Urteil des BGH vom 24.03.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Stahl, Patentgericht

ECLI:DE:BGH:2016:240316UXZR47.14.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 47/14
Verkündet am:
24. März 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. März 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning, Dr. Grabinski,
Hoffmann und die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Die Berufungen gegen das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeits-
senats) des Bundespatentgerichts vom 5. Mai 2014 werden zu-
rückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die
Klägerin zu 1 drei Viertel und die Klägerin zu 2 ein Viertel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 101 24 624, das unter
Inanspruchnahme der Priorität einer inländischen Erstanmeldung vom 17. März
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2001 am 21. Mai 2001 angemeldet wurde (nachfolgend: Streitpatent). Die Pa-
tentansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
"1. Zungenvorrichtung für eine Weiche, insbesondere für Stra-
ßenbahngleise, aus einem aus einem Vollblock hergestellten,
im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett, dadurch gekenn-
zeichnet, dass der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit
dem Zungenbett (4) aus einem Stahl hochfester Güte und der
untere Teil (2) der Zungenvorrichtung aus Baustahl besteht,
wobei der obere Teil und der untere Teil miteinander verbun-
den sind.
2. Herzstück für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahn-
gleise, dadurch gekennzeichnet, dass das aus einem Voll-
block hergestellte Herzstück (7) einen oberen Teil (1) aus ei-
nem Stahl hochfester Güte und einen unteren Teil (2) aus
Baustahl hat, wobei der obere Teil und der untere Teil mitein-
ander verbunden sind."
Die Patentansprüche 3 bis 5 sind unmittelbar oder mittelbar auf die Pa-
tentansprüche 1 oder 2 rückbezogen.
Die von der Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommene
Klägerin zu 1 hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht
patentfähig. Die ebenfalls aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Kläge-
rin zu 2 hat sich auf fehlende Patentfähigkeit der Patentansprüche 2 bis 5 beru-
fen und außerdem geltend gemacht, dass die Erfindung nach Patentanspruch 5
nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass sie ausgeführt werden kön-
ne. Die Beklagte hat das Streitpatent in vollem Umfang verteidigt. Das Patent-
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gericht hat das Streitpatent im Umfang des Patentanspruchs 5 wegen unzu-
reichender Offenbarung für nichtig erklärt und die Klage im Übrigen abgewie-
sen. Mit ihren Berufungen verfolgen die Klägerinnen zu 1 und 2 ihre Klagen im
vom Patentgericht nicht zuerkannten Umfang weiter. Die Beklagte tritt den
Rechtsmitteln entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen bleiben in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Streitpatent betrifft eine Zungenvorrichtung sowie ein Herzstück
für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise.
1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass Zungenvorrichtungen
mit einem Zungenbett, auf dem die Weichenzunge hin und her gleiten könne,
vorzugsweise zusammengeschweißt oder, wie in der deutschen Patentschrift
40 11 523 (K4) offenbart, aus einem Vollblock herausgefräst würden (Abs. 2).
Bei der Zungenvorrichtung müssten anschließend die Verschleißflächen
im Kontaktbereich zwischen Rad und Schiene und der Gleitbereich der Zunge
im Zungenbett gehärtet werden. Das Härten sei jedoch sehr aufwändig und
kostspielig. Zudem entstünden durch die Wärmebehandlung Spannungen und
Verzug. Die Teile der Zungenvorrichtung müssten entsprechend aufwändig
manuell gerichtet werden (Abs. 3).
Es sei auch bekannt, eine Zungenvorrichtung oder ein Herzstück für eine
Weiche aus einem Vollblock aus einem Stahl hochfester Güte herzustellen. Bei
diesem Verfahren sei ein nachträgliches Härten nicht erforderlich. Nachteilig sei
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jedoch, dass der hochfeste Stahl sehr teuer sei. Hinzu komme, dass die Voll-
blöcke in der benötigten Güte und Stärke auf dem Markt nur mit Mühe beschafft
werden könnten (Abs. 4).
Nach den Angaben der Streitpatentschrift liegt dem Streitpatent die Auf-
gabe zugrunde, die Materialkosten für eine Zungenvorrichtung oder ein Herz-
stück für eine Weiche, hergestellt aus einem Vollblock, zu reduzieren.
Das soll nach Patentanspruch 1 durch eine Zungenvorrichtung mit fol-
genden Merkmalen erreicht werden:
1. a) Zungenvorrichtung für eine Weiche,
1. b) aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentli-
chen trogförmigen Zungenbett,
1. c) der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit dem Zungen-
bett (4) besteht aus einem Stahl hochfester Güte,
1. d) der untere Teil (2) der Zungenvorrichtung besteht aus Bau-
stahl,
1. e) der obere Teil und der untere Teil sind miteinander verbun-
den.
Nach Patentanspruch 2 ist ein Herzstück mit folgenden Merkmalen ge-
schützt:
2. a) Herzstück für eine Weiche,
2. b) das Herzstück ist aus einem Vollblock hergestellt,
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2. c) das Herzstück hat einen oberen Teil aus einem Stahl hoch-
fester Güte,
2. d) das Herzstück hat einen unteren Teil aus Baustahl,
2. e) der obere Teil und der untere Teil sind miteinander verbun-
den.
Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung stammt aus der Streitpa-
tentschrift und zeigt beispielhaft ein erfindungsgemäßes Zungenbett mit einer
darin liegenden Zunge (5):
2. Patentanspruch 1 stellt ein Erzeugnis und kein Verfahren unter
Schutz. Aus Sicht des Fachmanns, der vom Patentgericht zutreffend als ein
Ingenieur des Fachbereichs Maschinenbau mit besonderer Erfahrung im Gleis-
bau und einschlägigen Kenntnissen in Werkstoffkunde definiert worden ist, ist
das auf einen Herstellungsvorgang bezogene Merkmal 1b daher dahin zu ver-
stehen, dass das im Wesentlichen trogförmige Zungenbett - unabhängig vom
tatsächlichen Herstellungsverfahren - die Beschaffenheit eines aus einem Voll-
block hergestellten Zungenbetts aufweisen muss.
Aus der zur Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehenden Be-
schreibung ergibt sich, dass die sich aus Merkmal 1b ergebenden Anforderun-
gen an die Beschaffenheit des oberen Teils des Zungenbetts nicht schon dann
erfüllt sind, wenn dieses einstückig ausgebildet ist. Vielmehr muss es die Be-
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schaffenheit eines Bauteils aufweisen, dessen äußere Konturen dadurch her-
gestellt werden, dass überschüssiges Material durch spanabhebende Bearbei-
tung "aus dem Vollen" abgetragen wird. Nach den auf Merkmal 1b bezogenen
Ausführungen in der Beschreibung ist die aus der D4 bekannte Zungenvorrich-
tung für eine Weiche zwar insoweit nachteilig, als diese - einteilig - aus einem
Vollblock hochfesten Stahls hergestellt wird und deshalb teuer und schwierig in
der Beschaffung ist. Sie bietet aber zugleich den Vorteil, dass ein zeitaufwändi-
ges und kostspieliges Härten des Zungenbetts nicht mehr notwendig ist
(Abs. 4). Entsprechend macht es sich das Streitpatent zur Aufgabe, die Kosten
für eine aus einem Vollblock hergestellte Zungenvorrichtung zu verringern
(Abs. 5), knüpft aber ansonsten an die aus der D4 bekannte Zungenvorrichtung
an, die als
„aus einem Vollblock herausgefräste“, mithin durch spanabhebende
Bearbeitung des Vollblocks hergestellte Zungenvorrichtung beschrieben wird
(Abs. 2). Die besondere Qualität bzw. Beschaffenheit einer derart durch span-
abhebende Bearbeitung des Vollblocks entstandenen Kontur des Zungenbetts
liegt in der Verminderung von Herstellungstoleranzen, wie sich dem Fachmann
aufgrund seines Fachwissens erschließt, worüber er aber auch durch die in der
Beschreibung des Streitpatents zitierte D4 belehrt wird (vgl. D4, Sp. 1, Z. 34 f.).
3. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu Patentanspruch 1
wird der Fachmann auch Merkmal 2b des Patentanspruchs 2 dahin verstehen,
dass das erfindungsgemäße Herzstück die Beschaffenheit eines Herzstücks
aufweisen muss, das aus einem Vollblock durch spanabhebende Bearbeitung
hergestellt worden ist. Den Merkmalen 2c und 2d entnimmt er überdies, dass
jedes der beiden Teile des Herzstücks über diese Beschaffenheit verfügen
muss, also sowohl das obere, aus einem Stahl hochfester Güte bestehende, als
auch das untere, aus Baustahl bestehende Teil.
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II. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit im Wesentlichen ausge-
führt:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch den vorgelegten Stand
der Technik nicht vorweggenommen. Die britische Patentschrift 674 988 (K7)
und die deutsche Patentschrift 1 222 957 (K8) beträfen jeweils nur ein Herz-
stück für eine Weiche, nicht aber eine Zungenvorrichtung. In den US-ameri-
kanischen Patentschriften 976 056 (K10), 705 056 (K12) und 1 564 340 (K14)
sowie der britischen Patentschrift 3074 (K13) finde sich keine Angabe über Ma-
terial und Beschaffenheit des unteren Teils.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch nicht naheliegend ge-
wesen. Die deutsche Offenlegungsschrift 40 11 523 (K4) offenbare als einzige
der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen das dem zentralen Gedanken
des Streitpatents zugrunde liegende Prinzip der Vollblockbauweise bei einer
Zungenvorrichtung für eine Weiche mit einem trogförmigen Zungenbett ent-
sprechend den Merkmalen 1a und 1b. Die Lehre aus Patentanspruch 1 werde
durch eine Zusammenschau der K4 mit der deutschen Auslegungsschrift
1 048 938 (K9) oder einer der weiteren Entgegenhaltungen K10, K12, K13 und
K14 nicht nahegelegt, weil die dort offenbarten Konstruktionen einem von der
Vollblockausführung des Streitpatents abweichenden Prinzip folgten.
Der nebengeordnete Patentanspruch 2 werde ebenfalls in keiner der
Entgegenhaltungen offenbart. Die K7 und die K8 befassten sich zwar mit einem
Herzstück. Es werde aber nicht gelehrt, das Herzstück aus einem Vollblock
herzustellen.
Die Lehre aus Patentanspruch 2 sei auch nicht naheliegend gewesen. In
der K4 werde zwar unter anderem das Herzstück einer Weiche beschrieben,
das aus einem Vollblock hergestellt worden sei. Eine Anregung, ein solches
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Herzstück in einen oberen und einen unteren Teil aufzuteilen, sei der K4 jedoch
nicht zu entnehmen und ergebe sich auch nicht aus der K7 und K8. Bei beiden
Entgegenhaltungen setze sich der untere Teil des Herzstücks aus mehreren
Einzelkomponenten zusammen und bestehe damit nicht aus einem Vollblock.
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Berufungen in allen wesent-
lichen Punkten stand.
1. a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wird durch den Stand der
Technik nicht vorweggenommen.
(a) Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, offenbart die K7 zwar
ein Herzstück, nicht aber eine Zungenvorrichtung. Daran ändert sich auch
dadurch nichts, dass erst Anspruch 2 der Entgegenhaltung speziell ein Gleis-
bau-Herzstück zum Gegenstand hat, wäh-
rend sich Anspruch 1 allgemein auf ein Gleisbauelement
bezieht. Denn weder Anspruch 1 oder den anderen allgemein auf ein Gleisbau-
element bezogenen Ansprüchen 4 bis 6 noch der Beschreibung oder den
Zeichnungen der K7 ist unmittelbar und eindeutig zu entnehmen (BGH, Urteil
vom 16. Dezember 2008 - X ZR 89/07, BGHZ 179, 168, Rn. 25 - Olanzapin),
dass mit dem generellen Begriff eines Gleisbauelements auch speziell eine
Zungenvorrichtung gemeint ist. In der Einleitung der K7 heißt es lediglich, dass
sich die Erfindung auf Gleiselemente insbesondere zur Verwendung mit Rillen-
schienen beziehe und sich mit dem Aufbau von Herzstücken für Weichen und
Kreuzungen sowie mit den Schienen selbst befasse (K7, S. 1, Z. 9 ff.). Entspre-
chend werden als Ausführungsbeispiele allein Herzstücke und Kreuzungen auf-
geführt, die, anders als ein Zungenbett, in dem sich die Weichenzunge bewegt,
keine beweglichen Teile aufweisen (vgl. die Figuren der K7).
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Es ist auch nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass der Fachmann bei
dem in der K7 verwendeten Begriff eines Gleisbauelements aufgrund seiner
Fachkenntnisse ohne weiteres mitliest (vgl. BGH, aaO - Olanzapin), dass damit
(auch) eine Zungenvorrichtung gemeint ist. Aus den Hinweisen in der K14, wo-
nach der dort für eine Weichenanordnung offenbarte zweiteilige Aufbau auch
auf Gabelstücke, Kreuzungen, Herzstücke oder andere Gleisüberschneidungen
übertragen werden könne (K14, S. 1, Z. 9 ff.; 78 ff.; S. 2, Z. 31 ff.), folgt schon
deshalb nichts Gegenteiliges, weil sich diese allein auf die dort offenbarte Wei-
chenanordnung beziehen.
(b) Auch die K8 steht der Neuheit des Patentanspruchs 1 nicht entgegen,
weil sich deren Ansprüche, Beschreibung und Zeichnungen ausschließlich mit
einem Herzstück für Weichen und Kreuzungen befassen.
(c) Die K10, aus der nachfolgend die Figuren 2 bis 4 wiedergegeben
werden,
zeigt in den Figuren 2 und 4 eine Zungenvorrichtung, bei der eine aus gehärte-
tem Stahl bestehende Platte und ein unterer Abstützblock
zwischen zwei äußeren Schienen angeordnet sind, die
durch Schraubenbolzen zusammengehalten werden. Die Platte bildet
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ein im Wesentlichen trogförmiges Zungenbett, in dem die Weichenzunge
hin- und herbewegt werden kann. Die Platte ist im Bereich des
dünnen Endes der Zunge angeordnet, wo diese am stärksten beansprucht wird,
und soll eine austauschbare Verstärkung für das Zungenende bilden, indem sie
mit ihren Seiten die Schiene teilweise ersetzt (K10, S. 1, Z. 58 ff.,
Figuren 2 und 4). Damit fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals 1b. Nicht
offenbart ist, dass die trogförmige Platte (12) aus einem Vollblock in einem
spanabhebenden Verfahren hergestellt worden ist bzw. die Beschaffenheit ei-
ner derart hergestellten Platte aufweist.
(d) Bei der in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der
K12 gezeigten Zungenvorrichtung
ist ein Verschleißteil zwischen der leicht nach innen geboge-
nen Schiene () und dem Flansch des Gussteils
eingepasst, die durch Bolzen zusammengehalten werden. Der Kopf
der Schiene wird im Bereich des Endes der Weichenzunge
durch den Abschnitt D‘ des Verschleißteils ersetzt, das aus jedem geeigneten
Stahl oder aus Stahllegierungen, vorzugsweise aber aus Manganstahl bestehen
kann und in die passende Form gegossen wird (K12, S. 1, Z. 67 f.). Da es sich
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demnach bei dem Verschleißteil D um eine im Gussverfahren entstandene
Form handelt, ist nicht offenbart, ein aus einem Vollblock hergestelltes Zungen-
bett vorzusehen (Merkmal 1b). Zwar mag es sein, dass auch ein Gussteil gege-
benenfalls spanend nachbearbeitet (etwa geglättet) werden muss, wie die Klä-
gerin zu 1 geltend macht. Das ändert aber nichts daran, dass die trogförmige
Kontur des Verschleißteils D nach dem Offenbarungsgehalt der K12 im Guss-
verfahren und nicht etwa durch Herausfräsen aus einem Vollblock entstanden
ist und deshalb nicht zu verbesserten Fertigungstoleranzen führt.
(e) Die K13, aus der die nachfolgenden Zeichnungen stammen,
zeigt eine Zungenvorrichtung, bei der ein Körper aus Gusseisen im
Bereich der Zungenspitze eine trogförmige Platte
aus hochfestem Kohlenstoffstahl aufnimmt. Wie bei den Entgegenhaltungen
K10 und K12 ist auch der K13 nicht zu entnehmen, dass die Platte aus einem
Vollblock hergestellt worden ist.
(f) Bei der in Figur 16 der K14 offenbarten Zungenvorrichtung ist ein ab-
nehmbares Verschleißteil in einer Stützkon-
struktion der Weiche angeordnet, das separat gefertigt worden ist und vorzugs-
weise als Gussteil aus einem hochfesten Werkstoff, wie etwa Stahl mit hohem
Mangan-Gehalt, besteht (K14, S. 1, Z. 51 ff.; 73 ff., Figuren 1, 7 und 9). Damit
ist jedenfalls kein aus einem Vollblock hergestelltes Zungenbett vorgesehen.
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b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 hat auch nicht nahegelegen.
Die Entgegenhaltung K4 offenbarte dem Fachmann zwar eine einteilig
aus einem Vollblock hergestellte Zungenvorrichtung für eine Weiche mit einem
trogförmigen Zungenbett. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat,
konnte der Fachmann jedoch keiner der Entgegenhaltungen K10, K12, K13
oder K14 eine Anregung dafür entnehmen, die Zungenvorrichtung zweiteilig
auszugestalten und allein den oberen Teil der aus der K4 bekannten Zungen-
vorrichtung mit dem Zungenbett aus einem Stahl hochfester Güte herzustellen.
Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob nach Patentanspruch 1 auch
das untere Teil des Zungenbetts aus einem Vollblock hergestellt sein muss, ist
hierbei irrelevant. Die genannten Entgegenhaltungen gaben dem Fachmann
weder für die eine noch für die andere der insoweit in Frage kommenden Aus-
gestaltungen eine Anregung. Die in den Druckschriften jeweils offenbarten Kon-
struktionen folgen schon deshalb einem abweichenden Konstruktionsprinzip,
weil dort eine trogförmige Platte aus Stahl hochfester Güte als Zungenbett in
einer Unterkonstruktion austauschbar angeordnet wird.
Aber auch wenn der Fachmann von einer der genannten (aus dem ers-
ten Viertel des 20. Jahrhunderts stammenden) Entgegenhaltungen ausging,
gab ihm die (mehr als ein halbes Jahrhundert später offengelegte) K4 keine
Veranlassung, die trogförmige Platte aus einem Vollblock herzustellen. Bei der
K10, der K12, der K13 und der K14 wird das Zungenbett zumindest teilweise
aus relativ dünnen Platten aus festem Stahl gebildet, während die K4 die Her-
stellung von Weichen aus einteiligen Stahlmonoblöcken vorsieht, deren Länge
mindestens gleich der Länge der Weiche ist und die über die gesamte Länge
einen Querschnitt aufweisen, der mindestens gleich allen Querschnitten des
Profilkörpers ist (K4, Sp. 1, Z. 37 ff.; Anspruch 1). Hinzu kommt, dass in der K12
und der K14 ausdrücklich gelehrt wird, die offenbarten Platten im Gussverfah-
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ren herzustellen, so dass der Fachmann auch insoweit nicht motiviert wurde,
über ein anderes Herstellungsverfahren nachzudenken.
Schließlich konnte der Fachmann auch dann nicht zum Gegenstand des
Patentanspruchs 1 gelangen, wenn er die K7 oder die K8 in den Blick nahm.
Wie ausgeführt, offenbaren die K7 und K8 Herzstücke und Gleiselemente, aber
keine Zungenvorrichtungen. Beiden Druckschriften sind keine Hinweise darauf
zu entnehmen, dass konstruktive Elemente der offenbarten Herzstücke oder
Gleiselemente auf Zungenvorrichtungen übertragen werden können. Auf diesen
Gedanken wurde der Fachmann auch nicht durch die K14 gebracht. Der in die-
ser Druckschrift enthaltene Hinweis, dass der in Zusammenhang mit Weichen
offenbarte Aufbau bei anderen Gleisüberschneidungen wie etwa Herzstücken
realisiert werden kann, bezieht sich (allein) auf die dortigen Ausführungsformen
(vgl. K14, S. 1, Z. 9 ff., 78 ff., S. 2, Z. 31 ff.) und konnte daher den Fachmann
nicht dazu anregen, den in der K7 und K8 für Herzstücke oder Gleiselemente
offenbarten Aufbau auch für Zungenvorrichtungen in Erwägung zu ziehen.
Nichts anderes gilt im Hinblick auf die K10, die zwar in Figur 3 ein Gabelstück
und in Figur 4 eine Zungenvorrichtung (jeweils im Querschnitt der Linien 3-3
und 4-4 der Figur 2) mit ähnlichem Aufbau zeigt, woraus sich aber ebenfalls
keine allgemeine Lehre des Inhalts herleiten lässt, dass ein für (starre) Gabel-
bzw. Herzstücke offenbarter Aufbau ohne weiteres auch auf (eine bewegliche
Zunge aufnehmende) Zungenvorrichtungen übertragbar ist.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 2 wird durch den vorgelegten
Stand der Technik ebenfalls weder offenbart noch dem Fachmann nahegelegt.
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a) Der K8, aus der die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen
stammen,
ist ein Herzstück für Weichen zu entnehmen, das einen mittleren, die Stützung
der Räder im Bereich der Überlaufstellen übernehmenden, geschmiedeten
Block (7) aufweist, an den stirnseitig Fahrschienenstücke (16-19) angeschweißt
sind und der an seiner Unterseite mit quer über die gesamte Seite des Block
verlaufenden Aussparungen versehen ist. Der Block ist in einen tragenden ein-
teiligen und aus einer Grundplatte bestehenden Untersatz (11) eingesetzt, der
auch über zwei nach oben stehende Längsrippen (23) verfügt, zwischen die der
Block beidseits auf den größeren Teil seiner Länge anliegend eingesetzt ist (K8,
Sp. 1, Z. 40 ff.; Sp. 3, Z. 4 ff.; Anspruch 1; Figuren 1, 2, 4 und 5). Der Block
kann aus hochwertigem Sonderstahl und der Untersatz aus halbhartem Koh-
lenstoffstahl bestehen (K8, Sp. 2, Z. 45 ff.; Anspruch 5).
Bei dem in der K8 offenbarten Herzstück ist damit weder für den
Block (7) noch für den Untersatz (11) offenbart, dass diese aus einem Vollblock
hergestellt werden bzw. die damit bei den Fertigungstoleranzen erreichbare
Qualität aufweisen.
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b) Die K7, der die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen entnom-
men sind,
lehrt ein Herzstück, das im oberen Teil aus einer Platte aus hochwi-
derstandsfähigem Schmiede- oder Walzstahl besteht, in den Nuten
durch Fräsen oder Hobeln geschnitten worden sind. Die Platte ruht auf einem
durch Träger gebildeten Stützelement mit Längs- und Querversteifungselemen-
ten . Damit ist zwar der obere,
nicht aber der untere Teil des Herzstücks aus einem Vollblock hergestellt.
c) Die K8 und die K7 legen dem Fachmann eine solche Ausgestaltung
auch nicht nahe, weil sich daraus kein Anlass ergibt, in diese Richtung zu den-
ken. Ein solcher Anlass folgt auch nicht aus der K10 oder der K13. Diese betref-
fen Zungenvorrichtungen und keine Herzstücke und enthalten auch keinen
Hinweis darauf, dass der Aufbau der offenbarten Zungenvorrichtungen auf
Herzstücke übertragen werden kann. Im Übrigen ist weder der K10 noch der
K13 zu entnehmen, dass das untere Teil der jeweils offenbarten Zungenvorrich-
tung aus einem Vollblock spanabhebend hergestellt worden ist bzw. über eine
damit erreichbare Beschaffenheit verfügt.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92
und § 97 Abs. 1 ZPO. Bei der Verteilung der Kosten zwischen den beiden Klä-
gerinnen war - auch für die erste Instanz - zu berücksichtigen, dass die Klägerin
zu 2 das Streitpatent nur hinsichtlich eines Teils angegriffen hat.
Bacher
Gröning
Grabinski
Hoffmann
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 13.03.2014 - 7 Ni 4/14 verbunden mit
7 Ni 22/14 -
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