar 1992 - X ZR 43/91, BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcompu-
ter) steht einem vom Kläger ausgehenden Beklagtenwechsel nicht entgegen.
II.
Das Streitpatent bezieht sich auf die Verwendung von Xanthophyl-
len als einer Gruppe von Carotinoiden, insbesondere von Astaxanthin, zur Her-
stellung eines Medikaments.
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- 7 -
1.
Die Patentbeschreibung verweist zum Hintergrund der Erfindung
auf die belastungsbedingte Rhabdomyolyse als wohl häufigste Muskelstörung
bei Pferden. Mit der Entstehung dieser Erkrankung werde u.a. ein Vitamin-E-
und Selenmangel in Verbindung gebracht. In der Beschreibung wird von zwei
Versuchen zur Wirkung des Xanthophylls Astaxanthin berichtet, welches durch
Zucht der Alge Haematococcus sp. gewonnen werden könne. Zum einen (Sp. 3
Z. 21 - Sp. 4 Z. 6) sei experimentell untersucht worden, ob die Zugabe von
Astaxanthin in Form von Algenmehl im Futter die physische Leistungsfähigkeit
von Pferden steigere. Die auffallendste Wirkung sei bei Pferden festgestellt
worden, die an belastungsbedingter Rhabdomyolyse litten. Diese Pferde seien
unter Astaxanthinzusatz nach zwei bis drei Wochen symptomfrei gewesen und
hätten normal trainiert werden und Rennen laufen können. Zum anderen (Sp. 4
Z. 11 - Sp. 5 Z. 9) habe man mit gesunden Freiwilligen die Auswirkung von
Astaxanthin auf die physische Leistungsfähigkeit des Menschen überprüft. Al-
lein der Kraftausdauer-Test - bei Ermittlung der größtmöglichen Anzahl von
Kniebeugen mit 40 kg Gewicht in einer Smith-Maschine unter Standardbedin-
gungen - habe einen deutlichen Unterschied zwischen der Astaxanthin- und der
Placebogruppe gezeigt. Die positive Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit,
welche von einzelnen Athleten dem Astaxanthin zugeschrieben worden sei,
betreffe danach anscheinend die Kraftausdauer.
2.
Als technisches Problem betrifft das Streitpatent demnach die Be-
reitstellung eines Medikaments zur Verbesserung der physischen Leistungsfä-
higkeit der Muskeln von Menschen oder Säugetieren.
3.
Zu dessen Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fas-
sung des Streitpatents vor:
(1)
Verwendung von Xanthophyllen mindestens eines Typs
(2)
bei der Herstellung eines Medikaments
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(3)
zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung
der Muskelfunktionsdauer von Säugetieren ("for the prophy-
lactic and/or therapeutic improvement of the duration of
mammalian muscle function") und/oder
(4)
zur Behandlung von Störungen oder Krankheiten der Mus-
keln von Säugetieren ("for the treatment of mammalian
muscle disorders or diseases").
4.
Nach Ansicht des Patentgerichts ist unter der erfindungsgemäß
angestrebten "Steigerung der Muskelfunktionsdauer" die Steigerung von Kraft
und Ausdauer der Muskulatur unter körperlicher Belastung zu verstehen, wobei
damit auch die Beseitigung manifester Muskelfunktionsstörungen und die equi-
ne Rhabdomyolyse gemeint seien. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden.
Der Begriff der Muskelfunktionsdauer ("
duration of […] muscle function") betrifft
die im Streitpatent untersuchte physische Leistungsfähigkeit des Menschen
oder anderer Säuger, die sich in der Kraftausdauerleistung der Skelettmuskeln
bei körperlicher, namentlich trainingsbedingter Belastung niederschlägt. Dabei
legt sich die erfindungsgemäße Lehre nicht darauf fest, ob die angestrebte
Steigerung der Kraftausdauerleistung bei Säugermuskeln in gesundem oder
nicht-gesundem Zustand erreicht werden soll. Entsprechend betreffen die bei-
den erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele, die sich mit den Auswirkungen
des Xanthophylls Astaxanthin befassen, einerseits die physische Leistungsfä-
higkeit von Pferden mit krankheitsbedingten Muskelproblemen (belastungsbe-
dingte Rhabdomyolyse) (Abs. 18 ff.) und andererseits die Leistungsfähigkeit
von gesunden Menschen hinsichtlich Kraft und Ausdauer (Abs. 22 ff.) und wird
jeweils von signifikanten Steigerungen der Leistungsfähigkeit berichtet (Abs. 21
und 32 f.).
5.
Die Beklagte hat Patentanspruch 1 im Hauptantrag zuletzt in fol-
gender Fassung verteidigt:
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(1)
Verwendung von Astaxanthin
(2)
bei der Herstellung eines Medikaments
(3)
zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung
der Muskelfunktionsdauer beim gesunden Menschen.
Dabei hat sie zudem die - im Protokoll der mündlichen Verhandlung im
Einzelnen näher bezeichnete - Streichung aller Stellen aus der Beschreibung
des Streitpatent beantragt, die sich auf die Verwendung von Xanthophyllen bei
der Herstellung eines Medikaments zur Behandlung von Störungen oder
Krankheiten der Muskeln von Säugetieren und dabei insbesondere die Behand-
lung von equiner belastungsbedingter Rhabdomyolyse beziehen.
Gegenüber der erteilten Fassung unterscheidet sich die zuletzt von der
Beklagten verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 mithin vor allem dadurch,
dass diese nicht mehr auf die Verwendung von Xanthophyllen mindestens ei-
nes Typs (einschließlich Astaxanthin) bei der Herstellung eines Medikaments
zur Behandlung von Störungen oder Krankheiten der Muskeln von Säugern ge-
richtet ist. Weiterhin von der anspruchsgemäßen Lehre erfasst ist hingegen die
Verwendung von Astaxanthin bei der Herstellung eines Medikaments zur Stei-
gerung der Kraftausdauerleistung beim menschlichen Muskel in gesundem Zu-
stand. Dabei wird, wie die weitere Auslegung des Patentanspruchs 1 unter Be-
rücksichtigung auch des verbliebenen Teils der Beschreibung ergibt, mit der
Steigerung der Kraftausdauerleistung in prophylaktischer Hinsicht die Vermei-
dung eines krankhaften Zustands des menschlichen Muskels und mit der Stei-
gerung der Kraftausdauerleistung in therapeutischer Hinsicht die Verlängerung
der Funktionsdauer desselben in gesundem Zustand angestrebt.
Ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der von der Beklagten zu-
letzt verteidigten Fassung zulässig ist, bedarf danach keiner abschließenden
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- 10 -
Entscheidung, weil sich dieser bei Zugrundelegung des vorstehend erläuterten
Verständnisses als jedenfalls nicht patentfähig erweist, wie sich aus den nach-
folgenden Ausführungen (zu IV, Rn. 28 ff.) ergibt.
III.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung in der Sache im We-
sentlichen wie folgt begründet:
Die Verwendung von Xanthophyllen zur Steigerung der Muskelfunktions-
dauer von Säugetieren sei durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen.
Vor der Aufgabe stehend, die Muskelfunktionsdauer von Säugetieren mit belas-
tungsbedingten Muskelstörungen oder Erkrankungen medikamentös prophylak-
tisch und/oder therapeutisch zu steigern, werde der Fachmann sowohl den wis-
senschaftlichen Übersichtsartikel K9 (
) als auch die dort referierte Studie K22
(
) berücksichtigen.
Die K9 begründe die Motivation der Fachwelt zur Untersuchung der Wirkung
von Antioxidantien mit den zunehmenden Hinweisen auf eine Bedeutung freier
(Sauerstoff-)Radikale beim Auftreten von Zellschäden und Entzündungen der
Muskulatur infolge anstrengender körperlicher Bewegung. In der Fachliteratur
werde angenommen, dass Antioxidantien - in ihrer Wirkung als Radikalfänger
oder als Reduktionsmittel - zu einer Verminderung von Peroxiden führten, die
während einer körperlichen Belastung entstünden und ursächlich für eine (ket-
tenreaktive) Lipidperoxidation mit nachfolgender Zellschädigung seien. Die K9
komme zu dem Schluss, dass Antioxidantien - namentlich Vitamin E - die Mus-
kulatur vor Schäden schützten, die durch körperliche Beanspruchung verur-
sacht werden könnten. Deshalb empfehle sie sportlich aktiven Menschen zur
Vorbeugung von trainingsbedingten Zellmuskelschäden die Einnahme von anti-
oxidativ wirkenden Vitaminen. Die Studie K22 vermittle dem Fachmann anhand
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- 11 -
eines Versuchs an Mäusen ebenso den Hinweis, dass die Verabreichung von
Vitamin E als Antioxidans zu einer Steigerung der Ausdauerleistung beitrage.
Über die in K9 und K22 explizit besprochenen antioxidativen Vitamine E
(
α-Tocopherol) und C (Ascorbinsäure) sei dem Fachmann zum Prioritätszeit-
punkt - wie aus der 1990 veröffentlichten japanischen Offenlegungsschrift
Sho 63-198947 (K8) zu ersehen - das Xanthophyll Astaxanthin als weitere Sub-
stanz zur Vermeidung oxidationsbedingter Zellschäden bekannt gewesen. Da
Astaxanthin in weit geringeren Dosierungen verabreicht werden könne, werde
deren Verwendung in der K8 als Alternative zu Tocopherol bzw. Kombinationen
von Tocopherol und Ascorbinsäure beschrieben. Um zu der streitpatentgemä-
ßen Lösung zu gelangen, habe der Fachmann lediglich die Anregung aufgreifen
müssen, das erheblich wirksamere Astaxanthin anstelle von Tocopherol in Be-
tracht zu ziehen. Da für den Fachmann - einen in ein Team eingebundenen
Sportmediziner - Übereinstimmungen in der physiologischen Wirkung der Sub-
stanzen maßgebend gewesen seien, hätte er Astaxanthin auch nicht wegen
Unterschieden in der chemischen Struktur im Vergleich mit Tocopherol außer
Betracht gelassen.
Die Beschränkung der Anwendung "beim gesunden Menschen" gemäß
Hilfsantrag IV sei nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen. Die
in der K9 beschriebenen Studien zielten darauf, dem durch intensives Training
verursachten Verlust der Muskelfunktion entgegenzuwirken und seien im Er-
gebnis schon auf den gesunden Menschen als intensiv trainierenden Sportler
gerichtet.
Soweit in weiteren Hilfsanträgen darauf abgestellt werde, dass "das
Astaxanthin in mit Fettsäure veresterter Form vorliegt, wobei es sich bei dem
mit Fettsäuren veresterten Astaxanthin um Algenmehl aus gezüchteten Hae-
matococcus sp. handelt", bleibe dieser Verteidigung des Streitpatents ebenfalls
der Erfolg versagt. Bereits vor dem Prioritätstag - beschrieben in der 1991 ver-
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öffentlichten japanischen Offenlegungsschrift Hei 1-218593 (K14) - sei das als
Antioxidans bekannte Astaxanthin in Form von natürlich hergestelltem Algen-
mehl aus gezüchteten Haematococcus sp. verwendet worden, welches dann
genuin mit Fettsäuren verestert vorliege.
IV.
Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren
stand.
1.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in sei-
ner zuletzt verteidigten Fassung beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit,
weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der
Technik ergab.
a)
Das Patentgericht hat als zuständigen Fachmann einen Sportme-
diziner angesehen, der jedenfalls mit einem Pharmazeuten, der sich auf dem
Gebiet der pharmazeutischen Biologie spezialisiert und mehrere Jahre Berufs-
erfahrung auf dem Gebiet der Erforschung biogener Arzneimittel hat, in einem
Team zusammenarbeitet. Ein Rechtsfehler bei dieser Festlegung wird von den
Parteien nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich.
b)
Befasst sich ein solcher Fachmann mit der Bereitstellung eines
Medikaments zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Muskeln des Men-
schen, wird er sich einen Überblick über in der Fachwelt bekannte Ansätze ver-
schaffen und dabei - wie das Patentgericht zu Recht ausführt - die K9 und K22
in den Blick nehmen.
Die Entgegenhaltungen beschreiben übereinstimmend die Beteiligung
freier Radikale bei körperlicher Anstrengung als Auslöser peroxidativer Skelett-
muskelschädigungen und insoweit einen möglichen Kausalmechanismus hin-
sichtlich der Erschöpfung der Muskelfunktion (vgl. K9, S. 213 "Summary"
- 1. Absatz, S. 215 - 1. Absatz in linker Spalte, S. 218 "2.1.1" - 1. Absatz, vgl.
K22 S. 9 "Abstract" 1. Satz, S. 11 "Discussion" - 1. Satz, S. 12 letzter Absatz).
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Zugleich belegen sie, dass dem Antioxidans Vitamin E als physiologischem Ra-
dikalfänger ein Schutz vor Lipidperoxidation und einer damit zusammenhän-
genden bewegungsinduzierten Muskelschädigung zuerkannt wird (vgl. K9,
S. 213 "Summary" - 1. Absatz, S. 214 - noch zur "Summary" gehörender Ab-
satz, S. 229 "2.2.3" - 1. Absatz, S. 231 - 2. Absatz in linker Spalte, S. 231
- 1. Absatz in rechter Spalte, vgl. K22, S. 10 - 3. Absatz in linker Spalte). Hu-
manstudien wiesen darauf hin, dass eine Zuführung von antioxidativen Vitami-
nen Personen empfohlen werden könne, die regelmäßig schwere körperliche
Bewegung absolvierten. Trainierte Personen hätten im Vergleich zu untrainier-
ten Personen einen Vorteil, da Training zu einer erhöhten Aktivität mehrerer
antioxidativer Enzyme führe und den allgemeinen antioxidativen Status verbes-
sere (K9, S. 14 "Summary", letzter Absatz). Die K22 - die insoweit von der K9
zusammengefasst und gewürdigt wird - kommt anhand von Versuchen zur
Schwimmausdauer bei Mäusen zu dem Ergebnis, dass das Einfangen und De-
aktivieren freier Radikale (zwecks Begrenzung ihrer schädlichen Wirkung) mit-
tels Vitamin E die Ausdauer bei Muskelanstrengung stark erhöht (vgl. K22,
S. 11 f.). Ebenso empfiehlt die K9 in ihrer Bewertung der Erkenntnisse der
Fachwelt aus verschiedenen Veröffentlichungen und Studien trotz weiterhin
strittiger Punkte eine Supplementierung mit antioxidativen Vitaminen wie Vita-
min E für Personen, die regelmäßig schwere körperliche Bewegung absolvie-
ren, zur Prävention von durch körperliche Bewegung verursachten Muskel-
schäden (vgl. K9, S. 237 - ).
Mit dem Patentgericht ist demnach davon auszugehen, dass aus der K9
und der K22 die Verwendung von Vitamin E zur Herstellung eines Medikaments
zur prophylaktischen und/oder therapeutischen Steigerung der Muskelfunkti-
onsdauer des Menschen bekannt war und sich der Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 des Streitpatents davon allein durch die Verwendung von Xantho-
phyllen unterscheidet. Der demgegenüber von der Beklagten vorgebrachte
Einwand, in K9 und K22 sei allein die Behandlung von Muskelschädigungen mit
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Krankheitswert offenbart, greift nicht durch. Wie erläutert, erfasst die Lehre aus
Anspruch 1 des Streitpatents in der zuletzt verteidigten Fassung auch die Stei-
gerung der Funktionsdauer des menschlichen Muskels in prophylaktischer Hin-
sicht zur Vermeidung eines krankhaften Zustands desselben. Abgesehen hier-
von ist auch die Steigerung der Muskelfunktionsdauer des gesunden menschli-
chen Muskels durch Verabreichung von Vitamin E im Stand der Technik durch
die K9 und K22 als bekannt beschrieben.
Ohne Erfolg bleiben Einwände der Berufung gegen die Heranziehung der
K22 und der darin referierten Verlängerung der Muskelausdauerleistung bei
Mäusen nach
α-Tocopherol-Injektionen für die Überlegungen des Fachmanns.
Die Annahme, dass dieser Anlass hatte, die K22 bei seinen Überlegungen zu
berücksichtigen, erweist sich unabhängig von den Zweifeln der Beklagten an
der vom Patentgericht angenommenen Einbeziehung in die Offenbarung der K9
als rechtlich zutreffend, weil die K22 eine eigenständige Veröffentlichung nach
Art. 54 Abs. 2 EPÜ bildet.
Die Behauptung der Beklagten, die Studie K22 weise gravierende kon-
zeptionelle Fehler bei der Anlage und Auswertung der im Hinblick auf die Ver-
längerung der Muskelausdauerleistung bei Mäusen nach
α-Tocopherol-
Injektionen durchgeführten Versuche auf, führt zu keiner anderen Bewertung.
Bei der Prüfung, ob der Stand der Technik ausgehend von einer Entgegenhal-
tung dem Fachmann die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt hat, ist nicht
nur zu berücksichtigen, was sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig
aus dieser Entgegenhaltung ergibt, sondern gleichermaßen, was der Fachmann
kraft seines Fachwissens aus ihr ableitet (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012
- X ZR 134/11, GRUR 2013, 363 - Polymerzusammensetzung). Maßgeblich ist,
ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort
beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff an-
zuwenden. Dabei kann die Überlegung Bedeutung gewinnen, ob sich aus die-
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sen Maßnahmen eine angemessene Erfolgserwartung für die Lösung des sich
stellenden technischen Problems ergab (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012
- X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 - Calcipotriol-Monohydrat).
Nach diesen Grundsätzen genügt vorliegend die Feststellung, dass der
Fachmann die Studie der K22 als in der Sekundärliteratur K9 positiv als Teil
einer Forschungs- und Entwicklungslinie gewürdigt erkennen konnte und be-
reits deshalb Anlass hatte, die Annahmen und Ergebnisse der K22 als Arbeits-
hypothese seinen - letztlich durch eigene Routineversuche zu überprüfenden -
Überlegungen bei der Lösung des technischen Problems zugrunde zu legen.
Die Rüge der Berufung, der Fachmann hätte die Entgegenhaltung verworfen,
weil die durchgeführten Versuche wissenschaftlichen Standards nicht genügten,
greift nicht durch. Zutreffend ist zwar, dass nach den Angaben der K22 einer
Gruppe von Mäusen bei den Schwimmtests bis zur körperlichen Erschöpfung
täglich drei intramuskuläre Injektionen von
α-Tocopherol (100mg/kg) in Olivenöl
verabreicht wurde, während die Mäuse einer anderen Gruppe bei gleicher kör-
perlicher Anstrengung lediglich intraperitoneale Injektionen mit Kochsalzlösung
(0,2 ml) erhielten. Die K22 gab dem Fachmann aber keinen Grund zu der An-
nahme, dass nicht die Gabe von
α-Tocopherol - wie als Ergebnis der Schwimm-
tests festgestellt (K22, Abstract, S. 9; Figur 1; vgl. auch Tabelle 2) - zur starken
Erhöhung der Ausdauerleistung der Mäusegruppe im Vergleich mit der anderen
Mäusegruppe geführt habe, sondern diese Leistungssteigerung stattdessen auf
das mit dem
α-Tocopherol verabreichte Olivenöl als zusätzliche Energiequelle
zurückzuführen sei.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten geht aus der K22 bereits nicht
hervor, dass die Tiere der
α-Tocopherol-Gruppe während der Tests 0,6 ml Oli-
venöl pro Tag erhalten haben. Vielmehr enthält die K22 keine Angaben zum
Injektionsvolumen bei dieser Mäusegruppe. Allein der Umstand, dass der Ver-
gleichsgruppe jeweils 0,2 ml Kochsalzlösung intraperitoneal injiziert wurde,
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reicht nicht aus, um auf ein entsprechendes Injektionsvolumen bei der in-
tramuskulären Gabe von Vitamin E in Olivenöl zu schließen. Kann für die nach
der K22 durchgeführten Schwimmtests nicht - entsprechend den weiteren Aus-
führungen der Beklagten - angenommen werden, dass den Mäusen der
α-Tocopherol-Gruppe täglich 0,6 ml Olivenöl injiziert wurden, gehen auch die
weiteren Berechnungen der Beklagten, wonach 0,6 ml Olivenöl einen Brenn-
wert von 5,3 kcal haben, was bei einer durchschnittlichen täglichen Kalorien-
aufnahme von 13,3 +/- 0,3 kcal 40 % des täglichen Energiebedarf
einer Maus bedeute, ins Leere.
Im Übrigen ist dem Vorbringen der Beklagten auch nicht zu entnehmen,
ob und in welchem Umfang der Fachmann aus einer intramuskulären Injektion
von in Olivenöl aufgelöstem
α-Tocopherol auf eine relevante Energieaufnahme
bei den Mäusen der Schwimmtests schließen musste. Das Patentgericht hat in
diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass die Verabreichung in
die Muskulatur nicht mit einer Gabe über den Magen-Darmtrakt oder einer in-
travenösen Injektion vergleichbar sei. Die Beklagte hält dem unter Verweis auf
die Anlage N16 ("Injektionsarten", Internet-Ausdruck von www.medizininfo.de)
zwar entgegen, dass ein Medikament bei intramuskulärer Injektion schneller
aufgenommen werde, als bei einer subkutanen Injektion und dass entspre-
chend auch intramuskulär injiziertes Olivenöl schnell in die Blutbahn übertrete.
Damit ist aber noch nicht dargelegt, dass der Fachmann zu der Schlussfolge-
rung gelangen musste, die in der K22 wiedergegebenen Tests genügten nicht
wissenschaftlichen Standards und das Ergebnis der K22, die Gabe von Vita-
min E erhöhe die Ausdauerleistung bei starker körperlicher Betätigung, sei als
Ausgangspunkt für weitere Überlegungen und Versuche zur Lösung des Prob-
lems, ein Medikament zur Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit der
Muskeln von Menschen zu finden, zu verwerfen. Selbst wenn der Fachmann
aus den von der Berufung angeführten Gründen Zweifel an der Validität der
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- 17 -
Versuchsergebnisse gehabt hätte, waren diese kein zureichender Grund, die
den Versuchen zugrundeliegende Hypothese zu verwerfen.
Endlich überzeugt die Erwägung der Berufung nicht, der Fachmann habe
entgegen dem Offenbarungsgehalt der K9 und der K22 im Hinblick auf andere
Veröffentlichungen mit einem negativen Ergebnis - wie die N7 (
) und
die N10 (
) - keinen leistungssteigernden Effekt von Vitamin E an-
nehmen dürfen und hätte deshalb bei seinen Überlegungen das antioxidative
Astaxanthin nicht als Alternative hierzu erwogen. Die Beklagte lässt dabei unbe-
rücksichtigt, dass unabhängig von einem eindeutigen wissenschaftlichen
Nachweis eines tatsächlichen Zusammenhangs zwischen der antioxidativen
Wirkung des Vitamin E und einer Leistungssteigerung der Muskelfunktion ein
solcher Zusammenhang im Stand der Technik, wie die K9 und die K22, aber
auch weitere Entgegenhaltungen wie die K19 (
)
belegen, jedenfalls eingehend diskutiert wurde. Der Fachmann hatte somit zu-
mindest hinreichenden Anlass, einen solchen Zusammenhang für plausibel zu
halten und hierauf seine durch eigene Routineversuche zu überprüfenden Über-
legungen bei der Lösung des technischen Problems aufzubauen.
Danach kann offenbleiben, ob die N10 den Fachmann auch deshalb
nicht davon abhalten konnte,
α-Tocopherol als die Muskelfunktionsdauer ver-
besserndes Mittel in Betracht zu ziehen, weil der Verdacht bestand, dass die
Tests, aus denen in der Entgegenhaltung abgeleitet wird, dass Vitamin E die
physische Leistungsfähigkeit nicht verbessere, durch die Gabe von Dopingmit-
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teln verfälscht worden sein könnten, wie die Klägerin im Hinblick auf die Tabelle
4 der N10 geltend macht, wonach ein aerobes Trainingsprogramm bei austrai-
nierten Radsportlern mit und ohne
α-Tocopherolsupplementierung nach stan-
dardisiertem Radergometertest zu überraschend hohen Steigerungen von
6,1 % (Kontrollgruppe von 3,12 W/kg auf 3,31 W/kg) bzw. 6,5 % (
α-Tocopherol-
Gruppe von 3,10 W/kg auf 3,30 W/kg) der körperlichen Leistungsfähigkeit in-
nerhalb von fünf Monaten geführt haben soll.
c)
Ergab sich für den Fachmann nach alledem aus dem Stand der
Technik zumindest die begründete Erwartung einer prophylaktischen und/oder
therapeutischen Steigerung der Muskelfunktionsdauer des Menschen durch
medikamentöse Verwendung von Vitamin E aufgrund seiner antioxidativen Wir-
keigenschaften, entnahm er den Entgegenhaltungen K8 und K7 (
)auch die Anregung, das hinsichtlich seiner oxidativen Zellschutz-
wirkung erheblich wirksamere Xanthophyll Astaxanthin als Alternative zu Vita-
min E in Betracht zu ziehen (K8Ü [deutsche Übersetzung], S. 2, Z. 17 ff.; S. 3,
Z. 4 ff.; S. 4, Z. 5 ff.; S. 7, Z. 27 ff.; S. 12 ff. - drittes bis siebtes Beispiel; S. 20,
Z. 7 ff.; K7, Abstract, S. 141; , S. 145), und gelangte so unter Über-
prüfung seiner Erwartungen mittels routinemäßiger Versuche zur patentgemä-
ßen Lösung.
Dass die K8 und die K7 das Xanthophyll Astaxanthin als wirksamere Al-
ternative zu Vitamin E lediglich allgemein vor dem Hintergrund der Vermeidung
oxidationsbedingter Zellschäden adressieren und nicht spezifisch im Hinblick
auf Muskelgewebe erörtern, steht dem nicht entgegen. Denn war dem Fach-
mann bekannt bzw. hatte er zumindest begründeten Anlass zur Annahme, dass
mit einer Vitamin-E-Supplementation eine Steigerung der Muskelfunktionsdauer
gerade aufgrund dessen antioxidativer Eigenschaften bewirkt werden kann, ge-
nügte dem Fachmann die allgemeine Erkenntnis über die gesteigerte antioxida-
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tive Wirksamkeit des Astaxanthins, um dieses Xanthophyll als Alternative zum
Vitamin E in Betracht zu ziehen.
Ausgehend von dieser Erkenntnis wurde der Fachmann trotz der Unter-
schiede in der Molekülstruktur des bekanntesten Vitamin-E-Isomers
α-Toco-
pherol einerseits und Astaxanthin andererseits dazu angeregt, eine Austausch-
barkeit der Stoffe bei der Steigerung der Muskelfunktionsdauer von Säugern
- und damit insbesondere auch des Menschen - in Erwägung zu ziehen und
diese Erwägung durch routinemäßige Versuche nachzuprüfen, womit er zur
Lösung des Streitpatents gelangen konnte. Denn selbst wenn der Fachmann
aufgrund der strukturellen Unterschiede der Moleküle aus seinem allgemeinen
Fachwissen nicht auf eine gleichartige Wirkung der Stoffe zu schließen ver-
mochte, begründete der im Stand der Technik ausdrücklich beschriebene ver-
gleichbare Schutz vor oxidationsbedingten Zellschäden für ihn die Erwartung,
dass Vitamin E und Astaxanthin funktionell austauschbar sind.
2.
Das Streitpatent kann auch in den Fassungen der zuletzt gestell-
ten zwei Hilfsanträge (in der Anlage E 4 der Beklagten als Hilfsanträge VI und
VII bezeichnet) keinen Bestand haben.
a)
Die Beschränkung auf Astaxanthin in mit Fettsäuren veresterter
Form aus Algenmehl aus gezüchtetem Haematococcus sp. (Unteranspruch 3
des Hauptantrags und Hilfsantrag VI) hat das Patentgericht als nicht patentfähig
angesehen. Weder lässt diese Beurteilung einen Rechtsfehler erkennen, noch
zeigt die Berufung einen solchen auf. Gleiches gilt im Hinblick auf Unteran-
spruch 2 des Hauptantrags, der vorsieht, dass Astaxanthin in mit Fettsäuren
veresterter Form vorliegt.
b)
Soweit der Hilfsantrag VII gegenüber dem Hilfsantrag VI von der
"Steigerung der Kraft/Ausdauer" statt der "Steigerung der Muskelfunktionsdau-
er" spricht, wird darin keine Änderung des Anspruchsinhalts im Sinne einer Be-
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schränkung deutlich. Aus den angeführten Gründen war daher auch der Ge-
genstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags VII nahege-
legt.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und
§ 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Da der Beklagtenwechsel bereits vor dem Pa-
tentgericht wirksam war, kann die erstinstanzliche Kostenentscheidung insoweit
keinen Bestand haben, als sie der ausgeschiedenen Beklagten Kosten aufer-
legt.
Meier-Beck
Gröning
Grabinski
Hoffmann
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 17.12.2013 - 3 Ni 31/11 (EP) -
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