Urteil des BGH vom 06.05.2015

Leitsatzentscheidung zu Vermieter, Anteil, Allgemeine Vertragsbedingungen, Abrechnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 193/14
Verkündet am:
6. Mai 2015
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HeizkostenV § 7 Abs. 1 Satz 3
§ 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV, wonach der Wärmeverbrauch der Nutzer in Ge-
bäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwie-
gend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmever-
brauchs nicht erfasst wird, nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt
werden kann, verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot der dyna-
mischen Verweisung auf Regelwerke nicht demokratisch legitimierter Normge-
ber.
BGH, Urteil vom 6. Mai 2015 - VIII ZR 193/14 - LG Neubrandenburg
AG Neubrandenburg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren ge-
mäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 22. April 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter
Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Neubrandenburg - 1. Zivilkammer - vom 25. Juni 2014 in der Fas-
sung des Berichtigungsbeschlusses vom 8. August 2014 wird zu-
rückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist seit 1987 Mieter einer Wohnung der Klägerin. Das Ge-
bäude ist mit einer Einrohrheizung ausgestattet, bei der die Versorgungsleitun-
gen in den Wohnungen ungedämmt sind. Für die Abrechnung der Kosten von
Heizung und Warmwasser vereinbarten die Parteien einen Umlegungsmaßstab
von 50 % nach Fläche und 50 % nach Verbrauch.
Mit der Betriebskostenabrechnung vom 10. August 2010 für das Kalen-
derjahr 2009 verlan
gte die Klägerin eine Nachzahlung von 541,33 €, die sich
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aus einer Nachforderung von 582,49 € für die Kosten der Heizung und Warm-
wasserbereitung abzüglich eines Guthabens von 41,16 € bei den übrigen Be-
triebskosten ergab. Die Heizkosten hatte die Klägerin erstmals anhand der VDI-
Richtlinie 2077, deren technische Anwendungsvoraussetzungen hier unstreitig
gegeben sind, berechnet. Der Beklagte wandte sich mit Schreiben vom 15. April
2011 gegen die Abrechnung anhand der VDI-Richtlinie 2077.
Die auf Zahlung vo
n 541,33 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den
Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revi-
sion verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeu-
tung, zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf die geltend
gemachte Betriebskostennachforderung für das Jahr 2009.
Die Betriebskostenabrechnung sei formell ordnungsgemäß. Sie gebe an,
dass die Kosten der Heizwärme zu 50 % als Grundkosten und zu 50 % nach
Verbrauch verteilt worden seien. Angegeben sei auch, dass die Bedingungen
für eine Abrechnung der Rohrwärme nach der VDI-Richtlinie 2077 vorlägen.
Davon sei zwar der Verbrauchswärmeanteil konkret bezeichnet worden, nicht
aber die Standardabweichung und der Anteil der Niedrigverbraucher. Der im
Schrifttum vertretenen Auffassung, wonach außer dem Verbrauchswärmeanteil
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auch der Anteil der Niedrigverbraucher sowie die Standardabweichung der Ver-
brauchsfaktoren mitzuteilen seien (Wall in Eisenschmid/Wall, Betriebskosten-
Kommentar, 3. Aufl., Rn. 3024b), sei jedoch nicht zu folgen. Nach der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs sei zwar der Verteilerschlüssel anzugeben
und zu erläutern, jedoch keine Begründung zu geben, warum ein bestimmter
Schlüssel bzw. eine bestimmte Abrechnungsart herangezogen worden sei.
Allerdings bestünden erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit
des § 7 Abs. 1 Satz 3, 4 HeizkostenV. Mit dieser Regelung habe der Verord-
nungsgeber in Rohrwärmefällen zwar zu einem gerechten Abrechnungsergeb-
nis nach den Vorgaben des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) kommen wol-
len. Im Schrifttum werde jedoch von Lammel (Heizkostenverordnung, 3. Aufl.,
§ 7 Rn. 46 ff.) zu Recht auf Bedenken aufmerksam gemacht. Da die VDI 2077
erst nach der Novellierung der Heizkostenverordnung "in Kraft getreten" sei,
könne ihr keine Rechtsnormqualität zugesprochen werden. Zwar sei in anderen
Bereichen - etwa dem Immissionsschutzrecht - anerkannt, dass der Normgeber
technische Regelwerke in Bezug nehmen könne. Allerdings sei in diesem Be-
reich aufgrund der Angabe der Fundstelle im Normtext selbst - wie etwa in § 7
Abs. 5 BImSchG - sichergestellt, dass ein bereits bestehendes Regelwerk in
Bezug genommen werde. Dies sei bei § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV indessen
nicht der Fall. Der Verordnungsgeber habe die VDI 2077 daher nicht in ihren
Einzelheiten in seinen rechtssetzenden Willen aufgenommen. Konsequenz
dessen sei, dass das Gericht nicht an die Vorgaben der VDI 2077 gebunden sei
und § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV keine Anwendung finden könne.
Die VDI 2077 könne in Rohrwärmefällen jedoch nach den allgemeinen
Regeln des Mietrechts angewendet werden. Die VDI 2077 erfülle die Anforde-
rungen der §§ 556, 556a, 315 BGB und führe zu einer gerechten Verteilung der
Heizkosten. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzung des Ener-
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gieeinsparungsgesetzes erscheine eine Energieeinsparung durch das in der
VDI 2077 niedergelegte Bilanzverfahren gegenüber einer Verteilung nach
Wohnfläche vorzugswürdig. Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausge-
führt, dass durch Anwendung der VDI 2077 bei einer Gesamtbetrachtung eines
Gebäudes ein Einspareffekt erzielt werden könne, weil die Mieter durch den
Verbrauchsanteil weiterhin "belohnt" würden, wenn sie die Heizkörper nur ein-
geschränkt nutzten. Insoweit stelle die Verteilung nach VDI 2077 einen ange-
messenen Ausgleich zwischen dem gesellschaftspolitischen Interesse des Ein-
sparens von Energie und der wünschenswerten Verteilungsgerechtigkeit her.
Dies gelte auch für Fälle mit einer Erfassungsrate im einstelligen Bereich.
Der Weiterbetrieb der Einrohrheizung verstoße nicht gegen das Wirt-
schaftlichkeitsgebot. Aus dem vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1
Halbs. 2 BGB zu beachtenden Grundsatz der Wirtschaftlichkeit lasse sich keine
Verpflichtung zur Modernisierung einer vorhandenen alten, die Wärmeversor-
gung der Wohnung jedoch sicherstellenden Heizungsanlage herleiten. Eine ver-
lustreich arbeitende Heizung stelle keinen zu Minderung oder Schadensersatz
berechtigenden Mangel der Mietsache dar.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand,
so dass die Revision zurückzuweisen ist. Der Klägerin steht der geltend ge-
machte Anspruch auf eine Betriebskostennachzahlung für das Jahr 2009 zu.
1. Die Betriebskostenabrechnung vom 10. August 2010 ist formell ord-
nungsgemäß.
a) Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats anzunehmen, wenn ei-
ne Betriebskostenabrechnung den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB
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entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausga-
ben enthält. Soweit - wie hier - keine besonderen Abreden getroffen sind, sind
in die Abrechnung bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten regelmäßig fol-
gende Mindestangaben aufzunehmen: die Zusammenstellung der Gesamtkos-
ten, die Angabe und Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel, die
Berechnung des Anteils des Mieters sowie der Abzug der geleisteten Voraus-
zahlungen. Die Angaben in der Betriebskostenabrechnung müssen es dem
Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu er-
kennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und
rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.; z.B. Senatsurteile vom 12. November
2014 - VIII ZR 112/14, NZM 2015, 129 Rn. 11; vom 22. Oktober 2014 - VIII ZR
97/14, NJW 2015, 51 Rn. 12 f.; vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 22/13,
WuM 2013, 734 Rn. 13; vom 15. Februar 2012 - VIII ZR 197/11, NJW 2012,
1502 Rn. 23 f.; jeweils mwN). Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungs-
gericht ausgegangen.
Es berührt die formelle Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nicht, dass
die Klägerin zwar auf die Anwendung der VDI-Richtlinie 2077, welche mathe-
matisch-technische Methoden zur Heizkostenermittlung und -verteilung be-
schreibt, hingewiesen hat, jedoch deren technische Anwendungsvoraussetzun-
gen nicht (vollständig) mitgeteilt hat. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht
angenommen, dass es der formellen Ordnungsgemäßheit nicht entgegensteht,
wenn der Vermieter den Anteil der Niedrigverbraucher sowie die Standardab-
weichung nicht wiedergibt (anders Wall in Eisenschmid/Wall, Betriebskosten-
Kommentar, 3. Aufl.,
Rn. 3024b). Der Vermieter muss nicht bereits auf dieser
Ebene darlegen und erläutern, auf welche Weise er die als Verbrauchswerte
der Wohnung anzusetzenden Werte im Einzelnen ermittelt hat. Es bedarf inso-
weit keiner weiteren Angaben, anhand derer der Mieter die materielle Richtig-
keit der für seine Wohnung angesetzten Werte im Einzelnen nachvollziehen
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kann, denn damit würde die Abrechnung überfrachtet (Senatsurteile vom
12. November 2014 - VIII ZR 112/14, aaO Rn. 18; vom 26. Oktober 2011
- VIII ZR 268/10, NJW 2012, 603 Rn. 13; vom 28. Mai 2008 - VIII ZR 261/07,
NJW 2008, 2260 Rn. 14; vom 20. Juli 2005 - VIII ZR 371/04, NJW 2005, 3135
unter II 2 c; jeweils mwN).
b) Ebenso wenig wie der Vermieter dem Mieter die Vorschriften der
Heizkostenverordnung mitteilen oder erläutern muss (Senatsurteil vom
26. Oktober 2011 - VIII ZR 268/10, aaO), muss der Vermieter ihm den Text der
VDI-Richtlinie 2077 aushändigen oder ihm deren Inhalt in anderer Weise zur
Kenntnis bringen. Entgegen der Ansicht der Revision ist die VDI-Richtlinie 2077
mit der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) Teil B, die all-
gemeine Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen enthält
und gegenüber einem weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich
bewanderten Vertragspartner nicht durch bloßen Hinweis auf ihre Geltung in
den Vertrag einbezogen werden kann (BGH, Urteile vom 9. November 1989
- VII ZR 16/89, BGHZ 109, 192, 196 f.; vom 9. Oktober 2008 - VII ZR 80/07,
NJW 2009, 354 Rn. 14; jeweils mwN), schon deshalb nicht vergleichbar, weil
die VDI-Richtlinie 2077 - anders als die VOB/B - nicht kraft Parteivereinbarung
Geltung erlangt. Ihre Maßstäbe finden vielmehr gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Heiz-
kostenV als anerkannte Regeln der Technik Anwendung (siehe dazu sogleich).
2. Die Klägerin ist berechtigt, den Wärmeverbrauch nach Maßgabe der
VDI-Richtlinie 2077 zu bestimmen. Dies folgt entgegen der Ansicht des Beru-
fungsgerichts aus § 7 Abs. 1 Satz 3, 4 HeizkostenV.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV kann der Wärmeverbrauch der
Nutzer in Gebäuden, in denen - wie hier - die freiliegenden Leitungen der Wär-
meverteilung überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher
Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, nach anerkannten Regeln der
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Technik bestimmt werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 HeizkostenV wird der so be-
stimmte Verbrauch der einzelnen Nutzer als erfasster Wärmeverbrauch nach
Satz 1 der Vorschrift berücksichtigt.
Die aufgrund der Verordnung zur Änderung der Verordnung über Heiz-
kostenabrechnung vom 2. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2375) am 1. Januar 2009
in Kraft getretene Regelung beruht darauf, dass von ungedämmten Rohrleitun-
gen abgegebene Wärmemengen durch das Verbrauchsverhalten der Nutzer
nicht beeinflusst werden können und nicht oder nur unzureichend von Ablese-
geräten erfasst werden. Ein Teil der Mieter, nämlich diejenigen, die ihren Wär-
mebedarf vor allem über Heizkörper abdecken oder - etwa aufgrund einer un-
günstigen Lage ihrer Wohnung - abdecken müssen, muss daher nahezu den
gesamten Wärmeverbrauch begleichen, weil die Heizkostenverteiler die Rohr-
wärme nicht erfassen (vgl. Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht,
7. Aufl., Rn. K 174 ff.). § 7 Abs. 1 Satz 3, 4 HeizkostenV eröffnet für diese Fälle
die Möglichkeit, unbillige Kostenverschiebungen nach anerkannten Regeln der
Technik auszugleichen oder jedenfalls zu reduzieren (Begründung der Bundes-
regierung zur Änderung der Heizkostenverordnung vom 8. August 2008, BR-
Drucks. 570/08, S. 14).
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV
sind im Streitfall gegeben. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind
die Versorgungsleitungen in den Wohnungen des Hauses der Klägerin unge-
dämmt. Ein "wesentlicher" Anteil des Wärmeverbrauchs wird durch die an den
Heizkörpern angebrachten Messgeräte nicht erfasst. Der Begriff des "wesentli-
chen Anteils" wird dahingehend konkretisiert, dass durch freiliegende und un-
gedämmte Leitungen zumindest 20 % des Wärmeverbrauchs nicht durch Able-
sung verursachergerecht erfasst werden kann (Beschluss des Bundesrates
vom 19. September 2008, BR-Drucks. 570/08 [B], Anlage S. 2). Unstreitig liegt
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der Anteil der erfassten Verbrauchswärme hier bei lediglich 6 %; das bedeutet,
dass über elektronische Heizkostenverteiler nur 6 % der Verbrauchswärme er-
fasst werden.
b) Als Rechtsfolge ermöglicht es § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV dem
Vermieter, den Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der
Technik zu bestimmen. Nach allgemeiner Ansicht enthält das Beiblatt "Verfah-
ren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe" der VDI-Richtlinie 2077 aner-
kannte Regeln der Technik im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV (LG
Dresden, WuM 2013, 671, 673; LG Karlsruhe, Urteil vom 20. Februar 2014
- 9 S 248/13, juris Rn. 21; Langenberg, aaO Rn. K 176; Wall in Eisenschmid/
Wall, aaO Rn. 3022b; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 14. Aufl.,
Rn. 6111; Pfeifer in Kreuzberg/Wien, Handbuch der Heizkostenabrechnung,
8. Aufl., S. 62 f.; Mügge in Kreuzberg/Wien, aaO S. 254; Schmidt-Futterer/
Lammel, Mietrecht, 11. Aufl., § 7 HeizkostenV Rn. 12; Wasser, HKA 2010, 25
ff.). Bereits die amtliche Begründung weist auf das vorgenannte Beiblatt zur
Richtlinie VDI 2077 hin; dieses stelle unterschiedliche Verfahren - unter
anderem das hier gewählte Bilanzverfahren - zur Verfügung, wobei die Auswahl
des Verfahrens im Einzelfall unter Berücksichtigung der im Gebäude vorhande-
nen Erfassungsgeräte zu erfolgen hat, um zusätzliche Kosten zu vermeiden
(BR-Drucks. 570/08, S. 14).
Die technischen Kenngrößen der VDI-Richtlinie 2077 - der dort bestimm-
te Verbrauchswärmeanteil, der Anteil der Niedrigverbraucher im Gebäude so-
wie die Standardabweichung der Verbrauchsfaktoren - liegen nach den tatbe-
standlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Es kann daher dahinste-
hen, ob die Anwendbarkeit der VDI-Richtlinie 2077 nur vom Verbrauchswärme-
anteil oder zusätzlich von den beiden anderen Kriterien abhängt (vgl.
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LG Dresden, aaO; Peruzzo, Heizkostenabrechnung nach Verbrauch, 7. Aufl.,
Rn. 194b; jeweils mwN).
c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass § 7 Abs. 1 Satz 3 Heiz-
kostenV mit dem verfassungsrechtlichen Verbot der dynamischen Verweisung
auf Regelwerke nicht demokratisch legitimierter Normgeber nicht vereinbar sei,
geht fehl.
aa) Gemäß § 5 Abs. 3 EnEG "kann" wegen technischer Anforderungen
auf Bekanntmachungen sachverständiger Stellen unter Angabe der Fundstelle
verwiesen werden. Im Gesetzgebungsverfahren der 1980 in das Energieeinspa-
rungsgesetz eingefügten Vorschrift wurde es als notwendig erachtet, auf tech-
nische Normen verweisen zu können (Beschlussempfehlung und Ausschussbe-
richt, BT-Drucks. 8/3924, S. 7). Es handelt sich um eine gesetzliche Ermes-
sensvorschrift, die die Möglichkeit des Verordnungsgebers, die Bestimmung
des Wärmeverbrauchs - ohne Verweis auf eine bestimmte Fassung eines tech-
nischen Regelwerks - an anerkannte Regeln der Technik zu knüpfen, nicht aus-
schließt.
Der Verweis auf anerkannte Regeln der Technik begegnet unter dem
Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (entgegen Lammel,
Heizkostenverordnung, 4. Aufl., § 7 Rn. 47 ff.; siehe auch Schmidt-Futterer/
Lammel, aaO, § 7 HeizkostenV Rn. 13) keinen Bedenken. Das Bundesverfas-
sungsgericht hat eine solche Regelungstechnik gebilligt und auf deren Vorzug
hingewiesen, dass Schwierigkeiten der verbindlichen Konkretisierung und der
Anpassung an die wissenschaftliche und technische Entwicklung auf die Ebene
des Verordnungsadressaten und - soweit es zu Rechtsstreitigkeiten kommt -
auf die judikative Ebene verlagert werden (BVerfGE 49, 89, 135 f.). Daraus
folgt, dass es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstan-
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den ist, wenn anerkannte Regeln der Technik erst nach Inkrafttreten des § 7
Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV entstanden oder veröffentlicht worden sind.
Zwar müssen Verweisungsnormen hinreichend klar erkennen lassen,
welche Regelungen im Einzelnen gelten sollen (BVerfGE 47, 285, 311). Ebenso
ist eine dynamische Verweisung auf eine Bekanntmachung sachverständiger
Stellen verfassungsrechtlich bedenklich, weil Gesetz- und Verordnungsgeber
ihre Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stel-
len überlassen dürfen (BVerfGE 64, 208, 214 ff. mwN). Eine solche Fallgestal-
tung liegt hier ersichtlich nicht vor, denn durch den Maßstab anerkannter Re-
geln der Technik wird kein bestimmtes Regelwerk für verbindlich erklärt. Viel-
mehr wird in verfassungskonformer Weise eine Generalklausel verwendet, bei
der die Gerichte die herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern
zu ermitteln haben (vgl. BVerfGE 49, 89, 135 f.).
bb) Zu Recht und von der Revision unbeanstandet hat sich das Beru-
fungsgericht nicht der weiteren Auffassung von Lammel (Heizkostenverord-
nung, aaO, § 7 Rn. 52; siehe auch Schmidt-Futterer/Lammel, aaO, § 7 Heizkos-
tenV Rn. 13) angeschlossen, wonach § 7 Abs. 1 Satz 4 HeizkostenV mit § 3a
Satz 1 Nr. 2 EnEG nicht vereinbar sei. Danach wird die Bundesregierung er-
mächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorzu-
schreiben, dass die Betriebskosten so auf die Benutzer von heizungstechni-
schen gemeinschaftlichen Anlagen zu verteilen sind, dass dem "Energiever-
brauch" der Benutzer Rechnung getragen wird. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 4 Heiz-
kostenV bestimmt, dass der nach Satz 3 bestimmte Verbrauch als "erfasster
Wärmeverbrauch" nach Satz 1 zu berücksichtigen ist, handelt es sich ebenfalls
um "Energieverbrauch" im Sinne von § 3a Satz 1 Nr. 2 EnEG. Zwar kann die
Rohrwärmeabgabe durch das Verbrauchsverhalten der Nutzer nicht beeinflusst
werden (vgl. BR-Drucks. 570/08, S. 14). Dennoch wird auch durch Rohrwärme-
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abgabe Energie verbraucht. Eine Beschränkung des § 3a Satz 1 Nr. 2 EnEG
auf willentlich steuerbaren Verbrauch ist weder dem Wortlaut der Vorschrift
noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen (zutreffend: LG Berlin, WuM
2013, 227, 228). Der Gesetzgeber hat im Gegenteil berücksichtigt, dass bei den
Gegebenheiten des Heizungsbetriebs ein Teil der anfallenden Kosten unab-
hängig von der individuellen Nutzung entsteht (so der Gesetzentwurf der Bun-
desregierung zum Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Energieein-
sparungsgesetzes vom 12. November 1979, BT-Drucks. 8/3348, S. 5).
3. Entgegen der Ansicht der Revision entfällt der mit der Betriebskosten-
abrechnung für das Kalenderjahr 2009 geltend gemachte Zahlungsanspruch
nicht deshalb, weil die Klägerin die Bestimmung des Rohrwärmeverbrauchs
anhand der VDI-Richtlinie 2077 nicht vor Beginn des Abrechnungszeitraumes
angekündigt hat.
Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV ist eine Änderung der in Satz 1
genannten Abrechnungsmaßstäbe nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrech-
nungszeitraumes zulässig. Eine Änderung der Abrechnungsmaßstäbe hat das
Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Bestimmung des Wärmeverbrauchs
nach anerkannten Regeln der Technik gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3, 4 HeizkostenV
durch den Vermieter unterliegt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht
(Schmidt-Futterer/Lammel, aaO, § 6 HeizkostenV Rn. 51; Lützenkirchen/
Lützenkirchen, Mietrecht, 2013, § 7 HeizkostenV Rn. 38) nicht der Ankündi-
gungspflicht, denn sie betrifft nicht die Verteilung der Heizkosten anhand eines
bestimmten Abrechnungsmaßstabes, sondern die davon zu unterscheidende
Ermittlung des Verbrauchs (vgl. Schmid, aaO Rn. 6113).
Durch die Pflicht zur verbrauchsabhängigen Abrechnung soll zwar das
Nutzerverhalten bei der Raumheizung sowie beim Warmwasserverbrauch mit
dem Ziel der Energieeinsparung beeinflusst werden (Senatsurteil vom 19. Juli
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2006 - VIII ZR 212/05, NZM 2006, 652 Rn. 14, unter Hinweis auf die Entwurfs-
begründung, BR-Drucks. 632/80, S. 13, 15 f.). Dies bietet jedoch keine hinrei-
chende Grundlage für die Annahme, dass eine Wärmeerfassung nach der VDI-
Richtlinie 2077 vor dem Abrechnungszeitraum anzukündigen wäre, weil der
betreffende Mieter andernfalls sein Verbrauchsverhalten nicht ändern könne.
Denn § 6 Abs. 4 Satz 1, 2 HeizkostenV sieht das Ankündigungserfordernis zwar
etwa für eine Änderung des Verteilerschlüssels im Sinne von § 7 Absatz 1 Satz
1 HeizkostenV vor (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 2004 - VIII ZR 137/03,
NZM 2004, 254 unter II 2), nicht aber für die Verbrauchserfassung nach aner-
kannten Regeln der Technik bei Gebäuden mit erhöhter Rohrwärmeabgabe
gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3, 4 HeizkostenV. Mit der Verordnung zur Änderung der
Verordnung über Heizkostenabrechnung vom 2. Dezember 2008 (BGBl. I
S. 2375) hat der Verordnungsgeber § 6 Abs. 4 HeizkostenV ausdrücklich da-
hingehend eingeschränkt.
Dies wird auch dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Satz 3, 4
HeizkostenV gerecht. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dient
die Regelung dazu, unbillige Kostenverschiebungen unter den Nutzern auszu-
gleichen bzw. zu reduzieren (vgl. BR-Drucks. 570/08, S. 14). Das Vertrauen
eines Mieters auf den Fortbestand unbilliger Kostenverschiebungen, die einzel-
ne Mitmieter übervorteilen, andere hingegen ohne sachlichen Grund benachtei-
ligen, ist jedoch nicht schützenswert.
4. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht einen Verstoß gegen den
nach § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB vom Vermieter zu beachtenden Grund-
satz der Wirtschaftlichkeit verneint. Die Revision macht ohne Erfolg geltend,
dass der Beklagte sich in den Tatsacheninstanzen darauf berufen habe, zur
Vermeidung einer Schlafzimmertemperatur von bis zu 26° nachts die Fenster
weit öffnen zu müssen. Dies war vor Erfassung des Wärmeverbrauchs nach
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anerkannten Regeln der Technik nicht anders; jedoch mussten die Kosten die-
ses Energieverbrauchs letztlich von anderen Mietern getragen werden. Die Er-
fassung des Wärmeverbrauchs nach allgemeinen Regeln der Technik bietet
insoweit eine höhere Verteilungsgerechtigkeit.
Zwar vermag dies nichts an unvermeidbaren Rohrleitungsverlusten zu
ändern, die in einem Gebäude entstehen, welches mit einer Einrohrheizung
errichtet wurde. Eine Verpflichtung des Vermieters zur Modernisierung einer
vorhandenen alten, die Wärmeversorgung der Wohnung jedoch sicherstellen-
den Heizungsanlage lässt sich aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit aber
nicht herleiten (Senatsurteile vom 31. Oktober 2007 - VIII ZR 261/06, NJW
2008, 142 Rn. 18; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 170/09, NJW 2010, 2571 Rn. 8;
siehe auch BGH, Urteil vom 18. Dezember 2013 - XII ZR 80/12, NJW 2014, 685
Rn. 28). Die verbleibenden Möglichkeiten, Energieverluste in nennenswertem
Umfang zu verhindern, hat die Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststel-
lungen des sachverständig beratenen Berufungsgerichts im Übrigen ausge-
schöpft.
5. Das vom Beklagten geltend gemachte Kürzungsrecht des § 12
HeizkostenV steht ihm nicht zu. § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV verleiht dem
Nutzer - hier dem Mieter - das Recht zur Kürzung nur dann, wenn der Vermieter
entgegen einer ihm durch die Heizkostenverordnung auferlegten Verpflichtung
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nicht verbrauchsabhängig abgerechnet hat. Eine solche Fallgestaltung ist hier
nicht gegeben. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
RiBGH Dr. Schneider ist wegen
Kosziol
Urlaubs an der Unterschrift
verhindert.
Dr. Milger, 5. Mai 2015
Vorinstanzen:
AG Neubrandenburg, Entscheidung vom 05.06.2012 - 6 C 675/11 -
LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 25.06.2014 - 1 S 74/12 -