Urteil des BGH vom 15.09.2015

Teilreflektierende Folie Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 1 1 2 / 1 3
Verkündet am:
15. September 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Teilreflektierende Folie
EPÜ Art. 87 Abs. 1
Die Priorität einer Voranmeldung, die eine Bereichsangabe enthält, kann jeden-
falls dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der in der Nachan-
meldung beanspruchte, innerhalb dieses Bereichs liegende einzelne Wert oder
Teilbereich in der Voranmeldung als mögliche Ausführungsform der Erfindung
offenbart ist.
BGH, Urteil vom 15. September 2015 - X ZR 112/13 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 15. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die
Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des 4. Senats
(Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 1. August
2013 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 799 436 (Streitpatents), das am
31. August 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Ge-
brauchsmusters 295 15 073 (L2) angemeldet worden ist. Nach Abschluss eines
Einspruchsverfahrens lautet Patentanspruch 1, dem zwölf weitere Ansprüche
unmittelbar oder mittelbar nachgeordnet sind, wie folgt:
"Verwendung eines Bildprojektors (12), einer reflektierenden Fläche (18)
und einer glatten transparenten und teilreflektierenden Folie (20) zum
Darstellen von Bildern im Hintergrund einer Bühne (28) oder
dergleichen, wobei die reflektierende Fläche (18) auf dem Boden (30)
der Bühne (28) in deren mittlerem Bereich angeordnet ist und die Folie
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(20) zwischen dem Boden (30) und der Decke (32) der Bühne (28) über
deren gesamte Breite derart verläuft, dass ihr unteres Ende an einer
Stelle zwischen der reflektierenden Fläche (18) und dem Hintergrund
der Bühne (28) und ihr oberes Ende an der Decke (32) an einer weiter
vorn liegenden Stelle gehalten ist, und der Bildprojektor (12) an der
Decke (32) vor dem dort gehaltenen oberen Ende der Folie (20)
angeordnet und auf die reflektierende Fläche (18) gerichtet ist, so dass
das vom Bildprojektor (12) projizierte Licht zuerst von der reflektierenden
Fläche (18) teilweise reflektiert wird, so dass aus dem reflektierten Licht
ein virtuelles Bild (26) im Hintergrund der Bühne (28) entsteht, wobei die
Folie (20) eine Fläche von mindestens 3 mal 4 m aufweist und unter
Zugspannung steht."
Die Klägerin macht mit ihrer Nichtigkeitsklage geltend, der Gegenstand
von Patentanspruch 1 beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung und sei nicht
patentfähig. Als Stand der Technik sei auch L2 zu berücksichtigen, da das
Streitpatent das Prioritätsrecht der L2 zugrundeliegenden Anmeldung nicht
wirksam in Anspruch nehme. Der Beklagte hat das Streitpatent in der Fassung,
die es im Einspruchsverfahren erhalten hat, und hilfsweise mit zwei geänderten
Anspruchssätzen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen rich-
tet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin die Abweisung der Klage er-
strebt.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Streitpatent betrifft die Verwendung eines Bildprojektors, einer
reflektierenden Fläche und einer glatten, transparenten und teilreflektierenden
Folie zur Wiedergabe von Bildern im Hintergrund einer Bühne. Nach der Dar-
stellung der Streitpatentschrift war es bekannt, feststehende oder sich bewe-
gende Bilder in der Form vorzuführen, dass der Vortragende außerhalb des
Lichtkegels zwischen Projektor und Leinwand steht und die Bilder kommentiert.
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Trete der Vortragende bei einer solchen Anordnung in den Lichtkegel, führe
dies dazu, dass das Bild für die Zuschauer durch den von ihm geworfenen
Schatten teilweise verdeckt und damit nicht zu sehen sei. Zur Erläuterung des
wiedergegebenen Bildes müsse er deshalb außerhalb des Lichtkegels bleiben
und sich eines Zeigestocks oder einer Lampe mit scharf gebündeltem Strahl
bedienen. Unter bestimmten Umständen sei es wünschenswert, dass der Vor-
tragende die Möglichkeit habe, in das Bild hineinzutreten, ohne dessen Wieder-
gabe zu stören.
Das technische Problem besteht vor diesem Hintergrund darin, die für
eine Bild- oder Filmprojektion erforderlichen Vorrichtungen so zu verwenden,
dass dies ermöglicht wird.
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent die
Verwendung eines Bildprojektors vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern
lassen (abweichende Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen
Klammern):
1. Verwendung eines Bildprojektors, einer reflektierenden Fläche
und einer Folie zum Darstellen von Bildern im Hintergrund einer
Bühne oder dergleichen. [M1 teilweise]
2. Die reflektierende Fläche ist auf dem Boden der Bühne in deren
mittlerem Bereich angeordnet. [M2]
3. Die Folie
a) ist glatt, [M1 teilweise]
b) transparent, [M1 teilweise]
c) und teilreflektierend; [M1 teilweise]
d) sie verläuft zwischen dem Boden und der Decke der Bühne
über deren gesamte Breite derart, dass ihr unteres Ende an
einer Stelle zwischen der reflektierenden Fläche und dem
Hintergrund der Bühne und ihr oberes Ende an der Decke
an einer weiter vorn liegenden Stelle gehalten ist; [M3, M3a,
M3b]
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e) sie weist eine Fläche von mindestens 3 m mal 4 m auf; [M5]
f) sie steht unter Zugspannung. [M5a]
4. Der Bildprojektor
a) ist an der Decke vor dem dort gehaltenen oberen Ende der
Folie angeordnet, [M4, M4a]
b) ist auf die reflektierende Fläche gerichtet, so dass das von
ihm projizierte Licht zuerst von der reflektierenden Fläche
teilweise reflektiert wird, so dass aus dem reflektierten Licht
ein virtuelles Bild im Hintergrund der Bühne entsteht. [M4b,
M4c, M4d]
Durch eine solche Anordnung wird das Licht vom Bildprojektor auf die re-
flektierende Fläche geworfen und spiegelt sich dann in der Folie derart, dass es
für den Zuschauer auf dem Hintergrund der Bühne erscheint. Steht der Vortra-
gende hinter der reflektierenden Fläche und der Folie und damit außerhalb des
Lichtkegels, wird die Bilddarstellung nicht gestört. Zugleich ist es ihm möglich,
ohne Hilfsmittel auf Einzelheiten des wiedergegebenen Bildes hinzuweisen oder
- etwa dadurch, dass er sich mit den Bildern bewegt - besondere Effekte zu er-
zielen. Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 2 und 4 der Streitpatent-
schrift zeigen eine schematische Seitenansicht einer solchen Anordnung und
eine Ansicht aus der Perspektive des Zuschauers.
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3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
a) Die in Merkmal 1 beschriebenen Vorrichtungselemente sollen zur
Darstellung von Bildern im Hintergrund einer Bühne oder dergleichen verwen-
det werden. Sie können also auf einer ohnehin in einer Stadthalle, einer Aula
usw. vorhandenen Bühne, die sich etwa durch ein Podest gegenüber dem Zu-
schauerraum abgrenzt, eingesetzt werden. Mit der Wendung "oder dergleichen"
werden auch Verwendungen einbezogen, bei denen ein bestimmter Bereich,
etwa eine bestimmte Fläche einer Halle, nur durch die Anordnung der in Merk-
mal 1 aufgeführten Vorrichtungselemente, insbesondere durch die Folie, als ein
Bereich ausgewiesen wird, der der Darstellung von Bildern dient, und damit als
Bühne fungiert.
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b) Nach Merkmal 2 ist die reflektierende Fläche auf dem Boden der
Bühne in deren mittlerem Bereich angeordnet. Unter Berücksichtigung der An-
ordnung der im Anspruch genannten Vorrichtungselemente insgesamt und des
vorgesehenen Lichtgangs ist dies einmal dahin zu verstehen, dass die reflektie-
rende Fläche nicht im hinteren Bereich der Bühne angeordnet ist. Dort soll
vielmehr nach Merkmal 4b das virtuelle Bild entstehen. Zudem ergibt sich aus
Merkmal 3d, dass das untere Ende der Folie vom Zuschauerraum aus gesehen
hinter der reflektierenden Fläche angeordnet ist. Dies bedeutet, dass sich ein
Teil des Bühnenbodens hinter der reflektierenden Fläche befindet. Dem Merk-
mal ist zum anderen zu entnehmen, dass sich die reflektierende Fläche nicht
ganz vorne auf dem Bühnenboden befindet, was sich daraus erklärt, dass diese
Fläche das Licht reflektieren soll, das von dem weiter vorne angeordneten Bild-
projektor ausgestrahlt wird.
c) Unter einem Bildprojektor ist eine Vorrichtung zu verstehen, die eine
Lichtquelle und optische Elemente wie Linsen, Prismen oder Spiegel umfasst,
die es ermöglichen, das Licht nach außen zu leiten, um ein Bild zu projizieren.
Nach Merkmal 4a ist der Bildprojektor an der Decke vor dem dort gehal-
tenen oberen Ende der Folie angeordnet. Soweit es im Patentanspruch weiter
heißt, dass der Projektor an der Decke an einer - im Verhältnis zum unteren
Ende der Folie - weiter vorn liegenden Stelle gehalten ist, kommt dem kein ei-
genständiger sachlicher Gehalt zu. Die Patentschrift befasst sich lediglich da-
mit, in welchem Bereich der Decke der Bildprojektor angeordnet ist, enthält aber
keinerlei Angaben dazu, auf welche Weise er dort befestigt ist bzw. gehalten
wird.
Merkmal 4a ist nicht zu entnehmen, dass der Bildprojektor insgesamt vor
dem oberen Ende der Folie angeordnet sein muss. Der Fachmann, der maß-
geblich auf die Funktion des Bildprojektors abstellt, versteht dieses Merkmal
vielmehr dahin, dass der Bereich des Projektors, der das austretende Licht auf
die reflektierende Fläche richtet, vor dem oberen Ende der Folie angeordnet ist,
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und erkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob weitere Teile des Projektors,
etwa das Gehäuse der Lichtquelle, vor, über oder hinter dem oberen Ende der
Folie angeordnet sind. In diesem Verständnis sieht sich der Fachmann durch
die Figuren 1 bis 3 und 5 der Streitpatentschrift bestätigt, die jeweils zeigen,
dass zwar der Spiegel 14 - als Teil des Bildprojektors - vor dem oberen Ende
der Folie angeordnet ist, das Gehäuse des Lichtverstärkers sich dagegen teil-
weise darüber bzw. sogar dahinter befindet.
Dementsprechend ist Merkmal 4b, wonach der Bildprojektor auf die re-
flektierende Fläche gerichtet ist, aus fachlicher Sicht dahin zu verstehen, dass
der Teil des Bildprojektors, aus welchem das Licht austritt, auf diese Fläche
gerichtet ist. Dabei kann es sich auch - wie beispielhaft in Figur 1 gezeigt - um
einen vor dem Lichtverstärker angeordneten Spiegel handeln, der das von der
Lichtquelle ausgehende Licht umlenkt. Absatz 11 der Beschreibung steht die-
sem Verständnis des Merkmals 4b nicht entgegen. Dort ist zwar davon die Re-
de, dass der Lichtverstärker horizontal ausgerichtet sei und in Richtung des Zu-
schauerraums strahle. Bliebe es hierbei, könnte jedoch, wie für den Fachmann
ohne weiteres zu erkennen ist, der für die angestrebte Erzeugung eines virtuel-
len Bildes im Bühnenhintergrund erforderliche Lichtgang nicht erreicht werden.
Das in Richtung des Zuschauerraums strahlende Licht muss daher - wie etwa in
Figur 1 gezeigt - durch einen Spiegel oder dergleichen zur reflektierenden Flä-
che umgelenkt werden. Soweit dies in Absatz 11 nur als "weitere Ausgestal-
tung" bezeichnet wird, handelt es sich ersichtlich um eine ungenaue Formulie-
rung. Für den Fachmann ist nicht zweifelhaft, dass die Umlenkung des Licht-
strahls bei einer solchen Anordnung des Lichtverstärkers nicht optional, son-
dern stets erforderlich ist.
d) Merkmal 3c, wonach die Folie teilreflektierend ist, kann - anders als
die Klägerin meint - nicht entnommen werden, dass es sich hierbei um eine in-
härente Eigenschaft der Folie handeln muss. Für die Erreichung des mit der
technischen Lehre verfolgten Ziels kommt es nicht darauf an, ob die Folie als
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solche - unter allen denkbaren Einsatzbedingungen - teilreflektierend ist. Maß-
geblich ist lediglich, ob sie in der konkreten Anordnung, in der sie zum Einsatz
kommt, teilreflektierende Eigenschaften hat. Dieses Verständnis wird auch
durch Absatz 12 der Beschreibung nahegelegt, wo die teilreflektierende Eigen-
schaft der Folie im Zusammenhang mit der konkreten Anordnung gemäß
Merkmalen 3d und 3f beschrieben wird.
e) Merkmal 3e, wonach die Folie eine Fläche von mindestens 3 m mal
4 m aufweist, legt eine Mindestgröße fest, die für den Anwendungsbereich ge-
eignet ist, der nach der Beschreibung des Streitpatents im Vordergrund steht,
nämlich die Vorführung von Dias oder Filmen vor mehreren Zuschauern unter
Mitwirkung eines Vortragenden, wie sie beispielhaft in Figuren 2 und 4 gezeigt
wird und bei der neben dem auf der Bühne stehenden Vortragenden Raum für
die Darstellung eines zu erläuternden Bildinhalts ist.
II. Das Patentgericht (GRUR-RR 2013, 500 = Mitt 2013, 455) hat seine
Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das Streitpatent sei in der erteilten Fassung für nichtig zu erklären, weil
der Gegenstand von Patentanspruch 1 über den Inhalt der ursprünglichen An-
meldung hinausgehe. In den ursprünglichen Anmeldeunterlagen (WO 97/11405
= L3) sei hinsichtlich des Reflexionsverhaltens der Folie lediglich angegeben,
dass diese 30% bis 50%, vorzugsweise 30% des auf sie treffenden Lichts re-
flektieren solle. Der Fachmann, ein berufserfahrener Fachhochschul-Ingenieur
der Fachrichtung Elektrotechnik oder Optik mit Erfahrungen im Bereich der
Theater- und Veranstaltungstechnik werde den Offenbarungsgehalt der Anmel-
dung hierauf beschränkt sehen. Merkmal M1 (hier: Merkmal 3c) wonach die
Folie teilreflektierend ist, stelle damit eine Verallgemeinerung dar, die in den
ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart sei. In diesem Zusammen-
hang sei auch zu berücksichtigen, dass teilreflektierende Folien zum Anmelde-
zeitpunkt nicht üblich gewesen seien, so dass für den Fachmann, der die tech-
nische Lehre realisieren sollte, eine Bereichsangabe als Voraussetzung für eine
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erfolgreiche Ausführung der Lehre wichtig gewesen sei. Er habe diese Angabe
daher nicht so verstanden, dass sie nur ein Ausführungsbeispiel darstelle.
Das Streitpatent könne auch nach Maßgabe des Hilfsantrags I keinen
Bestand haben, weil Patentanspruch 1 auch in dieser Fassung auf unzulässiger
Erweiterung beruhe.
In der Fassung von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II sei die unzuläs-
sige Erweiterung durch Aufnahme des zusätzlichen Merkmals, wonach die Folie
30% bis 50% des auf sie treffenden Lichts reflektiert, beseitigt. Auch in dieser
Fassung könne der Beklagte die Priorität der L2 nicht wirksam in Anspruch
nehmen. Merkmal 5 (hier: Merkmal 3e) wonach die Folie eine Fläche von min-
destens 3 m mal 4 m aufweise, sei in L2 nicht offenbart. Diese Schrift enthalte
keine Angaben oder Figuren, aus denen die in Merkmal 5 konkret beanspruchte
Flächenangabe unmittelbar und eindeutig entnommen werden könnten. Damit
gelte für das Streitpatent der Zeitrang des Anmeldetags vom 31. August 1996.
Zugleich sei das vor diesem Tag veröffentlichte Dokument L2 als Stand der
Technik zu berücksichtigen. Der Versuch des Beklagten, durch einen soge-
nannten Prioritätsdisclaimer zu erreichen, dass die Priorität für alle anderen
Merkmale außer Merkmal 5 in Anspruch genommen werden könne, sei nicht
zulässig.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag II
sei danach zwar neu, aber durch den Stand der Technik nahegelegt. L2 offen-
bare sämtliche Merkmale außer Merkmal 5. Da L2 beschreibe, dass die Folie
zwischen dem Boden und der Decke der Bühne über deren gesamte Breite ver-
laufen solle, sei es für den Fachmann aufgrund einfacher weiterer Überlegun-
gen selbstverständlich, die Größe der Folie an die Größe der Bühne anzupas-
sen. Aufgrund üblicher Bühnengrößen werde er danach die Foliengröße so
wählen, dass sie eine Fläche von mindestens 3 m mal 4 m aufweise. Der weite-
re von der Klägerin vorgelegte Stand der Technik sei dagegen nicht geeignet,
den Gegenstand von Patentanspruch 1 nahezulegen; dies gelte auch für die
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deutsche Offenlegungsschrift 38 08 406 (L13) und die als Anlage L8 vorgelegte
Beschreibung einer Anordnung zur Erzeugung eines virtuellen Bildes auf einer
Bühne ("Pepper's Ghost Illusion").
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht
stand.
1. Die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand von Patentan-
spruch 1 nach dem Hauptantrag gehe über den Inhalt der Anmeldung in der
ursprünglich eingereichten Fassung (L3) hinaus, trifft nicht zu.
a) Nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 IntPatÜbkG ist ein europäisches
Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für
nichtig zu erklärten, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in
der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche
Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten
Unterlagen zu ermitteln. Entscheidend ist dabei, was der mit durchschnittlichen
Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden
Gebiets der Technik, bei dem es sich nach den zutreffenden Ausführungen des
Patentgerichts um einen berufserfahrenen Fachhochschul-Ingenieur der
Fachrichtung Elektrotechnik oder Optik mit Erfahrungen im Bereich der Theater-
und Veranstaltungstechnik handelt, den ursprünglichen Unterlagen als zur
Erfindung gehörend entnehmen kann (BGH, Urteil vom 17. Februar 2015
- X ZR 161/12, GRUR 2015, 573 Rn. 21 - Wundbehandlungsvorrichtung).
b) Eine unzulässige Erweiterung ist nicht darin zu sehen, dass die Folie
in Patentanspruch 1 als teilreflektierend beschrieben ist.
Allerdings ist die Folie weder in der Beschreibung der L3 noch in den dort
formulierten Ansprüchen ausdrücklich als teilreflektierend bezeichnet. Gleich-
wohl ergibt sich diese Eigenschaft der Folie für den Fachmann aus der L3 un-
mittelbar und eindeutig. In der Beschreibung der L3 wird einleitend auf den so-
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genannten Geistertrick verwiesen, wie er auch in der L8 beschrieben ist. So-
dann wird ausgeführt, dass ein vergleichbarer Effekt hier durch die Anordnung
einer reflektierenden Fläche auf dem Boden der Bühne und einer transparen-
ten, glatten, zwischen Boden und Decke der Bühne verlaufenden Folie erreicht
werden soll. Hierzu wird geschildert, dass die Vorrichtung von dem physikali-
schen Prinzip Gebrauch mache, das ein Autofahrer an der Windschutzscheibe
seines Fahrzeugs beobachten könne, wenn ein auf der Ablage liegender Ge-
genstand aus Sicht des Autofahrers vor der Scheibe zu liegen scheine. Nach
der erfindungsgemäßen Lehre soll die reflektierende Fläche der Ablage ent-
sprechen. Das Objekt spiegele sich dann in der transparenten glatten Folie der-
art, dass es für den Zuschauer auf dem Hintergrund der Bühne erscheine (S. 3
Mitte). Dieser Darstellung entnimmt der Fachmann ohne weiteres, dass die
transparente Folie nicht völlig transparent ist - sonst fiele das Licht einfach
durch sie hindurch - was zugleich bedeutet, dass sie das auf sie gelenkte Licht
jedenfalls in einem gewissen Umfang spiegelt, also reflektierende Eigenschaf-
ten hat. Dass die Folie mit den Angaben, sie sei glatt und transparent, nicht ab-
schließend beschrieben ist, ergibt sich für den Fachmann auch aus der Be-
schreibung der Funktionsweise der vorgeschlagenen Verwendung in der L3.
Unter Berücksichtigung der Figur 4 und dem im allgemeinen Teil der Beschrei-
bung erläuterten Ziel der Erfindung, die Möglichkeit zu schaffen, dass sich der
Vortragende (scheinbar) vor dem Bild bewegt, ohne dessen Wahrnehmung
durch die Zuschauer zu beeinträchtigen (S. 3), ist aus fachlicher Sicht klar, dass
die Folie nicht völlig transparent sein darf, weil sonst das Bild für den Zuschauer
nicht zu sehen wäre. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Folie das Licht
teilweise reflektieren muss. Reflektierte sie das projizierte Licht vollständig,
könnten die Zuschauer den Vortragenden, der sich hinter der Folie befindet,
nicht sehen. Damit ist der L3 unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die
Folie teilreflektierend ist. Der Fachmann versteht vor diesem Hintergrund die
Passage auf S. 4, 2. Absatz der L3 als nähere Erläuterung der erfindungsge-
mäßen Lehre dahin, dass es vorteilhaft ist, wenn die Folie 30% bis 50% des auf
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sie treffenden Lichts reflektiert, und besonders vorzugswürdig, wenn sie 30%
des auftreffenden Lichts reflektiert.
c) Die Angabe in Patentanspruch 1, dass der Bildprojektor an der De-
cke an einer Stelle gehalten ist, die - bezogen auf das untere Ende der vom
Boden zur Decke verlaufenden Folie - weiter vorn liegt, beruht ebenfalls nicht
auf einer unzulässigen Erweiterung. Wie oben ausgeführt kommt diesem in L3
nicht erwähnten Merkmal keine eigenständige Bedeutung zu; es besagt nichts
anderes, als dass der Projektor an der Decke an einer weiter vorn liegenden
Stelle angeordnet ist.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag ist
auch patentfähig. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit hat die Gebrauchs-
musterschrift 295 15 073 (L2) außer Betracht zu bleiben, weil das Streitpatent
deren Priorität wirksam in Anspruch nimmt. Der weitere Stand der Technik ist
nicht geeignet, die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in
Frage zu stellen.
a)
Bei der Anmeldung eines europäischen Patents kann das Prioritäts-
recht einer vorangegangenen Gebrauchsmusteranmeldung nach Art. 87 Abs. 1
EPÜ in Anspruch genommen werden, wenn beide dieselbe Erfindung betreffen.
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte
Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der an-
gemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Der Gegenstand der beanspruch-
ten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss
sich um dieselbe Erfindung handeln. Dabei ist die Offenbarung des Gegen-
stands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche be-
schränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu
ermitteln. Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien
der Neuheitsprüfung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist da-
nach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische
Lehre den Ursprungsunterlagen unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausfüh-
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rungsform der Erfindung entnehmen kann (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014
- X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 Rn. 19 ff. mwN - Kommunikationskanal).
b) Nach dieser Maßgabe nimmt das Streitpatent das Prioritätsrecht der
L2 wirksam in Anspruch.
aa) Der Inanspruchnahme des Prioritätsrechts der L2 steht, anders als
die Klägerin annimmt, nicht entgegen, dass dort in Patentanspruch 1 und in der
Überschrift von einer Vorrichtung die Rede ist, denn auch L2 befasst sich
durchweg allein damit, wie die näher beschriebenen Vorrichtungselemente zur
Darstellung von Bildern verwendet werden.
bb) Auch der Umstand, dass L2 keine konkreten Angaben zu den Maßen
der Folie enthält, führt nicht dazu, dass das Streitpatent die Priorität der L2 nicht
in Anspruch nehmen kann.
Das Fehlen von Maßangaben legt nahe, dass der Offenbarungsgehalt
der ursprünglichen Anmeldeunterlagen die Verwendung von Folien unterschied-
licher Größe umfasst und damit auch solcher, die eine kleinere Fläche als 3 m
auf 4 m aufweisen. L2 spricht ganz allgemein von Film- und Bildvorträgen vor
Zuschauern. Dies lässt die Möglichkeit offen, dass nicht nur sehr große Büh-
nen, etwa in Stadthallen oder dergleichen gemeint sind, sondern auch sehr
kleine Bühnen in Räumen für wenige Zuschauer, was zur Folge hätte, dass ein
sehr breiter Bereich von Foliengrößen in Betracht kommt. L2 offenbart damit
mittelbar, ohne sich auf bestimmte Maßangaben festzulegen, eine breite Be-
reichsangabe, die nur durch den Begriff der Bühne begrenzt wird und jedenfalls
übliche Bühnengrößen umfasst.
Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall damit zugleich alle inner-
halb dieses Bereichs liegenden Einzelwerte oder Teilbereiche als offenbart an-
zusehen sind. Ferner kann offenbleiben, ob es für die Inanspruchnahme des
Prioritätsrechts einer Voranmeldung mit einer solchen Bereichsangabe aus-
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reicht, wenn sich die Nachanmeldung auf einzelne Werte oder Teilbereiche, die
innerhalb des in der Voranmeldung angegebenen Bereichs liegen, beschränkt
und mit dieser Beschränkung keine anderen technischen Wirkungen einherge-
hen. Die Priorität einer Voranmeldung, die eine Bereichsangabe enthält, kann
jedenfalls dann wirksam in Anspruch genommen werden, wenn der in der
Nachanmeldung beanspruchte, innerhalb dieses Bereichs liegende einzelne
Wert oder Teilbereich in der Voranmeldung als mögliche Ausführungsform der
Erfindung offenbart ist.
So verhält es sich hier. Eine Mindestfläche der Folie von 3 m auf 4 m
kann der Fachmann der L2 unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausfüh-
rungsform der Erfindung entnehmen. Die oben wiedergegebenen Figuren 2 und
4 der Streitpatentschrift finden sich - mit minimalen, hier unwesentlichen Abwei-
chungen - bereits in L2. Aus dem Verhältnis der Größe des Vortragenden (Be-
zugszeichen 38) zu dem Abstand zwischen Bühnenboden und -decke und unter
Berücksichtigung des Umstands, dass die Folie nicht senkrecht, sondern
schräg verläuft, ergibt sich ohne weiteres, dass die dort gezeigte Folie eine Hö-
he von mindestens 3 m aufweist. Figur 4 lässt zudem erkennen, dass die Folie
mindestens 4 m breit ist. Dies wird nicht nur dadurch deutlich, dass die Breite
der Folie deren Höhe merklich übersteigt, sondern auch aus den aus Figur 4
ersichtlichen Größenverhältnissen zwischen Vortragendem und Bildobjekt.
Der Umstand, dass L2 - wie zugunsten der Klägerin unterstellt werden
mag - auch andere Gestaltungen umfasst, bei denen kleinere Folien verwendet
werden, steht danach der Inanspruchnahme des Prioritätsrechts der Voranmel-
dung nicht entgegen.
cc) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Lehre des Streitpatents
weise im Hinblick auf das Merkmal 4b einen Unterschied zur L2 auf, der die
Identität der Erfindung in Voranmeldung und Nachanmeldung in Frage stelle.
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Die Klägerin meint, bei konsistenter Auslegung des Streitpatents, insbe-
sondere bei Berücksichtigung des Rückbezugs von Patentanspruch 4 auf den
Hauptanspruch, müsse dieses dahin verstanden werden, dass nicht notwendig
der Bildprojektor selbst das ausgestrahlte Licht auf die reflektierende Fläche
ausrichten müssen, sondern dass dies auch durch vor dem Bildprojektor ange-
ordneten Spiegel geschehen könne, der das Licht umlenke. Eine solche Anord-
nung sei in L2 nicht gezeigt.
Dieser Argumentation liegt eine unzutreffende Auslegung von Patentan-
spruch 1 zugrunde. Unter einem Bildprojektor im Sinne von Merkmal 2 ist, wie
oben ausgeführt, eine Vorrichtung zu verstehen, die nicht nur die Lichtquelle
umfasst, sondern auch Linsen, Prismen, Spiegel oder dergleichen, die das Licht
nach außen leiten, um das Bild zu projizieren. Im gleichen Sinne spricht jedoch
bereits die L2 von einem dort als Bildgeber bezeichneten Bildprojektor, der al-
lein funktional dahin beschrieben wird, dass er das Bild auf die reflektierende
Fläche wirft. Auch wenn die Figuren 1 bis 3 - anders als die entsprechenden
Figuren des Streitpatents - keine Anordnung von Lichtverstärker und Spiegel
zeigen, sondern den Bildgeber nur ganz schematisch darstellen, erkennt der
Fachmann, dass es funktional nur darauf ankommt, dass das Licht zur Erzeu-
gung des zu projizierenden Bilds an einer vor dem vorderen Ende der Folie be-
findlichen Stelle aus dem Projektor austritt und auf die reflektierende Fläche
geleitet wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann, der die L2 liest, den
Begriff des Bildgebers einschränkend dahin versteht, dass nur Vorrichtungen
gemeint sind, bei denen Lichtquelle und Linse so angeordnet sind, dass keine
Umlenkung des Lichts erfolgt, sind unter diesen Umständen nicht ersichtlich.
dd) Die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts der L2 wird schließlich
auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es in deren Beschreibung heißt, der
Vortragende stehe vom Zuschauerraum aus gesehen vor der reflektierenden
Fläche (S. 3, erster Absatz), während die Beschreibung der Anmeldung zum
Streitpatent besagt, dass er hinter dieser Fläche steht. Wie sich schon aus dem
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nachfolgenden Satz der Beschreibung der L2 ergibt, beruht diese Formulierung
ersichtlich auf einem Schreibversehen. Denn die Folgerung, dies heiße, dass
weder das Bild des Vortragenden auf dem Hintergrund abgebildet werde noch
er die Bilddarstellung störe, träfe ersichtlich nicht zu, wenn der Vortragende vor
statt hinter der reflektierenden Fläche stünde. Für die vergleichbare Formulie-
rung im letzten Satz des ersten Absatzes auf Seite 4 der L2 gilt Entsprechen-
des.
Nimmt damit das Streitpatent das Prioritätsrecht der L2 zu Recht in An-
spruch, ist diese bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands von
Patentanspruch 1 außer Betracht zu lassen.
c) Die deutsche Offenlegungsschrift 38 08 406 (L13) stellt die Patentfä-
higkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 nicht in Frage.
aa) L13 stellt in Figuren 1 bis 7, insbesondere in Figur 6 und der zugehö-
rigen Beschreibung eine Vorrichtung nach Art eines Displays vor, die z.B. auf
einer Ausstellung oder Messe, in Schaufenstern, in Museen oder dergleichen
benutzt werden könne.
Diese Vorrichtung ist damit, anders als der Gegenstand von Patentan-
spruch 1, nicht auf den Einsatz auf einer Bühne bezogen. Sie ist zwar geeignet
zur Darstellung virtueller Bilder, doch fehlt es an einer Bühne oder dergleichen,
in deren Hintergrund die Darstellung des Bildes erfolgen soll (Merkmal 1,
Merkmal 4b). Damit ist auch eine sinnvolle Zuordnung von Boden und Decke
der Bühne nicht möglich.
Der Bildschirm (4'), der der reflektierenden Fläche nach Merkmal 2 ent-
spricht, nimmt nach Figur 6 die gesamte Breite des unteren Bereichs des Ge-
häuses (1) ein. Selbst wenn man diesen unteren Bereich des Gehäuses als
Bühnenboden ansehen wollte, ist der Bildschirm nicht im mittleren Bereich der
Bühne angeordnet, denn dies setzte, wie ausgeführt, voraus, dass es, bezogen
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auf die Blickrichtung der Zuschauer - davor und dahinter - einen Bereich des
Bühnenbodens gibt, der nicht von der reflektierenden Fläche in Anspruch ge-
nommen wird. Aus der L13 und dem Vortrag der Klägerin hierzu ergeben sich
auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die in Figur 6 gezeigte Vorrichtung auf
einer Bühne platziert wird (Merkmal 2).
Das vom Bildschirm (4') reflektierte Licht wird in der Vorrichtung nach Fi-
gur 6 nicht auf eine Folie, sondern auf eine Scheibe (2) gelenkt (Merkmal 3).
Deren oberes Ende wird nicht an der Decke gehalten. Die Scheibe wird viel-
mehr nur an ihrem unteren Ende durch die Achse (3) gehalten (Merkmal 3d).
Die Scheibe steht nicht unter Zugspannung (Merkmal 3f), ferner ist L13 nicht zu
entnehmen, dass sie eine Fläche von mindestens 3 m auf 4 m aufweist (Merk-
mal 3e).
bb) L13 beschreibt darüber hinaus als weitere Ausführungsform eine
Vorrichtung zur Erzeugung von virtuellen Bildern, die als eine relativ große und
breite und entsprechend tiefe Bühne ausgebildet ist und insbesondere in Fi-
gur 8 dargestellt ist.
Als reflektierende Fläche dient dort ein Umlenkspiegel (41), der auf dem
Boden des unteren Projektionsraums (38) angeordnet ist. Nachdem es sowohl
davor als auch dahinter einen Bereich des - gestuften - Bühnenbodens gibt, der
keine reflektierende Fläche aufweist, ist eine Anordnung der reflektierenden
Fläche im mittleren Bereich der Bühne offenbart (Merkmal 2).
Auch bei Figur 8 wird keine teilreflektierende Folie, sondern eine Scheibe
(2) verwendet (Merkmal 3). Der Beschreibung lässt sich weder entnehmen,
dass diese unter Zugspannung steht, noch dass sie eine Fläche von mindes-
tens 3 m mal 4 m aufweist (Merkmale 3e und 3f).
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Der Bildprojektor (14) ist nicht an der Decke der Bühne angeordnet, son-
dern unterhalb des gestuften Bühnenbodens in einem als Projektionsraum (38)
bezeichneten Teil der Vorrichtung (Merkmal 4a).
cc) Aus dem Stand der Technik ergab sich für den Fachmann keine An-
regung, um von den in L13 beschriebenen Vorrichtungen zum Gegenstand von
Patentanspruch 1 zu gelangen.
Der Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt bot aus fachlicher Sicht kei-
ne Anregung, statt der in L13 verwendeten Scheibe eine teilreflektierende Folie
zu verwenden. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf das deutsche
Patent 44 45 302 (L9b) und die internationale Anmeldung WO 95/33540 (L11)
Bezug nimmt, können diese keine Berücksichtigung finden, weil sie erst nach
dem Prioritätszeitpunkt veröffentlicht worden sind. Aus dem als Anlage L9 vor-
gelegten Prospekt "Foil Mirror" ergibt sich lediglich, dass die Verwendung von
Spiegelfolien, die in unterschiedlichem Maße reflektieren, bereits 1986 bekannt
war und eine Nutzung der sich daraus ergebenden Möglichkeiten auch auf der
Bühne in Betracht gezogen wurde. Nach L9 kann ein solcher Folienspiegel je-
doch nur bis zu einer Größe von 6 m mal 1,3 m verwirklicht werden, weshalb
der Fachmann die Verwendung solcher Folien für die in Patentanspruch 1 be-
anspruchte Mindestfläche nicht in Betracht gezogen hätte.
L13 zeigt sowohl in Figur 6 als auch in Figur 8 komplex aufgebaute Vor-
richtungen, die in ihrer Gesamtheit verwendet werden, um virtuelle Bilder zu
erzeugen. In beiden dort beschriebenen Ausführungsbeispielen wird eine ge-
stufte Anordnung gezeigt, bei der die reflektierende Fläche, von der aus das
Licht auf die teilreflektierende Scheibe gelenkt wird, deutlich unterhalb der Un-
terkante des virtuellen Bildes platziert ist. Aus L13 ergibt sich daher keine Anre-
gung zu der technischen Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents zu
gelangen, die darauf zielt, eine ohnehin vorhandene Bühne zu nutzen, um mit-
hilfe einiger weniger Komponenten - Projektor, reflektierende Fläche und teilre-
flektierende Folie - die Möglichkeit bereitzustellen, effektvolle Bildvorführungen
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zu gestalten, ohne dass es einer gestuften Anordnung von reflektierender Flä-
che und Bühnenhintergrund bedarf.
Schließlich kann nicht angenommen werden, dass der Fachmann aus
Figur 6 der L13 die Anregung erhält, die in Figur 8 gezeigte Vorrichtung so um-
zugestalten, dass der Bildprojektor nicht unterhalb der Bühne, sondern an der
Bühnendecke vor der teilreflektierenden Scheibe angeordnet und nach unten
gerichtet wird. Dem steht nicht nur entgegen, dass in der Beschreibung der
Ausführungsform gemäß Figur 8 betont wird, dass die Anordnung des Projek-
tors im unteren Bühnenraum (39) die Möglichkeit schafft, den Abstand des Bild-
schirms (4) zum Umlenkspiegel (41) zu variieren und damit die Luftbilder in un-
terschiedlichen Tiefen im Bühnenraum erscheinen zu lassen, sondern auch,
dass an der Bühnendecke im Bereich des oberen Endes der teiltransparenten
Scheibe bereits andere Vorrichtungselemente - Projektoren (43) und Lautspre-
cher (48) - vorgesehen sind.
d) Das Patentgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Beschreibung
der "Pepper's Ghost Illusion" (L8) der Patentfähigkeit des Gegenstands von Pa-
tentanspruch 1 nicht entgegensteht. Auf diese Ausführungen, die die Klägerin
im Berufungsrechtszug nicht angegriffen hat, wird Bezug genommen.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91
Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Gröning
Bacher
Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.08.2013 - 4 Ni 28/11 (EP) -
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