Urteil des BGH vom 25.03.2015

Leitsatzentscheidung zu Abtretung, Auszahlung der Versicherungsleistung, Bereicherung, Rückzahlung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 38/14
Verkündet am:
25. März 2015
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 346 Abs. 3 Satz 2
Der Käufer eines Fahrzeugs, welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der
Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3
Satz 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben
könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Ab-
tretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer
nicht der Fall.
BGH, Urteil vom 25. März 2015 - VIII ZR 38/14 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. März 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 19. Zivilse-
nats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2013
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des
Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts
Mannheim vom 17. April 2013 hinsichtlich des Zug-um-Zug-
Vorbehalts zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Mannheim vom 17. April 2013 dahin abgeändert,
dass der Zug-um-Zug-Vorbehalt entfällt.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen 9/10 der Beklag-
ten und 1/10 dem Kläger zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags
über einen Neuwagen in Anspruch.
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 11. September 2009 übergeben. In
der Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach, verschiedene Mängel des Fahr-
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zeugs zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch
erklärte der Kläger mit Schreiben vom 22. August 2011 den Rücktritt vom Kauf-
vertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30. August 2011
unter anderem auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädi-
gung -
insgesamt einen Betrag von 43.727,50 € - Zug um Zug gegen Rückgabe
des Fahrzeugs zurückzuzahlen.
Am 29. August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor beim
Kläger befand, weitgehend aus. Der Kläger trat am 6. März 2013 sämtliche An-
sprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen Kaskoversiche-
rungsvertrag an die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abtretungserklärung
an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom 10. April 2013 unter
Verweis auf einen - in den dem Versicherungsvertrag zu Grunde liegenden All-
gemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen - Genehmi-
gungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Ein-
trittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.
Das Landgericht hat der unter anderem auf Rückzahlung des Kaufprei-
ses abzüglich einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage teilweise in Hö-
he von 38.217,21
€ stattgegeben, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung
der näher bezeichneten Ansprüche des Klägers gegenüber seinem Versicherer.
Die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen eine vorbehaltlose Verur-
teilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises erstrebt hat, ist ohne
Erfolg geblieben.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger nur noch
die Aufhebung des Zug-um-Zug-Vorbehalts.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückz
ahlung von 38.217,21 € Zug
um Zug gegen Abtretung der Versicherungsansprüche gegen den Kaskoversi-
cherer zu.
Er sei wegen erheblicher Sachmängel, die von der Beklagten nicht besei-
tigt worden seien, berechtigt gewesen, von dem Kaufvertrag zurückzutreten.
Der Rücktritt sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Rückgabe des Pkw
durch den Fahrzeugbrand nicht beziehungsweise nur in verschlechtertem Zu-
stand möglich sei. Nachdem die Beklagte nach erklärtem Rücktritt zur Rückzah-
lung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw aufgefordert
worden sei, habe sie sich in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe damit
bezüglich des Untergangs lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertre-
ten, wofür hier nichts vorgetragen oder ersichtlich sei.
Er habe jedoch das für die untergegangene Sache erlangte Surrogat,
hier die Versicherungsleistung, an die Beklagte abzutreten. Daher stehe der
Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, und sei eine Verurteilung lediglich Zug
um Zug gegen Abtretung entsprechender Ansprüche möglich. Zwar habe der
Kläger bereits die Abtretung erklärt. Wie sich jedoch aus dem Schreiben des
Kaskoversicherers ergebe, sei nach den Allgemeinen Bedingungen zur Kraft-
fahrtversicherung eine Abtretung des Anspruchs auf Entschädigung vor der
endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versi-
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cherer nicht möglich. Insoweit könne die Leistung bis zur Abtretung der ent-
sprechenden Ansprüche an den Kläger verweigert werden.
Die bereits erklärte Abtretung sei nichtig. Der Umstand, dass der Versi-
cherer sich formularmäßig einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt aus-
bedungen habe, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße eine solche
Vereinbarung nicht gegen § 307 BGB. Dementsprechend habe der Kläger das
einredeweise auf §§ 285, 326 Abs. 3 BGB gestützte Verlangen nicht erfüllt,
weshalb gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung nichts zu erinnern sei.
Der Anwendungsbereich des § 285 BGB sei hier eröffnet. Dass noch
keine Regulierung erfolgt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass der
Kläger infolge der Leistungsstörung ein Surrogat - den Anspruch gegen seinen
Kaskoversicherer - erlangt habe. Unbeachtlich sei, dass die Beklagte nach der
fristgebundenen Rücktrittserklärung des Klägers bereits in Annahmeverzug ge-
langt sei, als das Fahrzeug zerstört worden sei. Die beim gesetzlichen Rück-
trittsrecht geltende Gefahrtragungsregelung des § 346 Satz 1 Abs. 3 Satz 1
Nr. 3 BGB ändere nämlich nichts an der Verpflichtung des Klägers, die ihm ver-
bleibende Bereicherung - mithin den Ersatzanspruch gegen seinen Kaskoversi-
cherer - herausgeben zu müssen (vgl. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Beklagte
befinde sich mit der Annahme des Surrogats - der Versicherungsleistung - nicht
in Annahmeverzug, da eine wirksame Abtretung bisher nicht erfolgt sei.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.
Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Beklagten - jedenfalls der-
zeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen seine
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Kaskoversicherung zusteht und deshalb die Verurteilung der Beklagten zur
Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden Zug-um-Zug-
Vorbehalt einzuschränken ist.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings da-
von ausgegangen, dass der Kläger ursprünglich gemäß §§ 434, 437 Nr. 2,
§ 346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs ver-
pflichtet war und diese Verpflichtung durch den Untergang des Fahrzeugs ent-
fallen ist. Einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen
des Untergangs des Fahrzeugs hat die Beklagte, wie die Revisionserwiderung
selbst einräumt, in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Einen Ver-
fahrensfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.
Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung auf
das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält (Senatsurteil vom
28. November 2007 - VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290 Rn.16 mwN), hat der
Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen Wertersatz
nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende Bereicherung heraus-
zugeben. Es kann dahinstehen, ob - was das Berufungsgericht nicht geprüft hat
- überhaupt ein Wertersatzanspruch entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an
einer herausgabefähigen Bereicherung.
a) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon aus-
gegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstan-
des nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern
grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den Gläu-
biger abzutreten ist (§ 398 BGB).
Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Klä-
ger jedoch bereits erklärt. Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt
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der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von
der - hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt,
aber nicht die Annahme, dass der Beklagten gegenwärtig ein Anspruch auf
nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.
b) Denn das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger derzeit
nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des hier an-
wendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich auf-
grund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret ma-
nifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (BGH,
Urteil vom 7. Januar 1971, VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131; Palandt-Sprau,
BGB, 74. Aufl. § 812 Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat we-
der eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintritts-
pflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und we-
gen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des
Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige
Bereicherung im Sinn des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprü-
che, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen
könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versiche-
rungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zu-
rückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem
Sinn und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus
dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie
der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last
der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein
Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens
durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB er-
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legt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig
vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch ei-
ne auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann her-
auszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen.
2. Auch aus § 346 Abs. 1, § 275 Abs. 1 BGB, § 285 BGB oder § 346
Abs. 2, § 285 BGB (so etwa MünchKommBGB/Gaier, 6. Aufl. § 346 Rn. 47
mwN) ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, den sie dem Kläger nach
§§ 320, 348 BGB entgegen halten könnte. Es bedarf in diesem Zusammenhang
keiner Entscheidung, ob § 285 BGB überhaupt auf das Rückgewährverhältnis
gemäß §§ 346 ff. BGB nach dem neuen Schuldrecht Anwendung findet (dage-
gen mit beachtlichen Gründen Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014,
§ 285 Rn. 13). Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte - ähnlich wie es der
Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift zu § 285
BGB, nämlich § 281 BGB aF, angenommen hatte (BGH, Urteil vom 27. Oktober
1982 - V ZR 24/82, NJW 1983, 929 unter B) -, ergibt sich daraus kein Anspruch
der Beklagten.
Denn nach § 285 BGB hätte der Kläger auch nur dasjenige herauszuge-
ben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zu-
rückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der
Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht
anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den
Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen
Herausgabe die Beklagte sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, uner-
heblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden
kann, die noch gar nicht entstanden sind.
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III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung kei-
nen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, entscheidet der Senat in der
Sacheselbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Wegfall des Zug-um-Zug-
Vorbehalts.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 17.04.2013 - 8 O 246/11 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.12.2013 - 19 U 83/13 -
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