Urteil des BGH vom 09.12.2014

Leitsatzentscheidung zu Anzahlung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Treu Und Glauben, Reiseveranstalter, Vertragsschluss

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 1 4 7 / 1 3
Verkündet am:
9. Dezember 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 651a Abs. 1, § 320 Abs. 1, § 307 Abs. 1 und 3 Bi, Cc
a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach der der Reisende
bei Vertragsschluss eine Anzahlung von nicht mehr als 20 % des Reiseprei-
ses zu leisten hat, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Reisen-
den dar und ist wirksam (Bestätigung von BGH, Urteil vom 20. Juni 2006
- X ZR 59/05, NJW 2006, 3134). Eine höhere Anzahlung kann der Reisever-
anstalter nur dann verlangen, wenn er in Höhe eines dem verlangten Anteil
des Reisepreises entsprechenden Betrages bei Vertragsschluss seinerseits
eigene Aufwendungen erbringen oder fällige Forderungen der Leistungsträ-
ger erfüllen muss, deren er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem
Reisevertrag bedient.
b) Lässt eine Anzahlungsklausel nicht klar erkennen, bei welchen Reisen eine
höhere Anzahlung (hier: 40 % des Reisepreises) fällig werden soll, ist dem
Transparenzgebot auch dann nicht genügt, wenn der Reiseveranstalter bei
Buchung einer Reise, die er der Verpflichtung zu einer höheren Anzahlung
unterwerfen will, hierauf ausdrücklich hinweist.
BGH, Urteil vom 9. Dezember 2014 - X ZR 147/13 - OLG Celle
LG Hannover
- 2 -
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 9. Dezember 2014 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und die
Richterin Schuster
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 28. November 2013
verkündete Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als sich das ausgespro-
chene Verbot auf folgende Fassung der Klausel bezieht.
" 2.2 Bei Vertragsschluss wird gegen Aushändigung der
Bestätigung die Anzahlung (in Höhe von in der Regel
25 %), bei Reisen der Marken Discount Travel, r.
,
X1. ,
XT. ,
XD.
und
Best-
Preis-Angeboten von T. sowie Ticket-
Paketen aus Leistungsbeschreibungen (Ziffer 3.1) mit
dem Titel 'Musicals & Shows' 40 % des Gesamtpreises
fällig.
(…)"
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
- 3 -
Tatbestand:
Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbrau-
cherverbände verlangt von der beklagten Reiseveranstalterin, es zu unterlas-
sen, beim Abschluss von Pauschalreisen folgende Reisebedingung zu verwen-
den, soweit sie eine Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises betrifft:
"Bei Vertragsschluss wird gegen Aushändigung der Bestätigung
die Anzahlung (in Höhe von in der Regel 25 %), bei gesondert ge-
kennzeichneten Top-Angeboten sowie ausgewählten kurzfristigen
bzw. preisreduzierten Specials, Sparreisen und Reisen der Mar-
ken Discount Travel, r. , X1. , XT. , XD. -
und BestPreis-Angeboten von T. sowie Ticket
paketen aus Leistungsbeschreibungen (Ziffer 3.1) mit dem Titel
'Musicals und Shows' 40 % des Gesamtpreises fällig."
Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klausel unter-
sagt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen
und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte weiterhin Abweisung der
Klage erstrebt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die unmittelbar bei Vertragsab-
schluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises benachteilige den
Vertragspartner unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Die An-
zahlungsklausel sei weitgehend nicht klar und verständlich. Aus Sicht des Ver-
1
2
3
4
- 4 -
tragspartners sei nicht eindeutig erkennbar, was unter gesondert gekennzeich-
neten Top-Angeboten sowie ausgewählten, kurzfristigen bzw. preisreduzierten
Specials oder Sparreisen zu verstehen sei. Zudem weiche die beanstandete
Reisebedingung vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung
des § 320 BGB ab. Bei der Prüfung, ob eine Vertragsbedingung eine unange-
messene Benachteiligung enthalte, seien die beiderseitigen Interessen abzu-
wägen und der in § 320 BGB enthaltene Grundgedanke der Zug um Zug zu
gewährenden Leistungen zu berücksichtigen. Dazu gehöre zum einen die Absi-
cherung der Rückerstattung des Reisepreises und weiterer Aufwendungen.
Zum anderen habe der Gesetzgeber dem Vertragspartner mit dem Leistungs-
verweigerungsrecht des § 320 BGB ein Druckmittel in die Hand geben wollen,
den anderen Teil zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten
zu veranlassen. Nach Einführung des Sicherungsscheins sei das Ausfallrisiko
bei Insolvenz des Veranstalters zwar verringert worden. Gleichwohl trage der
Reisende weiterhin das Risiko, dass der Reiseveranstalter zum vereinbarten
Reisetermin - unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit - nicht fähig oder nicht
bereit sei, die geschuldete Reiseleistung zu erbringen. Auch wenn der Reise-
veranstalter sämtliche Vorauszahlungen für einzelne Reiseleistungen frühzeitig
an seine Vertragspartner zu erbringen habe, rechtfertige dies nicht die Anzah-
lung eines wesentlichen Teils des Reisepreises. Der Reisende erhalte einen
eigenen Anspruch gegen den Leistungserbringer erst mit der Aushändigung der
Reiseunterlagen und noch nicht zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten bei
der Beklagten. Darüber hinaus sei für den Reisenden zum Zeitpunkt der ver-
langten Anzahlung nicht erkennbar, ob und inwieweit die Beklagte die Leistun-
gen bereits tatsächlich erworben und bezahlt habe.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nur teilweise
stand. Der Kläger kann nach §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG von der Beklagten ver-
langen, die Verwendung der beanstandeten Klausel in dem Umfang zu unter-
5
- 5 -
lassen, in dem sie andere Reisen als solche betrifft, die unter den Bezeichnun-
gen "Discount Travel", "r. ", "X1. ", "XT. " und "XD. "
angeboten werden, als "BestPreis-Angebote von T. " bezeichnet
werden oder "Ticket-Pakete" aus Leistungsbeschreibungen mit dem Titel "Mu-
sicals & Shows" zum Gegenstand haben. Im Umfang der verbleibenden, die
vorgenannten Reisen betreffenden Fassung hat das ausgesprochene Verbot
mit der hierfür gegebenen Begründung hingegen keinen Bestand.
1. Bei der Klausel handelt es sich, wie das Berufungsgericht unange-
griffen angenommen hat, um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte
Vertragsbedingung, die die Beklagte ihren Vertragspartnern bei Abschluss ei-
nes Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
2. Die angegriffene Klausel unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB
der Inhaltskontrolle.
a) Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen an §§ 308, 309 und § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu messen,
durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Rege-
lungen vereinbart werden. Unter Rechtsvorschriften sind dabei nicht nur Geset-
zesvorschriften im materiellen Sinn, sondern auch allgemeine Rechtsgrundsät-
ze zu verstehen. Ob eine Klausel danach kontrollfähig ist, ist durch Auslegung
zu ermitteln (im Einzelnen hierzu BGH, Urteil vom 10. Dezember 2013
- X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 = RRa 2014, 132 Rn. 16, 17 mwN).
b) Durch die beanstandete Klausel werden von Rechtsvorschriften oder
allgemeinen Rechtsgrundsätzen abweichende Regelungen vereinbart, indem
- abgesehen von den Fällen der nicht angegriffenen Anzahlungsverpflichtung
von 25 % des Reisepreises - bei bestimmten Reisen bei Vertragsschluss eine
Anzahlung von 40 % des Reisepreises zu leisten ist. Das Reisevertragsrecht
6
7
8
9
- 6 -
enthält keine spezielle Regelung über die Fälligkeit des Reisepreises und nor-
miert insbesondere keine von § 320 BGB abweichende Vorleistungspflicht des
Reisenden. Das dem Reisevertragsrecht verwandte Werkvertragsrecht sieht
gemäß §§ 641 Abs. 1 Satz 1, 646 BGB eine Fälligkeit der Vergütung sogar erst
nach Abnahme oder Vollendung des Werks vor; danach kann jedenfalls nicht
von einer Vorleistungspflicht des Reisenden ausgegangen werden. Demgegen-
über legt § 651k Abs. 4 Satz 1 BGB zwar zugrunde, dass der Reisepreis jeden-
falls vor Beendigung der Reise gezahlt worden ist; eine gesetzliche Vorleis-
tungspflicht des Reisenden lässt sich hieraus aber nicht ableiten.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine Verpflichtung zur Leistung
einer Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises benachteilige den Reisen-
den entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, hält in die-
ser Allgemeinheit der Nachprüfung nicht stand, und kann daher die Unwirksam-
keit der angegriffenen Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht begründen.
a) Eine Vorleistungspflicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wirksam vereinbart werden,
wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist, der auch bei Abwä-
gung mit den hierdurch für den Vertragspartner entstehenden Nachteilen Be-
stand hat (statt aller BGH, Urteil vom 10. März 1999 - VIII ZR 204/98, BGHZ
141, 108, 114; Urteil vom 27. September 2000 - VIII ZR 155/99, BGHZ 145,
203, 211). Dabei können insbesondere die Aufwendungen eine Rolle spielen,
die der Verwender bereits vor dem eigentlichen Leistungsaustausch erbringen
und finanzieren muss (BGH, Urteil vom 24. September 2002 - KZR 38/99,
NJW-RR 2003, 834, 836; Urteil vom 4. März 2010 - III ZR 79/09, BGHZ 184,
345 Rn. 29).
10
11
- 7 -
b) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass
der Reiseveranstalter regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran hat, in sei-
nen allgemeinen Reisebedingungen eine Vorleistungspflicht des Reisenden
vorzusehen (BGH, Urteil vom 20. Juni 2006 - X ZR 59/05, NJW 2006, 3134 =
RRa 2006, 256 Rn. 10). Dies wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt. Eine
Abwicklung des Reisevertrags, bei der die Zahlung des Reisepreises gemäß
§ 320 BGB Zug um Zug gegen den Erhalt der Reiseleistung erfolgt, wäre kaum
praktikabel (BGH, Urteil vom 12. März 1987 - VII ZR 37/86, BGHZ 100, 158,
164 f.) und belastete den Veranstalter mit der Gefahr von Zahlungsausfällen.
Demgegenüber sieht das Gesetz eine Sicherung des Reisenden gegen die Ge-
fahr eines Zahlungsausfalls auf Seiten des Reiseveranstalters ausdrücklich vor.
§ 651k Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach der Reiseveranstalter oder der Reisever-
mittler Zahlungen des Reisenden auf den Reisepreis nur fordern oder anneh-
men darf, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde, in
dem ein Kundengeldabsicherer den dem Reisenden verschafften unmittelbaren
Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Reisepreises im Insolvenzfall bestä-
tigt (§ 651k Abs. 3 Satz 1 BGB), zeigt, dass das Gesetz es grundsätzlich als
zulässig ansieht, den Reisepreis vor Beendigung der Reise zu fordern. Dies
entspricht den Vorgaben der Pauschalreiserichtlinie (Richtlinie 90/314/EWG des
Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. Nr. L 158 vom 23. Juni
1990, S. 59 ff., nachfolgend: Richtlinie), die in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a in Verbin-
dung mit den Buchstaben h und i ihres Anhangs lediglich verlangt, dass in dem
Reisevertrag der Preis für die Pauschalreise sowie ein Zeitplan für die Zahlung
des Preises sowie Zahlungsmodalitäten enthalten sein müssen. Auch § 6
Abs. 2 BGB-InfoV, nach dem die Reisebestätigung die nach § 4 Abs. 1 BGB-
InfoV erforderlichen Angaben über den Reisepreis, die Höhe einer zu leisten-
den Anzahlung und die Fälligkeit des Restbetrags enthalten muss, geht davon
12
- 8 -
aus, dass im Reisevertrag Vorleistungspflichten des Reisenden vereinbart wer-
den können.
c) Bei oder unmittelbar nach Vertragsschluss fällig werdende Anzah-
lungsverpflichtungen des Reisenden hat der Bundesgerichtshof dann für zuläs-
sig erachtet, wenn diese einen verhältnismäßig geringfügigen Umfang haben. In
seinem Urteil vom 12. März 1987 (BGHZ 100, 158) hat der Bundesgerichtshof
eine Anzahlung von 10 % des Reisepreises als "verhältnismäßig gering" be-
zeichnet und für unproblematisch gehalten. Die Verpflichtung zur Zahlung des
Restbetrags vor Reisebeginn hat er hingegen vor dem Hintergrund der damals
noch nicht gesetzlich vorgeschriebenen Versicherung des Insolvenzrisikos dann
als unangemessen angesehen, wenn dem Reisenden nicht zumindest die Si-
cherheiten geboten würden, die dem Reiseveranstalter möglich und zumutbar
seien (BGHZ 100, 158, 170 f.). In einer späteren Entscheidung hat der Bundes-
gerichtshof auf derselben Grundlage Anzahlungen in Höhe von mehr als 10 %
des Reisepreises als nicht mehr geringfügig gewertet (BGH, Urteil vom 9. Juli
1992 - VII ZR 7/92, NJW 1992, 3158). Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Re-
gelung über die Sicherungspflicht des Reiseveranstalters (§ 651k BGB) hat der
Senat unter Berücksichtigung der durch diese Vorschriften geänderten Risi-
koverteilung zwischen Veranstalter und Reisenden eine Klausel, die eine An-
zahlung in Höhe von 20 % des Reisepreises vorsah, für wirksam erachtet. Un-
ter dem Gesichtspunkt des Insolvenzrisikos könne nicht mehr davon ausgegan-
gen werden, dass "geringfügig" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nur
noch Anzahlungen auf den Reisepreis seien, die 10 % des Reisepreises nicht
überschritten (BGH, NJW 2006, 3134 Rn. 14 mit kritischer Anmerkung A. Stau-
dinger).
(1) An der bisher - ohne weitere Voraussetzungen - als zulässig ange-
sehenen Anzahlungsquote in Höhe von 20 % des Reisepreises hält der Senat
13
14
- 9 -
fest. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Reiseveranstalter einerseits
ein anerkennenswertes Interesse daran hat, dass der Reisende durch eine ge-
wisse Anzahlung die Ernsthaftigkeit seines Reisewunsches und seine Fähigkeit
und Bereitschaft dokumentiert, seine Vertragspflichten zu erfüllen, und anderer-
seits typischerweise zumindest in gewissem Umfang Kosten aufwenden muss,
um das Leistungsangebot bereitzustellen und bereitzuhalten, aus dem der Rei-
sende seine Auswahl getroffen hat und das er selbst oder durch ihm vertraglich
verbundene Leistungsträger zum vereinbarten Reisezeitpunkt erbringen muss.
Da aufgrund der Sicherstellung der Rückzahlung des Reisepreises im Insol-
venzfall den Reisenden kein Ausfallrisiko trifft, ist es gerechtfertigt, grundsätz-
lich auch noch eine Anzahlung in Höhe von 20 % als angemessen und den
Reisenden verhältnismäßig geringfügig belastend anzusehen.
(2) Eine höhere Anzahlung wird hingegen der Interessenlage der Ver-
tragsparteien in der Regel nicht gerecht und bedarf deshalb einer besonderen
Rechtfertigung.
Die Absicherung des Reisenden gegen das Risiko der Insolvenz des
Reiseveranstalters allein rechtfertigt ebenso wenig eine erhöhte Anzahlung bei
Vertragsabschluss wie der Umstand, dass der Reisende, wenn er jedenfalls
kurz vor Reiseantritt den gesamten Reisepreis entrichten muss, das ihm unab-
hängig von der Insolvenzsicherung zustehende Leistungsverweigerungsrecht
(§ 320 BGB) vor Reisebeginn in aller Regel ohnehin nicht ausüben kann, weil er
typischerweise keinen Einblick in die Reisevorbereitungen des Veranstalters
hat, dessen getroffene Maßnahmen nicht überprüfen und den Veranstalter da-
her nicht zu einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anhalten kann (BGH,
NJW 2006, 3134 Rn. 15). Denn bei einer Anzahlung von mehr als 20 % des
Reisepreises erhält der Reiseveranstalter - insbesondere bei lange vor dem
Reisetermin vorgenommenen Buchungen - jedenfalls einen erheblichen Liquidi-
15
16
- 10 -
tätsvorteil auf Kosten des Reisenden, der eben diesen Vorteil verliert, weil er
einen erheblichen Teil des Reisepreises bereits längere Zeit vor Reisebeginn
zahlen muss. Dies kann regelmäßig nur dann als der beiderseitigen Interessen-
lage angemessen gelten, wenn der sofort fällig werdende Anteil des Reiseprei-
ses dem Veranstalter nicht als Teil seiner liquiden Mittel verbleibt, sondern zur
Deckung von Kosten der Reise benötigt wird, die bei dem Veranstalter bereits
bei oder vor dem Vertragsschluss mit dem Reisenden und vor Durchführung
der Reise anfallen. Der Reiseveranstalter kann deshalb eine Anzahlung von
mehr als 20 % des Reisepreises nur dann verlangen, wenn er in Höhe eines
dem verlangten Anteil des Reisepreises entsprechenden Betrages seinerseits
eigene Aufwendungen erbringen oder fällige Forderungen der Leistungsträger
erfüllen muss, deren er sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Rei-
severtrag bedient.
(3) Zur Rechtfertigung einer 20 % des Reisepreises übersteigenden An-
zahlungspflicht genügt es nicht, dass der Reiseveranstalter Reisen anbietet, bei
denen er vor oder bei Vertragsschluss Vorleistungen erbringen muss, deren
Wert die Höhe der verlangten Anzahlungen erreicht oder übersteigt. Die Anzah-
lung muss vielmehr für die konkrete Reise, für die sie verlangt wird, angemes-
sen sein.
Angesichts der zahlreichen Faktoren, wie beispielsweise Flugpreis, Ho-
telkategorie, Aufenthaltsdauer oder (saisonabhängige) Reisezeit, die den Rei-
sepreis bestimmen, wird der Prozentsatz des Reisepreises, den der Reisever-
anstalter zur Deckung seiner Vorleistungen benötigt, in aller Regel nicht für
sämtliche von ihm angebotenen Reisen gleich sein. Der Streitfall nötigt derzeit
zu keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit angesichts dessen durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen ein pauschalierter, 20 % des Reisepreises
übersteigender Prozentsatz festgelegt werden kann, der über dem Wert der
17
18
- 11 -
Aufwendungen liegt, die der Reiseveranstalter bei jeder der entsprechenden
Klausel unterworfenen Reise mindestens bereits bei Vertragsschluss aufwen-
den muss.
Unterschiedliche Vorleistungen - wie sie auch bei den in einer bestimm-
ten Kategorie angebotenen Reisen auftreten können - schließen es allerdings
nicht notwendig aus, einen pauschalierten einheitlichen Vomhundertsatz für die
Anzahlung festzulegen. Eine solche Pauschalierung muss indessen für die
"Vorleistungsquote" bei den von ihr erfassten Reisen repräsentativ sein und
darf jedenfalls nicht dazu führen, dass bei einem erheblichen Teil der gebuch-
ten Reisen Anzahlungen geleistet werden müssen, die über den Wert der vom
Veranstalter erbrachten Vorleistungen hinausgehen. Es genügt deshalb zur
Rechtfertigung einer bestimmten Anzahlungsquote jedenfalls nicht ohne weite-
res, dass bei den in der betreffenden Kategorie angebotenen Reisen durch-
schnittlich Vorleistungen in Höhe des verlangten Vomhundertsatzes anfallen. Je
größer innerhalb der Kategorie die Spannbreite der Vorleistungskosten ist, des-
to weniger erscheint die Orientierung der Anzahlungsquote am Durchschnitts-
wert der Vorleistungskosten als sachgerecht, weil infolgedessen in dem für den
Verbraucher ungünstigsten Fall der für die konkrete Reise angemessene An-
zahlungsbetrag erheblich überschritten werden kann. Je größer ferner die
Nachfrage nach einer einzelnen Reise oder Reisevariante, d.h. deren Bu-
chungshäufigkeit und damit ihre praktische wirtschaftliche Bedeutung, desto
weniger wird es hingenommen werden können, wenn die Anzahlungsquote in-
soweit auch nur unwesentlich über der "Vorleistungsquote" liegt.
d) Da das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob und inwieweit bei den-
jenigen Reisen, die die angegriffene Klausel einer Verpflichtung zur Anzahlung
von 40 % des Reisepreises unterwirft, die Voraussetzungen für eine solche er-
höhte Anzahlungsverpflichtung vorliegen, ist dies für die revisionsrechtliche Prü-
19
20
- 12 -
fung zugunsten der Beklagten zu unterstellen. Die Klausel enthält auf dieser
Grundlage keine sachlich unangemessene Benachteiligung.
4. Die beanstandete Klausel ist jedoch insoweit unwirksam, als sie eine
Anzahlung von 40 % des Reisepreises für "besonders gekennzeichnete Top-
Angebote sowie ausgewählte, kurzfristige bzw. preisreduzierte Specials und
Sparreisen" festlegt. Eine solche Formulierung ist nicht klar und verständlich
und benachteiligt den Reisenden deshalb entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB).
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verwender der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertrags-
partners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (BGH, Urteil vom
3. Juni 1998 - VIII ZR 317/97, NJW 1998, 3114 Rn. 23; Urteil vom 7. Dezember
2010 - XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 20; Urteil vom 10. Oktober 2012
- IV ZR 10/11, VersR 2013, 46 Rn. 75). Das Transparenzgebot darf den AGB-
Verwender zwar nicht überfordern, und der Verwender soll auch nicht gezwun-
gen sein, die Klauseln mit einem umfassenden Kommentar zu versehen. All-
gemeine Geschäftsbedingungen sind aber möglichst so zu gestalten, dass dem
Durchschnittskunden die ihn benachteiligende Wirkung einer Klausel nicht erst
nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich
wird. Daher ist bei der Formulierung von vornherein auf die Verständnismög-
lichkeiten des Durchschnittskunden Rücksicht zu nehmen (BGH, Urteil vom
10. Juli 1990 - XI ZR 275/89, BGHZ 112, 115 ff., 119; Urteil vom 24. November
1988 - III ZR 188/87, BGHZ 106, 42).
b) Danach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, aus Sicht
des Vertragspartners sei nicht eindeutig erkennbar, was unter gesondert ge-
21
22
23
- 13 -
kennzeichneten Top-Angeboten sowie unter ausgewählten, kurzfristigen bzw.
preisreduzierten Specials und Sparreisen zu verstehen sei.
Der Klausel ist weder zu entnehmen, in welcher Form die "gesonderte
Kennzeichnung" erfolgen soll, die "Top-Angebote" auszeichnet, noch ist klar
erkennbar, wodurch sich "ausgewählte, kurzfristige bzw. preisreduzierte Spe-
cials und Sparreisen" von den übrigen Reiseangeboten unterscheiden, für die
die erhöhte Anzahlungsverpflichtung nicht gelten soll. Insbesondere ist der
Klausel nicht, jedenfalls aber nicht klar zu entnehmen, dass die gesonderte
Kennzeichnung in der Kennzeichnung "Top-Angebot" bestehen soll; ent-
sprechendes gilt für "ausgewählte Specials" und dergleichen.
Entgegen der Auffassung der Revision wird die Unklarheit nicht dadurch
beseitigt, dass sich bei einer Buchung über das Internet ein Fenster mit dem
Hinweis "Top-Angebot: vergünstigt, verglichen mit Katalogpreis (besondere
Zahlungs- und Rücktrittsbedingungen nach AGB)" öffnet, wenn ein mit einem
mit Prozentzeichen versehenen grünem Stern und dem Text "Preis reduziert"
gekennzeichnetes Angebot aufgerufen wird, und der Reisende zudem bestäti-
gen muss, dass er die Allgemeinen Reisebedingungen gelesen und akzeptiert
habe. Denn dies ändert nichts daran, dass sich der Klausel selbst nicht hinrei-
chend deutlich entnehmen lässt, für welche Reisen sie gelten soll, so dass je-
denfalls der Reisende, der die zusätzlichen hervorhebenden Hinweise nicht er-
halten hat, nicht klar beurteilen kann, ob die von ihm gebuchte Reise der Ver-
pflichtung zu einer erhöhten Anzahlung unterliegen soll.
c) Demgegenüber verstößt die Klausel nicht gegen das Transparenz-
gebot, soweit sie weitere, in näher bestimmter Weise gekennzeichnete Reisen
einer erhöhten Anzahlungspflicht unterwirft. Entgegen der Meinung der Revisi-
onsbeklagten ist die Klausel insoweit auch nicht deswegen unwirksam, weil der
24
25
26
- 14 -
Reisende nicht erkennen kann, ob bei der von ihm gebuchten Reise die Vor-
aussetzungen tatsächlich vorliegen, unter denen eine höhere Anzahlung durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam ausbedungen werden kann. Eine
solche Anforderung hätte zur Folge, dass die Beklagte ihrem Klauselwerk eine
tatsächliche Begründung oder einen erläuternden Kommentar beifügen müsste.
Dafür ist eine gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich. Dem Reisenden muss die
Vertragsbestimmung, die sich aus den Reisebedingungen ergibt, klar und ver-
ständlich gemacht werden, nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gründe da-
für, warum die Klausel bei der von ihm gebuchten Reise Anwendung findet.
- 15 -
III. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben,
soweit die angegriffene Klausel dem Transparenzgebot genügt und das Beru-
fungsgericht - von seinem Ausgangspunkt konsequent - nicht geprüft hat, ob die
Beklagte bei den betreffenden Reisen Vorleistungen erbringen muss, die die
verlangte Anzahlung in Höhe von 40 % des Reisepreises rechtfertigen. Diese
Prüfung wird es nachzuholen haben. Hierzu ist die Sache im Umfang der Auf-
hebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Richterin Schuster ist erkrankt und
kann deshalb nicht unterschreiben.
Hoffmann
Meier-Beck
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 30.10.2012 - 18 O 129/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 28.11.2013 - 11 U 279/12 -
27