Urteil des BGH vom 10.12.2014

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, De Lege Ferenda, Haus, Abrechnung, Vermieter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 9/14
Verkündet am:
10. Dezember 2014
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 241 Abs. 2, § 242 Cd; HeizkostenVO § 9 Abs. 4, § 8 Abs. 1
a) Auch bei hohen Wohnungsleerständen (hier: im Hinblick auf einen im Rahmen der
Stadtplanung vorgesehenen Abriss eines 28-Familienhauses) hat es grundsätzlich
bei der in § 9 Abs. 4, § 8 Abs. 1 HeizkostenVO vorgeschriebenen anteiligen Umlage
von Warmwasserkosten nach Verbrauch zu bleiben.
b) Im Einzelfall kann der Vermieter nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein, dem Ver-
langen des Mieters auf eine Vertragsänderung dahin gehend zuzustimmen, den
nach Verbrauch zu berechnenden Teil der Warmwasserkosten auf das gesetzliche
Mindestmaß von 50 % der Gesamtkosten abzusenken, um die Fixkosten bei hohen
Leerständen angemessen zu verteilen.
c) Leerstandsbedingten Kostenverschiebungen zu Lasten des Mieters kann darüber
hinaus im Einzelfall mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden. Dabei ist zu be-
rücksichtigen, dass auch der Vermieter durch den Leerstand beträchtliche Nachteile
erleidet, weil er - ohne entsprechende Mieteinnahmen zu erhalten - bereits über den
von ihm zu tragenden Wohnflächenanteil ebenfalls nicht unbeträchtliche Kosten zu
tragen hat.
BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 - VIII ZR 9/14 - LG Frankfurt (Oder)
AG Frankfurt (Oder)
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der mündlichen Ver-
handlung vom 10. Dezember 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie den
Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Dezember 2013 auf-
gehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Frankfurt (Oder) vom 7. Juni 2013 wird mit der Maßgabe zurück-
gewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin
86,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 506,67 € ab dem 27. September 2012 zu zah-
len. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte war Mieterin einer 47,46 qm großen Wohnung der Klägerin
in einem 28-Familien-Haus in F. . Da das Haus im Rahmen der
Stadtplanung abgerissen werden sollte, waren Ende 2011 von den im Haus
befindlichen Wohnungen nur noch wenige Wohnungen belegt.
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Unter dem Datum 15. September 2012 erteilte die Klägerin der Beklag-
ten die Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2011, die einen Saldo
zugunsten der Klägerin
in Höhe von 1.230,91 € ausweist. Die Parteien streiten
um die in der Abrechnung umgelegten Warmwasserkosten.
Für die Erwärmung des Wassers im Zuge der Entnahme von Warmwas-
ser fielen im Jahr 2011 für das gesamte Haus, das über eine verbundene Anla-
ge mit Wärme und Warmwasser versorgt wird, bei einem Energieverbrauch von
61.130 kWh Kosten in Höhe von
7.848,61 € an. 50 % dieser Kosten legte die
Klägerin nach Wohnflächenanteilen um. Die restlichen 50 % der Kosten
(3.924,31 €) berechnete sie nach Verbrauch, der im Jahr 2011 für das gesamte
Haus 78,22 m³ betrug. Hiervon entfielen nach den Messungen der Einzelver-
brauchszähler in der Wohnung der Beklagten 23,82 m³ auf diese. Daraus
errechnete die Klägerin einen Verbrauchskostenanteil von 1.195,06
(3.924,31
€ : 78,22 m³ x 23,82 m³). Von diesem Betrag stellte die Klägerin der
Beklagten "aus Kulanz" lediglich 50 %
(597,53 €) in Rechnung.
Von dem Saldo aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2011 in
Höhe von 1.230,91 € verlangt die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des
Kulanzbetrags sowie eines weiteren Abzugs für Wasserverluste letztlich noch
565,94 €.
Die Beklagte weigert sich, Nachzahlungen zu erbringen, da die Klägerin
die Warmwasserkosten aufgrund des hohen Leerstandes im Haus nicht nach
Verbrauch, sondern ausschließlich nach der Wohnfläche habe umlegen dürfen.
Das Amtsgericht hat der Klage, mit der die Klägerin die Beklagte auf
Zahlung des vorgenannten Betrags
von 565,94 € nebst Zinsen in Anspruch
nimmt,
in Höhe von 506,67 € stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewie-
sen. Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt.
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Während des Berufungsrechtszugs hat die Klägerin den Rechtsstreit
teilweise in Höhe von 446,45 € (hinsichtlich der Hauptforderung in Höhe von
420
,61 € sowie hinsichtlich des Zinsanspruchs in Höhe von 25,84 €) im Hinblick
auf eine von ihr nach Erlass des amtsgerichtlichen Urteils erklärte Aufrechnung
mit einem Guthaben der Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung 2012
schriftsätzlich für erledigt erklärt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht hat die Klägerin jedoch ihren ursprünglich angekündigten Antrag
auf Berufungszurückweisung gestellt. Die Beklagte ist den zur Gegenforderung
erklärten Tatsachen nicht entgegengetreten; sie hat aber der Teilerledigungser-
klärung der Klägerin widersprochen.
Das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche
Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom
Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie in erster Linie
ihren Zahlungsanspruch weiterverfolgt und im Übrigen die Feststellung der Er-
ledigung der Hauptsache begehrt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe kein Nachzahlungsanspruch aus der Betriebskosten-
abrechnung für das Jahr 2011 zu, da die von der Klägerin rechnerisch zutref-
fend vorgenommene Verteilung der Warmwasserkosten nach § 8 HeizkostenV
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unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht sachgerecht sei, sondern
zu unbilligen Ergebnissen führe, die der Korrektur bedürften.
Der nach § 8 Abs. 1 HeizkostenV vorgesehene Berechnungsmodus füh-
re in den Fällen, in denen eine für große Leistung und viele Wohnungen ausge-
legte Heizungs- und Warmwasseranlage nur noch der Wärmebereitstellung für
wenige Wohnungen diene, für die wenigen verbleibenden Mieter zu unzumutba-
ren Ergebnissen. Denn in diesen Fällen erhöhe sich zwangsläufig der prozen-
tuale Anteil der unabhängig vom individuellen Verbrauch entstehenden Fixkos-
ten für die Wärmebereitstellung gegenüber den Gesamtkosten. Dies könne bei
hohen Leerständen dazu führen, dass der tatsächliche Fixkostenanteil den
nach § 8 Abs. 1 HeizkostenV mit maximal 50 % ansetzbaren Anteil an diesen
Kosten deutlich übersteige. Im Extremfall trage der letzte in einem großen Haus
verbleibende Mieter 50 % der Gesamtkosten der Heizungsanlage über seinen
Verbrauchsanteil.
Im Streitfall könne aufgrund der hierzu erfolgten substantiierten Darle-
gung der Beklagten, der die Klägerin nicht entgegengetreten sei, mit Sicherheit
davon ausgegangen werden, dass aufgrund der dargelegten Verschiebung der
Kostenanteile die auf die Beklagte umgelegten verbrauchsabhängigen Warm-
wasserkosten nicht deren tatsächlichem Kostenanteil entsprächen.
Derart unbilligen Ergebnissen wie im Streitfall könne mit der entspre-
chenden Anwendung des § 9a Abs. 1 HeizkostenV begegnet werden, zu dem
die Klägerin trotz erfolgten Hinweises durch die Kammer keine Berechnung
vorgelegt habe, so dass ihr auch kein Anspruch zuerkannt werden könne.
Die entsprechende Anwendung des § 9a Abs. 1 HeizkostenV sei mög-
lich, weil der Gesetzgeber der Heizkostenverordnung die genannten Extremfälle
des "Leerwohnens" eines Gebäudes nicht bedacht habe. Der Anwendungsbe-
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reich des § 8 HeizkostenV sei teleologisch zu reduzieren, da sein Zweck, eine
angemessene Warmwasserkostenverteilung zu gewährleisten, in den genann-
ten Fällen nicht mehr erreicht werden könne. Zwar seien die Vorschriften der
HeizkostenV gemäß § 2 dieser Verordnung durch Rechtsgeschäft nicht abding-
bar; dies führe jedoch nicht dazu, dass Gerichte nicht über den Anwendungsbe-
reich dieser Vorschriften befinden könnten. Der in § 8 HeizkostenV enthaltene
Grundsatz der verbrauchsabhängigen Abrechnung finde dort seine Grenze, wo
die verbrauchsabhängige Umlage zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der
Mieter mit Fixkosten führe, die auf leerstehende Wohnungen nicht nach Ver-
brauch umgelegt werden könnten, weil dort kein Verbrauch stattfinde.
Die damit vorliegende planwidrige Gesetzeslücke sei durch die entspre-
chende Anwendung des § 9a Abs. 1 HeizkostenV zu schließen. Diese Vor-
schrift erlaube eine angemessene Berechnung der Warmwasserkosten auf der
Grundlage der Vorjahreswerte, bei der zugleich der konkrete Warmwasserver-
brauch im streitgegenständlichen Zeitraum einfließen könne und pauschale Ab-
schläge zu Lasten des Vermieters, wie etwa in § 12 HeizkostenV, vermieden
würden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin vorgenommene Be-
rechnung des Warmwasserverbrauchs der Beklagten auf der Grundlage von
§ 9 Abs. 4 HeizkostenV in Verbindung mit § 8 Abs. 1 HeizkostenV aus Rechts-
gründen nicht zu beanstanden, da die Klägerin von der Beklagten "aus Kulanz"
lediglich 50 % (= 597,5
3 €) des auf die Beklagte entfallenden Kostenanteils von
1.195,06 € verlangt; mit dieser freiwilligen Anspruchskürzung hat die Klägerin
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dem berechtigten Interesse der Beklagten an einer angemessenen Kostenver-
teilung in hinreichender Weise Rechnung getragen.
1. Nach §§ 6 ff. HeizkostenV ist eine bestimmte (anteilige) Ver-
brauchserfassung der Kosten für Heizung und Warmwasser nach dem gemes-
senen Verbrauch gesetzlich vorgeschrieben. Ist die zentrale Anlage zur Versor-
gung mit Wärme mit der zentralen Warmwasserversorgungsanlage verbunden,
so sind die einheitlich entstandenen Kosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Heizkos-
tenV aufzuteilen. Der Anteil an den Kosten der Wärmeversorgung ist sodann
nach § 7 Abs. 1 HeizkostenV, der Anteil an den Kosten der Versorgung mit
Warmwasser nach § 8 Abs. 1 HeizkostenV zu verteilen, soweit die Heizkosten-
verordnung nichts anderes bestimmt oder zulässt (§ 9 Abs. 4 HeizkostenV).
Gemäß § 8 Abs. 1 HeizkostenV sind mindestens 50 %, höchstens 70 % nach
dem erfassten Warmwasserverbrauch, die übrigen Kosten nach der
Wohn- oder Nutzfläche zu verteilen. Wie der Verteilungsschlüssel innerhalb
dieses Rahmens im konkreten Einzelfall zu bemessen ist, obliegt nach § 315
BGB dem billigen Ermessen des Vermieters. Zweck dieses vom Verordnungs-
geber vorgeschriebenen Verteilungsschlüssels wie auch der gesamten Heiz-
kostenverordnung ist es, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu
beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (BR-Drucks. 570/08,
S. 7; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Juli 2006 - VIII ZR 212/05, NZM 2006, 652
Rn. 14).
2. Allerdings ist das Berufungsgericht - ähnlich einer in der Instanzrecht-
sprechung und in der Literatur vertretenen Meinung (Wall in Eisenschmid/Wall,
Betriebskostenkommentar, 3. Aufl., Rn. 3030 unter Hinweis auf LG Gera, WuM
2007, 511) - der Auffassung, dass der Zweck der Heizkostenverordnung dann
nicht mehr zum Tragen kommen könne, wenn die von der Heizkostenverord-
nung vorgeschriebene Kostenverteilung zu unzumutbaren Belastungen der ver-
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bleibenden Mieter/Nutzer führe. Das Berufungsgericht führt aus, dass der in
§ 8 Abs. 1 HeizkostenV enthaltene Grundsatz der verbrauchsabhängigen Ab-
rechnung dort seine Grenze finden müsse, wo die verbrauchsabhängige Umla-
ge zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der Mieter mit Fixkosten führe, die
auf leerstehende Wohnungen nicht nach Verbrauch umgelegt werden könnten,
weil dort kein Verbrauch stattfinde.
3. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
a) Auch wenn - wie der Streitfall zeigt - die allein auf den Vorschriften der
Heizkostenverordnung beruhende verbrauchsbezogene Abrechnung im Einzel-
fall zu als unangemessen empfundenen Ergebnissen führen kann, wird dadurch
der über die Einzelfallgerechtigkeit hinausreichende Zweck der Heizkostenver-
ordnung, dem jeweiligen Nutzer den Zusammenhang zwischen dem individuel-
len Verbrauch und den daraus resultierenden Kosten bewusst zu machen und
dadurch Energiespareffekte zu erzielen, nicht in Frage gestellt. Denn die Frage
der Sinnhaftigkeit der Vorschriften der Heizkostenverordnung einerseits und die
Frage, ob die von der Heizkostenverordnung vorgeschriebene verbrauchsbezo-
gene Abrechnung im Einzelfall zu als billig und gerecht empfundenen Ergebnis-
sen führt andererseits, liegen auf verschiedenen Beurteilungsebenen.
Es muss daher auch bei hohen Leerständen grundsätzlich bei der von
der Heizkostenverordnung vorgegebenen verbrauchsabhängigen Abrechnung
verbleiben. Insbesondere eine vom Berufungsgericht befürwortete (ähnlich
auch Wall in Eisenschmid/Wall, aaO, Rn. 3030; ders., WuM 2007, 415, 418 [dif-
ferenzierend und eine Lösung de lege ferenda fordernd]; Langenberg, Betriebs-
kosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl., K Rn. 189) analoge Anwendung des
§ 9a HeizkostenV kommt nicht in Betracht. Die analoge Anwendung einer Ein-
zelnorm verlangt, dass der von dieser Vorschrift nicht geregelte Sachverhalt,
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der in den Anwendungsbereich der Norm gezogen werden soll, mit den von ihr
erfassten Sachverhalten vergleichbar ist (BGH, Urteil vom 13. Juli 1988
- IVa ZR 55/87, BGHZ 105, 140, 143). Daran fehlt es hier. Die unter § 9a Abs. 1
HeizkostenV zu subsumierenden Sachverhalte haben ersichtlich Fallgestaltun-
gen zum Gegenstand, in denen aus zwingenden Gründen (namentlich eines
Geräteausfalls) eine ordnungsgemäße Erfassung des Verbrauchs nicht möglich
ist. Derartige Sachverhalte sind nicht mit den hier in Rede stehenden Fällen
vergleichbar, die dadurch gekennzeichnet sind, dass eine Verbrauchserfassung
sehr wohl möglich ist und auch erfolgt.
b) Unzuträglichkeiten in der Abrechnung aufgrund eines hohen Leer-
stands kann im Einzelfall in anderer Weise Rechnung getragen werden.
aa) Ist etwa im Mietvertrag ein Abrechnungsmaßstab vereinbart, der eine
höhere Verbrauchsquote als 50 % bestimmt, kann der Vermieter im Einzelfall
aus dem in § 241 Abs. 2 BGB verankerten Gebot der Rücksichtnahme auf die
Interessen des anderen Vertragsteils verpflichtet sein, dem Verlangen des Mie-
ters auf eine Vertragsänderung dahin gehend zuzustimmen, den nach Ver-
brauch zu berechnenden Teil der Kosten zukünftig auf das gesetzliche Min-
destmaß von 50 % abzusenken, um die Fixkosten bei hohen Leerständen an-
gemessen zu verteilen. Eine darüber hinausgehende Absenkung des ver-
brauchsabhängigen Kostenanteils oder eine Berechnung der Warmwasserkos-
ten ausschließlich auf der Grundlage des Wohnflächenanteils sieht die Heizkos-
tenverordnung dagegen nicht vor mit der Folge, dass eine völlige Abwälzung
des Leerstandsrisikos auf den Vermieter nach der Heizkostenverordnung nicht
möglich ist.
bb) Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend herausgearbeitet,
dass die strikte Anwendung der Vorgaben der Heizkostenverordnung bei hohen
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Leerständen in Einzelfällen auch unter - wie hier - Zugrundelegung des nach
§ 8 Abs. 1 HeizkostenV für den Mieter günstigsten Verteilungsmaßstabs (50 %
nach Verbrauch, 50 % nach Wohnfläche) zu Ergebnissen führen kann, die nicht
mehr als billig und gerecht empfunden werden.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die im Haus für die Warm-
wasseraufbereitung (laut Wärmezähler) aufgewendete Energiemenge von
61.130 kWh ein Vielfaches der Energiemenge beträgt, die nach der Berech-
nungsformel des § 9 Abs. 2 Satz 2 HeizkostenV für die Erwärmung des im ge-
samten Haus verbrauchten Wassers (78,22 m³) zu erwarten gewesen wäre
(8.800 kWh). Der tatsächliche Energieverbrauch beträgt im Streitfall etwa das
Siebenfache des an sich für die Erwärmung von 78,22 m³ zu erwartenden
Energieverbrauchs.
cc) Derartigen leerstandsbedingten Kostenverschiebungen zu Lasten
des Nutzers kann mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden.
Das Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente
Inhaltsbegrenzung und setzt der (auch gesetzlich zulässigen) Rechtsausübung
dort Schranken, wo sie zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensicht-
lich unvereinbaren Ergebnissen führt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2005
- IV ZR 18/04, NJW-RR 2005, 619 unter II 2 a). Insbesondere muss § 242 BGB
dann in Betracht gezogen werden, wenn die Anwendung der gesetzlichen Vor-
schriften einen im Einzelfall bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend zu
erfassen vermag und für einen der Beteiligten ein unzumutbar unbilliges Ergeb-
nis zur Folge hätte (BGH, Urteil vom 27. April 1977 - IV ZR 143/76, BGHZ 68,
299, 304). So liegt es hier.
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Eine allgemeine Aussage dazu, in welcher Fallkonstellation sich eine
nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung zutreffend berechnete Forde-
rung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben für den betroffenen Mieter
als unzumutbare Belastung darstellt, so dass eine Begrenzung des Anspruchs
des Vermieters der Höhe nach angezeigt ist, verbietet sich. Ob eine An-
spruchskürzung geboten ist und gegebenenfalls in welchem Umfang, obliegt
der Beurteilung des Tatrichters, der hierbei alle Umstände des jeweiligen Ein-
zelfalls bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat. Dabei hat der Tatrichter
auch in seine Betrachtung einzubeziehen, dass eine absolute Verteilungsge-
rechtigkeit bei der Umlage von Betriebskosten vom Gesetz nicht gefordert wird
(Senatsurteil vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 183/09, NJW 2010, 3645 Rn. 17).
Es geht vielmehr darum, die beiderseitigen Interessen in der Gesamtschau zu
einem angemessenen Ausgleich zu bringen.
Bereits das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass in Gebäuden mit
sehr hohen Leerständen sowohl der Vermieter als auch die verbleibenden Mie-
ter erhebliche Nachteile erleiden. Die verbleibenden Mieter können von hohen
Verbrauchskostenumlagen betroffen sein, während der Vermieter, ohne
Mieteinnahmen zu haben, über den von ihm zu tragenden Wohnflächenanteil
von 50 % ebenfalls nicht unbeträchtliche Kosten zu tragen hat. Dies trifft zu.
Deshalb erscheint es auch nicht unbillig, wenn die verbleibenden Mieter einen
angemessenen Teil der leerstandsbedingten Mehrkosten zu tragen haben.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen
sind, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
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1. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den
auf die Beklagte entfallenden Anteil an den Warmwasserkosten in Anwendung
der Vorgaben aus § 8 Abs. 1 HeizkostenV nach dem für die Beklagte günstigs-
ten Verteilungsmaßstab (50 % nach Wohnfläche, 50 % nach Verbrauch) rech-
nerisch zutreffend mit 1.195,06 € ermittelt. Von diesem Betrag stellte die Kläge-
rin der Beklagten zudem "aus Kulanz" lediglich 50 % in Rechnung. Mit dieser
freiwilligen Anspruchskürzung ist sie - nimmt man insbesondere sämtliche auf
die Beklagte umgelegten Kosten für Wärme und Warmwasser in den Blick - im
Ergebnis den berechtigten Interessen der Beklagten an einer den hohen Leer-
stand angemessen berücksichtigenden Kostenverteilung unter Beachtung des
Grundsatzes von Treu und Glauben in jedenfalls hinreichender Weise entge-
gengekommen. Nach der Abrechnung vom 15. September 2012 hat die Beklag-
te von den Kosten für Wärme (reine Heizkosten)
738,32 € (140,27 € nach
Wohnflächenan
teil, 598,05 € nach Verbrauch) zu tragen. Von den Warmwas-
serkosten hat die Be
klagte insgesamt 728,55 € (131,02 € nach Wohnflächenan-
teil, 597,53 € unter Berücksichtigung des Kulanzabzugs nach Verbrauch) zu
tragen. Die auf die Beklagte entfallenden Gesamtkosten für Heizung und
Warmwasser in Höhe von
1.466,87 € pro Jahr, mithin von rund 120 € pro Mo-
nat, sind für eine knapp 50 m² große Wohnung zwar hoch, erscheinen aber un-
ter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen nicht untragbar. Der Klägerin
steht mithin die geltend gemachte Forderung in dem vom Amtsgericht zuge-
sprochenen Umfang zu.
2. Bei der vom Senat zu treffenden Entscheidung ist zu berücksichtigen,
dass die Klägerin die bereits im Berufungsrechtszug schriftsätzlich erklärte, je-
doch in der Antragstellung vor dem Berufungsgericht prozessual nicht umge-
setzte teilweise Erledigungserklärung nunmehr in der Revisionsinstanz wieder-
holt und beantragt, die Beklagt
e zur Zahlung von 86,05 € nebst Zinsen zu verur-
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teilen und im Übrigen die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache fest-
zustellen.
Die von der Klägerin erklärte einseitige Erledigungserklärung ist auch im
Revisionsverfahren zulässig, wenn das erledigende Ereignis als solches außer
Streit steht (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2014 - IV ZR 102/13, juris Rn. 12
mwN). So liegt es hier, denn die Beklagte hat weder die von der Klägerin erklär-
te Aufrechnung mit dem Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das
Jahr 2012 als solche noch die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen zum
Bestand oder der Höhe der Gegenforderung bestritten.
Da die ursprüngliche Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses
zulässig und in dem vom Amtsgericht festgestellten
Umfang (506,67 €) begrün-
det war sowie durch die Aufrechnung in Höhe von 446,45 € unbegründet ge-
worden ist
, wobei die Klägerin 420,61 € auf die Hauptforderung und 25,84 € auf
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die Zinsforderung verrechnet hat, ist zu entscheiden wie aus dem Tenor ersicht-
lich.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 07.06.2013 - 2.2 C 215/13 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 17.12.2013 - 16 S 138/13 -