Urteil des BGH vom 30.06.2015

Flugzeugzustand Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X Z B 1 / 1 5
vom
30. Juni 2015
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Flugzeugzustand
PatG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 4; EPÜ Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Art. 56
a) Mathematische Methoden sind im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG nur
dann patentierbar, wenn sie der Lösung eines konkreten technischen Pro-
blems mit technischen Mitteln dienen.
b) Eine mathematische Methode kann nur dann als nicht-technisch angesehen
werden, wenn sie im Zusammenhang mit der beanspruchten Lehre keinen
Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften aufweist.
c) Ein ausreichender Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften liegt
vor, wenn eine mathematische Methode zu dem Zweck herangezogen wird,
anhand von zur Verfügung stehenden Messwerten zuverlässigere Erkennt-
nisse über den Zustand eines Flugzeugs zu gewinnen und damit die Funkti-
onsweise des Systems, das der Ermittlung dieses Zustands dient, zu beein-
flussen.
d) Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht, kann
nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden, weil er im Ver-
gleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet.
BGH, Beschluss vom 30. Juni 2015 - X ZB 1/15 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Juni 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Dr. Bacher und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird der am 23. Oktober 2014 verkün-
dete Beschluss des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats)
des Bundespatentgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung
an das Patentgericht zurückverwiesen.
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Gründe:
A. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung einer
Patentanmeldung.
Die am 18. Januar 2007 eingereichte Anmeldung betrifft ein Verfahren
zur Zustandsermittlung eines Flugzeugs. Anspruch 1 lautet in der zuletzt bean-
spruchten Fassung:
Verfahren zur Ermittlung eines Flugzeugzustandes, nämlich der Position, Ge-
schwindigkeit und Lage des Flugzeugs, umfassend die Schritte:
Bestimmung einer Anzahl
von Messwerten
mit
=1,…, einer Trägheitsan-
lage, welche den Flugzeugzustand bestimmt, wobei die Messwerte
Punkte
im -dimensionalen Raum darstellen,
Verarbeiten der Messwerte
in einem Kalman-Filter zur Schätzung des Flug-
zeugzustandes,
dadurch gekennzeichnet, dass
für jede Anzahl von Messwerten
der Trägheitsanlage eine erste Größe
und eine zweite Größe
berechnet werden und diese berechneten Größen
dem Kalman-Filter zur Weiterverarbeitung zugeführt werden,
wobei die Größe
der Mittelpunktsvektor und die Größe
der Radius einer
-dimensionalen Kugel
sind, innerhalb welcher alle Punkte
mit =1,...,
liegen;
wobei die Kugel
eine möglichst kleine
-dimensionale Kugel ist, welche
ausnahmslos alle Punkte
mit =1,..., der Anzahl von Messwerten enthält.
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Anspruch 5 betrifft sinngemäß ein System zur Ermittlung eines Flug-
zeugzustandes, das nach diesem Verfahren arbeitet. Vier weitere Ansprüche
sind auf einen dieser Ansprüche rückbezogen.
Das Patentamt hat die Anmeldung zurückgewiesen. Die Beschwerde der
Anmelderin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Patentgericht zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Begehren aus der Beschwer-
deinstanz in vollem Umfang weiter.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefoch-
tenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht
(§ 108 Abs. 1 PatG).
I.
Die Anmeldung betrifft in der im Beschwerde- und Rechtsbeschwer-
deverfahren zu beurteilenden Fassung ein Verfahren zur Ermittlung von Positi-
on, Geschwindigkeit und Lage eines Flugzeugs.
1. In der Beschreibung der Anmeldung, mit der ursprünglich Schutz für
ein Verfahren zur Zustandsermittlung eines Körpers begehrt wurde, wird ausge-
führt, für die Kontrolle von Fahrzeugen würden in zunehmendem Maße elektro-
nische Systeme eingesetzt. Diese benötigten eine möglichst genaue und zuver-
lässige Kenntnis des aktuellen Zustands. Einige der dafür relevanten Zustands-
größen seien einer einfachen Messung nicht zugänglich. Deshalb müssten sie
mit Hilfe von Modellen geschätzt werden, wobei die Schätzungen durch einen
Vergleich mit Messwerten beobachtbarer Größen abgeglichen werden könnten.
Bekannte Systeme lieferten als Messung Punktmengen in einem k-dimensio-
nalen Raum. Bei einigen Systemen, zum Beispiel bei der hochfrequenten Auf-
zeichnung von Luftdaten eines Flugzeugs, werde jedes Messergebnis durch
einen Punkt innerhalb eines zwei- oder mehrdimensionalen Raums dargestellt.
Für die Schätzung des Zustands werde die Punktemenge üblicherweise an ein
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Kalman-Filter weitergeleitet. Diese Systeme wiesen den Nachteil auf, dass die
Einzelmessungen im Allgemeinen stark verrauscht seien und dass aufgrund der
vom Kalman-Filter zu verarbeitenden Datenmenge eine zeitnahe Ausgabe des
geschätzten Zustands nicht möglich sei.
Die Anmeldung betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem,
ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, das eine zuverlässige und schnelle Zu-
standsschätzung ermöglicht.
2. Zur Lösung dieses Problems wird in Anspruch 1 ein Verfahren vor-
geschlagen, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
a) Das Verfahren dient der Ermittlung von Position, Geschwindig-
keit und Lage eines Flugzeugs und umfasst folgende Schritte:
b) Mittels einer Trägheitsanlage, welche den Flugzeugzustand be-
stimmt, wird eine Anzahl von Messwerten
mit
=1,…, be-
stimmt, die Punkte im -dimensionalen Raum darstellen.
c) Diese Messwerte
werden zur Schätzung des Flugzeugzu-
standes in einem Kalman-Filter verarbeitet.
d) Hierzu wird für jede Anzahl
von Messwerten
eine erste
Größe
und eine zweite Größe
berechnet.
e) Diese berechneten Größen werden dem Kalman-Filter anstelle
der einzelnen Messwerte zugeführt.
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f)
ist der Mittelpunktvektor und
der Radius einer
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dimensionalen Kugel
, innerhalb welcher alle Punkte
mit
=1,..., liegen.
g) Lage und Größe der Kugel
werden so festgelegt, dass die
Kugel möglichst klein ist.
3. Von zentraler Bedeutung für das beanspruchte Verfahren ist die
Auswahl und Berechnung der Daten, die dem Kalman-Filter zugeführt werden.
Ein Kalman-Filter ist ein Verfahren, bei dem anhand einer Vielzahl von
mit Unsicherheiten behafteten Messwerten durch mathematische Berechnun-
gen ein möglichst zuverlässiger Wert ermittelt wird. Es kann rechnergestützt
durchgeführt werden. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit hängt unter anderem
von der Anzahl der zugeführten Messwerte ab.
Das mit der Anmeldung beanspruchte Verfahren ermöglicht es, dem
Kalman-Filter eine geringere Zahl von Messwerten zuzuführen. Hierzu wird eine
bestimmte Anzahl von Messwerten, die durch einzelne Punkte
in einem -
dimensionalen Raum dargestellt sind, zu einer -dimensionalen Kugel
zu-
sammengefasst, die bei möglichst geringem Radius alle Einzelpunkte umfasst.
Dem Kalman-Filter werden anstelle der einzelnen Punkte
lediglich die die
Kugel
charakterisierenden Daten zugeführt, nämlich der Mittelpunktvektor
und der Radius
.
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
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Der Gegenstand von Anspruch 1 sei dem Fachmann, einem Maschinen-
bauingenieur mit fundierten Kenntnissen in der Messtechnik, insbesondere im
Flugzeugbau, durch die veröffentlichte US-Anmeldung 2004/0012522 (D2) na-
hegelegt.
In D2 sei ein System zur Ermittlung des Zustands eines Flugzeugs of-
fenbart, bei dem Messdaten aus einer Trägheitsanlage (Inertial Navigation Sys-
tem, INS) und einem satellitengestützten Navigationssystem (Global Positioning
System, GPS) eingesetzt würden. Diese Messwerte würden einem Kalman-
Filter zugeführt, das den "wahren" Systemzustand abschätze. Bei einem der in
D2 offenbarten Verfahren werde dem Kalman-Filter anstelle der Einzeldaten für
das jeweilige Iterationsintervall nur der daraus errechnete Mittelwert zugeführt.
In D2 werde zudem die Messrauschkovarianz R erwähnt. Für den Fachmann
sei in diesem Zusammenhang selbstverständlich, dass dieser Wert auf der An-
gabe einer Messunsicherheit beruhe, die dem Filter in Gestalt einer geeigneten
statistischen Größe zur Verfügung gestellt werden müsse. Aus D2 sei mithin
bekannt, dass dem Kalman-Filter anstelle einer großen Menge von Messwerten
lediglich zwei repräsentative statistische Größen, nämlich Mittelwert und Mess-
unsicherheit, zugeführt werden könnten.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von dem in D2 offen-
barten Verfahren lediglich dadurch, dass zur Repräsentation der Einzelwerte
andere Größen eingesetzt würden, nämlich Mittelpunktvektor
und Radius
der Kugel
. Diese Merkmale beruhten allenfalls auf Überlegungen aus der
Datenmodellierung, der Statistik und der Geometrie. Sie setzten keine auf tech-
nische Überlegungen beruhenden Erkenntnisse voraus und seien daher bei der
Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Der Umstand, dass
die zu verarbeitenden Daten technische Daten seien, könne für sich gesehen
nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Entsprechendes gelte für den
Umstand, dass das beanspruchte Verfahren eine stärkere Berücksichtigung von
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Extremwerten zur Folge habe. Letzteres führe nicht ohne weiteres zu einer Er-
höhung der Sicherheit. Die Frage, ob ein festgestellter Extremwert einen "rea-
len Messwert" darstelle oder ein auf äußeren Störeinflüssen beruhendes Arte-
fakt, sei eng verknüpft mit Erwägungen aus der Statistik und daher nicht ein-
deutig zu beantworten. Zudem sei in den ursprünglichen Unterlagen nicht er-
wähnt, dass eine stärkere Berücksichtigung von Extremwerten sich in irgendei-
ner Weise vorteilhaft auswirken könnte.
III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Zu Recht ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass der Ge-
genstand der Anmeldung gemäß § 1 PatG dem Patentschutz zugänglich ist.
a) Eine Erfindung auf einem Gebiet der Technik im Sinne von § 1
Abs. 1 PatG liegt nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls dann vor,
wenn die beanspruchte Lehre den Einsatz technischer Geräte umfasst (BGH,
Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/09, GRUR 2011, 610 Rn. 16 - Web-
seitenanzeige).
Der Gegenstand der Anmeldung erfüllt diese Voraussetzung. Das bean-
spruchte Verfahren setzt den Einsatz einer Trägheitsanlage in einem Flugzeug
voraus. Zudem erfordert die Anwendung des Kalman-Filters den Einsatz einer
Datenverarbeitungsanlage.
b) Verfahren der elektronischen Datenverarbeitung sind im Hinblick auf
§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG nur dann patentierbar, wenn sie der Lösung eines konkre-
ten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Sie sind vom Patent-
schutz ausgeschlossen, wenn sie losgelöst von einer konkreten technischen
Umsetzung beansprucht werden. Für mathematische Methoden im Sinne von
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§ 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG gilt insoweit entsprechendes (BGH, Beschluss vom
17. Oktober 2001 - X ZB 16/00, BGHZ 149, 68, 75 f. = GRUR 2002, 143, 145
- Suche fehlerhafter Zeichenketten).
Das mit der Anmeldung beanspruchte Verfahren wird den sich daraus
ergebenden Anforderungen gerecht. Es dient der Ermittlung eines Flugzeugzu-
stands durch Auswertung von Messwerten, die technische Parameter betreffen.
2. Im Ansatz zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass
Merkmale, die sich in der Anwendung einer mathematischen Methode erschöp-
fen, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht berücksichtigt werden dür-
fen.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats und der Entscheidungspraxis
der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts dürfen bei der Prü-
fung, ob der Gegenstand einer Anmeldung auf erfinderischer Tätigkeit beruht,
nur diejenigen Anweisungen berücksichtigt werden, die die Lösung des techni-
schen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflus-
sen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - X ZR 3/12, GRUR 2013, 275 Rn. 41
- Routenplanung; EPA, Stellungnahme vom 12. Mai 2010 - G 3/08, ABl. 2011,
10 = GRUR Int. 2010, 608 Rn. 10.33 ff. - Computerprogramme).
Nicht berücksichtigungsfähig sind deshalb Anweisungen, die ausschließ-
lich Aspekte betreffen, die nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 PatG von der Patentie-
rung ausgenommen sind, zum Beispiel die Auswahl oder Verarbeitung von Da-
ten (BGH, GRUR 2013, 275 Rn. 42), die Wiedergabe von Informationen (BGH,
GRUR 2013, 275 Rn. 43; Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07, GRUR
2011, 125 Rn. 39 - Wiedergabe topografischer Informationen), wirtschaftliche
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oder geschäftliche Tätigkeiten (EPA, Entscheidung vom 8. September 2000
- T 931/95 ABl. 2001, 441 = GRUR Int. 2002, 87 Rn. 8 - Steuerung eines Pen-
sionssystems / PBS Partnership) oder ästhetische Merkmale (EPA, Entschei-
dung vom 2. Juni 2006 - T 928/03 Rn. 4.1.2 Video game / Konami).
b) Für die nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG als solche von der Patentierung
ausgeschlossenen mathematischen Methoden gilt im Grundsatz das Gleiche.
Allerdings kann eine mathematische Methode nicht ohne weiteres als
nicht-technisch angesehen werden. Technisches Handeln besteht im Arbeiten
mit den Mitteln der Naturkräfte (BGH, Beschluss vom 27. März 1969
- X ZB 15/67, BGHZ 52, 74, 77 ff. = GRUR 1969, 672 - Rote Taube; Beschluss
vom 19. Oktober 2004 - X ZB 33/03, GRUR 2005, 141, 142 - Anbieten interakti-
ver Hilfe). Die diesen zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten werden in aller
Regel mit Hilfe mathematischer Methoden beschrieben. Die Anwendung sol-
cher Methoden zur Erzielung eines bestimmten technischen Erfolgs ist deshalb
ihrerseits dem Gebiet der Technik zuzuordnen. Als nicht-technisch kann eine
mathematische Methode nur dann angesehen werden, wenn sie im Zusam-
menhang mit der beanspruchten Lehre keinen Bezug zur gezielten Anwendung
von Naturkräften aufweist.
3. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts führt die Anwendung
dieser Grundsätze dazu, dass die in der Anmeldung beanspruchten Merkmale d
bis g bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
a) Diese Merkmale betreffen für sich gesehen zwar Rechenoperatio-
nen, die im Wesentlichen die Anwendung statistischer Methoden betreffen. Die-
se Rechenschritte weisen bei dem beanspruchten Verfahren aber einen hinrei-
chenden Bezug zur gezielten Anwendung von Naturkräften auf. Die mit ihnen
bewirkte Zusammenfassung von Messwerten zur Beschleunigung der mit dem
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Kalman-Filter verbundenen weiteren Rechenschritte dient dem Zweck, anhand
der zur Verfügung stehenden Messwerte zuverlässigere Erkenntnisse über den
Zustand des Flugzeugs zu gewinnen und damit die Funktionsweise des Sys-
tems, das der Ermittlung dieses Zustands dient, zu beeinflussen.
b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist in diesem Zusam-
menhang unerheblich, ob dieses Problem bereits durch andere im Stand der
Technik bekannte Verfahren gelöst wurde und ob die Merkmale d bis g im Ver-
gleich zu den im Stand der Technik bekannten Verfahren zu einer Verbesse-
rung führen.
Die Patentfähigkeit eines Gegenstands hängt nicht davon ab, ob dieser
einen technischen Fortschritt mit sich bringt. Zwar ist es auch nach dem Wegfall
dieses nach früherem Recht geltenden Schutzerfordernisses nicht Sinn des
Patentrechts, Lehren zu schützen, die technisch unsinnig sind (BGH, Urteil vom
20. März 2001 - X ZR 177/98, BGHZ 147, 137, 143 f. = GRUR 2001, 730, 732
- Trigonellin). Ein Gegenstand, der neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit be-
ruht, kann aber nicht allein deshalb als nicht patentfähig angesehen werden,
weil er im Vergleich zum Stand der Technik keinen erkennbaren Vorteil bietet.
Ein solcher Gegenstand ist vielmehr jedenfalls dann patentfähig, wenn mit ihm
im Vergleich zum Stand der Technik ein anderer Weg aufgezeigt wird.
Diesen Anforderungen wird der Gegenstand der Anmeldung nach den
vom Patentgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen gerecht. Die vom
Stand der Technik abweichende Art, in der mehrere Einzelmesswerte zusam-
mengefasst werden, führt nach den Feststellungen des Patentgerichts dazu,
dass Extremwerte stärker ins Gewicht fallen, was in bestimmten Situationen
von Vorteil, in anderen Situationen hingegen von Nachteil sein kann. Damit ist
ein alternativer Weg zur Ermittlung des Zustands des Flugzeugs aufgezeigt, der
jedenfalls nicht als technisch unsinnig angesehen werden kann. Angesichts
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dessen ist unerheblich, ob eine der in Betracht kommenden Vorgehensweisen
insgesamt oder zumindest für bestimmte Anwendungsfälle als vorzugswürdig
anzusehen ist.
IV. Das Patentgericht wird nach der Zurückverweisung deshalb zu prü-
fen haben, ob der Gegenstand der Anmeldung auch bei Berücksichtigung der
Merkmale d bis g durch den Stand der Technik D2 nahegelegt war.
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V. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich ge-
halten (§ 107 Abs. 1 Halbsatz 2 PatG).
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.10.2014 - 17 W(pat) 15/11 -
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