Urteil des BGH vom 29.04.2015

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Zustand der Mietsache, Mangel, Vermieter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 197/14
Verkündet am:
29. April 2015
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB § 133 (B), § 157 (D), § 242 (Ba), § 276 (A), § 535, § 536, § 906;
BImSchG § 22
a) Die bei einer Mietsache für eine konkludent getroffene Beschaffenheitsver-
einbarung erforderliche Einigung kommt nicht schon dadurch zustande, dass
dem Vermieter eine bestimmte Beschaffenheitsvorstellung des Mieters be-
kannt ist. Erforderlich ist vielmehr, dass der Vermieter darauf in irgendeiner
Form zustimmend reagiert (Bestätigung der Senatsrechtsprechung, vgl. Ur-
teile vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 10; vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 14).
b) Die in § 22 Abs. 1a BImSchG vorgesehene Privilegierung von Kinderlärm ist
auch bei einer Bewertung von Lärmeinwirkungen als Mangel einer gemiete-
ten Wohnung zu berücksichtigen.
c) Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrund-
stück ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsver-
einbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur
Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der
Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmög-
lichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.
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Insoweit hat der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit
des Mietgrundstücks teil (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile
vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 12; vom
23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM 2009, 659 Rn. 15, 17).
BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 197/14 - LG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. April 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Kläger und ihrer Streithelferin wird das Ur-
teil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 7 - vom 26. Juni
2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten sind auf Grund Mietvertrags vom 22. Februar 1993 Mieter
einer in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg gelegenen Erdgeschosswohnung
der Kläger nebst Terrasse. Unmittelbar an das Wohngrundstück grenzte damals
schon ein Schulgelände der Streithelferin an. Auf diesem Schulgelände errich-
tete die Streithelferin im Jahre 2010 in 20 m Entfernung zur Terrasse der Be-
klagten einen mit einem Metallzaun versehenen Bolzplatz, der nach einem dort
angebrachten Hinweisschild Kindern im Alter bis zu 12 Jahren jeweils von Mon-
tags bis Freitags bis 18 Uhr zur Benutzung offenstehen soll.
Ab Sommer 2010 beanstandeten die Beklagten gegenüber den Klägern
fortdauernde Lärmstörungen durch außerhalb der genannten Zeiten auf dem
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Bolzplatz spielende Jugendliche. Von der vereinbarten Gesamtmiete in Höhe
von 586 € behielten sie schließlich im Zeitraum von Oktober 2012 bis März
2013 durchschnittlich 117,20 € je Monat ein, was einer Mietminderung von
20 % entspricht.
Unter Verrechnung mit einem Betriebskostenguthaben der Beklagten aus
dem Jahr 2011 von 359,06 € begehren die Kläger, die die Mietminderung für
unberechtigt halten, von den Beklagten die Zahlung restlicher Miete in Höhe
von 344,14 € nebst Zinsen; ferner beantragen sie die Feststellung, dass die
Beklagten nicht berechtigt sind, wegen Lärms, der von dem angrenzenden
Schulgelände ausgeht, die Miete zu mindern. Das Amtsgericht hat nach Erhe-
bung von Zeugenbeweis eine Mietminderung um 20 % für gerechtfertigt gehal-
ten und die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger
hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Berufungsgericht zugelas-
senen Revisionen verfolgen die Kläger und ihre Streithelferin das Klagebegeh-
ren in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht (LG Hamburg, Urteil vom 26. Juni 2014
- 307 S 11/14, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen
ausgeführt:
Das Amtsgericht habe den geltend gemachten Anspruch auf Miete zu
Recht wegen Bestehens eines Minderungsrechts der Beklagten (§ 536 Abs. 1
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Satz 2 BGB) verneint und die Klage aus diesem Grunde abgewiesen. Denn die
Beklagten hätten den von dem Schulgelände ausgehenden Lärm entgegen der
Auffassung der Kläger und ihrer Streithelferin auch nicht mit Rücksicht auf § 22
Abs. 1a BImSchG und den von ihnen geltend gemachten Umstand hinnehmen
müssen, dass die Errichtung des Bolzplatzes bereits bei Mietvertragsabschluss
für die Beklagten vorhersehbar gewesen sei. Die Frage, ob ein "Umweltfehler"
einen mietrechtlichen Mangel darstelle, beurteile sich grundsätzlich nach der
bei Vertragsschluss konkludent getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung der
Mietvertragsparteien.
Hiervon ausgehend stelle die gegenüber dem Zustand bei Vertrags-
schluss in der Wohnung vernehmbare erhöhte Lärmbelastung, die seit der Ein-
richtung des Bolzplatzes eingetreten sei, jedenfalls einen zur Minderung be-
rechtigenden Mangel der Mietsache dar. Ohne Erfolg machten die Beklagten
insoweit allerdings auch Lärmstörungen während des Schulbetriebs geltend.
Denn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei die angrenzende Schule bereits
in Betrieb gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass auf dem
Schulgelände keine Veränderungen stattfinden würden und die Nutzung des
Schulhofgeländes in der bei Vertragsschluss bestehenden Weise unverändert
fortdauern würde.
Anders zu beurteilen sei jedoch der Umstand, dass die Streithelferin das
Schulgelände über den Schulbetrieb hinaus der Öffentlichkeit in der Weise zu-
gänglich gemacht habe, dass die dortigen Spielplätze nach Schulschluss noch
Kindern bis zu zwölf Jahren von Montags bis Freitags bis 18 Uhr sowie an Wo-
chenenden zur Verfügung gestellt worden seien. Nach dem Ergebnis des erho-
benen Zeugenbeweises stellten die vom Schulgelände ausgehenden Lärmstö-
rungen außerhalb des Schulbetriebs eine erhebliche Lärmbelästigung dar. Da-
nach stehe fest, dass auch an Wochenenden und nach 18 Uhr Spielbetrieb auf
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dem Schulgelände und namentlich auf dem Bolzplatz stattfinde, der etwa durch
Schüsse mit dem Ball gegen den Metallzaun erhebliche Lärmbelästigungen zur
Folge habe. Jedenfalls die über den Schulbetrieb hinausgehende weitergehen-
de Nutzung ab 18 Uhr und an Wochenenden sei bei Abschluss des Mietvertra-
ges von keiner Seite vorhersehbar gewesen. Insbesondere hätten die Parteien
nicht damit rechnen können, dass eine derartig widmungswidrige weitergehen-
de Nutzung an Wochenenden und ab 18 Uhr von der Streithelferin nicht unter-
bunden werde und nicht sichergestellt sei, dass über die der Öffentlichkeit ge-
widmeten Zeiten hinaus keine derartige Nutzung stattfinde.
Die Kläger und die Streithelferin könnten sich insoweit auch nicht mit Er-
folg auf § 22 Abs. 1a BImSchG berufen, selbst wenn diese Vorschrift den Zeit-
raum ab 18 Uhr und an Wochenenden erfassen sollte. Diese im Jahr 2011 in
Kraft getretene Norm könne, da andernfalls ein unzulässiger Eingriff in die
durch Art. 2 GG garantierte Vertragsfreiheit vorläge, nicht die bei Mietvertrags-
schluss im Jahr 1993 konkludent getroffene Beschaffenheitsvereinbarung der
Parteien verändern. Zwar entfalte diese Norm öffentlichen Rechts durchaus
Rechtswirkungen in zivilrechtlichen Beziehungen, die - wie etwa § 906 BGB -
nicht auf vertraglichen Vereinbarungen beruhten. Selbst wenn es dadurch den
Klägern verwehrt wäre, die Streithelferin nach § 906 BGB in Anspruch zu neh-
men, wirke sich dies nicht auf das Mietverhältnis der Parteien und die sich dar-
aus ergebenden mietrechtlichen Gewährleistungsansprüche aus. Denn die
Voraussetzungen und der Umfang dieser Gewährleistung seien nicht davon
abhängig, ob der Vermieter gegen einen Dritten, der den Mangel der Mietsache
verursacht habe, einen Ausgleichs- oder Schadensersatzanspruch erlangt habe
oder ihn verwirklichen könne. Dies liege vielmehr allein im Risikobereich des
Vermieters. Insoweit könne auch nicht angenommen werden, dass in der Folge
der Einführung des § 22 Abs. 1a BImSchG Mietverträge am gesellschaftlichen
Wandel teilnehmen würden und angepasst werden könnten. Die genannte Be-
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stimmung stelle vielmehr lediglich einen rechtlichen Umstand dar, der nicht un-
mittelbar und tatsächlich den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache selbst
berühre und in diesen auch nicht eingreife.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei für die streitgegenständli-
che Zeit zwar nur eine Minderungsquote von 10 % angemessen. Gleichwohl
wirke sich dies nicht entscheidungserheblich aus, da der sich danach ergeben-
de Zahlungsrest das von den Klägern selbst in Abzug gebrachte Guthaben aus
der Betriebskostenabrechnung für 2011 nicht übersteige. Ebenso wenig wirke
sich dies auf das Feststellungsbegehren aus. Insoweit sei darauf zu verweisen,
dass es sich hinsichtlich der Minderungsquote nicht um eine starre und feste
durchgängige Größe handle; sie sei vielmehr abhängig von der tatsächlichen
Nutzung und den konkreten vom Schulgelände ausgehenden Störungen, die
jahreszeitbedingt unterschiedlich ausfallen dürften.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Minderung der Miete nicht
bejaht werden.
A
Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Zwar hat das Berufungsgericht nach den die Urteilsformel insoweit ein-
schränkenden Gründen seiner Entscheidung die Revision ausdrücklich nur be-
schränkt auf die von ihm ersichtlich für grundsätzlich bedeutsam gehaltene
Rechtsfrage zugelassen, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf mietrechtliche
Beschaffenheitsvereinbarungen Rechtswirkungen entfalten kann, die vor In-
krafttreten dieser Norm getroffen worden sind (vgl. BGH, Urteil vom
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12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324 unter I). Diese Beschrän-
kung der Zulassung des Rechtsmittels ist indessen unzulässig. Denn die Zulas-
sung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Ge-
samtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein oder
auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte; unzu-
lässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen
oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGH, Urteile vom 19. April
2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 17. November 2009 - XI ZR
36/09, BGHZ 183, 169 Rn. 6; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, WM 2005,
996 unter II 1; jeweils mwN).
Letzteres ist hier der Fall. Denn die vom Berufungsgericht für klärungs-
bedürftig erachtete Frage betrifft lediglich eine von ihm für entscheidungserheb-
lich erachtete rechtliche Vorfrage des von den Beklagten beanspruchten Miet-
minderungsrechts und damit nur ein unselbständiges Element des zur Beurtei-
lung anstehenden Streitstoffs. Fehlt es danach an einer wirksamen Beschrän-
kung der Zulassung, ist allein die Beschränkung, nicht aber die Zulassung un-
wirksam; die Revision ist vielmehr unbeschränkt zugelassen (BGH, Urteile vom
19. April 2013 - V ZR 113/12, aaO Rn. 12; vom 17. November 2009
- XI ZR 36/09, aaO; vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 367/03, aaO; jeweils mwN).
B
Die danach ohne Einschränkung eröffnete Revision ist auch begründet.
Die vom Berufungsgericht als in erster Linie entscheidungserheblich be-
handelte Frage, ob § 22 Abs. 1a BImSchG auch auf eine vor seinem Inkrafttre-
ten bereits konkludent getroffene mietrechtliche Beschaffenheitsvereinbarung
Rechtswirkungen entfalten kann, geht an den tatsächlichen und rechtlichen Ge-
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gebenheiten des Falles vorbei. Abgesehen davon, dass die Feststellungen des
Berufungsgerichts nicht die von ihm angenommene Beschaffenheitsvereinba-
rung tragen, hat es verkannt, dass die Beklagten - wie sich aus den von ihm in
Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts und einer im dortigen
Rechtszug vorgenommenen Klarstellung der Beklagten ergibt - sich nicht gegen
einen von ihnen als sozialadäquat hinnehmbar angesehenen Lärm spielender
Kinder wenden, sondern gegen unzumutbare Lärmbelästigungen, welche ins-
besondere von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgrund der Benutzung
des Bolzplatzes außerhalb der durch die Beschilderung der Streithelferin zuge-
lassenen Zeiten ausgehen. Ob derartige Geräuschimmissionen einen zur Miet-
minderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung darstellen, kann deshalb
nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht an § 22 Abs. 1a BImSchG
gemessen werden. Solche Lärmbelästigungen beurteilen sich vielmehr anhand
anderer rechtlicher Maßstäbe, zu deren Einhaltung das Berufungsgericht
- folgerichtig - keine zureichenden Feststellungen getroffen hat.
1. Das Berufungsgericht ist unzutreffend vom Vorliegen einer konkludent
getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung zur (höchst-)zulässigen Lärmbelas-
tung des Mietgrundstücks und einem hiernach zur Minderung berechtigenden
Mangel ausgegangen.
a) Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes
gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen
Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt
oder (erheblich) mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit ent-
steht. Ein derartiger Mangel ist dann gegeben, wenn der tatsächliche Zustand
der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Der vertrag-
lich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffen-
heitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Ver-
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halten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffen-
heitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die
Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen,
denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings Parteiabreden zur Be-
schaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch
geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks
und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrs-
anschauung bestimmt (zum Ganzen: Senatsurteil vom 19. Dezember 2012
- VIII ZR 152/12, NJW 2013, 680 Rn. 8 mwN).
b) Mit Erfolg wenden sich die Revisionen gegen die vom Berufungsge-
richt nicht näher begründete Annahme, die Parteien hätten bei Abschluss des
Mietvertrages im Wege einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung fest-
gelegt, dass während der unbestimmten Dauer des Mietverhältnisses von dem
benachbarten Schulgelände keine höheren Lärmeinwirkungen ausgehen dürfen
als bei Vertragsbeginn.
Auch eine konkludente Vereinbarung setzt zwei übereinstimmende Wil-
lenserklärungen voraus. Für die Annahme einer solchen Willensübereinstim-
mung bezüglich eines sogenannten Umweltfehlers reicht es jedoch nicht aus,
dass der Mieter bei Vertragsschluss einen von außen auf die Mietsache ein-
wirkenden Umstand - hier die von einem "normalen" Schulbetrieb ausgehenden
Geräuschimmissionen - als für ihn hinnehmbar wahrnimmt und er sich unge-
achtet dieser von ihm als (noch) erträglich empfundenen Vorbelastung dafür
entscheidet, die Wohnung anzumieten. Zur konkludent geschlossenen Beschaf-
fenheitsvereinbarung wird dieser Umstand vielmehr nur, wenn der Vermieter
aus dem Verhalten des Mieters nach dem objektiv zu bestimmenden Empfän-
gerhorizont (§§ 133, 157 BGB) erkennen musste, dass der Mieter die Fortdauer
dieses bei Vertragsschluss bestehenden Umstands über die unbestimmte Dau-
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er des Mietverhältnisses hinweg als maßgebliches Kriterium für den vertrags-
gemäßen Gebrauch der Wohnung ansieht, und der Vermieter dem zustimmt.
Eine einseitig gebliebene Vorstellung des Mieters genügt für die Annahme einer
diesbezüglichen Willensübereinstimmung selbst dann nicht, wenn sie dem
Vermieter bekannt ist. Erforderlich ist jedenfalls, dass der Vermieter darauf in
irgendeiner Form zustimmend reagiert (Senatsurteile vom 19. Dezember 2012
- VIII ZR 152/12, aaO Rn. 10; vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, WuM
2009, 659 Rn. 14).
Soweit es um Lärmimmissionen geht, die von öffentlichen Straßen oder
- wie hier - von einem Nachbargrundstück auf die Mietsache einwirken, ist im
Übrigen der offensichtliche und beiden Parteien bekannte Umstand zu berück-
sichtigen, wonach der Vermieter regelmäßig keinen Einfluss darauf hat, dass
die zu Mietbeginn bestehenden Verhältnisse während der gesamten Dauer des
Mietvertrages unverändert fortbestehen. Der Mieter kann daher im Allgemeinen
nicht erwarten, dass der Vermieter die vertragliche Haftung für den Fortbestand
derartiger "Umweltbedingungen" übernehmen will. Die Annahme einer dahin-
gehenden konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung wird deshalb allenfalls in
besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen und jedenfalls konkrete An-
haltspunkte für die Übernahme einer so weit gehenden und vom Vermieter nicht
beherrschbaren Haftung voraussetzen.
Derartige Umstände sind entgegen der Auffassung der Revisionserwide-
rung vom Berufungsgericht indes weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Ins-
besondere lassen sich auch der Mietvertragsurkunde keine Umstände entneh-
men, die den sicheren Schluss auf die verbindliche Festlegung eines bestimm-
ten Immissionsstandards über die Dauer der Mietzeit hinweg zuließen (vgl. da-
zu BGH, Urteil vom 15. Oktober 2008 - XII ZR 1/07, NJW 2009, 664 Rn. 26).
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2. Soweit danach konkrete Parteiabreden zur Beschaffenheit der Miet-
sache fehlen, beantwortet sich die Frage, was im Einzelnen zu dem zum ver-
tragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Wohnung
gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Miet-
zeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und
den daraus in - gegebenenfalls ergänzender - Auslegung abzuleitenden Stan-
dards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung so-
wie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten
Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juni 2006
- XII ZR 34/04, NZM 2006, 626 Rn. 13; vom 16. Mai 2007 - VIII ZR 207/04,
WuM 2007, 381 Rn. 8; vom 23. September 2009 - VIII ZR 300/08, aaO Rn. 11;
vom 19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 8; jeweils mwN).
Aber auch nach den sich daraus ergebenden Maßstäben erweist sich
das Berufungsurteil, das den Klägern einseitig das Risiko einer lärmintensiven
Nutzungsänderung auf dem Nachbargrundstück zuweist, nicht als richtig. Es
kommt vielmehr darauf an, welche Regelung die Parteien bei sachgerechter
Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berück-
sichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn
ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung, also die
künftige Errichtung eines Bolzplatzes auf dem benachbarten Schulgelände und
dessen unbeschränkte Zugänglichkeit und Benutzung durch die Öffentlichkeit
über den "normalen" Schulbetrieb hinaus sowie die dadurch verursachte erhöh-
te Lärmbelastung, bewusst gewesen wäre (vgl. Senatsurteil vom 3. Dezember
2014 - VIII ZR 370/13, WM 2015, 306 Rn. 26 mwN). Das hätte entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts nicht notwendig zu einer unbedingten Ein-
standspflicht der Kläger für diese nachteilige Entwicklung und damit zu einem
Mangel der Mietsache geführt, der die Beklagten in dem streitgegenständlichen
Zeitraum ohne Weiteres zur Minderung der Miete berechtigt hätte.
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a) Soweit das Berufungsgericht die Frage, ob die von ihm festgestellte
erhöhte Lärmbelastung einen Mangel der Mietwohnung der Beklagten darstellt,
im Wesentlichen nur an dem von ihm für erörterungswürdig erachteten § 22
Abs. 1a BImSchG und einem danach zu tolerierenden Kinderlärm gemessen
hat, hat es nicht nur die hier heranzuziehenden Beurteilungsmaßstäbe unzuläs-
sig auf diesen Maßstab verengt. Es hat auch übersehen, dass nach den von
ihm in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts der als Mangel
bewertete Lärm möglicherweise gar nicht oder nur unwesentlich von Kindern,
sondern von Jugendlichen und (jungen) Erwachsenen ausgeht und auf einem
Bolzplatz entsteht, so dass ein Sachverhalt vorliegt, auf den § 22 Abs. 1a
BImSchG nach seinem Anwendungsbereich nicht zugeschnitten ist.
aa) Der durch Art. 1 des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes - Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen
und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms vom 20. Juli 2011
(BGBl. I S. 1474) in § 22 BImSchG eingefügte Absatz 1a bestimmt, dass Ge-
räuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und
ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder her-
vorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung sind, und
dass bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen Immissionsgrenz- und
-richtwerte nicht herangezogen werden dürfen. Für den Begriff der Kinder, de-
ren Lärm als Ausdruck eines besonderen Toleranzgebots der Gesellschaft
durch die Vorschrift privilegiert werden soll, hat der Gesetzgeber die Definition
in § 7 Abs. 1 SGB VIII heranziehen wollen, wonach Kind ist, wer noch nicht 14
Jahre alt ist, und Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (BT-
Drucks. 17/4836, S. 4, 6). Hinsichtlich der gegenständlich in die Privilegierung
einbezogenen Kinder- und Ballspielplätze hat der Gesetzgeber mit Blick auf den
Nutzerkreis zugleich klargestellt, dass davon zu unterscheiden sind Spiel- und
Bolzplätze sowie Skateranlagen und Streetballfelder für Jugendliche, die groß-
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räumiger angelegt seien und ein anderes Lärmprofil hätten als Kinderspielplätze
(BT-Drucks. 17/4836, S. 6). Dass die danach erforderlichen Privilegierungsvo-
raussetzungen des vom Berufungsgericht für einschlägig erachteten § 22
Abs. 1a BImSchG im vorliegenden Fall überhaupt gegeben sind, kann den ge-
troffenen Feststellungen indes nicht entnommen werden.
bb) Wenn - was die Feststellungen des Berufungsgerichts bislang nicht
tragen - von Kindern ausgehender Lärm eine wesentliche Ursache für die als
Mangel beanstandeten Geräuschimmissionen gewesen sein sollte, wäre entge-
gen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings § 22 Abs. 1a BImSchG
zur Bewertung der Lärmeinwirkungen als Mangel der gemieteten Wohnung mit
heranzuziehen. Denn diese Privilegierungsregelung ist nach dem Willen des
Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich
und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch
auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das Wohnungsei-
gentumsrecht, auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kin-
derlärm relevant ist (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; vgl. auch BGH, Urteil vom
13. Juli 2012 - V ZR 204/11, WuM 2012, 515 Rn. 11).
Diese Ausstrahlungswirkungen, die zugleich die Verkehrsanschauung zu
Art und Maß der als sozialadäquat hinzunehmenden Geräuschimmissionen
prägen, würden sich insbesondere dahin äußern, dass bei einer - hier mangels
abweichend vereinbarter Standards erforderlichen - Auslegung der beiderseiti-
gen mietvertraglichen Rechte und Pflichten Kinderlärm der in § 22 Abs. 1a
BImSchG beschriebenen Art jedenfalls bei Beachtung des Gebots zumutbarer
gegenseitiger Rücksichtnahme (vgl. dazu OVG Koblenz, NVwZ 2012, 1347,
1349) in der Regel als den Mietgebrauch nicht oder nur unerheblich beeinträch-
tigend einzustufen wäre. Dass das hierin zum Ausdruck kommende Toleranz-
gebot erst im Jahr 2011 und damit lange nach Abschluss des Mietvertrages
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seinen gesetzlichen Niederschlag in § 22 Abs. 1a BImSchG gefunden hat,
stünde - anders als das Berufungsgericht meint - seiner Berücksichtigungsfä-
higkeit nicht entgegen. Denn abgesehen davon, dass dieses Gebot ohnehin nur
die Konkretisierung einer bereits bei Mietvertragsschluss zumindest angelegten
Verkehrsanschauung enthält (vgl. BVerwG, NJW 1992, 1779, 1780), könnte
eine Weiterentwicklung der Verkehrsanschauungen jedenfalls im Hinblick auf
hinzunehmende Umwelteinwirkungen bei Fehlen konkreter vertraglicher Rege-
lungen zum "Soll-Zustand" auch zu gewissen Anpassungen des vertraglich ge-
schuldeten Standards einer Gebrauchsgewährung führen (vgl. BGH, Urteile
vom 7. Juni 2006 - XII ZR 34/04, aaO; vom 10. Mai 2006 - XII ZR 23/04, NZM
2006, 582 Rn. 10).
b) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als
richtig (§ 561 ZPO). Denn auf der Grundlage der vom Berufungsgericht gebillig-
ten Feststellungen des Amtsgerichts, wonach die vom Schulgelände ausge-
henden Lärmstörungen außerhalb des Schulbetriebs nach Schulschluss eine
erhebliche Lärmbelastung darstellten, weil namentlich an Wochenenden und
nach 18 Uhr ein Spielbetrieb auf dem Schulgelände und insbesondere auf dem
Bolzplatz stattfinde, der etwa durch Schüsse mit dem Ball gegen den Metall-
zaun erhebliche Lärmbelästigungen zur Folge habe, lässt sich auch dann, wenn
§ 22 Abs. 1a BImSchG als heranzuziehender Beurteilungsmaßstab ausschei-
den sollte, die Frage nicht abschließend beantworten, ob diese Geräusch-
immissionen einen zur Minderung der Miete berechtigenden Mangel der Woh-
nung der Beklagten darstellen.
aa) Allerdings sind die Maßstäbe, die bei Fehlen konkreter Parteiabreden
an eine Hinnahme von nachträglich entstehenden oder sich vergrößernden Ge-
räuschimmissionen auf die Mietsache durch Dritte und die damit zusammen-
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hängende Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 Satz 2
BGB) anzulegen sind, umstritten.
(1) In Teilen der Instanzrechtsprechung (BayObLG, NJW 1987, 1950,
1951; OLG München, NJW-RR 1994, 654 f.; LG Itzehoe, Urteil vom 11. Okto-
ber 2010 - 3 O 509/09, juris Rn. 24; LG Berlin, Urteil vom 13. März 2013
- 65 S 321/11, juris Rn. 20) sowie im mietrechtlichen Schrifttum (Staudinger/
Emmerich, BGB, Neubearb. 2014, § 536 Rn. 29a f. mwN; Erman/
Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 536 Rn. 18; Lehmann-Richter, NZM 2012, 849,
852; ähnlich auch Kraemer, WuM 2000, 515, 519) wird maßgeblich darauf ab-
gestellt, ob der Mieter bei Abschluss des Vertrages insbesondere aufgrund der
Lage des Mietgrundstücks und der das Grundstück umgebenden Nachbar-
schaft bereits konkrete Anhaltspunkte für einen Eintritt oder eine Zunahme be-
stimmter Geräuschimmissionen hatte, aus diesem Grunde mit dem Entstehen
einer später als Mangel gerügten Geräuschkulisse ohne Weiteres rechnen
musste und dies deshalb bei Bemessung der Miethöhe (ermäßigend) berück-
sichtigen konnte (nur eine positive Kenntnis des Mieters für maßgeblich hal-
tend: Blank, WuM 2012, 175, 178). Dabei wird zugleich ganz überwiegend an-
genommen, dass die im Nachbarschaftsrecht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB
bedeutsame Ortsüblichkeit keinen Maßstab für die mietrechtliche Gebrauchser-
haltungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB bilden könne
(BayObLG, aaO S. 1952; OLG München, aaO S. 654; LG Itzehoe, aaO;
Lehmann-Richter, aaO S. 850; Blank, aaO S. 176; Börstinghaus, NZM 2004,
48, 49; aA LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10, juris
Rn. 27).
(2) Demgegenüber wird von einem anderen Teil der Instanzrecht-
sprechung eine abweichende Auffassung dahin vertreten, dass bei Fehlen kon-
kreter Beschaffenheitsabreden nach der Verkehrsanschauung nicht schon jede
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nachteilige Veränderung des Wohnumfelds und der Geräuschsituation als
Mangel der Mietsache angesehen werden könne. Vielmehr müsse ein Mieter
grundsätzlich in Rechnung stellen, dass es im weiteren oder näheren Umfeld
seiner Wohnung zu Veränderungen kommen könne, die sich auf die Mietsache
nachteilig auswirken könnten. Es sei deshalb zu fragen, ob der Mieter bestimm-
te Eigenschaften seines Wohnumfeldes als unveränderlich habe voraussetzen
dürfen oder ob er mit bestimmten nachteiligen Änderungen etwa wegen beste-
hender Gemengelagen grundsätzlich habe rechnen müssen (KG, NZM 2003,
718; LG Berlin, Urteil vom 27. September 2011 - 63 S 641/10, aaO Rn. 25 f.;
LG Heidelberg, NJOZ 2010, 2557 f.; LG Hamburg, WuM 1998, 19).
bb) Der Senat hat zu dieser Frage noch nicht abschließend Stellung ge-
nommen. Er hat allerdings in einer Fallgestaltung, in der es darum ging, ob in
der durch die zeitweilige straßenbaubedingte Umleitung des Verkehrs verur-
sachten erhöhten Lärmbelastung ein zur Mietminderung berechtigender Mangel
zu sehen ist, ausgesprochen, dass bei einer vermieteten Wohnung, die sich in
einer bestimmten Innenstadtlage und damit in einer Lage befunden hat, bei der
jederzeit mit Straßenbauarbeiten größeren Umfangs und längerer Dauer zu
rechnen ist, die Mieter die mit den Arbeiten verbundene (erhöhte) Lärmbelas-
tung redlicherweise hinzunehmen haben. Eine solche vorübergehende erhöhte
Lärmbelastung stellt deshalb unabhängig von ihrer zeitlichen Dauer jedenfalls
dann, wenn sie sich innerhalb der in solchen Innenstadtlagen üblichen Grenzen
hält, keinen zur Minderung berechtigenden Mangel dar (Senatsurteil vom
19. Dezember 2012 - VIII ZR 152/12, aaO Rn. 12).
In einem weiteren Fall hat der Senat angenommen, dass die in einem
Lichthof von den Zu- und Abluftleitungen ausgehenden Geräuschimmissionen
auch bei ihrer nachträglichen Zunahme dann nicht zu einem Mangel der Miet-
sache führen, wenn bei Fehlen einer Abrede der Mietvertragsparteien zum Maß
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einer Immissionsbelastung der zum Lichthof hin gelegenen Räumlichkeiten die
hierfür maßgeblichen technischen Normen eingehalten sind. Denn ein Mieter
kann bei Fehlen gegenteiliger Abreden nicht ohne Weiteres erwarten, dass der
Vermieter Veränderungen, die durch die Nutzungsbedürfnisse anderer Mieter
erforderlich werden, unterlässt, wenn dadurch die Geräuschimmissionen zwar
steigen, die Belastung aber auch nach der Veränderung noch den technischen
Normen genügt, deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet ist. Weist das Ge-
bäude im Zeitpunkt der Begründung des Mietverhältnisses tatsächlich einen
Immissionsstandard auf, der besser ist als der, den der Mieter nach den maß-
geblichen technischen Normen vom Vermieter verlangen kann, kann er gleich-
wohl im Allgemeinen nicht davon ausgehen, dass der Vermieter ihm gegenüber
dafür einstehen will, dass dieser Zustand während der gesamten Dauer des
Mietverhältnisses erhalten bleibt (Senatsurteil vom 23. September 2009
- VIII ZR 300/08, aaO Rn. 15, 17).
cc) Der Senat führt diese Rechtsprechung nunmehr dahin fort, dass
nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grund-
sätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden
Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene
Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hin-
nehmen muss.
(1) Die nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Mietvertrag entstehen-
de Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache wäh-
rend der Mietzeit zu gewähren, gestaltet § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zum einen
dahin aus, dass der Vermieter die Mietsache dem Mieter in einem zum ver-
tragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen hat (Überlas-
sungspflicht). Zum anderen trifft den Vermieter danach auf Dauer die Verpflich-
tung, die Mietsache während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (Erhal-
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tungspflicht), was zugleich die Pflicht beinhaltet, eine nach Überlassung einge-
tretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen und den zum vertrags-
gemäßen Gebrauch geeigneten Zustand wiederherzustellen (BGH, Urteile vom
19. November 2014 - VIII ZR 191/13, NJW 2015, 699 Rn. 25 mwN, vom 3. April
2003 - IX ZR 163/02, NZM 2003, 472 unter II 2).
(2) Das dem Vermieter durch diese Regelungen auferlegte Besitzver-
schaffungsrisiko (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) hat jedoch nicht notwendig zur
Folge, dass die Überlassungspflicht und die Erhaltungspflicht in jeder Hinsicht
deckungsgleich sind. Während die Überlassungspflicht an einen gegenwärtigen
Zustand der Mietsache anknüpft, über den der Vermieter sich ohne Weiteres
vergewissern und dessen Beherrschung ihm deshalb auch ohne Weiteres zu-
gemutet werden kann, bedarf es zur Erhaltungspflicht und der Beherrschbarkeit
der dabei jedenfalls durch äußere Einflüsse auf die Mietsache einwirkenden
Risiken eines prognostischen Blicks in die Zukunft, deren Entwicklung nicht in
jeder Hinsicht überschaubar ist.
Dementsprechend bedarf es für den Umfang der Erhaltungspflicht einer
differenzierteren Betrachtung. Denn auch für die Beurteilung eines übernom-
menen Beschaffungsrisikos ist es anerkannt, dass dieses sich bei Fehlen ge-
genteiliger Anhaltspunkte nicht darauf erstreckt, schlechthin für jedes Unvermö-
gen zur Erfüllung der übernommenen Pflichten einstehen zu wollen, sondern
nur auf die Fähigkeit zur Überwindung der typischen Beschaffungshindernisse
bei Geschäften der fraglichen Art (BT-Drucks. 14/6040, S. 132; BeckOK-
BGB/Lorenz, Stand: 1. März 2011, § 276 Rn. 42; Erman/Westermann, aaO,
§ 276 Rn. 19 mwN). Die Übernahme eines Beschaffungsrisikos schließt des-
halb insbesondere die Berücksichtigung des unvorhergesehenen Eintritts höhe-
rer Gewalt oder ähnlicher Umstände nicht aus, welche nach Treu und Glauben
(§ 242 BGB) das Verlangen des Gläubigers nach uneingeschränkter Leistung
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als unbillig und ungerechtfertigt erscheinen lassen (RGZ 99, 1, 2; vgl. auch Se-
natsurteile vom 12. Juli 1972 - VIII ZR 200/71, WM 1972, 1251 unter III 1 b;
vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 259/92, WM 1994, 301 unter II 2 b). Es ist in
diesen Fällen vielmehr bereits durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, wie
weit eine im Vertrag übernommene Beschaffungspflicht nach diesen Maßstä-
ben reicht (MünchKommBGB/Grundmann, 6. Aufl., § 276 Rn. 179 mwN).
(3) Dieser Gesichtspunkt ist auch bei der hier vorzunehmenden - ergän-
zenden - Auslegung des Mietvertrages der Parteien zur Beantwortung der Fra-
ge zu berücksichtigen, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Ge-
brauch geeigneten Zustand der in Rede stehenden Mietwohnung gehört, den
die Kläger insbesondere nach deren Lage und deren beabsichtigter Nutzung
sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten
Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während
der Mietzeit in Bezug auf Geräuschimmissionen zu erhalten haben. Dabei ist
namentlich zu fragen, ob die Parteien, wenn sie bei Vertragsschluss die spätere
Entwicklung der Verhältnisse auf dem benachbarten Schulgrundstück in Be-
tracht gezogen hätten, diese als den geschuldeten Mietgebrauch nunmehr prä-
gend hingenommen hätten, oder ob die Parteien die Kläger als verpflichtet an-
gesehen hätten, den Mietgebrauch jedenfalls im Wesentlichen nach dem bei
Vertragsschluss bestehenden Immissionsstandard aufrechtzuerhalten.
Insoweit ergibt eine Auslegung des Mietvertrags der Parteien, die der
Senat selbst vornehmen kann, da das Berufungsgericht sie unterlassen hat und
weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 4. Mai 2005
- VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004 unter II 4), dass Letzteres zu verneinen ist.
(a) Hätten die Parteien bei Vertragsschluss die eingetretene Entwicklung
mit den daraus resultierenden erhöhten Geräuschimmissionen bedacht, hätte
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sich ihnen die Frage aufdrängen müssen, ob und mit welchem Ergebnis die
Kläger überhaupt in der Lage sein würden, dem erhöhten Immissionsanfall zu
begegnen. Zwar trifft einen Vermieter - und zwar unabhängig von etwaigen ei-
genen Abwehrmöglichkeiten des Mieters - im Rahmen seiner Verpflichtung zur
Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch
die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu
diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tat-
sächlich Möglichen vorzugehen (vgl. Senatsurteile vom 23. Februar 1966
- VIII ZR 63/64, WM 1966, 763 unter II 1; vom 10. Dezember 1986 - VIII ZR
349/85, BGHZ 99, 182, 191). Hierbei wären aber zugleich die Gegebenheiten
des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die in § 906 BGB kon-
kretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und Aus-
gleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen, die auch bei Immissionen einer
- wie hier - hoheitlich betriebenen Anlage den Maßstab bilden (vgl. nur OVG
Berlin-Brandenburg, BImSchG-Rspr. § 22 Nr. 187; VGH Mannheim, BImSchG-
Rspr. § 22 Nr. 216; jeweils mwN).
Dass die Parteien vor diesem Hintergrund davon ausgegangen wären,
die Kläger hätten den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard ungeach-
tet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewähr-
leisten sollen, kann redlicherweise nicht angenommen werden. Denn damit hät-
ten die Beklagten ihnen eine Erhaltungspflicht abverlangt, deren Erfüllung ge-
mäß § 275 Abs. 1, 2 BGB tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich
gewesen wäre. Dass sich die Kläger hierauf eingelassen hätten oder billiger-
weise hätten einlassen müssen, liegt fern. Vielmehr hätten sich die Parteien
nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf verständigt, die Störung durch Ge-
räuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen,
wenn die Kläger selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jeden-
falls nicht entschädigungslos dulden müssten. Im Falle einer Duldungspflicht
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gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin gegangen, dass sich ein
dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in ei-
ner adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen.
(b) Entgegen einer verbreitet vertretenen Auffassung (BayObLG, aaO
S. 1951 f.; OLG München, aaO; LG Itzehoe, aaO; Lehmann-Richter, aaO;
Blank, aaO; Börstinghaus, aaO), die allerdings die vorstehend dargestellte Risi-
koverteilung außer Acht lässt, spricht gegen das dargestellte Auslegungsergeb-
nis auch nicht, dass § 906 BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien unterei-
nander keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR
180/03, BGHZ 157, 188, 192 f.). Denn das schließt eine Beachtung der nach-
barrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung
der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht aus. Vielmehr
nimmt der einem Mieter zukommende Mietgebrauch bei Fehlen entgegenste-
hender Abreden an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks
und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich
der damit verbundenen Veränderungsrisiken jedenfalls in einem Umfang teil,
den der an § 906 BGB gebundene Vermieter angesichts des ihm danach billi-
gerweise zuzumutenden Gebrauchsüberlassungsrisikos nicht beeinflussen
kann.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif
ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Berufungsgericht wird dabei insbesondere zu prüfen haben, ob es
sich bei dem Bolzplatz nach seiner Größe und Gestaltung überhaupt um einen
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Kinder- oder Ballspielplatz im Sinne des § 22 Abs. 1a BImSchG handelt, ob und
in welchem Ausmaß die von ihm ausgehenden Geräuschimmissionen von Kin-
dern oder von anderen Personen verursacht werden und nach welchen (Lärm-
schutz-)Standards sich danach eine Wesentlichkeit der behaupteten Immissio-
nen im Einzelnen bestimmt. Ferner wird es - gegebenenfalls nach ergänzen-
dem Sachvortrag der Parteien - zu prüfen haben, ob die Kläger nach den im-
missionsschutz- und bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten oder etwaigen
sonstigen Emissionsumständen die Geräuschimmissionen zu dulden haben
und ob ihnen bejahendenfalls zumindest ein Ausgleichsanspruch - etwa gegen
die Streithelferin - zusteht. Denn danach beurteilt sich, ob ein Mangel vorliegt,
der zur Minderung berechtigt.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 16.12.2013 - 644 C 148/13 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.06.2014 - 307 S 11/14 -