Urteil des BGH vom 25.02.2016

Ausgleichszahlung, Unerlaubte Handlung, Fluggast, Verzug

ECLI:DE:BGH:2016:250216UXZR36.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 36/15
Verkündet am:
25. Februar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Februar 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning und Dr. Grabinski
sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 12. März 2015 verkündete Urteil der
3. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden wird auf Kosten
der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug noch um die Verpflichtung
der Beklagten zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die die Klägerin im
Zusammenhang mit der vorgerichtlichen Geltendmachung einer Ausgleichs-
zahlung gemäß Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG)
Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar
2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleis-
tungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder
großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 296/91 (FluggastrechteVO) aufgewandt hat.
Die Klägerin buchte bei der Beklagten, deren Unternehmenssitz in der
Republik I. liegt, für den 27. März 2013 einen - bestätigten - Flug von A.
nach B. . Die Ankunft dieses Fluges verzögerte sich infolge eines
unstreitig in die Verantwortungssphäre der Beklagten fallenden Umstands um
mehr als drei Stunden. Von der Klägerin beauftragte Rechtsanwälte machten
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gegenüber der Beklagten mittels E-Mail eine auf Art. 7 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
Buchst. c FluggastrechteVO gestützte Ausgleichszahlung über 250
€ geltend
und erhoben, nachdem die Beklagte nicht leistete, Klage, mit der sie für die
Klägerin auch die Kosten ihrer vorprozessualen, auf der Grundlage einer 1,3-fa-
chen Gebühr nach RVG VV 2300 berechneten Tätigkeit (
46,41 €) beanspruch-
ten. Die Beklagte ist vom Amtsgericht in Höhe der Ausgleichszahlung gemäß
ihrem insoweit erklärten Anerkenntnis verurteilt worden. Im Übrigen hat das
Amtsgericht die Klage ab- und das Landgericht die dagegen eingelegte, vom
Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom
Landgericht zugelassenen Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen
wie folgt begründet: Soweit das ausführende Luftfahrtunternehmen nach dem
Wortlaut von Art. 5 und 7 FluggastrechteVO einen Anspruch auf Ausgleichsleis-
tungen einräume, begründe dies lediglich die sofortige Fälligkeit der jeweils ge-
schuldeten Leistung. Die Voraussetzungen für den Eintritt von Verzug ergäben
sich aus dem einschlägigen nationalen Recht, also aus § 286 BGB, lägen aber
nicht vor. Mangels vorheriger Zahlungsaufforderung sei Verzug nicht nach
§ 286 Abs. 1 BGB eingetreten. Nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB könne zwar
grundsätzlich Erstattung des aus der nicht vertragsgemäßen Beförderung ent-
standenen Schadens verlangt werden. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass
zwischen Verzug mit der Beförderungsleistung und eingetretenem Schaden ein
unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Daran fehle es in Bezug auf die geltend
gemachten Rechtsanwaltsgebühren, weil die Beauftragung eines Rechtsan-
walts mit der vorgerichtlichen Geltendmachung der Ausgleichszahlung ihre
Grundlage gerade nicht in § 286 BGB habe, sondern in Art. 5 und 7 Fluggast-
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rechteVO. Die Voraussetzungen für einen Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2
Nrn. 2 und 4 BGB lägen ebenfalls nicht vor. Ein Schadensersatzanspruch aus
§ 280 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten wegen nicht ver-
tragsgemäßer, verspäteter Beförderung bestehe nicht, weil dieser nach § 280
Abs. 2 BGB nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB in Be-
tracht komme.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision
bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1.
Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung neben der unmittel-
bar geltenden Fluggastrechteverordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) deutsches
Recht zugrunde gelegt. Dagegen wenden die Parteien sich nicht und dies ist
rechtlich auch nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Leistung von
Schadensersatz ergeben sich aus dem auf den Beförderungsvertrag anwend-
baren Recht (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa
2010, 34 Rn. 17 f.; Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 128/11, RRa 2012, 285
Rn. 29). Aus den Regelungen der Fluggastrechteverordnung ergibt sich nämlich
nicht, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Fluggästen ein Anspruch auf
Erstattung vorgerichtlich für die Geltendmachung der Ausgleichsleistung ent-
standener Rechtsanwaltskosten gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen
zustehen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Euro-
päischen Union ist es in Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung stets
Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, die Mo-
dalitäten für Klagen festzulegen, die den Schutz der aus dem Unionsrecht er-
wachsenden Individualrechte gewährleisten sollen. Diese müssen den Äquiva-
lenz- und den Effektivitätsgrundsatz wahren (vgl. zur Verjährung von Aus-
gleichsansprüchen nach der FluggastrechteVO EuGH, Urteil vom 22. Novem-
ber 2012 - C-139/11, RRa 2013, 17 - Moré). Die Anwendbarkeit deutschen
Rechts ergibt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aus Art. 5
Abs. 2 Rom-I-VO (vgl. BGH RRa 2012, 285 Rn. 30).
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2.
Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin
der geltend gemachte Erstattungsanspruch unter keinem rechtlich in Betracht
kommenden Gesichtspunkt zusteht.
a)
Ein auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten gerichteter Scha-
densersatzanspruch wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenleistungs-
pflicht besteht im Streitfall nicht, weil der Ausgleichsanspruch infolge der ver-
späteten Ankunft, anders als die Revision zu meinen scheint, lediglich fällig ge-
worden ist.
aa)
Die Revision rügt, dass das Berufungsgericht seine Prüfung eines
Anspruchs auf Erstattung der aufgewandten Rechtsanwaltskosten aus § 280
Abs. 1 BGB auf den Beförderungsvertrag als maßgebliches Schuldverhältnis
und dessen verzögerte Erfüllung bezogen hat. Abzustellen sei demgegenüber
auf die aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO resultieren-
de Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung selbst und die Verlet-
zung der daraus resultierenden Nebenleistungspflicht im Sinne von § 280
Abs. 1 BGB auf (sofortige) Einräumung dieses Anspruchs gegenüber den Pas-
sagieren. Die Nichterfüllung dieser Nebenpflicht, die das ausführende Luftfahrt-
unternehmen nach der von der Revision vertretenen Ansicht vor Ort in bar oder
durch Aushändigung eines schriftlichen Schuldanerkenntnisses hätte leisten
können, sei ursächlich für das Entstehen der geltend gemachten vorgerichtli-
chen Rechtsanwaltskosten geworden.
bb)
Diese Rüge ist unbegründet.
(1)
Aus dem in der deutschen Fassung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c
FluggastrechteVO verwendeten Ausdruck, wonach ein Anspruch auf Aus-
gleichsleistung einzuräumen ist, lassen sich keine über die Fälligkeit des An-
spruchs hinausreichenden Rechtsfolgen ableiten. Der Verordnungsgeber bringt
damit lediglich zum Ausdruck, dass dem betroffenen Fluggast gegebenenfalls
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ein Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung zusteht. Dies kommt in der
Fassung dieser Bestimmung in anderen Amtssprachen der Europäischen Union
("the passengers concerned shall have the right to compensation
…"; "les pas-
sagers concernés ont droit à une indemnisation
…"; "los passajeros afectados
tendrán derecho a una compensación
..."; "…heben de betrokken passagiers
recht op … compensatie …"; "ai passageri interessati … spetta la compensazi-
one pecuniaria
…") deutlicher zum Ausdruck.
(2)
Etwas Abweichendes lässt sich entgegen der Revision auch nicht
daraus herleiten, dass Ausgleichszahlungen nach Art. 7 FluggastrechteVO und
Betreuungsleistungen nach Art. 9 Abs. 1, 2 FluggastrechteVO (Mahlzeiten oder
Transport zu und Unterbringung in einem Hotel, Telekommunikation), nebenei-
nander stünden und gleichermaßen sofort gewährt werden sollten. Die Interes-
senlage der Fluggäste ist in Bezug auf die Erbringung von Ausgleichs- und Be-
treuungsleistungen unterschiedlich. Sie sind bei Verspätung oder Annullierung
eines Flugs naturgemäß unmittelbar auf Mahlzeiten und Erfrischungen, Kom-
munikationsmöglichkeiten und gegebenenfalls Hotelunterbringung angewiesen.
Das gilt nicht in gleichem Maße für die Ausgleichszahlung. Dementsprechend
sieht Art. 9 FluggastrechteVO die umgehende Erbringung solcher Betreuungs-
leistungen vor, während die Ausgleichszahlung nicht nur in bar, sondern auch
durch elektronische oder einfache Überweisung oder Scheck und mit Einver-
ständnis des Fluggastes auch in Form von Reisegutscheinen oder anderen
Dienstleistungen geleistet werden kann (Art. 8 Abs. 3 FluggastrechteVO) und
somit jedenfalls nicht sogleich erbracht werden muss.
cc)
Auf den Anspruch auf die Ausgleichszahlung ist § 271 Abs. 1 BGB
anzuwenden; er ist danach sofort fällig geworden und insoweit wird durch diese
gesetzliche Regelung dem von der Fluggastrechteverordnung erstrebten erhöh-
ten Schutzstandard für Fluggäste (vgl. Erwägungsgründe 1, 4) Genüge geleis-
tet.
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b)
Die Voraussetzungen für einen Verzugseintritt ohne Mahnung
nach § 286 Abs. 2 BGB liegen nicht vor.
aa)
Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt kalendermäßige
Bestimmung der Leistung voraus. Ob es unter diese Bestimmung fällt, wenn die
geschuldete Leistung in einer Luftbeförderung besteht und auch an dem dafür
bestimmten Kalendertag erbracht wird und sich lediglich, wie hier, um einige
Stunden verschiebt, kann fraglich sein, bedarf aber keiner Entscheidung, weil
es vorliegend um die Leistung der Ausgleichszahlung geht und diese auch un-
ter den genannten Voraussetzungen gerade nicht kalendermäßig bestimmt ist.
bb)
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen für
einen Verzugseintritt nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB verneint. Die Fälligkeit der
Ausgleichsleistung ist nicht in der Weise bestimmt, dass sie sich von einem Er-
eignis an nach dem Kalender berechnen ließe.
Entgegen der Ansicht der Revision ist die Flugverspätung selbst kein Er-
eignis im Sinne dieser Bestimmung, das der Leistung vorauszugehen hätte und
an das für die nach dem Kalender bestimmbare Leistungserbringung ange-
knüpft werden könnte, sondern der gesetzliche Tatbestand, dessen Verwirkli-
chung den Ausgleichsanspruch entstehen und, wie ausgeführt, fällig werden
lässt. Deshalb kann offen bleiben, ob, was zweifelhaft ist, die Ansicht der Revi-
sion zutrifft, dass die nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderliche, im Streitfall
aber nicht erfolgte Bestimmung einer angemessenen, von dem Ereignis an
nach dem Kalender berechenbaren Frist für die Leistung in Anlehnung an die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fristsetzung für die Nacherfüllung
im Sinne von § 281 Abs. 1 und § 323 Abs. 1 BGB (zuletzt BGH, Urteil vom
18. März 2015 - VIII ZR 176/14, NJW 2014, 2564 Rn. 11) entbehrlich wäre und
der Fluggast selbst auch gar keine Aufforderung zur Leistungserbringung aus-
sprechen müsse, sondern dafür die Anordnung in Art. 4 Abs. 3 Fluggast-
rechteVO ausreicht, die Ausgleichsleistung sei unverzüglich zu erbringen.
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cc)
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch einen sofortigen Ver-
zugseintritt unter Abwägung der beiderseitigen Interessen (§ 286 Abs. 2 Nr. 4
BGB) verneint.
Eine Mahnung ist nach dieser Vorschrift beispielsweise bei Sachentzug
durch unerlaubte Handlung, besonderer Dringlichkeit oder treuwidriger Verhin-
derung des Zugangs entbehrlich oder wenn der Schuldner die (umgehende)
Erbringung besonders zugesagt hat und sich nicht daran hält (Selbstmahnung),
oder wenn die Leistung erkanntermaßen fehlerhaft oder durch rechtskräftiges
Gestaltungsurteil festgestellt ist (zu Letzterem BGH, Urteil vom 4. April 2006
- X ZR 122/05, NJW 2006, 2472; vgl. im Übrigen Palandt/Grüneberg, 75. Aufl.,
§ 286 Rn. 25). Um eine vergleichbare Fallgestaltung geht es vorliegend nicht.
Entgegen der Auffassung der Revision ist eine weitergehende Auslegung
von § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zur Verwirklichung des Schutzzwecks der Flug-
gastrechteverordnung weder geboten noch angezeigt. Die Mitgliedstaaten sol-
len nach Erwägungsgrund 21 FluggastrechteVO zwar Regeln für wirksame,
verhältnismäßige aber auch abschreckende Sanktionen bei Verstößen gegen
die Fluggastrechteverordnung festlegen und deren Durchsetzung gewährleis-
ten. Jedoch gehen die Vorstellungen des Verordnungsgebers von den in die-
sem Zusammenhang vorzusehenden Maßnahmen in eine ganz andere Rich-
tung, wie sich aus den Vorgaben in Art. 16 ergibt, die mit Erwägungsgrund 21
korrespondieren. Danach setzen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßi-
ge und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Fluggastrechtever-
ordnung fest und benennen Stellen, die für eine Durchführung der Verordnung
in Bezug auf Flüge von und zu ihren Flughäfen zuständig sind und gegebenen-
falls die für die Sicherstellung der Fluggastrechte notwendigen Maßnahmen
ergreifen.
c)
Die Erstattung der Rechtsanwaltskosten kommt auch nicht außer-
halb eines Verzugseintritts in Betracht.
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Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt,
dass bei gesetzlichen wie bei vertraglichen Schuldverhältnissen zu den ersatz-
pflichtigen Aufwendungen eines Geschädigten unter bestimmten Vorausset-
zungen auch durch das Schadensereignis erforderlich gewordene Rechtsver-
folgungskosten gehören können. Das kann grundsätzlich auch für Ansprüche
auf Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung gelten, bei denen
es sich um gesetzliche Ansprüche auf vertraglicher Grundlage handelt (BGH,
Beschluss vom 18. August 2015 - X ZR 2/15, RRa 2015, 297 Rn. 9 mwN). Al-
lerdings betrifft die Erstattungspflicht nicht schlechthin alle durch das Scha-
densereignis adäquat verursachten Kosten, sondern nur solche, die aus der
Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und
zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, MDR
2006, 929 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2011 - VI ZR 214/10, GRUR-RR 2012, 90
Rn. 20).
Im Streitfall kommt ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr für
die erstmalige Geltendmachung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Anleh-
nung an diese Rechtsprechung nicht in Betracht. Den getroffenen Feststellun-
gen zufolge hat die Beklagte Informationen nach Art. 14 Abs. 2 Fluggast-
rechteVO erteilt. Nach dieser Bestimmung händigt ein ausführendes Luftfahrt-
unternehmen jedem von einer Annullierung, Beförderungsverweigerung oder
mehr als zweistündigen Verspätung betroffenen Fluggast einen schriftlichen
Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen
gemäß der Fluggastrechteverordnung dargelegt werden. Sinn und Zweck die-
ser Unterrichtungspflicht ist, den Passagieren zu ermöglichen, die Ausgleichs-
zahlung selbst gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geltend zu
machen (Erwägungsgrund 20 FluggastrechteVO). Daraus folgt umgekehrt, dass
das ausführende Luftfahrtunternehmen, wenn es seinen Hinweispflichten aus
Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO genügt hat, grundsätzlich nicht die Kosten für
die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs durch einen vom Fluggast be-
auftragten Rechtsanwalt übernehmen muss. Unerheblich ist in diesem Zusam-
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menhang, dass die Anwendung der Fluggastrechteverordnung, worauf die Re-
vision durchaus zutreffend hinweist, in der Vergangenheit in verschiedener Hin-
sicht durch den Gerichtshof der Europäischen Union klärungsbedürftige Fragen
aufgeworfen hat. Entscheidend für die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art
die Kosten eines mit der erstmaligen Geltendmachung der Ausgleichszahlung
beauftragten Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, ist nur, ob die gemäß Art. 14
Abs. 2 FluggastrechteVO erteilten Informationen den Fluggast in die Lage ver-
setzt haben, seinen Anspruch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunter-
nehmen geltend zu machen, ob sie ihn also hinreichend klar darüber unterrich-
tet haben, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er
welchen nach der Entfernung gestaffelten Betrag (Art. 7 Abs. 1 Fluggast-
rechteVO) verlangen kann und gegebenenfalls welche Unterlagen er beifügen
soll. Sind die erteilten Instruktionen lückenhaft, unverständlich oder sonst so
unklar, dass der Fluggast nicht sicher erkennen kann, was er tun muss, kann
sich die Frage der Erstattungsfähigkeit für die Inanspruchnahme anwaltlicher
Hilfe bei der ersten Geltendmachung des Anspruchs durchaus in anderem Licht
darstellen. Dass es sich so verhielte, hat das Berufungsgericht im Streitfall aber
nicht festgestellt. Dass es entsprechendes Vorbringen der Klägerin unberück-
sichtigt gelassen hätte, macht die Revision nicht geltend.
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Für die von der Revision angeregte Vorlage an den Gerichtshof
der Europäischen Union besteht kein Anlass.
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Mit der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist hinrei-
chend geklärt, dass die Ausgestaltung der Anspruchsmodalitäten dem nationa-
len Gesetzgeber obliegt. Das im vorliegenden Zusammenhang zu gewährleis-
tende Schutzniveau ist in Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO klar definiert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher
Gröning
Grabinski
Schuster
Kober-Dehm
Vorinstanzen:
AG Bühl, Entscheidung vom 29.09.2014 - 3 C 129/14 -
LG Baden-Baden, Entscheidung vom 12.03.2015 - 3 S 64/14 -
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