Urteil des BGH vom 11.11.2014

Leitsatzentscheidung zu Rechtliches Gehör, Hengst, Gestüt, Urkunde, Verfügung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZR 302/13
vom
11. November 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1 E
Von einer Beweiserhebung darf grundsätzlich nicht bereits deswegen abgesehen
werden, weil die beweisbelastete Partei keine schlüssige Erklärung dafür liefert,
weshalb eine von ihr behauptete Absprache zu einer schriftlich getroffenen Abrede
keinen Eingang in den schriftlichen Vertrag gefunden hat. Denn der Grad der Wahr-
scheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ist für den Umfang der Darlegungslast
regelmäßig ohne Bedeutung. Das Fehlen einer schlüssigen Erklärung spielt daher in
aller Regel erst im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung des Prozessstoffs eine
Rolle (Bestätigung der Senatsbeschlüsse vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11,
NJW 2012, 382, und vom 21. Oktober 2014 - VIII ZR 34/14, zur Veröffentlichung vor-
gesehen).
BGH, Beschluss vom 11. November 2014 - VIII ZR 302/13 - OLG Celle
LG Lüneburg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2014 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider,
die Richterin Dr. Fetzer und den Richter Dr. Bünger
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss
des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. September
2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an einen ande-
ren Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird
auf 23.400 € festgesetzt.
Gründe:
I.
1. Der Kläger verkaufte Anfang 2008 den Isländerhengst "N. " zum
Kaufpreis von 50.000 € an die Beklagte. Der hierüber gefertigte Kaufvertrag
enthält in § 4 unter anderem folgende Regelung:
"
[…] Zusätzlich wurde vereinbart, dass N. bis 2013 Herrn H. [= Kläger]
für 2 Deckperioden á 6 Wochen kostenfrei zur Verfügung steht. Der Zeitpunkt
der Deckperioden erfolgt nach Absprache mit dem Besitzer und je nach Trai-
ning und Turnierteilnahme."
Die Beklagte verkaufte den Hengst Anfang 2009 unter Weitergabe der
Verpflichtung aus § 4 des Kaufvertrags an Dritte, die das Pferd Mitte 2010 ih-
rerseits unter Weitergabe der genannten Verpflichtung nach S. veräu-
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ßerten. Im Jahr 2010 verhandelte der Kläger mit den Dritten und später auch
mit der Beklagten erfolglos über die in der genannten Vertragsbestimmung ge-
regelte Zurverfügungstellung des Hengstes. Dabei verlangte er, das Pferd müs-
se - worüber sich nach seiner Behauptung die Parteien bei Aufnahme der Be-
stimmung in den Vertrag einig gewesen seien - für die beiden Deckperioden
entweder zu ihm oder zu dem von ihm als Zeugen benannten Herrn F.
verbracht werden. Dies verweigerte die Beklagte als von ihr nicht ge-
schuldet und verwies den Kläger darauf, die zur Bedeckung vorgesehenen Stu-
ten für die Deckperioden zum Gestüt der nachfolgenden Käufer zu bringen, wo
der Hengst vereinbarungsgemäß bereitstehe.
Der Kläger begehrt wegen der Weigerung der Beklagten, ihm das Pferd
nach Maßgabe der getroffenen Absprachen als Deckhengst zur Verfügung zu
stellen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung, den er nach Maßgabe des für
einen vergleichbaren Hengst aufzuwendenden Deckgeldes mit
23.400 € bezif-
fert. Die Beklagte bestreitet den Anspruch nach Grund und Höhe und wendet
zusätzlich ein, der Hengst sei inzwischen wegen einer Viruserkrankung zur Be-
deckung der Stuten nicht mehr in der Lage. Der Kläger seinerseits bestreitet
eine solche erkrankungsbedingte Zuchtuntauglichkeit; für den Fall, dass diese
gleichwohl eingetreten sei, begehrt er hilfsweise Schadensersatz wegen einer
der Beklagten anzulastenden Unmöglichkeit.
Die auf Zahlung des beanspruchten Schadenersatzes gerichtete Klage
hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Gegen die vom Oberlandesge-
richt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erkannte Berufungszurückweisung wendet sich
der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde, um mit der erstrebten Revi-
sionszulassung sein Klagebegehren weiterzuverfolgen.
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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet, weil die Si-
cherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisions-
gerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, § 544 Abs. 6, 7 ZPO). Das
Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt
gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass durch § 4 des zwischen
den Parteien geschlossenen Kaufvertrages keine Verpflichtung der Beklagten
begründet worden sei, den Hengst zu Beginn einer noch zu bestimmenden
Deckperiode nach Südwestdeutschland zum Kläger oder dem von ihm benann-
ten Gestüt zu bringen oder ihn dem Kläger zwecks Abholung und dreimonatiger
Abwesenheit zu überlassen. Schon der Wortlaut der Vertragsbestimmung und
der hierin verwendete Terminus "zur Verfügung stehen" spreche dafür, dass
lediglich die Bereitstellung des Hengstes geschuldet sein sollte. Zudem ent-
spreche die so gewählte Formulierung dem in § 269 Abs. 1 BGB geregelten
Leitbild zum Leistungsort, wonach die Leistung an dem Ort zu erfolgen habe, an
dem der Schuldner - hier die Beklagte - ihren Wohnort habe. Die Auffassung
des Klägers, nach der die Beklagte für einen Zeitraum von drei Monaten kom-
plett auf die Nutzung des Pferdes verzichten und darüber hinaus noch einen
zeitaufwändigen und kostenträchtigen Hin- und Rücktransport vornehmen solle,
widerspreche auch der typischen Interessenlage von Kaufvertragsparteien. § 4
des Kaufvertrages formuliere zwar ein kostenfreies Nutzungsrecht des Klägers,
rechtfertige es aber nicht, in diese Vertragsklausel einen sehr weit reichenden
Nutzungsverzicht und kostenintensive Nebenpflichten hineinzulesen. Die vom
Kläger vorgenommene Vertragsauslegung finde mithin im Vertragstext insge-
samt keine Stütze.
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Das Landgericht - so das Berufungsgericht weiter - habe auch zu Recht
von einer Beweisaufnahme zu weiteren mündlichen Abreden der Parteien ab-
gesehen. Der schriftlichen Regelung in § 4 des Vertrages komme die Vermu-
tung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu. Der Kläger hätte daher eine hiervon
abweichende mündliche Abrede schlüssig darlegen müssen, zumal in § 6 des
Vertrages geregelt sei, dass "außer den in diesem Vertrag schriftlich festgeleg-
ten Vereinbarungen keine weiteren Vereinbarungen getroffen […] worden" sei-
en. Der Vortrag des Klägers werde den hohen Anforderungen, die an die Wider-
legung der Vollständigkeitsvermutung zu stellen seien, nicht gerecht. Er hätte
dazu nachvollziehbar und schlüssig erläutern müssen, dass sich beide Parteien
auch über das schriftlich nicht Fixierte einig gewesen seien und aus welchen
Umständen sich die Unvollständigkeit der Urkunde erklären lasse, warum die
Parteien also von einer schriftlichen Fixierung der mündlichen Nebenabrede
abgesehen hätten. Dies habe der Kläger jedoch nicht vermocht, sondern sich
auf die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung beschränkt, alles sei münd-
lich zu seinen Gunsten anders und sehr viel detailreicher vereinbart worden.
Das genüge nicht, um dem schriftlichen Gehalt des Vertragstextes eine stark
abweichende Bedeutung zu geben. Davon abgesehen sei auch sonst nach den
Gesamtumständen davon auszugehen, dass die schriftlich formulierte Rege-
lung den endgültigen und wohlformulierten Willen der Parteien enthalte und es
keinen vernünftigen Anlass gegeben habe, mündliche Nebenabreden zu treffen.
Die von der Beklagten behauptete gesundheitliche Einschränkung des
Hengstes rechtfertige ebenfalls keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280
Abs. 1, 3, § 283 BGB. Selbst wenn die geschuldete Bedeckung der Stuten des
Klägers durch den verkauften Hengst im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB krank-
heitsbedingt unmöglich sein sollte, sei dem Vortrag der Parteien nicht zu ent-
nehmen, dass das Leistungshindernis willentlich oder fahrlässig herbeigeführt
worden sei. Vielmehr sei die Erkrankung, deren Ursprung ungeklärt sei, als all-
gemeines Risiko bei Lebewesen für die Beklagte nicht vermeidbar oder im Ein-
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zelnen vorhersehbar gewesen. Insoweit gehe § 280 Abs. 1 BGB zwar von einer
Verschuldensvermutung aus, mache aber nicht die Darlegung entbehrlich, wa-
rum die Erkrankung auf einem Fehlverhalten der Beklagten beruhe.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungs-
gericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103
Abs. 1 GG) dadurch verletzt hat, dass es bei Auslegung von § 4 des Kaufver-
trages entscheidungserheblichen Vortrag zu dem dieser Regelung zugrunde
liegenden Willen der Vertragsparteien und dafür angetretenen Zeugenbeweis in
offenkundig rechtsfehlerhafter Weise nicht berücksichtigt hat.
a) Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorbringen des Klägers, die
Vertragsparteien seien sich bei der nachträglichen Einfügung der streitigen Re-
gelung in § 4 des dann zum Abschluss gelangten Kaufvertragsentwurfs über die
Verpflichtung der Beklagten einig gewesen, das Pferd für die beiden Deckperi-
oden
zum
Kläger
beziehungsweise
zum
Gestüt
des
Zeugen
F.
bringen, inhaltlich nicht näher beschäftigt, sondern diesen Kernvor-
trag gehörswidrig als unbeachtlich außer Betracht gelassen, weil er weder im
Vertragswortlaut noch in der im dispositiven Recht zum Ausdruck kommenden
Interessenlage eine Stütze finde. Diese Vorgehensweise verstößt gegen
Art. 103 Abs. 1 GG).
Es gehört zwar zu den anerkannten Grundsätzen für die - an sich dem
Tatrichter vorbehaltene - Auslegung einer Individualvereinbarung, dass der
Wortlaut der Vereinbarung den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 BGB
vorzunehmenden Auslegung bildet. Gleichzeitig gilt hierbei aber auch, dass ein
übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation
vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvoll-
kommenen Ausdruck gefunden hat (BGH, Beschlüsse vom 5. April 2005
- VIII ZR 160/04, NJW 2005, 1950 unter II 2 a; vom 20. September 2006
- VIII ZR 141/05, juris Rn. 7; vom 6. März 2007 - X ZR 58/06, juris Rn. 12; vom
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30. April 2014 - XII ZR 124/12, juris Rn.17; jeweils mwN). Schon wegen dieses
Vorrangs eines übereinstimmenden Parteiwillens hätte das Berufungsgericht
das dahingehende zentrale Vorbringen des Klägers und den hierzu angetrete-
nen Zeugenbeweis nicht als unbeachtlich übergehen dürfen, zumal es - wie
seine ergänzenden Überlegungen zu der sich vermeintlich aus dem dispositiven
Recht ergebenden Interessenlage zeigen - auch schon den Vertragswortlaut,
der das Wie und Wo des Zurverfügungstehens offenlässt, als für sich allein
noch nicht in der von ihm letztlich angenommenen Richtung zwingend erachtet
hat.
b) Das Vorgehen des Berufungsgerichts bei der Auslegung von § 4 des
Kaufvertrages wird auch nicht durch die von ihm insoweit für anwendbar erach-
tete Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde ge-
deckt. Denn das Berufungsgericht hat auch in dieser Hinsicht den Inhalt und die
Reichweite einer solchen Vermutung offenkundig verkannt und deshalb den
vom Kläger angetretenen Zeugenbeweis gehörswidrig als unbeachtlich ange-
sehen.
Zwar besteht für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden
die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Eine Partei, die sich auf au-
ßerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Ur-
kundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Parteien, sei es zum
Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus Sicht des Erklärungs-
empfängers - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (BGH, Urteil vom
5. Juli 2002 - V ZR 143/01, NJW 2002, 3164 unter II 1 a mwN). Soweit das Be-
rufungsgericht im vorliegenden Fall unter Heranziehung anderer obergerichtli-
cher Rechtsprechung (KG, MDR 2003, 79) meint, der Kläger hätte zur Erheb-
lichkeit seines Sachvortrags nicht nur das mit der Regelung in § 4 des Kaufver-
trages tatsächlich Gewollte darlegen, sondern zusätzlich noch nachvollziehbar
und schlüssig erläutern müssen, aus welchen Umständen sich die Unvollstän-
digkeit der Urkunde erklären lasse, warum die Parteien also von einer schriftli-
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chen Fixierung der mündlichen Nebenabrede abgesehen hätten, finden - wie
der Senat bereits in der Vergangenheit klargestellt hat (Senatsbeschluss vom
25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, NJW 2012, 382 Rn. 23; ebenso auch Se-
natsbeschluss vom 21. Oktober 2014 - VIII ZR 34/14, unter II 2 b bb [2] mwN,
zur Veröffentlichung vorgesehen) - derart weitgehende Darlegungsnotwendig-
keiten im Prozessrecht keine Stütze mehr und überspannen die an einen recht-
lich beachtlichen Sachvortrag zu stellenden Substantiierungsanforderungen in
einer nicht mit Art. 103 Abs. 1 GG in Einklang stehenden Weise.
Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs bereits dann
schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung
mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte
Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei un-
erheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist. Die Angabe näherer Ein-
zelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Be-
deutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des
tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Vo-
raussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind
diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnah-
me einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu
vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen. Dagegen ist die
Frage, ob ein Sachvortrag wahrscheinlich oder angesichts der Urkundenlage
eher unwahrscheinlich ist, für die Erheblichkeit und damit die Beweisbedürftig-
keit des Vorbringens ohne Belang (Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2010
- VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn. 11; vom 12. März 2013 - VIII ZR
179/12, juris Rn. 10 f.; jeweils mwN). Dementsprechend darf bei einem Partei-
vortrag zu Umständen, die in einer Vertragsurkunde keinen oder nur undeutli-
chen Niederschlag gefunden haben, nicht zusätzlich zur Darlegung einer Wil-
lensübereinstimmung bei Vertragsschluss noch eine Erklärung dafür gefordert
werden, weshalb die Parteien davon abgesehen haben, eine behauptete münd-
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liche (Neben-)Abrede in die Vertragsurkunde aufzunehmen (Senatsbeschlüsse
vom 25. Oktober 2011 - VIII ZR 125/11, aaO; vom 21. Oktober 2014 - VIII ZR
34/14, aaO).
3. Der angefochtene Beschluss beruht auf der dargestellten Verletzung
des rechtlichen Gehörs, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Beru-
fungsgericht bei Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers zum Verständ-
nis von § 4 des Kaufvertrages und bei Erhebung der dazu angebotenen Bewei-
se zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre. Der Beschluss ist
deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO).
Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Ge-
brauch.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Sollte dem Kläger der Beweis des von ihm behaupteten Vereinbarungs-
inhalts gelingen, stünde ihm aufgrund der ernsthaften und endgültigen Weige-
rung der Beklagten, ihre Verpflichtung in der geschuldeten Weise zu erfüllen,
dem Grunde nach der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß
§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu. Danach kann ein Gläubi-
ger, der einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung hat, verlangen,
wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner
den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Zur Berechnung des Nichterfüllungs-
schadens bedarf es eines Vergleichs zwischen der Vermögenslage, die einge-
treten wäre, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte, und der durch
die Nichterfüllung tatsächlich entstandenen Vermögenslage, also wie sich die
Vermögenslage des Klägers bei vertragsgemäßem Verhalten der Beklagten
entwickelt hätte und wie sie sich tatsächlich entwickelt hat (vgl. Senatsurteil
vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07, JZ 2010, 44 Rn. 20 mwN). Dies liefe
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hier mit Blick auf § 281 Abs. 4 BGB auf den (objektiven) Wert der dem Kläger
vertragswidrig vorenthaltenen Zurverfügungstellung des Hengstes hinaus.
Dieser Wert könnte allerdings dadurch gemindert sein, dass die Deckfä-
higkeit des Hengstes - wie von der Beklagten behauptet - aufgrund nachträglich
aufgetretener gesundheitlicher Einschränkungen beeinträchtigt war. In diesem
Fall wird das Berufungsgericht jedoch zu prüfen haben, ob die Beklagte dem
Kläger bei interessengerechter Auslegung der getroffenen Vereinbarungen den
Hengst, was nahe liegt, nur zeitweilig zum Mitgebrauch als Deckhengst zu
überlassen und auf diese Verwendung neben der im Vordergrund stehenden
Verwendung zu eigenen Zwecken lediglich in gewissem Maße Rücksicht zu
nehmen hatte, aber nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - eine er-
folgreiche Bedeckung der Stuten des Klägers durch den Hengst schuldete. Wei-
terhin wäre nach der vertraglichen Interessenlage zu erwägen, ob und inwieweit
die Beklagte für nachträgliche Verschlechterungen der bei Kaufvertragsschluss
als gegeben angenommenen Deckeigenschaften uneingeschränkt nach § 276
Abs. 1 BGB verantwortlich wäre oder ob nicht stattdessen eine Anwendbarkeit
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des in § 277 BGB beschriebenen Sorgfaltsmaßstabs jedenfalls insoweit ange-
zeigt wäre, als im Zeitpunkt der behaupteten Erkrankung nicht bereits eine Haf-
tungsverschärfung nach § 287 BGB eingetreten wäre.
Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider
Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 20.12.2012 - 10 O 12/12 -
OLG Celle, Entscheidung vom 20.09.2013 - 20 U 2/13 -