Urteil des BGH vom 21.01.2015

Leitsatzentscheidung zu Vorkaufsrecht, Kaufpreis, Kaufvertrag, Verkehrswert, Vermieter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 51/14
Verkündet am:
21. Januar 2015
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 577 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, § 469 Abs. 1 Satz 1, § 280 Abs. 1
Sieht der Vermieter pflichtwidrig davon ab, den vorkaufsberechtigten Mieter über den
Inhalt des mit einem Dritten über die Mietwohnung abgeschlossenen Kaufvertrags
sowie über das Bestehen des Vorkaufsrechts zu unterrichten, so kann der Mieter,
der infolgedessen von diesen Umständen erst nach Erfüllung des Kaufvertrags zwi-
schen Vermieter und Drittem Kenntnis erlangt, Ersatz der Differenz von Verkehrswert
und Kaufpreis (abzüglich im Falle des Erwerbs der Wohnung angefallener Kosten)
verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht nach Kenntniser-
langung nicht ausgeübt hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR
271/04, NJW-RR 2005, 1534).
BGH, Urteil vom 21. Januar 2015 - VIII ZR 51/14 - LG Hamburg
AG Hamburg-St. Georg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter
Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter
Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts
Hamburg - Zivilkammer 34 - vom 16. Januar 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Mieterin einer in einem Mehrfamilienhaus gelegenen
Wohnung in Hamburg. Sie bewohnt die im dritten Obergeschoss befindlichen
Räume aufgrund eines mit dem damaligen Grundstückseigentümer R. M.
am 18. Februar 1992 abgeschlossenen Mietvertrags. Zu diesem Zeitpunkt war
neben Herrn M. auch dessen Ehefrau Miteigentümerin des Grundstücks.
Streitig ist, wann hinsichtlich der im Haus befindlichen sieben Wohnungen
erstmals Wohnungseigentum gebildet worden ist. Nach der Darstellung der
Klägerin ist im Jahre 1996 Wohnungseigentum begründet worden; die Beklagte
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macht dagegen geltend, es sei bereits im Jahr 1971 Wohnungseigentum gebil-
det worden.
Herr M. verstarb im Jahr 2006 und wurde von seiner Ehefrau beerbt,
die am 13. September 2006 als Alleineigentümerin in das Grundbuch eingetra-
gen wurde. Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 8. Dezember
2010 überließ sie das Grundstück ihrer Tochter, der Beklagten, behielt sich
aber den lebenslangen Nießbrauch daran vor. Am 19. März 2011 verstarb auch
Frau M. . Daraufhin veräußerte die Beklagte sämtliche in dem Mehrfamilien-
haus gelegenen sieben Wohnungen mit notariellem Kaufvertrag vom 17. Mai
2011 zu einem Gesamtpreis von 1.306.000
€ an die H.
GmbH. Die Klägerin wurde von der Beklagten weder von deren Veräußerungs-
absicht noch vom Kaufvertragsabschluss unterrichtet. Auf ein möglicherweise
bestehendes Vorkaufsrecht wurde sie ebenfalls nicht hingewiesen. Die Käuferin
wurde am 18. Juli 2011 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 23. August 2011 informierte die Hausverwaltung der
Erwerberin die Klägerin über die Veräußerung der Wohnungen. Am 12. Januar
2012 bot die neue Eigentümerin der Klägerin die von ihr bewohnte Wohnung
(Wohnung Nr. 5)
gegen Zahlung eines Preises von 266.250 € zuzüglich circa
12 % Erwerbskosten zum Kauf an. Dabei wies sie darauf hin, dass sie die wei-
teren sechs Wohnungen in den letzten zweieinhalb Monaten zum gleichen
Preis verkauft habe.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe durch die unterlassene
rechtzeitige Unterrichtung von dem Verkauf der Wohnung ihr gesetzliches Vor-
kaufsrecht vereitelt und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen
Schadens verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Woh-
nung, die einen Verkehrswert von 266.250 € aufweise, zu einem Kaufpreis von
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(nur) 186.571 € - auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem gezahlten Ge-
samtkaufpreis -
erwerben und dadurch einen Gewinn von 79.428,75 € erzielen
können.
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerich-
tete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das
Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision ver-
folgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte weder aus § 280 Abs. 3, § 281
BGB (Schadensersatz statt der Leistung) noch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen
Verletzung einer mietvertraglichen Nebenpflicht Anspruch auf Ersatz des gel-
tend gemachten Schadens. Zwar sei die Beklagte als Vermieterin der Klägerin
gemäß §§ 469, 577 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen, die Klägerin über die be-
absichtigte Veräußerung der Wohnung zu unterrichten und diese auf ihr gesetz-
liches Vorkaufsrecht hinzuweisen. Diesen Verpflichtungen sei sie schuldhaft
nicht nachgekommen, weswegen grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch in
Betracht komme. Gleichwohl könne die Klägerin nicht Ersatz des vorliegend
geltend gemachten Schadens beanspruchen, der in der Differenz zwischen an-
teiligem Kaufpreis für die Wohnung und deren Verkehrswert bestehe.
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Die Klägerin mache vorliegend einen Nichterfüllungsschaden gemäß
§ 280 Abs. 3, § 281 BGB geltend. Ein solcher könne dann bestehen, wenn die
Wohnung trotz wirksamer Ausübung des Vorkaufsrechts des Mieters vom Ver-
mieter an den Erwerber übereignet werde. In einem solchen Fall richte sich die
Höhe des Schadens nach dem Gesamtvermögensvergleich, bei dem die tat-
sächliche Entwicklung und die im Falle ordnungsgemäßer Erfüllung bestehende
Vermögenslage einander gegenüber zu stellen seien. Der Vermögensschaden
bestehe dann regelmäßig in der Differenz zwischen dem anteiligen Kaufpreis
der Wohnung und deren Verkehrswert. Eine solche Fallgestaltung sei vorlie-
gend jedoch nicht gegeben. Die Klägerin habe das ihr zustehende Vorkaufs-
recht nicht ausgeübt, weswegen zwischen ihr und der Beklagten - mangels Zu-
standekommen eines Kaufvertrags - kein (kauf-)vertraglicher Leistungsan-
spruch begründet worden sei, der im Falle der Nichterfüllung auszugleichen
wäre.
Der damit allein in Betracht kommende Schadensersatzanspruch wegen
Verletzung einer mietvertraglichen Nebenpflicht (§ 280 Abs. 1 BGB) umfasse
nicht den von der Klägerin geltend gemachten Schaden. Zwar erstrecke sich
die Ersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB auf die unmittelbaren und mittelbaren
Folgen des schädigenden Verhaltens. Ausgenommen seien jedoch Schäden,
die außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Pflicht lägen. Ein erstattungsfä-
higer Schaden wäre daher etwa dann zu bejahen, wenn der Vermieter den
Kaufvertrag gegenüber dem (Dritt-)Käufer erfülle und dieser dann das Mietver-
hältnis kündige. Werde die Wohnung dagegen an einen Kapitalanleger ohne
Eigennutzungs- oder Verwertungsabsicht veräußert, entstehe dem Mieter im
Allgemeinen kein ersatzfähiger Vermögensnachteil. Ein ausgleichspflichtiger
Vermögensschaden folge insbesondere nicht daraus, dass zwischen den Par-
teien des Kaufvertrags ein unter dem Verkehrswert liegender Kaufpreis verein-
bart worden sei. Der Mieter könne in einem solchen Fall nicht etwa geltend ma-
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chen, dass er die Wohnung zu einem höheren Preis hätte weiterverkaufen kön-
nen, denn der Verlust eines Veräußerungsgewinns werde vom Schutzzweck
des § 577 BGB nicht gedeckt. Ebenso wenig könne er bei Nichtausübung des
Vorkaufsrechts geltend machen, er hätte die Wohnung zu einem günstigeren
Preis erworben.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin ge-
mäß § 280 Abs. 1, § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1, § 577 Abs. 2, § 249 BGB
auf Ersatz der geltend gemachten Differenz zwischen Verkehrswert der Woh-
nung und anteiligem Kaufpreis nicht verneint werden.
1. Dem Berufungsgericht ist allerdings darin beizupflichten, dass die Be-
klagte nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt die sie
als Vermieterin treffenden mietvertraglichen Nebenpflichten schuldhaft verletzt
hat, die Klägerin über das Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts und den
Inhalt des mit der H. GmbH abgeschlossen Kaufvertrags zu
unterrichten.
a) Der Verkauf der von der Klägerin angemieteten Wohnung an die H.
GmbH begründete nach dem für das Revisionsverfahren maß-
geblichen Sachverhalt gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB ein gesetzliches Vor-
kaufsrecht der Klägerin.
aa) Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Entstehens des Vorkaufsrechts
Vermieterin der Klägerin. Nach dem Tod des ursprünglichen Vermieters war
dessen Witwe als Alleinerbin in den mit der Klägerin bestehenden Mietvertrag
eingetreten. Diese Vermieterstellung behielt sie auch nach der unter Nieß-
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brauchvorbehalt (§§ 1068, 1030 BGB) erfolgten schenkweisen Überlassung des
Grundstücks an die Beklagte (vgl. Senatsurteil vom 7. September 2005
- VIII ZR 24/05, NJW 2006, 51 Rn. 13). Erst mit dem Ableben der Nießbrauch-
berechtigten ist die Beklagte gemäß § 1056 Abs. 1, § 566 Abs. 1 BGB Vermie-
terin geworden (vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 2011 - VIII ZR 50/11, WuM
2011, 690 Rn. 11).
bb) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob
bereits im Jahr 1971 - so die Darstellung der Beklagten - oder erst im Jahr 1996
- so der Vortrag der Klägerin (im Urteil des Amtsgerichts ist versehentlich von
2006 die Rede) - Wohnungseigentum begründet worden ist. Es hat letztlich,
ebenso wie das Amtsgericht, zugunsten der Klägerin unterstellt, dass Woh-
nungseigentum - wie von § 577 Abs. 1 BGB vorausgesetzt - erst nach Ab-
schluss des Mietvertrags begründet worden ist. Hiervon ist auch für das Revisi-
onsverfahren auszugehen.
cc) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts
sind im Streitfall die weiteren Voraussetzungen eines gesetzlichen Vorkaufs-
rechts der Klägerin gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Die an die Klägerin
vermietete Wohnung ist erstmals nach der mietweisen Überlassung veräußert
worden. Der Umstand, dass die Wohnung zunächst schenkweise an die Be-
klagte übereignet worden war, hindert - anders als die Revisionserwiderung
meint - die Entstehung eines Vorkaufsrechts nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB
nicht. Bei dem Verkauf der Wohnung an die H. GmbH han-
delt es sich - ausgehend von einer im Revisionsverfahren zu unterstellenden
erstmaligen Begründung von Wohnungseigentum im Jahr 1996 - um einen das
Vorkaufsrecht auslösenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2007 - V ZR 269/06,
NJW 2007, 2699 Rn. 8; vgl. auch Senatsurteile vom 14. April 1999 - VIII ZR
384/97, BGHZ 141, 194, 197 ff. [zu § 2b Abs. 1 WoBindG]; vom 29. März 2006
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- VIII ZR 250/05, BGHZ 167, 58, 61 ff. [zu § 570b BGB aF]) Erstverkauf. Denn
der davor vollzogene Eigentumsübergang auf die Beklagte war nicht aufgrund
eines Verkaufsgeschäfts, sondern aufgrund einer von § 577 BGB nicht erfass-
ten unentgeltlichen Übertragung erfolgt.
Die Annahme der Revisionserwiderung, ein Vorkaufsrecht des Mieters
gemäß § 577 BGB sei auch dann ausgeschlossen, wenn dem Verkauf an einen
Dritten - wie hier - eine schenkweise Übertragung an Familienangehörige
vorausgegangen sei, findet im Gesetz keine Stütze. Ein Vorkaufsrecht entsteht
nach der Regelung des § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB nur, wenn der Vorkaufsver-
pflichtete eine ihrem inhaltlichen Gehalt nach als Kaufvertrag zu beurteilende
Vereinbarung abgeschlossen hat. Hiervon macht § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB eine
Einschränkung bei einem Verkauf an Familien- und Haushaltsangehörige des
Vermieters, weil der Gesetzgeber in diesen Fällen dem Interesse des Vermie-
ters, die Wohnung an eine bestimmte Person zu verkaufen, höheres Gewicht
beigemessen hat (BT-Drucks. 12/3013, S. 18). Dass ein Ausschluss des Vor-
kaufsrechts auch in den Fällen gegeben sein sollte, in denen der Vermieter die
Wohnung dem Familienangehörigen schenkweise überlassen hat, ist weder
dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Eine von der Revi-
sionserwiderung erwogene analoge Anwendung der als solche eng auszule-
genden Ausnahmeregelung des § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt schon man-
gels Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht.
Schenkungen des Vermieters an Familien- oder Haushaltsangehörige lö-
sen danach einerseits schon kein Vorkaufsrecht des Mieters aus, weil es sich
hierbei nicht um ein nach § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetztes Kaufge-
schäft handelt. Andererseits führen sie, wenn der mit einer Schenkung bedach-
te Familienangehörige die Wohnung später an einen Dritten verkauft, anders
als die in § 471 BGB genannten Verkäufe im Wege der Zwangsvollstre-
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ckung/aus der Insolvenzmasse und die in § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten
Verkäufe an Familienangehörige (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juni 2007
- V ZR 269/06, aaO), nicht dazu, dass es sich bei einem späteren Verkauf an
einen Dritten um einen das Entstehen eines Vorkaufsrechts hindernden Zweit-
verkauf handelt.
b) Die Beklagte war daher gemäß § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1
Satz 1 BGB verpflichtet, der Klägerin den Inhalt des mit dem Dritten geschlos-
senen Kaufvertrags unverzüglich mitzuteilen. Weiter traf sie die Pflicht, die Klä-
gerin über das Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts zu unterrichten
(§ 577 Abs. 2 BGB). Beiden Verpflichtungen ist die Beklagte nach den rechts-
fehlerfreien, im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Be-
rufungsgerichts schuldhaft nicht nachgekommen.
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch einen Anspruch der
Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, § 249 BGB auf Ersatz der Differenz zwischen
dem Verkehrswert der von ihr bewohnten Wohnung und dem hierfür vereinbar-
ten anteiligen Kaufpreis verneint. Es hat - dem Amtsgericht folgend - die Auf-
fassung vertreten, der Ersatz eines solchen Schadens sei - auch wenn die Klä-
gerin letztlich einen Nichterfüllungsschaden geltend mache - nicht vom Schutz-
zweck des § 577 BGB gedeckt. Werde - wie hier - das Vorkaufsrecht nicht aus-
geübt, liege ein erstattungspflichtiger Schaden des Mieters vor, wenn der Käu-
fer das Mietverhältnis (etwa wegen Eigenbedarfs) kündige. Dagegen stelle der
Umstand, dass zwischen den Kaufvertragsparteien ein unter dem Verkehrswert
liegender Kaufpreis vereinbart worden sei, anders als bei der Nichterfüllung ei-
nes durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zwischen den Mietparteien zustande
gekommenen Kaufvertrags, keinen ausgleichspflichtigen Vermögensschaden
dar.
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a) Das Berufungsgericht hat damit zwar im Ausgangspunkt zutreffend er-
kannt, dass die Klägerin der Sache nach einen Anspruch auf Schadensersatz
statt der Leistung ("Nichterfüllungsschaden") geltend macht, hat jedoch diesen
Ansatz rechtsfehlerhaft nicht weiterverfolgt. Es hat bei der von ihm vorgenom-
menen Differenzierung zwischen ausgeübtem und nicht ausgeübtem Vorkaufs-
recht nicht hinreichend beachtet, dass die Klägerin infolge der von der Beklag-
ten unterlassenen Mitteilungen erst zu einem Zeitpunkt Kenntnis von dem Inhalt
des mit einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrags und von dem Bestehen
eines gesetzlichen Vorkaufsrechts erlangt hat, als dieser Kaufvertrag schon
vollzogen und der Käufer als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen war.
Deswegen hat es sich den Blick dafür verstellt, dass es bei der vorliegend ge-
gebenen Sachlage für die Klägerin im Ergebnis keinen Unterschied machte, ob
sie durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts einen Kaufvertrag zustande brachte
und anschließend von der Beklagten, der (wovon in der Revisionsinstanz aus-
zugehen ist) die Erfüllung dieses Vertrags von Anfang an unmöglich gewesen
wäre, Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis verlangte,
oder ob sie von dem bei dieser Sachlage für die Verwirklichung ihres Erfül-
lungsinteresses sinnlosen Zwischenschritt der - nach den für die Revisions-
instanz maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 Abs. 1
ZPO) nicht erfolgten - Ausübung des Vorkaufsrechts absah und sogleich Ersatz
des entsprechenden Schadens begehrte. In beiden Fällen wäre das Erfüllungs-
interesse der Klägerin in gleicher Weise beeinträchtigt worden. Entscheidend ist
letztlich, dass die Beklagte durch die Verletzung der sie nach § 577 Abs. 1
Satz 3, § 469 Abs. 1, § 577 Abs. 2 BGB treffenden Mitteilungspflichten das Vor-
kaufsrecht der Klägerin nach § 577 BGB, also den Erwerb der Wohnung zu
dem vereinbarten anteiligen Kaufpreis, vereitelt hat.
aa) Nach der Konzeption der §§ 577, 463 ff. BGB dient nicht nur der
- durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande kommende (§ 577 Abs. 1
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Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB) - Kaufvertrag zwischen den Mietvertragsparteien der
Realisierung des Vorkaufsrechts. Vielmehr haben auch die gesetzlich vorge-
schriebenen Mitteilungspflichten den Zweck, das Erfüllungsinteresse des Vor-
kaufsberechtigten zu sichern, denn dieser wird erst durch die Mitteilung vom
Eintritt des Vorkaufsfalls (und im Falle des § 577 Abs. 2 BGB durch Belehrung
über seine Vorkaufsberechtigung) in die Lage versetzt, sein Vorkaufsrecht aus-
zuüben und damit seinen Erfüllungsanspruch zu begründen (vgl. BGH, Urteil
vom 14. Dezember 2001 - V ZR 212/00, juris Rn. 16 [zu § 510 Abs. 1 BGB aF,
heute § 469 Abs. 1 BGB] mwN). Der aus der Verletzung einer Mitteilungspflicht
entstehende Anspruch auf Ersatz des vom Mitteilungspflichtigen auszuglei-
chenden Schadens kann, sofern dieser durch die Unterlassung der Mitteilung
adäquat verursacht wurde, auch auf das Erfüllungsinteresse gerichtet sein
(BGH, Urteil vom 14. Dezember 2001 - V ZR 212/00, aaO).
bb) So liegen die Dinge hier. Der Klägerin, die vor Abschluss des Kauf-
vertrags zwischen der Beklagten und dem Dritten weder über Existenz und In-
halt des Vertrages (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB) noch über das Be-
stehen ihres Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 2 BGB) unterrichtet worden war, stan-
den lediglich zwei Wege offen, hierauf zu reagieren. Keiner der beiden Schritte
hätte aber zur Verwirklichung ihres Erfüllungsinteresses geführt. Vielmehr blieb
der Klägerin in beiden Fällen nur die Möglichkeit, Schadensersatz wegen Verei-
telung ihres Vorkaufsrechts zu verlangen.
(1) Die Klägerin hätte an sich, da die zweimonatige Frist zur Ausübung
des Vorkaufsrechts (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BGB)
erst mit Mitteilung des Inhalts des mit dem Dritten abgeschlossenen Kaufver-
trags beginnt, das Vorkaufsrecht noch binnen einer Frist von zwei Monaten ab
Erhalt einer nachträglichen Mitteilung des Vermieters oder des Käufers über
den Inhalt des Kaufvertrags und das Bestehen ihres Vorkaufsrechts (§ 577
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Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 577 Abs. 2 BGB) ausüben (vgl. OLG
Celle, ZMR 2008, 119) und hierdurch mit der Beklagten einen zweiten Kaufver-
trag zu denselben Bedingungen zustande bringen können, wie sie im Kaufver-
trag zwischen Beklagter und Drittem vereinbart worden sind (§ 577 Abs. 1
Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 - V ZR
96/12, BGHZ 199, 136 Rn. 21 mwN). Diesen zweiten Kaufvertrag hätte die Be-
klagte aber nicht mehr erfüllen können (§ 275 Abs. 1 BGB), weil sie das Eigen-
tum am Grundstück schon vor der mit Schreiben der Hausverwaltung vom 23.
August 2011 erfolgten Unterrichtung der Klägerin über den erfolgten Verkauf
auf den Käufer übertragen hatte. Der Eigentumswechsel war bereits am 18. Juli
2011 in das Grundbuch eingetragen worden.
Daher hätte die Klägerin nach dem in der Revisionsinstanz maßgebli-
chen Sachverhalt im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechts lediglich Scha-
densersatz statt der Leistung nach § 311a Abs. 1, 2 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 280
Abs. 1, 3, § 281 BGB wegen anfänglicher subjektiver Unmöglichkeit der Über-
eignung verlangen können. Zwar ist in den Fällen, in denen ein Schuldner - wie
hier - den Kaufgegenstand an einen Dritten übereignet hat, dem Schuldner die
Übereignung an den Gläubiger nicht schon deswegen unmöglich, weil er über
ihn nicht mehr verfügen kann und auf ihn auch keinen Anspruch hat. Unmög-
lichkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn feststeht, dass der Schuldner die Ver-
fügungsmacht nicht mehr erlangen und zur Erfüllung des geltend gemachten
Anspruchs nicht mehr auf die Sache einwirken kann (BGH, Urteile vom
26. März 1999 - V ZR 368/97, BGHZ 141, 179, 181 f.; vom 15. Juni 2005
- VIII ZR 271/04, NJW-RR 2005, 1534 unter II 3). Ist die Unmöglichkeit - wie bei
einem Anspruch aus § 311a Abs. 2, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB - anspruchs-
begründende Voraussetzung, nimmt der Bundesgerichtshof jedoch, um die An-
forderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers nicht zu über-
spannen, in ständiger Rechtsprechung an, dass die Weiterveräußerung die
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Unmöglichkeit indiziert, solange der Schuldner - wie hier - nicht darlegt, dass er
zur Erfüllung willens und in der Lage ist (BGH, Urteile vom 26. März 1999
- V ZR 368/97, aaO S. 182 f. mwN; vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 271/04, aaO).
(2) Statt ihr Vorkaufsrecht nach § 577 BGB nachträglich noch auszu-
üben, stand der Klägerin aber auch die Möglichkeit offen, wegen Verletzung der
in § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB geregelten miet-
vertraglichen Nebenpflichten Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu ver-
langen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Januar 2003 - V ZR 137/02, WuM 2003, 281
unter II 2 a aa, und V ZR 127/02, juris Rn. 21 f. [jeweils zur Haftung aus pVV]).
Für diesen Schritt hat sie sich entschieden.
Die Verletzung solcher Nebenpflichten führt zwar nicht stets zu einem
Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Insbesondere wird es Fälle ge-
ben, in denen sich die Verletzung der Mitteilungspflichten letztlich nicht aus-
wirkt, weil der Vorkaufsberechtigte noch rechtzeitig vor der Übereignung der
Kaufsache an den Dritten Kenntnis vom Inhalt des Kaufvertrags (und im Falle
des § 577 BGB von seiner Vorkaufsberechtigung) erlangt und durch die Aus-
übung seines Vorkaufsrechts einen - noch erfüllbaren - Kaufvertrag mit dem
Mitteilungsverpflichteten zustande bringen kann. Dieser muss dann entschei-
den, welchen der beiden gegen ihn gerichteten Ansprüche auf Übereignung der
Kaufsache er erfüllt. Entschließt er sich für eine Erfüllung des mit dem Dritten
abgeschlossenen Kaufvertrags, hat er dem Vorkaufsberechtigten wegen nach-
träglicher Unmöglichkeit Schadensersatz statt der Leistung nach § 280 Abs. 1,
3, §§ 283, 275 Abs. 1 BGB zu leisten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember
2001 - V ZR 212/00, aaO Rn. 16; vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 271/04, aaO un-
ter II 4 [zur Vorgängerregelung des § 325 BGB aF]).
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Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die vorliegend zu beurteilende Fall-
konstellation, bei der die Kenntniserlangung erst nach Übereignung des Anwe-
sens an den Dritten erfolgte und bei der daher die Verletzung der Mitteilungs-
pflichten unmittelbar zur Vereitelung des Vorkaufsrechts führte. Infolge der un-
terbliebenen Unterrichtung hätte die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die
Klägerin - wie bereits ausgeführt - nur noch bewirken können, dass sie einen
Kaufvertrag mit der Beklagten begründete, dessen Erfüllung der Beklagten von
vornherein unmöglich gewesen wäre (anfängliche Unmöglichkeit) mit der Folge,
dass sie der Klägerin gemäß § 311a Abs. 1, 2, § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, 3,
§ 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung wegen Nichterfüllung des zu-
stande gekommenen Kaufvertrags hätte leisten müssen. Da die Ausübung des
Vorkaufsrechts die Klägerin somit nicht in die Lage versetzt hätte, ihr Erfül-
lungsinteresse durchzusetzen, ist hier die Ausübung dieses Rechts (§ 577
Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 1 BGB) als sinnloser Zwischenschritt zu werten.
(3) Weil das Erfüllungsinteresse der Klägerin unmittelbar durch die Ver-
letzung der mietvertraglichen Nebenpflicht vereitelt worden ist, ist der aus der
Verletzung der mietrechtlichen Nebenpflicht resultierende Schadensersatzan-
spruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtet (vgl.
BGH, Urteil vom 14. Dezember 2001 - V ZR 212/00, aaO). Der Ersatz des Erfül-
lungsinteresses besteht hier - ebenso wie in dem vom Senat bereits entschie-
denen Fall der nachträglichen Unmöglichkeit der Erfüllung eines zwischen Vor-
kaufsberechtigtem und Mitteilungsverpflichteten zustande gekommenen Kauf-
vertrags (Senatsurteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 271/04, aaO) - im Ausgleich
der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem auf sie entfal-
lenden Anteil des Kaufpreises, allerdings abzüglich von der Klägerin ersparter
Kosten (insbesondere Erwerbs- und Finanzierungskosten).
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Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Klä-
gerin beläuft sich der mit dem Grundstückserwerber vereinbarte anteilige Kauf-
preis für die Wohnung (§
577 Abs. 1 Satz 3, § 467 Satz 1 BGB) auf 186.571 €
und der Verkehrswert auf 266.250 €. Bei ordnungsgemäßer Unterrichtung hätte
sie diesen Vermögenszuwachs (abzüglich für den Erwerb und dessen Finanzie-
rung aufzuwendender Kosten) in Gestalt des Sondereigentums an der Woh-
nung und des dazu gehörenden Miteigentumsanteils erhalten. An die Stelle des
entgangenen Vermögensvorteils tritt nun der geldwerte Ausgleich der Wertdiffe-
renz.
(4) Die Verletzung der Mitteilungspflichten ist für den geltend gemachten
Schaden auch ursächlich geworden.
(a) Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Mittei-
lung des Inhalts des Kaufvertrags (§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB) und
gleichzeitiger Belehrung über ihr Vorkaufsrecht (§ 577 Abs. 2 BGB) von ihrem
Vorkaufsrecht Gebrauch gemacht hätte. Die Mitteilungspflichten des Vorkaufs-
verpflichteten stellen vertragliche Aufklärungspflichten dar, die dazu bestimmt
sind, dem Berechtigten eine sachgerechte Entscheidung über bestimmte Ge-
schäfte - nämlich über die Ausübung des Vorkaufsrechts - zu ermöglichen (vgl.
BGH, Urteil vom 17. Januar 2003 - V ZR 137/02, aaO unter II 2 b bb). Bei Ver-
letzung solcher Pflichten spricht eine Vermutung für "aufklärungsrichtiges" Ver-
halten (BGH, Urteile vom 17. Januar 2003 - V ZR 137/02, aaO, und V ZR
127/02, aaO Rn. 28; jeweils mwN). Umstände, die diese Vermutung widerleg-
ten, sind weder von der Revisionserwiderung aufgezeigt worden noch sonst
ersichtlich.
(b) Ferner ist für die Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die Klägerin
die sie treffende Kaufpreiszahlungspflicht aus einem - bei rechtzeitiger Unter-
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richtung durch Ausübung ihres Vorkaufsrechts begründeten - Kaufvertrag
(§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB) auch hätte erfüllen können. Das Beru-
fungsgericht hat zwar insoweit - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine
Feststellungen getroffen. Die Revision verweist aber zu Recht darauf, dass die
Klägerin vorgetragen habe, sie wäre aufgrund ihrer Kreditwürdigkeit und teil-
weise vorhandener Eigenmittel in der Lage gewesen, den zwischen der Beklag-
ten und dem Dritten ausgehandelten, anteilig auf die von ihr genutzte Wohnung
entfallenden Kaufpreis zu entrichten.
(5) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht auch der
Schutzzweck des § 577 BGB vorliegend einem auf Ersatz der Differenz zwi-
schen Verkehrswert der Wohnung und anteiligem Kaufpreis (abzüglich erspar-
ter Kosten) gerichteten Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 249 BGB
nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, wenn - wie hier - das Vor-
kaufsrecht nicht ausgeübt werde, sei dem vorkaufsberechtigten Mieter nur der
durch eine Verdrängung aus der Mietwohnung entstehende Schaden zu erset-
zen. Dagegen stelle der Umstand, dass zwischen den Kaufvertragsparteien ein
niedriger Kaufpreis vereinbart worden sei, anders als bei der Nichterfüllung ei-
nes durch ein ausgeübtes Vorkaufsrecht zwischen den Mietparteien zustande
gekommenen Kaufvertrags, keinen ersatzpflichtigen Vermögensschaden dar.
Hierbei verengt das Berufungsgericht den Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts
des Mieters nach § 577 BGB entgegen dem in den Gesetzesmaterialien und
auch in der genannten Bestimmung selbst zum Ausdruck gekommenen Willen
des Gesetzgebers.
(a) Der Senat hat sich mit der Frage, ob sich aus dem Schutzzweck des
gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters Einschränkungen hinsichtlich der Er-
satzfähigkeit der dem Mieter entstandenen Vermögenseinbußen ergeben, be-
reits im Zusammenhang mit Schadensersatzansprüchen wegen nachträglicher
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Unmöglichkeit des mit der Ausübung des Vorkaufsrechts zwischen Mieter und
Vermieter begründeten Kaufvertrags befasst. Dabei hat er dem Zweck des in
§ 570b BGB aF (heute § 577 BGB) geregelten Vorkaufsrechts, den Schutz der
Mieter vor spekulativen Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswoh-
nungen und deren Veräußerung an Dritterwerber zu verstärken, keine Be-
schränkung des Anspruchs nach § 325 BGB aF (heute § 280 Abs. 1, 3, § 283
BGB) auf den Schaden entnommen, den der Mieter infolge einer Verdrängung
aus der gemieteten Wohnung erleidet; vielmehr hat der Senat dem Mieter, dem
die Wohnung vom Vermieter nach Ausübung des Vorkaufsrechts nicht übereig-
net worden war, einen Anspruch auf Ersatz der Wertdifferenz zwischen Ver-
kehrswert und vereinbartem Kaufpreis zugesprochen. Maßgebend dafür war die
Überlegung, dass das Gesetz den Schutz des Mieters durch dessen Berechti-
gung realisiert, bei Eintritt des Vorkaufsfalls einen Kaufvertrag zwischen sich
und dem Verkäufer zustande zu bringen, und dass der Mieter - wenn der Ver-
käufer die sich daraus ergebende Übereignungspflicht nicht erfüllt - nach allge-
meinem Schuldrecht Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses bean-
spruchen kann (Senatsurteil vom 15. Juni 2005 - VIII ZR 271/04, aaO).
(b) Diese Grundsätze lassen sich auch auf die vorliegende Fallgestaltung
übertragen, in der zwar kein Kaufvertrag zwischen den Mietvertragsparteien
begründet, gleichwohl aber das durch § 577 BGB gewährleistete Erfüllungsinte-
resse des Mieters verletzt worden ist. Das Berufungsgericht, das dies anders
sieht, verkehrt den von § 577 BGB angestrebten Schutz des Mieters in sein
Gegenteil.
(aa) Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des ge-
setzlichen Vorkaufsrechts des Mieters für den Fall des erstmaligen Verkaufs
einer in Wohnungseigentum umgewandelten Mietwohnung (§ 570b BGB aF;
§ 577 BGB) vor allem die Absicht verfolgte, den Mieter vor spekulativen Um-
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wandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen mit anschließender
Veräußerung an Dritterwerber zu schützen (BT-Drucks. 12/3013, S. 18;
12/3254, S. 40). Darin erschöpft sich der Schutzzweck dieser Regelung jedoch
nicht. Vielmehr war dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien
auch daran gelegen, dem Mieter die Möglichkeit zu eröffnen, die Wohnung zu
einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter für die Wohnung zu zahlen
bereit ist (BT-Drucks. 12/3013, aaO; 12/3254, aaO).
Hätte die Absicht des Gesetzgebers allein darin bestanden, den Mieter
vor einer Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung des Dritterwerbers zu
schützen, hätte er dieses Anliegen schon durch einen zeitweisen Ausschluss
der Kündigungsmöglichkeit des Erwerbers (vgl. § 577a BGB) verwirklichen
können. Dass er stattdessen das Instrument des Vorkaufsrechts gewählt hat,
belegt seine Zielsetzung, dem Mieter die Wohnung nicht nur zur Nutzung zu
erhalten, sondern dessen Interesse an einem Erwerb der Wohnung, insbeson-
dere wenn dieser aus seiner Sicht günstig ist, zu schützen. Denn das Wesen
eines Vorkaufsrechts liegt gerade darin, dass der Vorkaufsberechtigte bei Aus-
übung des Vorkaufsrechts und bei Erfüllung des dadurch begründeten Kaufver-
trags in die Lage versetzt wird, an den zwischen Vorkaufsverpflichtetem und
Drittem ausgehandelten Konditionen zu partizipieren. Durch die Verweisung in
§ 577 Abs. 1 Satz 3 BGB auf die Bestimmungen zum Vorkaufsrecht
(§§ 463 ff. BGB) wird dem Mieter im Wesentlichen die gleiche Rechtsstellung
eingeräumt wie einem sonstigen Vorkaufsberechtigten. Er hat damit gemäß
§ 577 Abs. 1 Satz 3, § 464 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, allein durch eine Erklä-
rung gegenüber seinem Vermieter einen Kaufvertrag mit diesem zu den Bedin-
gungen zustande zu bringen, die dieser mit dem Dritten vereinbart hat.
(bb) Das Interesse des Mieters an der Verwirklichung seines Vorkaufs-
rechts wird aber nicht nur dann verletzt, wenn der durch Ausübung des Vor-
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kaufsrechts zustande gekommene Kaufvertrag vom Vermieter wegen anfängli-
cher oder nachträglicher Unmöglichkeit der Eigentumsverschaffung nicht voll-
zogen wird, sondern auch dann, wenn - wie hier die Beklagte - der Mitteilungs-
verpflichtete den Mieter so spät vom Verkaufsfall und dem Vorkaufsrecht unter-
richtet, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im Hinblick auf die bereits erfolg-
te Übereignung an einen Dritten leerliefe. Denn auch die Mitteilungspflichten
nach § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 BGB, § 577 Abs. 2 BGB dienen - wie
bereits ausgeführt - dazu, das Erfüllungsinteresse des Vorkaufsberechtigten zu
sichern; dieser wird erst durch die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls (und
durch die Belehrung über seine Vorkaufsberechtigung) in die Lage versetzt,
sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit seinen Erfüllungsanspruch zu be-
gründen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2001 - V ZR 212/00, aaO mwN
[zu § 510 BGB aF, heute § 469 BGB]). Er kann daher auch in diesen Fällen An-
spruch auf Ersatz der Differenz zwischen Kaufpreis und Wert der Wohnung ha-
ben (so auch Kinne in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht,
7. Aufl., § 577 BGB Rn. 24; wohl auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. XI
283 f.). Ob eine andere Beurteilung in den Fällen geboten ist, in denen der Mie-
ter die Wohnung nicht zur Eigennutzung, sondern von vornherein zur Weiter-
veräußerung erwerben will (so AG Hamburg, WuM 1996, 477; Münch-
KommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 577 Rn. 22; Staudinger/Rolfs, Neubearb. 2014,
§ 577 Rn. 58; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 11. Aufl., § 577 BGB Rn. 45)
kann hier dahinstehen. Denn eine solche Konstellation ist vorliegend nicht ge-
geben.
III.
Nach alledem hat das angefochtene Urteil keinen Bestand; es ist aufzu-
heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das
Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zum Zeitpunkt der Umwandlung
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in Wohnungseigentum, zur Entstehung eines kausalen Schadens und zu des-
sen Höhe getroffen hat. Sie ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
sen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dr. Milger
Dr. Achilles
RiBGH Dr. Schneider ist wegen
Erkrankung an der Unterschrift
gehindert.
Dr. Milger, 04.02.2015
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-St. Georg, Entscheidung vom 31.05.2013 - 920 C 16/13 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.01.2014 - 334 S 37/13 -