Urteil des BGH vom 15.05.2012

Gemischte Schenkung, Gegenleistung, Zuwendung, Kaufpreis, Herausgabe

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 5/11
Verkündet am:
15. Mai 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 15. Mai 2012 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und die Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 22. Dezember 2010
verkündete Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Ober-
landesgerichts aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht als Sozialhilfeträger aus übergeleitetem Recht gegen
den Beklagten Ansprüche auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung
der Schenkerin geltend.
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Der Kläger hat der Schwiegermutter des Beklagten, Frau A. P. ,
die in der Zeit vom 27. November 2003 bis zu ihrem Tod am 10. April 2009 in
einem Altenheim gelebt hat, Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt
17.080,45
€ geleistet.
Frau P. war Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten
Grundstücks. Mit notariellem Vertrag vom 23. November 2000 übertrug Frau
P. bei gleichzeitiger Begründung von Wohnungseigentum an der Wohnung
im Erdgeschoss und an der Wohnung im Dachgeschoss ihres Hauses einen
Miteigentumsanteil von 49/100 sowie Wohnungseigentum an der Wohnung im
Dachgeschoss nebst entsprechendem Grundstücksanteil zu einem Preis von
100.100 DM an den Beklagten. Mit notariellem Vertrag vom 10. Juni 2004 über-
trug sie den restlichen 51/100 Miteigentumsanteil verbunden mit Wohnungsei-
gentum an der Wohnung im Erdgeschoss an den Beklagten zu einem Kaufpreis
von 18.500
€.
Der Vertrag vom 23. November 2000 enthält in § 5 die folgende Rege-
lung:
"Ein Teilbetrag in Höhe von DM 66.480,00 wird auf die vom Käufer
bisher erbrachten Leistungen für die Instandsetzung und Renovie-
rung der Wohnung im Dachgeschoss angerechnet. Für den Rest-
kaufpreis in Höhe von DM 33.240 übernimmt der Käufer auf Le-
benszeit des Verkäufers alle für den Verkäufer anfallenden Kosten
für das gesamte Grundstück. Diese sind insbesondere die Kosten
für Heizung, Wasser, Strom, Müllabfuhr, Gartenpflege und Winter-
dienst sowie Steuern, Versicherungen und Grundbesitzabgaben.
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Damit ist der ganze Kaufpreis belegt. Auszahlungen an den Ver-
käufer erfolgen nicht."
In § 5 des Vertrags vom 10. Juni 2004 heißt es:
"
Der Kaufpreis beträgt € 18.500. Der Kaufpreis wird mit den von
dem Erwerber bisher erbrachten Leistungen für die Instandset-
zung und Renovierung der Wohnung sowie erbrachter Pflegeleis-
tungen verrechnet. Auszahlungen an den Veräußerer erfolgen
nicht."
Der Kläger hat zu den Stichtagen 23. November 2000 und 10. Juni 2004
ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks eingeholt. Danach be-
trug der Wert des Anteils von 49/100 56.350
€ und derjenige des Anteils von
51/100 75.480
€. Durch Aufteilung des Grundstücks hat der Beklagte zudem
einen Bauplatz geschaffen mit einem Grundstückswert von 34.580
€.
Nach Auffassung des Klägers stellen die notariellen Verträge zwischen
Frau P. und dem Beklagten gemischte Schenkungen dar.
Der Kläger hat Ansprüche der Frau P. gegen den Beklagten aus
§§ 528, 812 ff. BGB auf sich übergeleitet. Der hiergegen erhobene Widerspruch
und die anschließende Klage des Beklagten blieben ohne Erfolg.
Der Kläger stützt sein Klagebegehren vorrangig auf Herausgabe der
durch den Vertrag vom 10. Juni 2004 und hilfsweise der durch den Vertrag vom
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23. November 2000 erlangten Zuwendung und verlangt Zahlung von
17.080,45
€ nebst Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat
das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Der Beklagte tritt dem entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet: Beide notarielle Verträge stellten sich nicht als gemischte
Schenkungen dar. Eine gemischte Schenkung liege vor, wenn bei einem ein-
heitlichen Vertrag, bei dem der Wert der Leistung des einen dem Wert der Leis-
tung des anderen nur zum Teil entspreche, die Vertragsparteien dies wüssten
und übereinstimmend wollten. Bei einem auffallenden groben Missverhältnis
zwischen Leistung und Gegenleistung könne im Einzelfall auf den subjektiven
Tatbestand einer Schenkung geschlossen werden. Auch unter dieser Voraus-
setzung sei allerdings von einer gemischten Schenkung nur dann auszugehen,
wenn der unentgeltliche Charakter des Geschäfts überwiege. Dies sei dann der
Fall, wenn der Wert der Gegenleistung weniger als die Hälfte des effektiven
Werts des Geschenks betrage.
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Dies treffe für beide notarielle Verträge nicht zu. Gegenstand der durch
den Vertrag vom 10. Juni 2004 erfolgten Zuwendung sei eine unsanierte Eigen-
tumswohnung gewesen. Für den Wert des nicht sanierten Objekts sei nach
dem Vortrag des Klägers von den von ihm eingeholten Wertgutachten auszu-
gehen, wonach der Wert des Objekts am Wertermittlungsstichtag 10. Juni 2004
insgesamt 148.000
€ betragen habe. Davon entfielen auf den übertragenen
Miteigentumsanteil 51% = 75.480
€. Weiter seien der auf die Erdgeschosswoh-
nung entfallende Anteil von Aufwendungen für die Sanierung der Außenanlagen
sowie die Sanierungskosten für die Erdgeschosswohnung abzuziehen. Der
Wert des übertragenen Grundstücksanteils belaufe sich demnach auf 21.251
€.
Dieser Betrag stehe in keinem groben Missverhältnis zu dem im notariellen Ver-
trag angegebenen Kaufpreis von 18.500
€. Auch sei die vom Beklagten tatsäch-
lich erbrachte Gegenleistung nicht wesentlich geringer zu bewerten als der im
Vertrag angegebene Betrag von 18.500
€. Allerdings könnten insoweit die Sa-
nierungsaufwendungen, die der Beklagte erbracht habe, nicht berücksichtigt
werden, weil sie entweder als Aufwendungen des Beklagten auf sein eigenes
Vermögen oder als bereicherungsrechtlich rückabzuwickelnde Zuwendungen
an die Schwiegermutter anzusehen seien. Zu berücksichtigen seien jedoch die
Leistungen des Beklagten, die dieser erbracht habe, um die Herstellung der
Vermietbarkeit zu erreichen. Diese hätten mehr als 12.000
€ betragen. Hinzu
komme ein Betrag von 5.500 DM, den der Beklagte seiner Schwiegermutter für
Pflegekosten und als Taschengeld zugewandt habe. Der Betrag der tatsächli-
chen Gegenleistung übersteige danach die Hälfte des tatsächlichen Werts des
Objekts. Es bestehe damit kein besonders grobes Missverhältnis, bei dem auf
der Hand läge, dass die Parteien bei der Übertragung die Vorstellung gehabt
hätten, diese erfolge überwiegend unentgeltlich.
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Auch hinsichtlich der Übertragung der Dachgeschosswohnung liege kei-
ne gemischte Schenkung vor. Auch hier ergebe der Vortrag des Klägers nicht,
dass die tatsächliche Gegenleistung nicht mindestens die Hälfte des tatsächli-
chen Werts des Objekts betragen habe. Der Kläger selbst unterstelle einen Sa-
nierungsaufwand in Höhe von 23.317,06 DM, den der Beklagte getragen habe.
Addiere man dazu die vom Beklagten gemäß § 5 des Vertrages übernomme-
nen Grundstückskosten (für Heizung, Wasser, Strom etc.) mit 33.240 DM, so
ergebe sich ein Betrag, der mehr als die Hälfte des vom Kläger angenommenen
Werts des Objekts ausmache.
II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den vom Be-
rufungsgericht getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch auf Herausgabe
des Werts der Schenkungen nicht verneint werden. Die Feststellungen des Be-
rufungsgerichts genügen nicht, das Vorliegen von gemischten Schenkungen zu
verneinen. Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn der Beschenkte durch
einen Überschuss des Werts der Zuwendungen verglichen mit seinen Gegen-
leistungen objektiv bereichert wird, die Vertragsparteien sich dieses Überschus-
ses bewusst und subjektiv darüber einig sind, jedenfalls den überschießenden
Zuwendungsteil dem Beschenkten unentgeltlich zuzuwenden. Dies setzt nicht
voraus, dass der objektive Wert der Zuwendung mindestens das Doppelte der
Gegenleistung beträgt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - X ZR 45/10, NJW
2012, 605 = FamRZ 2012, 207).
1. Voraussetzung ist zunächst, dass dem Beschenkten objektiv eine
Leistung des Schenkers zugewandt wird, die den Wert der versprochenen Ge-
genleistung überwiegt (vgl. BGH, Urteile vom 21. Mai 1986 - IVa ZR 171/84,
NJW-RR 1986, 1135, vom 18. Mai 1990 - V ZR 304/88, WM 1990, 1790). Hier-
für reicht eine bloße Wertdifferenz zugunsten des Beschenkten aus. Bei Vorlie-
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gen einer oder mehrerer Gegenleistungen bedarf es insbesondere nicht eines
Überwiegens des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem
entgeltlichen; der Wert der geschenkten Zuwendung muss also nicht mindes-
tens das Doppelte etwaiger Gegenleistungen betragen.
Anderes ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Schenker bei einer ge-
mischten Schenkung aufgrund eines Herausgabeanspruchs die vollständige
Herausgabe des Geschenks in Natur gegen Rückgewähr der Gegenleistung
verlangt. Diese Form der Rückabwicklung kann der Schenker nur verlangen,
wenn der unentgeltliche Charakter des Vertrags überwiegt, die Zuwendung des
Schenkers also den doppelten Wert im Vergleich zur Gegenleistung hat (st.
Rspr. seit BGH, Urteil vom 27. November 1952 - IV ZR 146/52, NJW 1953, 501;
vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 - X ZR 42/97, NJW 1999, 1626). Dieses
Kriterium hat damit nur für die Rückabwicklung Bedeutung. Überwiegt der un-
entgeltliche Charakter nicht, kann gleichwohl eine Schenkung vorliegen mit der
Folge, dass der Schenker dann mit seinem Herausgabeanspruch nur einen
Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und Gegenleis-
tung verlangen kann.
2. Auch der subjektive Tatbestand setzt nicht voraus, dass bei einer ge-
mischten Schenkung der unentgeltliche Charakter überwiegt.
a) Dieser Tatbestand ist in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Ge-
samtumstände des Falls festzustellen, wobei derjenige die Beweislast trägt, der
sich auf die Schenkung beruft.
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b) Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem Verhältnis zwischen dem
Wert der Zuwendung und dem Wert der Gegenleistung zu. Besteht hierbei eine
auffallende, über ein geringes Maß deutlich hinausgehende Diskrepanz, dann
begründet dies im Einklang mit der Lebenserfahrung die tatsächliche widerleg-
bare Vermutung für einen Schenkungswillen der Vertragsparteien (BGH, Urteil
vom 6. März 1996 - IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754). Auch unter diesem Ge-
sichtspunkt trifft daher die Annahme des Berufungsgerichts nicht zu, eine ge-
mischte Schenkung sei nur festzustellen, wenn die Zuwendung des Schenkers
den doppelten Wert der Gegenleistung erreiche.
III. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und die Sache an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann den Rechtsstreit nicht
selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht unter Zugrundelegung vorste-
hender Grundsätze den Sachverhalt erneut tatrichterlich zu beurteilen haben
wird. Seine bisherigen Feststellungen tragen das Ergebnis nicht.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Be-
klagte keine Sanierungskosten in Ansatz bringen kann. Für die bis zum 10. Juni
2004 erbrachten Aufwendungen gelten die vertraglichen Regelungen in den
notariellen Verträgen und sind diese Aufwendungen auf den jeweils vereinbar-
ten Kaufpreis verrechnet worden. Bei den nach dem 10. Juni 2004 entstande-
nen Sanierungskosten, handelt es sich um Aufwendungen, die der Beklagte auf
sein eigenes Vermögen erbracht hat.
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Soweit das Berufungsgericht gleichwohl bei der Ermittlung des "Ge-
samtwerts des Objekts" zum Stichtag 10. Juni 2004 einen Anteil der Kosten der
Außensanierung und die Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnung in
Abzug gebracht hat, ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage und
aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen dies geschehen ist. Nach dem
ansonsten vom Berufungsgericht herangezogenen Wertgutachten betrug der
Verkehrswert des Hausgrundstücks zum Wertermittlungsstichtag 23. November
2000 115.000
€ und zum Wertermittlungsstichtag 10. Juni 2004 148.000 €. Da-
zu wird in dem Wertgutachten ausgeführt, dass für den ersten Bewertungsstich-
tag trotz des Ausbaus und der Renovierung der Wohnung im Dachgeschoss
insgesamt ein einfacher Bau- und Ausstattungsstandard des Hauses und zu
dem zweiten Bewertungsstichtag aufgrund der inzwischen erfolgten baulichen
Maßnahmen ein mittlerer Ausstattungsstandard zugrunde gelegt worden sei.
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Weder aufgrund dieser Ausführungen noch aufgrund der übrigen Feststellun-
gen des Berufungsgerichts besteht danach beim gegenwärtigen Sachstand An-
lass für den Abzug von Sanierungskosten von dem zugrunde gelegten "Ge-
samtwert des Objekts". Das könnte dafür sprechen, dass jedenfalls bei dem
Vertrag vom 10. Juni 2004 eine auffallende, über ein geringes Maß deutlich
hinausgehende Diskrepanz zwischen Zuwendung und Gegenleistung vorliegt.
Keukenschrijver
Mühlens
Gröning
Grabinski
Schuster
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 17.03.2010 - 8 O 409/09 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.12.2010 - 3 U 61/10 -