Urteil des BGH vom 13.10.2015

Leitsatzentscheidung zu Warschauer Abkommen, Übereinkommen, Treu Und Glauben, Reisegepäck

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 1 2 6 / 1 4
Verkündet am:
13. Oktober 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
MÜ Art. 19; BGB § 241
a) Werden Reisende, Reisegepäck oder Güter nicht zum Bestimmungsort be-
fördert, stellt dies keinen Fall der Verspätung bei der Luftbeförderung im Sin-
ne von Art. 19 MÜ dar.
b) Sollen vor einer Luftbeförderung Reisegepäckstücke eines Fluggasts vom
Transport ausgenommen werden, weil sie nach den Luftsicherheitsvorschrif-
ten möglicherweise nicht mittransportiert werden dürfen, trifft das Luftfahrtun-
ternehmen grundsätzlich die vertragliche Pflicht, auf die Hinzuziehung des
Fluggastes hinzuwirken, um ihm Gelegenheit zur Aufklärung zu schaffen.
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - X ZR 126/14 - LG Landshut
AG Erding
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 13. Oktober 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Bacher und
Hoffmann, die Richterin Schuster und den Richter Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das am 21. November 2014
verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Landshut
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der beklagten Fluggesellschaft Schadensersatz
wegen der Nichtbeförderung von Reisegepäck im Rahmen einer von seiner
Ehefrau für beide gebuchten Reise auf dem Hinflug von München nach Cancun
am 6. März 2012; der Rückflug erfolgte wie vorgesehen am 27. März 2012.
Beim Hinflug gab der Kläger unter anderem Teile einer Tauchausrüstung als
Reisegepäck auf, zu der eine kleinere Pressluftflasche ("Pony-Flasche") gehör-
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te. Diese Flasche wurde vor dem Abflug als vorschriftswidriger Gegenstand
dem Reisegepäck entnommen und nicht mittransportiert. Darüber wurde der
Kläger vor dem Abflug nicht informiert.
Der Kläger hat behauptet, die Flasche sei leer und ihr Ventil geöffnet ge-
wesen. Am Urlaubsort habe er keinen Ersatz für die Flasche beschaffen kön-
nen, weshalb er und seine Frau keine Tauchgänge hätten unternehmen kön-
nen. Er verlangt Ersatz der gesamten Reisekosten für beide Personen, die er
als nutzlose Aufwendungen auf 4.838,96
€ beziffert. Das Amtsgericht hat die
Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zu-
rückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
der Kläger seine Klageforderung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Entnahme der Press-
luftflasche sei als eine Verspätung im Sinne von Art. 19 des Übereinkommens
zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im interna-
tionalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen, MÜ) zu behandeln, weil die
Auswirkungen der Nichtbeförderung denjenigen einer verspäteten Beförderung
entsprächen und das Montrealer Übereinkommen dem Verbraucherschutz so-
wie einer abschließenden Regelung der Haftung für Gepäckschäden diene. Die
Beklagte treffe jedoch keine Haftung, weil es ihr nicht möglich gewesen sei,
Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens zu ergreifen. Die Entnahme der
Pressluftflasche als Gefahrgut sei nicht in Erfüllung von Eigensicherungspflich-
ten der Beklagten, sondern als hoheitlicher Akt durch eine Gefahrgutbeauftragte
vorgenommen worden, die dabei als Beliehene der Luftsicherheitsbehörde ge-
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handelt habe. Ihre Fehleinschätzung sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Dem
anwesenden Mitarbeiter der Beklagten habe es nicht zugestanden, diese Ein-
schätzung in Frage zu stellen. Eine Nachforschung, auf welche Weise mit dem
Kläger hätte in Kontakt getreten und eine Rücksprache gehalten werden kön-
nen, sei nicht veranlasst und zumutbar gewesen. Andere Ansprüche seien ge-
mäß Art. 29 MÜ ausgeschlossen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Schadensersatzansprüche aus dem mit der Beklagten geschlossenen Beförde-
rungsvertrag gemäß § 280 BGB sind nicht gemäß Art. 29 MÜ ausgeschlossen.
Der geltend gemachte Schaden zählt nicht zu den vom Montrealer Überein-
kommen erfassten Schadensfällen.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Gründen ei-
nen Anspruch wegen eines Verlusts oder einer Beschädigung der Pressluftfla-
sche gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 1 MÜ verneint. Hiergegen werden von den Par-
teien auch keine Rügen erhoben.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts betrifft die Haftung
gemäß Art. 19 MÜ nicht den Fall, dass Gepäck eines ansonsten ordnungsge-
mäß zum Ziel beförderten Passagiers wie hier am Abflugort verbleibt und von
der Beförderung zum Bestimmungsort endgültig ausgenommen bleibt. Art. 19
MÜ ist im Streitfall bereits dem Grunde nach weder direkt noch entsprechend
anwendbar.
a) Werden Reisende, Reisegepäck oder Güter überhaupt nicht zum
Bestimmungsort befördert, stellt dies keinen Fall der Verspätung bei der Luftbe-
förderung im Sinne von Art. 19 MÜ dar (so auch Reuschle, Montrealer Überein-
kommen, 2. Aufl. 2011, Art. 19 Rn. 2; Schmid in Giemulla/Schmid, Frankfurter
Kommentar zum Luftverkehrsrecht, Band 3, Montrealer Übereinkommen
(2011), Art. 19 Rn. 1; Ruhwedel, Münchener Kommentar zum HGB, Band 7,
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3. Aufl. 2014, Art. 19 MÜ Rn. 10; Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 37
Rn. 43).
aa) Dieses Verständnis entspricht dem üblichen Sprachgebrauch der
Worte "delay" und "retard" in den englischen und französischen Fassungen des
Übereinkommens.
bb) Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift deutet ebenfalls darauf hin,
dass die Nichtbeförderung nicht als Fall von Verspätung geregelt werden sollte.
Art. 19 Satz 1 MÜ entspricht wörtlich Art. 19 des Übereinkommens zur
Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationa-
len Luftverkehr (Warschauer Abkommen, WA). In den Verhandlungen für die-
ses Abkommen wurde darauf hingewiesen, dass im Abkommen zwar eine Re-
gelung unter anderem für die verspätete Beförderung von Reisenden, Gepäck
oder Gütern vorgesehen sei, nicht aber für den Fall der Nichtbeförderung ("cas
de non exécution") und dass, wenn Letztere einbezogen werden solle, dies zum
Ausdruck gebracht werden müsse. In der weiteren Erörterung wurden der Be-
darf einer Regelung der Nichtbeförderung in dem vorgesehenen Abkommen
und die Angemessenheit einer damit verbunden Haftungsbeschränkung des
Luftfrachtführers verneint, weil die Interessen des Kunden vom nationalen
Recht hinreichend geschützt würden (vgl. OACI, II
ème
Conférence Internationale
de Droit Privé Aérien, Warschau, 1930, S. 52, 115; vgl. dazu US Court of
Appeals, 7th Circuit, Urteil vom 12. Juni 1987 - Wolgel v. Mexicana Airlines,
821 F. 2d 442 (444 f.)). Dies legt die Annahme nahe, dass die Nichtbeförderung
dem Warschauer Abkommen zufolge nicht als ein Fall von Verspätung aufzu-
fassen ist.
In der Rechtsprechung zum Warschauer Abkommen wurden Fälle der
vollständigen Nichtausführung der Luftbeförderung dementsprechend im Hin-
blick auf die aufgezeigte Entstehungsgeschichte nicht als Verzögerung, son-
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dern als Nichtleistung behandelt, weshalb die betreffenden Fälle nicht unter die
Regeln des Abkommens fielen, sondern nach den Regeln des nationalen
Schuldrechts zu beurteilen seien (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1978
- VII ZR 116/77, NJW 1979, 495 unter II 1; US Court of Appeals, 7th Circuit,
Urteil vom 12. Juni 1987 - Wolgel v. Mexicana Airlines, 821 F. 2d 442 (444 f.)).
In den Verhandlungen zum Montrealer Übereinkommen wurde daran er-
innert, dass Fälle der Nichterfüllung des Transportvertrages vom Anwendungs-
bereich des Warschauer Abkommens nicht erfasst waren und deshalb auch
nicht vom neuen Montrealer Übereinkommen umfasst sein sollten (ICAO, Inter-
national conference on air law, Montreal 1999, Doc 9775-DC/2, Vol. I - Minutes,
S. 235 Nr. 9). Demnach besteht kein Anlass, die Frage für das Montrealer
Übereinkommen anders zu beantworten als für das Warschauer Abkommen.
cc) Diesem Verständnis stehen Sinn und Zweck des Montrealer Über-
einkommens nicht entgegen. Seine Regelungen dienen zwar der Harmonisie-
rung des Luftfahrtrechts. Dies bedingt, im Sinne eines in sich geschlossenen
Systems, die Anwendung von davon abweichenden nationalen Regelungen im
Geltungsbereich des Übereinkommens gemäß Art. 29 MÜ auszuschließen
(vgl. MünchKomm.HGB/Ruhwedel, 3. Aufl., Art. 29 MÜ Rn. 1). So weitgehend
und detailliert die Regelungen des Montrealer Übereinkommens im Einzelnen
auch sein mögen, folgt aus dem Regelungszweck aber nicht, dass die Rechts-
beziehungen zwischen einem Luftfahrtunternehmen und seinen Passagieren
sowie den an einer Fracht Beteiligten vollständig, umfassend und abschließend
durch das Übereinkommen geregelt werden müssten (vgl. etwa nur EuGH, Ur-
teil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, Slg. 2009, I-6073 Rn. 27 - Rehder; Urteil vom
23. Oktober 2012, C-581/10 und C-629/10, RRa 2012, 272 Rn. 46, 55, 57 mwN
- Nelson u.a. für Ansprüche aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 [Fluggast-
rechteverordnung]).
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b) Diese Grundsätze gelten auch, soweit der Luftbeförderungsvertrag
nur teilweise nicht erfüllt wird.
Die teilweise Nichtleistung des Luftfrachtführers unterscheidet sich nicht
von der vollständigen. In beiden Fällen haftet der Schuldner auf materiellen
Schadensersatz für die nicht erbrachte Leistung. Auch im internationalen Ver-
gleich gilt für eine teilweise wie für eine vollständige, vom Schuldner zu vertre-
tende Nichtleistung die Rechtsfolge des Schadensersatzes (vgl. Kötz, Europäi-
sches Vertragsrecht, 2. Aufl., S. 386), weshalb insoweit kein Bedürfnis für eine
Harmonisierung durch das Montrealer Übereinkommen zu erkennen ist.
c) Eine Anwendung des Art. 19 MÜ folgt auch nicht aus dem Umstand,
dass es sich bei der teilweise nicht erfüllten Hauptpflicht, der Beförderung des
Reisegepäcks, um eine akzessorische Pflicht handelt, die zusammen mit der
Beförderung des Fluggastes zu erfüllen ist (vgl. zu letzterem BGH, Urteil vom
15. März 2011 - X ZR 99/10, NJW-RR 2011, 589 Rn. 12).
Das Übereinkommen sieht für die Fälle von Verlust, Beschädigung oder
Verspätung von Reisegepäck keine Differenzierung danach vor, ob die Pflicht
zur Beförderung des Passagiers ebenfalls verletzt worden ist oder nicht, noch
ist darüber hinaus ein Grund ersichtlich, wegen der Akzessorietät der Gepäck-
beförderung eine teilweise Nichterfüllung bei der Beförderung des Reisege-
päcks einer Verspätung im Sinne des Montrealer Übereinkommens gleichzu-
stellen.
d) Auf die im Streitfall ausgebliebene Gepäckbeförderung der Pressluft-
flasche kommt daher das Montrealer Übereinkommen hinsichtlich der in Art. 19
getroffenen Regelung für den Fall einer Verspätung nicht zur Anwendung.
Art. 29, der sich allein auf die im Montrealer Übereinkommen geregelten Haf-
tungstatbestände bezieht, betrifft folglich keine Schadensersatzansprüche we-
gen Nichterfüllung (vgl. MünchKomm.HGB/Ruhwedel, aaO, Art. 29 Rn. 7). An-
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sprüche aus dem nationalen Recht sind auch bei einer nur teilweisen Nichterfül-
lung nicht ausgeschlossen.
III. Das Berufungsurteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im
Ergebnis richtig.
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststel-
lungen kann ein Aufwendungsersatzanspruch des Klägers nach § 280 BGB
nicht ausgeschlossen werden.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Ersatzanspruch aus einem Beför-
derungsvertrag unterliegt gemäß Art. 5 Abs. 2 Rom-I-VO deutschem Sachrecht,
weil der Kläger und seine Ehefrau ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ha-
ben und hier sich auch der Abflugort befindet.
2. Die Beklagte war auf Grund des Beförderungsvertrages, in den der
Kläger als berechtigter Dritter einbezogen war (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai
2010 - Xa ZR 124/09, NJW 2010, 2950 Rn. 14), verpflichtet, das gesamte vom
Kläger aufgegebene Reisegepäck zu befördern (vgl. BGH, Urteil vom 15. März
2011 - X ZR 99/10, NJW-RR 2011, 787, juris Rn. 12). Hierzu gehörte grund-
sätzlich auch die zusammen mit dem übrigen Reisegepäck aufgegebene Press-
luftflasche. Abgesehen von der akzessorischen Hauptleistungspflicht zur Beför-
derung des Reisegepäcks (vgl. dazu BGH, Urteile vom 31. Juli 2012
- X ZR 154/11, NJW 2012, 3368 Rn. 27; vom 25. November 2014
- X ZR 105/13, NJW 2015, 853 Rn. 9) war die Beklagte auch gemäß § 241
Abs. 2 BGB und nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, auf die Errei-
chung des Leistungserfolgs hinzuwirken, soweit dies erforderlich und zumutbar
war, und auf die Interessen der Vertragspartner Rücksicht zu nehmen. Hierzu
gehört es insbesondere, Hindernisse zu beseitigen, die der Erfüllung einer
Hauptleistungspflicht im Wege stehen (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juni 1971
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- V ZR 45/69, WM 1971, 1475 unter III a; vom 19. Oktober 2007 - V ZR 211/06,
BGHZ 174, 61, 70 Rn. 33).
3. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das
Revisionsverfahren bindenden Feststellungen im Berufungsurteil (§ 559 Abs. 2
ZPO) ist die Entnahme der Pressluftflasche aus dem Gepäck zwar von der Ge-
fahrgutbeauftragten veranlasst worden, die dabei als Beliehene hoheitlich und
durch Verwaltungsakt handelte. Dieser Umstand entband die Beklagte aber
nicht von allen weiteren vertraglichen Pflichten. Diese Pflichten geboten ihr
vielmehr, in der durch die Detektion der Flasche bei der Gepäckkontrolle ent-
standenen Sachlage darauf Bedacht zu nehmen, dass die Interessen des Klä-
gers, die naturgemäß auf eine Mitnahme der Flasche gerichtet waren, möglichst
gewahrt wurden. Die Beklagte musste in dieser Situation darauf hinwirken, dass
der Kläger beteiligt wurde, bevor endgültig über die Aussonderung der Flasche
aus dem Gepäck disponiert wurde. Dies war der Beklagten grundsätzlich auch
möglich, weil nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ein
Beauftragter ihres Unternehmens zu dem Vorgang hinzugezogen worden war.
Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im
Revisionsrechtszug zu unterstellen, dass der Kläger auch nach den zeitlich-
räumlichen Verhältnissen hätte beteiligt werden können. Nach der vom Beru-
fungsgericht in Bezug genommenen Anlage K5 wurde die Flasche schon um
10:25 Uhr dem Gepäck entnommen, während der Abflug für 13:05 Uhr anstand.
Revisionsrechtlich ist zugunsten des Klägers des Weiteren zu unterstellen,
dass, wäre er - etwa durch Ausruf über Lautsprecher - beteiligt worden, hätte
aufgeklärt werden können, dass die Flasche leer und ihr Ventil geöffnet war.
Revisionsrechtlich ist darüber hinaus zu unterstellen, dass die Luftsicherheits-
stelle ihre Bedenken gegen den Transport der Flasche unter diesen Umständen
aufgegeben und die Flasche zur Mitbeförderung freigegeben hätte.
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4. Unter den wie vorstehend ausgeführt zu unterstellenden Vorausset-
zungen besteht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 280
BGB. Die Verletzung der vertraglichen Pflichten durch die Beklagte ist danach
ursächlich dafür, dass die Flasche bis zum Tage des Rückflugs nicht ans Flug-
ziel transportiert worden ist und dem Kläger nicht zu der nach seinem Vorbrin-
gen vorgesehenen Ausgestaltung des Aufenthalts in Mexiko zur Verfügung
stand.
Gemäß § 281 BGB kann der Kläger Schadensersatz statt der Leistung
verlangen. Eine Fristsetzung ist jedenfalls nach dem Ende des Urlaubs gemäß
§ 281 Abs. 2 BGB entbehrlich, weil ein Nachholen der Leistung von diesem
Zeitpunkt an für den Kläger nicht mehr von Interesse ist (vgl. dazu BGH, Urteile
vom 14. Juni 2012 - VII ZR 148/10, BGHZ 193, 315 Rn. 26; vom 12. September
2002 - VII ZR 344/01, NJW-RR 2003, 13 unter II 2 a). Dass der Kläger einen
Teil des entstandenen Schadens durch eine Fristsetzung noch während des
Urlaubs hätte abwenden können, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich.
IV. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1
ZPO) und die Sache gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO an das Beru-
fungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
V. Im neu eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht
Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Kläger rechtzeitig zu der Ge-
päcköffnung hätte hinzugezogen und die Flasche unbedenklich hätte transpor-
tiert werden können, weil sie leer war. Wenn dem Kläger danach ein Anspruch
auf Schadensersatz statt der Leistung zusteht, kann er gemäß § 284 BGB Er-
satz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leis-
tung gemacht hat und billigerweise machen durfte.
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Sofern ein Schadensersatzanspruch zu bejahen ist, wird das Berufungs-
gericht im Hinblick auf § 254 BGB zu prüfen haben, ob es dem Kläger möglich
und zumutbar war, vor Ort eine Ersatzflasche zu beschaffen oder auf ein Leih-
system zurückzugreifen. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt bei der
Beklagten.
Nach dem Sinn und Zweck von § 284 BGB besteht ein Anspruch auf Er-
satz von Aufwendungen ferner nur in dem Umfang, in dem der Zweck der Auf-
wendungen durch die Nichterbringung der Leistung nicht erreicht oder vereitelt
worden ist (vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, Bearb. 2014, § 284 Rn. 59). Ob
und in welchem Umfang dies hinsichtlich der Aufwendungen, die der Kläger für
die Reise getätigt hat, zu bejahen ist, wird das Berufungsgericht gegebenenfalls
unter Abwägung aller Umstände zu beurteilen haben (§ 287 ZPO). Hierbei wird
es insbesondere zu berücksichtigen haben, dass der Kläger mit seiner Frau
unter Verlängerung des ursprünglich gebuchten Hotelaufenthalts drei Wochen
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am Urlaubsort verbracht hat. Diesem Umstand kann dadurch Rechnung getra-
gen werden, dass die Aufwendungen nur in dem Umfang zu ersetzen sind, in
dem ein Reisender den Reisepreis für eine Tauchreise mit Blick auf vorenthal-
tene Tauchmöglichkeiten mindern könnte (§ 651d BGB).
Gröning
Bacher
Hoffmann
Schuster
Deichfuß
Vorinstanzen:
AG Erding, Entscheidung vom 19.06.2013 - 2 C 1777/12 -
LG Landshut, Entscheidung vom 21.11.2014 - 14 S 1887/13 -