Urteil des BGH vom 29.06.2016

Leitsatzentscheidung zu Fahrzeug, Gebrauchtwagen, Datum, Brief

ECLI:DE:BGH:2016:290616UVIIIZR191.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 191/15
Verkündet am:
29. Juni 2016
Vorusso
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 133 A, 157 A; § 305 Abs. 1; § 305c Abs. 2
a) Die Frage, ob eine Erklärung als (rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beur-
teilt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (im
Anschluss an BGH, Urteile vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01, NJW 2002, 363 unter
II 3 b aa; vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14). Bei der Ab-
grenzung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung von einer unverbindlichen Erklärung ist
daher der für die inhaltliche Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltende
Grundsatz der objektiven Auslegung heranzuziehen (im Anschluss an Senatsurteile vom
4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 319 Rn. 11, 22; vom 9. April 2014 - VIII ZR
404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 24 f.).
b) Dabei kommt allerdings nicht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zur An-
wendung. Denn diese setzt voraus, dass es sich bei der in Frage stehenden Erklärung um
eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt (im Anschluss an Senatsurteil vom 4. Feb-
ruar 2009 - VIII ZR 32/08, aaO Rn. 22 mwN).
c) Ob es sich bei einer in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraft-
fahrzeugs vorgedruckten und durch eine individuelle Datumsangabe ergänzte Erklärung
"Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" um eine rechtsverbindliche Erklärung handelt oder
nicht, ist nach objektiven Maßstäben zu entscheiden. Denn für den Fall ihrer Rechtsver-
bindlichkeit käme allein eine Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung oder als ty-
pische, im Gebrauchtwagenhandel übliche Individualerklärung in Betracht. Auch im letzt-
genannten Fall gilt ein objektiver, von den Vorstellungen der konkreten Parteien und der
Einzelfallumstände losgelöster Auslegungsmaßstab (im Anschluss an BGH, Urteile vom
25. Oktober 1952 - I ZR 48/52, BGHZ 7, 365, 368; vom 29. Oktober 1956 - II ZR 64/56,
BGHZ 22, 109, 113).
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BGB § 434 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2
a) Die in einem "verbindlichen Bestellformular" über den Ankauf eines Kraftfahrzeugs vorge-
druckte und mit einer individuellen Datumsangabe versehene Erklärung "Datum der Erst-
zulassung lt. Fzg-Brief" stellt keine auf den Abschluss einer konkludenten Beschaffen-
heitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB über eine bestimmte Höchststandzeit
zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs oder eine bestimmte Modellrei-
henzugehörigkeit gerichtete Willenserklärung, sondern allein eine Wissenserklärung dar
(im Anschluss an Senatsurteile vom 4. Juni 1997 - VIII ZR 243/96, BGHZ 135, 393, 398;
vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13; Senatsbeschluss vom
2. November 2010 - VIII ZR 287/09, DAR 2011, 520 Rn. 4).
b) Anders als bei Neuwagen und "Jahreswagen", bei denen vor der Erstzulassung eine
Standzeit von höchstens zwölf Monaten hinzunehmen ist (vgl. Senatsurteile vom 15. Ok-
tober 2003 - VIII ZR 227/02, unter II 3; vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, NJW 2006,
2694 Rn. 7 ff.), lassen sich bei (sonstigen) Gebrauchtwagen keine allgemein gültigen
Aussagen dahin treffen, ab welcher Grenze eine Standzeit zwischen Herstellung und
Erstzulassung eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der Käufer
auch nicht erwarten musste (Fortentwicklung von Senatsurteil vom 10. März 2009
- VIII ZR 34/08, NJW 2009, 1588 Rn. 14).
ZPO § 513 Abs. 1
Dem Berufungsgericht ist gemäß § 513 Abs. 1, § 546 ZPO selbst bei - vom Revisionsgericht
nur beschränkt überprüfbaren - Individualerklärungen eine unbeschränkte Überprüfung der
vorinstanzlichen Vertragsauslegung dahin eröffnet, ob diese bei Würdigung aller dafür maß-
geblichen Umstände sachgerecht erscheint (im Anschluss an Senatsurteil vom 14. Juli 2004
- VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88 ff.).
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO tritt eine Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfest-
stellung der ersten Instanz nicht bereits dann ein, wenn diese keine Verfahrensfehler auf-
weist (im Anschluss an BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 314,
316 f.; vom 7. Februar 2008 - III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771 Rn. 13). Vielmehr sind auch
verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen für das Berufungsgericht nach § 529
Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit
oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zwei-
fel können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (im An-
schluss an Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, aaO S. 317; BVerfG, NJW 2003,
2524; NJW 2005, 1487).
BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 - VIII ZR 191/15 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter
Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter
Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Braunschweig vom 23. Juli 2015 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger kaufte am 27. Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahr-
zeughändlerin, einen Gebrauchtwagen (Audi ) mit einer Lauf-
leistung von 38.616 Kilometern
zum Preis von 33.430 € brutto. In dem "verbind-
lichen Bestellformular" ist in dem vorgedruckten Feld "Datum der Erstzulassung
lt. Fzg.-Brief" der 18. Februar 2010 eingetragen. Weiter sind dort die Angaben
enthalten, dass das Fahrzeug nicht reimportiert worden und laut Vorbesitzer als
Euromobilfahrzeug genutzt worden sei. Angaben zum Baujahr oder zur Modell-
reihe enthält das Bestellformular nicht.
Nach der am 29. Juni 2012 erfolgten Übergabe des Fahrzeugs stellte der
Kläger fest, dass dieses bereits am 1. Juli 2008 hergestellt worden war und
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damit zur "Modellreihe 2009" gehörte. Unter Berufung auf eine sich daraus er-
gebende und von ihm als Sachmangel bewertete Standzeit vor der Erstzulas-
sung von 19,5 Monaten erklärte er mit Anwaltsschreiben vom 23. Januar 2013
den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Seiner auf Rückzahlung
von 32.170,45 € (entrichteter Kaufpreis abzüg-
lich Nutzungsersatz), Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des
streitgegenständlichen Fahrzeugs, auf Zahlung von Zinsen und außergerichtli-
chen Anwaltskosten sowie auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklag-
ten gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und
die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises ge-
mäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 326 Abs. 5, § 346 Abs. 1, § 348 Satz 1 BGB
zu. Damit könne der Kläger auch weder die geltend gemachten Nebenforde-
rungen noch die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten verlangen.
Das Fahrzeug sei im Zeitpunkt des Gefahrübergangs trotz einer vor der Erstzu-
lassung liegenden Standzeit von 19,5 Monaten frei von Sachmängeln gewesen.
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Zwischen den Parteien sei weder eine ausdrückliche noch eine konklu-
dente Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB
über ein bestimmtes Alter des Fahrzeugs getroffen worden. Im Bestellformular
sei lediglich das Erstzulassungsdatum angegeben; auch bei den Kaufvertrags-
verhandlungen seien bezüglich des Alters des Gebrauchtwagens keine weite-
ren Abreden erfolgt. Aus den getroffenen Absprachen lasse sich auch keine
konkludente Beschaffenheitsvereinbarung ableiten. Zwar könne im Einzelfall in
der Aufnahme des Datums der Erstzulassung in den Kaufvertrag über einen
Gebrauchtwagen eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dahin liegen,
dass der Zeitpunkt der Herstellung davon nicht wesentlich, jedenfalls nicht meh-
rere Jahre, abweiche. Eine solche Vereinbarung sei aber dann nicht anzuneh-
men, wenn es sich bei den Angaben über die Erstzulassung lediglich um eine
bloße Wissenserklärung handele und es erkennbar an dem Willen des Verkäu-
fers fehle, für eine Beschaffenheit bindend einzustehen. Im Streitfall stehe ei-
nem Willen, für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums und für eine Beschaf-
fenheit bezüglich des Herstellungszeitpunkts einzustehen, der dem Datum der
Erstzulassung im Kaufvertrag hinzugefügte einschränkende Zusatz "laut Fahr-
zeugbrief" entgegen.
In einer Standzeit von 19,5 Monaten vor der erstmaligen Zulassung liege
auch keine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 434
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Zwar würden im Inland hergestellte Personenkraftwa-
gen, die nicht für den Export bestimmt seien, überwiegend innerhalb eines Zeit-
raums von 12 Monaten nach der Produktion (erstmals) zum öffentlichen Ver-
kehr zugelassen. Dementsprechend habe der Bundesgerichtshof den Verkauf
eines Fahrzeugs als "fabrikneu" oder als "Jahreswagen" als konkludente Be-
schaffenheitsvereinbarung dahin gewertet, dass die Standzeit zwischen Her-
stellung und Erstzulassung nicht mehr als zwölf Monate betragen habe. Der
Umstand, dass bei normalem Lauf der Dinge die Erstzulassung eines Perso-
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nenfahrzeugs innerhalb von zwölf Monaten nach Herstellung erfolge, rechtferti-
ge es aber für sich genommen nicht, bei einem Gebrauchtwagen eine längere
Standzeit als Abweichung von der üblichen, vom Käufer zu erwartenden Be-
schaffenheit zu werten, denn er sei für die Käufererwartung nicht allein prä-
gend. Ob im Einzelfall eine längere Standzeit einen Sachmangel begründe,
hänge letztlich von einer wertenden Betrachtung der Einzelfallumstände ab.
Vorliegend habe es sich bei dem veräußerten Personenkraftwagen an-
gesichts des zwischen der Erstzulassung und dem Kaufvertragsabschluss lie-
genden Zeitraums von zwei Jahren und vier Monaten nicht mehr um ein "jun-
ges" Gebrauchtfahrzeug gehandelt. Die Laufleistung von 38.616 Kilometern, die
das Fahrzeug beim Ankauf aufgewiesen habe, habe eine nicht unerhebliche
Abnutzung indiziert, die gegenüber einer etwaigen Standzeit zunehmend an
Bedeutung gewonnen habe. Auch der Umstand, dass der Kraftwagen ausweis-
lich des Kaufvertrags zunächst "als Euromobilfahrzeug", also beim Mietwagen-
unternehmen E. GmbH, im Einsatz gewesen sei, spre-
che dagegen, dass der Kläger eine bestimmte "Standzeitnichtüberschreitung"
und damit ein bestimmtes Höchstalter als üblich habe erwarten dürfen. Für
Mietwagenunternehmen sei weniger der seit der Herstellung verstrichene Zeit-
raum, sondern vorrangig das Datum der Erstzulassung von Bedeutung, an die
die Dauer einer Herstellergarantie anknüpfe, die wiederum für den Reparatur-
kostenunterhalt als Amortisationsfaktor von Bedeutung sei. Außerdem führe
eine Mietwagennutzung im Markt regelmäßig zu einer erheblichen Wertreduzie-
rung, so dass eine zwischen Herstellung und Erstzulassung nicht besonders
deutlich über ein Jahr hinausgehende Standzeit vergleichsweise wenig ins Ge-
wicht falle.
Entgegen der Auffassung des Klägers stelle es auch keinen Sachmangel
dar, dass das Fahrzeug nicht aus dem "Modelljahrgang 2010" stamme. Die Par-
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teien hätten hierüber weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Beschaf-
fenheitsvereinbarung getroffen. Der Angabe des Datums der Erstzulassung sei
nicht der Erklärungswert zu entnehmen, dass das Fahrzeug zu diesem Zeit-
punkt dem damals aktuellen Modell entsprochen habe. Auch ein Sachmangel
im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB liege nicht vor. Dem Käufer eines
Gebrauchtwagens komme es - anders als einem Neuwagenkäufer - regelmäßig
nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellreihe oder zu einem be-
stimmten Modelljahr an. Davon abgesehen habe der Kläger bei den - wie von
ihm geltend gemacht - erst ab Sommer 2009 erfolgten (optischen) Veränderun-
gen an dem Fahrzeugtyp auch bei einer von ihm akzeptierten Standzeit von bis
zu zwölf Monaten damit rechnen müssen, ein Fahrzeug zu erwerben, das noch
vor diesem Zeitpunkt hergestellt worden und daher die Veränderungen noch
nicht aufgewiesen habe.
Schließlich seien auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein arglis-
tiges Verschweigen der Beklagten über das Alter des Fahrzeugs ersichtlich. Die
Beklagte sei aufgrund der vorstehenden Erwägungen nicht gehalten gewesen,
ungefragt auf den zwischen Herstellung und Erstzulassung liegenden Zeitraum
und auf optische Abweichungen zu im Februar 2010 hergestellten Fahrzeugen
hinzuweisen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 437 Nr. 2,
§ 434 Abs. 1, § 323 Abs. 1, §§ 346, 348 BGB steht dem Kläger nicht zu. Damit
ist auch seinem Begehren auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten
und auf Erstattung der geltend gemachten Nebenforderungen die Grundlage
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entzogen. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der vom
Kläger gekaufte Gebrauchtwagen weder im Hinblick auf die Standzeit vor seiner
Erstzulassung noch auf seine Modellreihenzugehörigkeit mit einem Sachman-
gel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB behaftet ist.
Die geltend gemachten Ansprüche bestehen - anders als die Revision
meint - auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen an-
geblich arglistig unterbliebener Aufklärung über das wahre Alter des Fahrzeugs
oder über optische Abweichungen zu später hergestellten Fahrzeugen (§ 280
Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 BGB). Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei das
Bestehen einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Beklagten verneint.
1. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht frei
von Rechtsfehlern angenommen, dass die Parteien nicht eine Beschaffenheit
nach Maßgabe des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB dahin vereinbart haben, dass das
Baujahr des Fahrzeugs jedenfalls nicht mehr als zwölf Monate von dem ange-
gebenen Datum der Erstzulassung abweiche und vor der Erstzulassung auch
kein "Modellwechsel" stattgefunden habe.
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien
keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Höchst-
alter des Fahrzeugs oder seine Zugehörigkeit zu einer aktuell hergestellten Mo-
dellreihe getroffen (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl.,
Rn. 2621, 2623). Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revi-
sion auch hingenommen.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungs-
gericht bezüglich der genannten Eigenschaften auch das Zustandekommen
einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung verneint hat.
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aa) Eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung kann zwar unter Um-
ständen dadurch getroffen werden, dass in der im Vertrag enthaltenen Be-
schreibung des Kaufobjekts (gegebenenfalls in Verbindung mit mündlichen Er-
klärungen des Verkäufers) zugleich eine auf Bindung angelegte Aussage über
seinen Charakter und damit einem diesem Charakter entsprechende Beschaf-
fenheit enthalten ist (vgl. Senatsurteil vom 23. September 2009 - VIII ZR
300/08, NJW 2010, 1133 Rn. 14 mwN [zum Mietrecht]; vgl. ferner Senatsurteil
vom 4. Juni 1997 - VIII ZR 243/96, BGHZ 135, 393, 399 [zur Frage einer Zusi-
cherung nach § 459 Abs. 2 BGB aF]; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. November
2015 - V ZR 78/14, juris Rn. 15 ff. [zu den Besonderheiten bei einem notariell
beurkundeten Grundstückskaufvertrag]). Ob eine stillschweigend getroffene
Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, hängt letztlich von den konkreten Um-
ständen des jeweiligen Einzelfalls ab und ist eine Frage der in erster Linie dem
Tatrichter obliegenden Vertragsauslegung (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 1997
- VIII ZR 243/96, aaO S. 396 [zur Eigenschaftszusicherung nach § 459 Abs. 2
BGB aF]). Dabei kommt den Tatsacheninstanzen zunächst die Aufgabe zu, im
Rahmen der ihnen nach § 286 Abs. 1 ZPO obliegenden Würdigung des Pro-
zessstoffes die auslegungsrelevanten Tatsachen festzustellen. Sodann haben
sie auf der Grundlage der festgestellten Umstände im Wege der Auslegung zu
ermitteln, ob und mit welchem Inhalt ein Vertrag zustande gekommen ist.
bb) Die Revision will eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung hin-
sichtlich einer zwölf Monate nicht überschreitenden Höchststandzeit zwischen
Herstellung und Erstzulassung sowie einer Zugehörigkeit zur "Modellreihe
2010" allein aus dem im Bestellformular angegebenen Datum der Erstzulas-
sung ableiten. Demgegenüber hat das Berufungsgericht der im Bestellformular
vorgedruckten Erklärung "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief" und der hier-
bei eingesetzten Datumsangabe "18.02.2010" in Anbetracht des genannten
Zusatzes nicht den Gehalt einer (verbindlichen) Willenserklärung beigemessen,
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sondern sie lediglich als Wissenserklärung gewertet. Dies lässt Rechtsfehler
nicht erkennen.
(1) Dabei kann die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage offen blei-
ben, ob es sich bei der in Rede stehenden Erklärung um eine - vom Revisions-
gericht uneingeschränkt überprüfbare (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 17. April
2013 - VIII ZR 225/12, NJW 2013, 1805 Rn. 9; vom 9. April 2014 - VIII ZR
404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 25; vom 3. Dezember 2014 - VIII ZR 224/13,
NJW-RR 2015, 264 Rn. 16; jeweils mwN) - Allgemeine Geschäftsbedingung im
Sinne von § 305 Abs. 1 BGB handelt (zu der Problematik der rechtlichen Ein-
ordnung ergänzungsbedürftiger Formulare vgl. BGH, Urteile vom 2. März 1994
- XII ZR 175/92, WM 1994, 1136 unter 2; vom 7. Februar 1996 - IV ZR 379/94,
juris Rn. 13; vom 13. November 1997 - X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 unter II 2
b; Ulmer/Habersack in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl., § 305
BGB Rn. 56; jeweils mwN). Denn selbst wenn es sich um eine Individualerklä-
rung handeln sollte, wäre diese im Interesse einer einheitlichen Handhabung
und damit der Rechtssicherheit vom Revisionsgericht ausnahmsweise inhaltlich
uneingeschränkt zu überprüfen (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1993 - VIII ZR
113/92, BGHZ 122, 256, 260; vom 18. Januar 1995 - VIII ZR 23/94, BGHZ 128,
307, 309; vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 8; vom 12.
März 2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 12; jeweils mwN), weil es
hierbei um eine typische Angabe geht, die in dieser oder einer ähnlichen sinn-
entsprechenden Fassung im Gebrauchtwagenhandel üblicherweise und damit
auch über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wird (vgl. Rein-
king/Eggert, aaO Rn. 2631).
(2) Der danach in beiden Fällen gebotenen vollen inhaltlichen revisions-
rechtlichen Überprüfung hält die Auslegung des Berufungsgerichts stand.
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(a) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht sei unter Verstoß
gegen § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO von der "Feststellung" des Landgerichts abgewi-
chen, nach der vorliegend eine Beschaffenheit des Gebrauchtwagens dahin
vereinbart worden sei, dass dessen Baujahr jedenfalls nicht mehr als zwölf Mo-
nate von dem angegebenen Jahr der Erstzulassung abweiche und vor der Erst-
zulassung kein "Modellwechsel" stattgefunden habe. Hierbei verkennt die Revi-
sion in mehrfacher Hinsicht den Umfang der Prüfungskompetenz des Beru-
fungsgerichts.
(aa) Zum einen gilt die in § 513 Abs. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angeord-
nete Bindung des Berufungsgerichts an die von der Vorinstanz "festgestellten
Tatsachen" im Rahmen der Ermittlung des Inhalts von Vereinbarungen nur hin-
sichtlich der Feststellung des (tatsächlichen) Erklärungstatbestandes der bei-
derseitigen Erklärungen sowie der weiteren tatsächlichen Umstände, die für das
Verständnis der Vereinbarung von Bedeutung sind (vgl. Senatsurteil vom
14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, 88). Hiervon zu unterscheiden ist
die richterliche Vertragsauslegung, bei der es nicht um eine empirische Tatsa-
chenfeststellung, sondern darum geht, die festgestellten Tatsachen in ihrer
rechtlichen Bedeutung zu würdigen und dadurch den Inhalt des Vertrages
rechtlich näher zu bestimmen.
Diese verstehende Interpretation von Tatsachen wird von normativen
Vorgaben geleitet. Der Vorgang des juristischen Verstehens einer Vereinbarung
durch richterliche Vertragsauslegung fällt damit in den Bereich der Anwendung
materiellen Rechts, so dass dem Berufungsgericht gemäß § 513 Abs. 1, § 546
ZPO auch bei - vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbaren (st. Rspr.,
vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 Rn. 4; vom
15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 38; vom 3. Dezember
2014 - VIII ZR 224/13, NZM 2015, 79 Rn. 37 mwN; vom 10. Juni 2015 - VIII ZR
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99/14, NJW 2015, 2324 Rn. 13) - Individualerklärungen eine unbeschränkte
Überprüfung der vorinstanzlichen Vertragsauslegung dahin eröffnet ist, ob diese
bei Würdigung aller dafür im Einzelfall maßgeblichen Umstände sachgerecht
erscheint (Senatsurteil vom 14. Juli 2004 - VIII ZR 164/03, aaO, S. 88 ff.). Erst
recht gilt dies bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und
bei Individualerklärungen, die typischerweise im Geschäftsverkehr und damit
über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden. Denn zu der
in solchen Fällen vorzunehmenden vollständigen Überprüfung des gefundenen
Auslegungsergebnisses ist - wie bereits ausgeführt - selbst das auf eine reine
Rechtskontrolle beschränkte Revisionsgericht befugt und verpflichtet.
Vorliegend stehen die tatsächlichen Grundlagen des Vertragsschlusses,
insbesondere der Erklärungstatbestand "Datum der Erstzulassung lt. Fzg-Brief:
18.02.2010" nicht im Streit. Vielmehr geht es allein um die Frage, ob das Beru-
fungsgericht berechtigt war, dieser Erklärung einen anderen Gehalt beizumes-
sen als das erstinstanzliche Gericht. Das Berufungsgericht war damit nicht
durch die Beschränkungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an einer eigenständigen
Auslegung gehindert.
(bb) Zum anderen verkennt die Revision, dass nach § 529 Abs. 1
Nr. 1 ZPO eine Bindung des Berufungsgerichts an die Tatsachenfeststellung
der ersten Instanz nicht bereits dann eintritt, wenn diese keine Verfahrensfehler
aufweist (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 314,
316 f.; vom 7. Februar 2008 - III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771 Rn. 13). Viel-
mehr sind auch verfahrensfehlerfrei getroffene Tatsachenfeststellungen für das
Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, soweit konkrete
Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entschei-
dungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel können sich, an-
ders als die Revision offenbar meint, auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher
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Wertungen ergeben (Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, aaO
S. 317; BVerfG, NJW 2003, 2524; BVerfG, Beschluss vom 22. November 2004
- 1 BvR 1935/03, NJW 2005, 1487). Wie die Revisionserwiderung zu Recht gel-
tend macht, handelt es sich bei der Berufungsinstanz damit auch nach Inkraft-
treten des Zivilprozessreformgesetzes um eine zweite - wenn auch einge-
schränkte - Tatsacheninstanz, deren Aufgabe in der Gewinnung einer "fehler-
freien und überzeugenden" und damit "richtigen" Entscheidung des Einzelfalles
besteht (Senatsurteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03, aaO S. 316; BGH,
Beschluss vom 22. Dezember 2015 - VI ZR 67/15, NJW 2016, 713 Rn. 7; je-
weils mwN; Begründung des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Reform
des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 59 f.).
(b) Ohne Erfolg macht die Revision dem Berufungsgericht weiter zum
Vorwurf, die von diesem vorgenommene Auslegung sei inhaltlich fehlerhaft. Die
Revision verkennt, dass die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach es sich
bei der Angabe des Erstzulassungsdatums lediglich um eine unverbindliche
Wissenserklärung handelt, im Einklang mit den von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Abgrenzung von verbindlichen
Willenserklärungen und reinen Wissenserklärungen steht.
(aa) Die Frage, ob eine Erklärung oder ein bestimmtes Verhalten als
(rechtsverbindliche) Willenserklärung zu werten ist, beurteilt sich nach den für
die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben (vgl. BGH, Urteile
vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rn. 14; vom 7. No-
vember 2001 - VIII ZR 13/01, NJW 2002, 363 unter II 3 b aa; für die Abgren-
zung von AGB und unverbindlichen Erklärungen vgl. BGH, Urteile vom
4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 319 Rn. 11, 22; vom 9. April 2014
- VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 24, 25). Vorliegend kommt - wie bereits
ausgeführt - allein eine Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung oder
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als typische, über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus im Gebrauchtwa-
genhandel verwendete Individualerklärung in Betracht. In beiden Fällen richtet
sich die Unterscheidung zwischen einer rechtsverbindlichen Vertragsbedingung
(§ 305 Abs. 1 BGB) beziehungsweise einer rechtsverbindlichen (typischen) Wil-
lenserklärung von einer unverbindlichen Angabe nach objektiven Maßstäben.
Nach dem bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsatz
der objektiven Auslegung (vgl. BGH, Urteile vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 227/06,
NJW-RR 2007, 1697 Rn. 23; vom 6. November 2011 - XI ZR 401/10, NJW
2012, 1066 Rn. 23; vom 17. Februar 2016 - XII ZR 183/13, NJW-RR 2016, 572
Rn. 10) sind diese nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich
so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter
Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden
werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertrags-
partners des Verwenders zugrunde zu legen sind (vgl. BGH, Urteile vom 9. April
2014 - VIII ZR 404/12, aaO Rn. 57; vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 152/15, WuM
2016, 164 Rn. 17; vom 17. Februar 2016 - XII ZR 183/13, aaO; jeweils mwN).
Dieser Grundsatz und der danach anzulegende Auslegungsmaßstab gel-
ten auch für die Ermittlung des Inhalts von typischen im Geschäftsverkehr ver-
wendeten Individualklauseln. Auch diese sind losgelöst von den Vorstellungen
der konkreten Vertragsparteien und den Einzelfallumständen nach objektiven
Maßstäben einheitlich auszulegen (BGH, Urteile vom 25. Oktober 1952 - I ZR
48/52, BGHZ 7, 365, 368; vom 29. Oktober 1956 - II ZR 64/56, BGHZ 22, 109,
113; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 133 Rn. 26a; jeweils mwN).
(bb) Gemessen an den aufgezeigten Maßstäben ist das vom Berufungs-
gericht gefundene Auslegungsergebnis, wonach sich der Erklärungstatbestand
"Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief: 18.02.2010" in einer reinen Wissenser-
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klärung erschöpft und hierdurch keine konkludente Beschaffenheitsvereinba-
rung über eine bestimmte Höchststandzeit oder eine bestimmte Modellzugehö-
rigkeit des Gebrauchtwagens getroffen worden ist, nicht zu beanstanden.
(aaa) Die Revision meint, die Formulierung "Datum der Erstzulassung
lt. Fzg.-Brief" besage nicht, dass der Verkäufer nicht die Gewähr dafür über-
nehme, dass das Fahrzeug vor seiner Erstzulassung nicht eine überlange
Standzeit mit einem währenddessen erfolgten Modellwechsel aufgewiesen ha-
be. Daher sei dem Berufungsgericht ein Verstoß gegen Denkgesetze anzulas-
ten. Außerdem stehe nach der vom Berufungsgericht außer Acht gelassenen
Lebenserfahrung dem Verkäufer zur Bestimmung des Datums der Erstzulas-
sung in aller Regel allein der Fahrzeugbrief zur Verfügung, so dass der Zusatz
"laut Fahrzeugbrief" zunächst nur als Erinnerungs- oder Ausfüllhilfe [gemeint
offenbar: für eine Willenserklärung] diene.
(bbb) Bei dieser Sichtweise blendet die Revision aus, dass der Senat in
ständiger Rechtsprechung bei der gebotenen objektiven Auslegung einschrän-
kenden Zusätzen, wie "laut Fahrzeugbrief", "laut Vorbesitzer", "soweit ihm be-
kannt", keinen rechtsverbindlichen Erklärungsgehalt beimisst, sondern darin
allein eine Wissenserklärung sieht (Senatsurteile vom 4. Juni 1997 - VIII ZR
243/96, aaO S. 398; vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517,
Rn. 13; Senatsbeschluss vom 2. November 2010 - VIII ZR 287/09, DAR 2011,
520 Rn. 4). Wer sich im Rahmen von Kaufvertragsverhandlungen für eine Aus-
sage ausdrücklich auf eine bestimmte Quelle bezieht, bringt damit dem Wortlaut
nach hinreichend deutlich zum Ausdruck, woher er die Angabe entnommen hat
und dass es sich dabei nicht um eigenes Wissen handelt (vgl. Senatsurteile
vom 4. Juni 1997 - VIII ZR 243/96, aaO S. 398; vom 12. März 2008 - VIII ZR
253/05, aaO). Diesen schon nach ihrem Wortlaut auf eine Wissenserklärung
oder - besser - Wissensmitteilung (vgl. Senatsbeschluss vom 2. November
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2010 - VIII ZR 287/09, aaO) beschränkten Aussagegehalt negiert die Revision,
wenn sie einem solchen Zusatz die Aufgabe einer Ausfüll- oder Erinnerungshil-
fe (für eine Willenserklärung) zuweisen will.
Hierbei lässt sie zudem die beim Gebrauchtwagenhandel gegebene typi-
sche Interessenlage außer Acht. Bei technischen Daten, die der Händler in aller
Regel nicht selbst überprüfen kann, kann ein Käufer nicht erwarten, der Verkäu-
fer wolle in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für die Richtigkeit der
Angabe übernehmen (Senatsurteil vom 4. Juni 1997 - VIII ZR 243/96, aaO;
vgl. auch Senatsurteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, aaO). Um eine sol-
che technische Angabe handelt es sich bei dem Datum der Erstzulassung. Die-
ses kann der Gebrauchtwagenhändler typischerweise nur dem Fahrzeugbrief
oder den Angaben des Vorbesitzers entnehmen. Dementsprechend sehen die
üblichen Bestellformulare - so auch das im Streitfall verwendete - die alternativ
auszufüllenden Felder "Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief" und "lt. Vorbe-
sitzer" vor (vgl. Reinking/Eggert, aaO).
(ccc) In Anbetracht ihrer einschränkenden Formulierung und der typi-
schen Interessenlage im Gebrauchtwagenhandel hat der Senat bereits unter
der Geltung des früheren Kaufrechts die im Bestellformular enthaltene Angabe
der PS-Zahl mit dem Zusatz "lt. Fz.-Brief" im Gebrauchtwagenhandel nicht als
Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB
aF angesehen (Senatsurteil vom 4. Juni 1997 - VIII ZR 243/96, aaO). Nach der
Schuldrechtsmodernisierung hat er ausgesprochen, dass diese Erwägungen in
gleicher Weise auch für auf die durch das neue Kaufrecht eingeführte Beschaf-
fenheitsgarantie (§ 443 Abs. 1 Alt. 1, § 444 Alt. 2 BGB) und die Beschaffen-
heitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB gelten (Senatsurteil
vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, aaO Rn. 13). Weiter hat der Senat klarge-
stellt, dass aufgrund des durch die Schuldrechtsmodernisierung eingeführten
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Ausschlusses der Freizeichnung von der Mängelhaftung im Kaufvertrag (§ 437,
§ 475 Abs. 1 BGB) bei dem im Gebrauchtwagenhandel typischen Verbrauchs-
güterkauf (§ 474 Abs. 1 BGB) die Annahme der Vereinbarung einer Beschaf-
fenheit nicht mehr "im Zweifel", sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in
Betracht kommt (Senatsurteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05, aaO; Se-
natsbeschluss vom 2. November 2010 - VIII ZR 287/09, aaO).
Damit kann, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, aus der mit
der Einschränkung "lt. Fzg.-Brief" versehenen Angabe des Erstzulassungsda-
tums im Bestellformular nicht eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung
dahin abgeleitet werden, das Herstellungsdatum des Fahrzeugs liege höchs-
tens zwölf Monate vor diesem Zeitpunkt und das Fahrzeug gehöre dementspre-
chend zu einer bestimmten Modellreihe. Durch die Einschränkung "lt. Fzg.-
Brief" hat die Beklagte deutlich gemacht, dass sie nicht einmal für die Richtig-
keit des Erstzulassungsdatums einstehen will. Erst recht kann dieser Angabe
keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über das Baujahr oder ei-
ne Modellreihenzugehörigkeit des erworbenen Gebrauchtwagens entnommen
werden.
(ddd) An diesem Auslegungsergebnis änderte - unterstellt, es handelte
sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung - auch die von der Revision an-
geführte Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nichts. Diese Bestim-
mung ist bei der Auslegung, ob nach dem objektiven Empfängerhorizont eine
Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB vorliegt, nicht heranzuzie-
hen. Denn die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass es sich
bei der in Frage stehenden Erklärung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung
handelt, gibt aber zur Klärung der Frage, ob eine solche vorliegt, nichts her
(Senatsurteil vom 4. Februar 2009 - VIII ZR 32/08, aaO Rn. 22 mwN).
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(eee) Allerdings schließt der Zusatz "lt. Fzg-Brief" es - wie auch sonst -
nicht von vornherein aus, dass im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände,
etwa weiterer schriftlicher Angaben an anderer Stelle des Bestellformulars oder
mündlicher Erklärungen des Händlers/Verkäufers, eine bestimmte Beschaffen-
heit stillschweigend vereinbart wurde (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 1997
- VIII ZR 243/96, aaO, 399 [zur Zusicherung einer Eigenschaft nach § 459
Abs. 2 BGB aF]). Solche besonderen Umstände hat das Berufungsgericht indes
nicht festgestellt und führt auch die Revision nicht an. Ohnehin käme - wie be-
reits ausgeführt - nach der Senatsrechtsprechung eine entsprechende Beschaf-
fenheitsvereinbarung nur in eindeutigen Fällen in Betracht (vgl. auch Rein-
king/Eggert, aaO Rn. 2636).
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass das
verkaufte Fahrzeug weder im Hinblick auf die Standzeit vor seiner Erstzulas-
sung noch auf seine Modellreihenzugehörigkeit gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 BGB mit einem Mangel behaftet ist. Nach dieser Vorschrift ist eine
Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung
eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich
ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Diese Anforderungen
erfüllt der vom Kläger erworbene Gebrauchtwagen.
a) Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Perso-
nenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist,
die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit
aufheben oder beeinträchtigen (Senatsurteile vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR
330/06, NJW 2008, 53, Rn. 18 mwN; vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, NJW
2009, 1588 Rn. 12). Da technische Mängel des Fahrzeugs von der Klägerin
nicht behauptet werden und auch sonst nicht ersichtlich sind, ist diese Voraus-
setzung gegeben.
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b) Das Fahrzeug wies bei Gefahrübergang auch die Beschaffenheit auf,
die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache
erwarten kann.
aa) Die Frage, welche Beschaffenheit bei einem Gebrauchtwagen üblich
ist, hängt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig von den jeweiligen
Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter (beziehungsweise
der Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr) und der Laufleistung des Fahr-
zeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung (vgl. Senatsur-
teile vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06, aaO Rn. 19; vom 10. März 2009
- VIII ZR 34/08, aaO Rn. 13). Bei der Käufererwartung kommt es auf die objek-
tiv berechtigte Erwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhalts-
punkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sa-
chen orientiert. Nicht entscheidend ist, welche Beschaffenheit der Käufer tat-
sächlich erwartet und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit rea-
giert (Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351
Rn. 21 mwN; vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn. 14; vgl.
auch Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 12).
Hat er in der Kaufsituation höhere Erwartungen, muss er eine entsprechende
Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB individuell vereinbaren
(Senatsurteile vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07, aaO; vom 15. September
2010 - VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 20).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht zu Recht
davon ausgegangen, dass der vom Kläger rund zwei Jahre und vier Monate
nach seiner Erstzulassung erworbene Gebrauchtwagen trotz einer Standzeit
von 19,5 Monaten zwischen der Herstellung und der Erstzulassung bei Gefahr-
übergang die Beschaffenheit aufwies, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist
und die der Kläger erwarten konnte. Anders als die Revision meint, darf der
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Käufer eines Gebrauchtfahrzeuges nicht generell erwarten, dass das Produkti-
onsdatum höchstens zwölf Monate vor der Erstzulassung liegt und das Fahr-
zeug der zum Zeitpunkt der Erstzulassung aktuellen Modellreihe angehört. So-
weit der Senat bei Neuwagen (dazu nachstehend unter (1)) und "Jahreswagen"
(dazu nachfolgend unter (2)) im Rahmen einer zugesicherten Eigenschaft nach
§ 459 Abs. 2 BGB aF oder einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434
Abs. 1 Satz 1 BGB eine Höchststandzeit von zwölf Monaten zwischen Herstel-
lung und Erstzulassung angesetzt hat, beruht dies auf der an ein geringes Alter
anknüpfenden Kennzeichnung der genannten Fahrzeuge (Senatsurteile vom
15. Oktober 2003 - VIII ZR 227/02, NJW 2004, 160 unter II 2, 3; vom 7. Juni
2006 - VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694 Rn. 11; vom 15. September 2010
- VIII ZR 61/09, aaO). Bei (sonstigen) Gebrauchtwagen liegen solche besonde-
ren Umstände jedoch regelmäßig nicht vor.
(1) Der Senat hat unter der Geltung des alten Schuldrechts in ständiger
Rechtsprechung angenommen, dass im Verkauf eines Neuwagens durch einen
Kfz-Händler die Zusicherung (§ 459 Abs. 2 BGB aF) dahin liegt, dass das ver-
kaufte Fahrzeug die Eigenschaft "fabrikneu" aufweist (Senatsurteile vom
16. Juli 2003 - VIII ZR 243/02, NJW 2003, 2824 unter II 1; vom 15. Oktober
2003 - VIII ZR 227/02, aaO unter II 1; vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO;
jeweils mwN). Ein unbenutztes Kraftfahrzeug erfüllt diese Eigenschaft jedoch
nur dann, wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weiter-
gebaut wird, wenn es keine durch eine längere Standzeit bedingte Mängel auf-
weist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kauf-
vertrags nicht mehr als zwölf Monate liegen (Senatsurteil vom 15. Oktober 2003
- VIII ZR 227/02, aaO unter II 3). Maßgeblich für die vom Senat vorgenommene
Beschränkung der Standzeit eines Neuwagens vor dessen Verkauf ist die Er-
wägung, dass eine lange Standdauer für einen Neuwagenkäufer einen wert-
mindernden Faktor darstellt. Jedes Fahrzeug unterliegt einem Alterungspro-
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zess, der mit dem Verlassen des Herstellungsbetriebs einsetzt. Grundsätzlich
verschlechtert sich der Zustand des Fahrzeugs durch Zeitablauf aufgrund von
Materialermüdung, Oxidation und anderen physikalischen Veränderungen.
Selbst eine Aufbewahrung unter optimalen Bedingungen mag dies nur zu ver-
langsamen, nicht aber zu verhindern (Senatsurteil vom 15. Oktober 2003
- VIII ZR 227/02, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05,
aaO Rn. 11).
(2) Unter der Geltung des neuen Kaufrechts hat der Senat seine Recht-
sprechung zur Zusicherung der Fabrikneuheit eines Fahrzeugs (§ 459
Abs. 2 BGB aF), wonach die sich an die Herstellung anschließende Standzeit
eines solches Fahrzeuges höchstens zwölf Monate betragen darf, auf die Ver-
einbarung der Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) eines "Jahreswagens"
übertragen (Senatsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO Rn. 7 ff.). In
der Bezeichnung als "Jahreswagen" hat der Senat eine Beschaffenheitsverein-
barung dahin gesehen, dass es sich um ein Gebrauchtfahrzeug aus erster
Hand handelt, das von einem Werksangehörigen ein Jahr lang ab der Erstzu-
lassung gefahren worden ist (Senatsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05,
aaO Rn. 7 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, aaO
Rn. 10). Weiter hat er einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung regelmäßig
den Inhalt beigemessen, das verkaufte Fahrzeug habe bis zum Zeitpunkt seiner
Erstzulassung keine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufgewiesen (Se-
natsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO Rn. 10).
Hierbei hat er sich - ebenso wie beim Neuwagenkauf - davon leiten las-
sen, dass auch für den Käufer eines "Jahreswagens" die vor der Erstzulassung
liegende Standdauer des Fahrzeugs als wertbildender Faktor erkennbar von
Bedeutung ist. Aus der Sicht eines verständigen Käufers dient die an das Alter
des Fahrzeugs anknüpfende Kennzeichnung eines Gebrauchtfahrzeuges als
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"Jahreswagen" dem Zweck, das Fahrzeug einerseits von ("fabrikneuen") Neu-
fahrzeugen und andererseits von älteren Gebrauchtfahrzeugen abzugrenzen,
denen nach der Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschät-
zung zukommt. Der Käufer eines Jahreswagens handelt in der jedenfalls für
den gewerblich tätigen Verkäufer erkennbaren Erwartung, einen "jungen" Ge-
brauchtwagen aus erster Hand zu erwerben, der sich hinsichtlich seines Alters
von einem Neuwagen im Wesentlichen lediglich durch die einjährige Nutzung
im Straßenverkehr seit der Erstzulassung unterscheidet (Senatsurteil vom
7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO Rn. 11). Aus diesem Grunde hat der Senat
es nicht mit den schutzwürdigen Interessen des Käufers vereinbar gesehen, die
vertraglich geschuldete Beschaffenheit eines "Jahreswagens" im Hinblick auf
die höchstzulässige Standzeit vor der Erstzulassung anders zu beurteilen als
die Lagerdauer eines Neufahrzeugs vor dessen Verkauf.
(3) Der Senat hat bislang nicht ausdrücklich dazu Stellung genommen,
ob es generell zur üblichen Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens gehört,
dass das Produktionsdatum des Fahrzeugs einigermaßen zeitnah zur Erstzu-
lassung liegt (vgl. Senatsurteil vom 15. September 2010 - VIII ZR 61/09, aaO
Rn. 21 [zur Zeit der Nutzung eines Fahrzeugs als Vorführwagen]).
(a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird teilweise die Auffas-
sung vertreten, die vom Senat zum Kauf eines Neuwagens angestellten Erwä-
gungen seien grundsätzlich auch auf einen Gebrauchtwagenkauf zu übertra-
gen, sei es bezüglich einer Beschaffenheitsvereinbarung (OLG Karlsruhe,
NJW 2004, 2456, 2457; OLG Nürnberg, NJW 2005, 2019, 2020), sei es bei der
Bestimmung der üblichen Beschaffenheit (OLG Celle, OLGR 2006, 670, 671;
OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 398, 399). Auch der Käufer eines Gebraucht-
wagens dürfe regelmäßig davon ausgehen, dass zwischen der Herstellung des
Fahrzeugs und seiner Erstzulassung ein relativ überschaubarer Zeitraum liege.
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Dies gelte jedenfalls beim Kauf eines Gebrauchtwagens, bei dem es sich aus-
weislich des Erstzulassungsdatums und der Laufleistung um einen relativ neu-
wertigen Gebrauchtwagen handele (OLG Celle, aaO; OLG Nürnberg, aaO;
OLG Düsseldorf, aaO; vgl. auch zum alten Recht OLG Celle, OLGR 1998, 160).
Dabei lassen manche Gerichte die genaue Zeitspanne offen (OLG Karlsruhe,
aaO), andere führen dagegen ausdrücklich an, dass der Käufer eines Ge-
brauchtwagens eine längere Zeitspanne als zwölf Monate zwischen Produktion
und Erstzulassung in der Regel nicht einkalkulieren müsse (OLG Celle, aaO;
OLG Düsseldorf, aaO).
(b) Demgegenüber vertreten andere Obergerichte die Ansicht, dass bei
dem Kauf eines Gebrauchtwagens mit einer Zulassungsdauer oberhalb eines
Jahreswagens die Frage, ob eine wesentliche Abweichung zwischen Herstel-
lungsdatum und Erstzulassung vorliege, die sich als Mangel im Sinne von § 434
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstelle, im Einzelfall unter Berücksichtigung des
Fahrzeugalters, insbesondere der Dauer der Zulassung im Straßenverkehr, zu
beurteilen sei (OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 712, 713; vgl. auch KG Berlin,
Beschluss vom 13. Januar 2011 - 8 U 97/10, juris Rn. 7). Dabei sei zu berück-
sichtigen, dass bei einer längeren Nutzung des Fahrzeugs vor dem Weiterver-
kauf als Gebrauchtfahrzeug die Bedeutung eines etwaigen Wertverlustes durch
eine Standzeit vor dem Erstverkauf insgesamt gegenüber anderen Kriterien,
wie insbesondere dem tatsächlichen Erhaltungszustand und der Kilometerleis-
tung zurücktrete (OLG Schleswig, aaO; KG Berlin, aaO).
(c) Der letztgenannten Auffassung, der sich das Berufungsgericht ange-
schlossen hat, gebührt der Vorzug. Entgegen der Auffassung der Revision hat
der Senat schon in seiner Entscheidung zur Beschaffenheitsvereinbarung beim
Kauf eines "Jahreswagens" angedeutet, dass die Anforderungen an die Stand-
zeit von "Jahreswagen" nicht generell auf Gebrauchtwagen aller Art zu übertra-
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gen sind. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben,
dass Gebrauchtwagen, die nicht als "Jahreswagen" verkauft werden, nach der
Verkehrsanschauung regelmäßig eine geringere Wertschätzung zukommt (Se-
natsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO). Anders als bei einem "Jah-
reswagen", bei dem schon die standardisierte Bezeichnung an ein geringeres
Alter anknüpft (Senatsurteil vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 180/05, aaO), lassen
sich bei einem sonstigen Gebrauchtwagen keine allgemein gültigen Aussagen
dahin treffen, ab welcher Grenze eine Standzeit zwischen Herstellung und Erst-
zulassung eine Beschaffenheit darstellt, die nicht mehr üblich ist und die der
Käufer auch nicht erwarten musste (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009
- VIII ZR 34/08, aaO Rn. 14 [zu einer längeren Standzeit vor einer Wiederzulas-
sung]).
(aa) Selbst wenn im Inland produzierte Personenkraftwagen, die nicht für
den Export bestimmt sind, überwiegend innerhalb von zwölf Monaten nach der
Produktion erstmals zum Straßenverkehr zugelassen werden sollten (so das
OLG Düsseldorf, aaO; vgl. auch Reinking/Eggert, aaO Rn. 2645), ließe dies als
rein statistische Betrachtung keine tragfähigen Rückschlüsse auf eine übliche
Beschaffenheit zu (Senatsurteil vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, aaO). Wie
die der zitierten Senatsrechtsprechung und den von der Revision in Bezug ge-
nommenen obergerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhal-
te (OLG Schleswig, aaO, S. 712; OLG Düsseldorf, aaO, S. 398; KG Berlin, aaO
Rn. 5 ff; OLG Celle, OLGR 2006, 670 f.; OLG Karlsruhe, aaO S. 2456; OLG
Braunschweig, NJW-RR 2005, 1508) belegen, sind Personenkraftfahrzeuge mit
längerer Standzeit vor Erstzulassung auf dem Gebrauchtwagenmarkt ein
durchaus verbreitetes Phänomen. Selbst wenn also feststünde, dass ein be-
trächtlicher Teil von Gebrauchtwagen, die hinsichtlich Fahrzeugtyp, Alter und
Laufleistung mit dem verkauften Fahrzeug vergleichbar sind, ohne längere
Standzeiten verkauft würden, schlösse dies nicht aus, dass es dennoch eine
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nicht unerhebliche Anzahl vergleichbarer Fahrzeuge gibt, die eine ähnlich lange
Standzeit wie das verkaufte Fahrzeug aufweisen (Senatsurteil vom 10. März
2009 - VIII ZR 34/08, aaO).
Die Frage, welche Beschaffenheit bei einem Gebrauchtwagen üblich ist,
hängt damit auch hier von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie
beispielsweise dem Alter (beziehungsweise der Dauer der Zulassung zum
Straßenverkehr) und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesit-
zer und der Art der Vorbenutzung (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2007
- VIII ZR 330/06, aaO; vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, aaO Rn. 13). Je län-
ger das Fahrzeug vor dem Weiterverkauf als Gebrauchtwagen genutzt worden
ist, desto mehr verliert eine mögliche Werteinbuße durch eine lange Standzeit
vor der Erstzulassung an Bedeutung, weil er durch sonstige, den Wert des
Fahrzeugs beeinflussende Umstände überlagert wird (OLG Schleswig, aaO; KG
Berlin, aaO).
Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, ein Fahrzeug, dem als
Neufahrzeug einmal der Mangel einer zu langen Standzeit angehaftet habe,
könne diesen nicht behebbaren Mangel später als Gebrauchtfahrzeug nicht ver-
lieren. Hierbei übersieht sie, dass es für die Frage, ob einem verkauften Fahr-
zeug ein Mangel anhaftet, allein auf den konkreten Kaufgegenstand und die
diesbezüglich getroffenen Absprachen ankommt. Dass ein Fahrzeug zu einem
früheren Zeitpunkt trotz einer überlangen Standzeit möglicherweise als (man-
gelhafter) Neuwagen verkauft worden ist - zwingend ist dies nicht, da es auch
als Lagerfahrzeug veräußert worden sein kann (vgl. OLG Braunschweig, aaO
S. 1508 f.; OLG Schleswig, aaO) -, besagt nicht, dass es bei seiner späteren
Veräußerung als Gebrauchtwagen wegen der vor der Erstzulassung liegenden
Standzeit ebenfalls als mangelhaft anzusehen ist. Die Sichtweise der Revision
liefe darauf hinaus, dass entgegen der Verkehrsanschauung beim Verkauf ei-
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nes betagten Fahrzeugs solchen Umständen (entscheidende) Bedeutung zu-
käme, die vor dessen Erstzulassung lagen und durch seine weitere Nutzung
"überholt" sind.
(bb) Auch die Frage, welche Käufererwartung hinsichtlich einer Standzeit
objektiv berechtigt ist, lässt sich nicht allgemein gültig beantworten. Für einen
Gebrauchtwagenkäufer ist nicht die Standzeit als solche von Interesse, sondern
allein im Hinblick auf hierdurch bedingte Schäden (Senatsurteil vom 10. März
2009 - VIII ZR 34/08, aaO Rn. 14 ff. mwN [zur Standzeit vor der Wiederzulas-
sung]). Der Senat hat daher für den Fall einer 19-monatigen Standzeit zwischen
Erst- und Wiederzulassung nicht auf die Länge der Standzeit, sondern darauf
abgestellt, ob bei dem in Rede stehenden Gebrauchtwagenfahrzeug keine
(konkreten) Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind und die
gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit nicht aufweisen (Se-
natsurteil vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08, aaO Rn. 16). Für den Fall einer
längeren Standzeit vor Erstzulassung kann nichts anderes gelten. Letztlich hat
sich auch hier die objektive Käufererwartung daran auszurichten, ob durch die-
se Standzeit an dem konkreten Fahrzeug Schäden aufgetreten sind, die bei
einem vergleichbaren Gebrauchtwagen, der zeitnah zur Herstellung erstmals
zum Straßenverkehr zugelassen wurde, nicht vorliegen.
(4) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht rechts-
fehlerfrei angenommen, dass bei dem vom Kläger erworbenen Gebrauchtwa-
gen eine Standzeit von 19,5 Monaten vor der Erstzulassung nicht unüblich ist
und dass der Kläger nicht erwarten konnte, dass das Fahrzeug vor der Erstzu-
lassung höchstens zwölf Monate gestanden hatte und einer aktuellen Modell-
reihe angehörte.
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(a) Es hat dem von ihm zugrunde gelegten Umstand, im Inland produ-
zierte Pkws würden überwiegend innerhalb von zwölf Monaten nach Herstel-
lung erstmals zum Verkehr zugelassen, zu Recht keine entscheidende Bedeu-
tung für die Bestimmung der üblichen Beschaffenheit beigemessen, sondern im
Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung die konkreten Umstände
des Einzelfalls für maßgeblich erachtet und eine Standzeit von 19,5 Monaten
bei dem hier in Rede stehenden, bereits zwei Jahre und vier Monate im Stra-
ßenverkehr eingesetzten (und zudem als Mietwagen genutzten) Gebrauchtwa-
gen nicht als unüblich angesehen.
(b) Bei der Bestimmung der objektiven Käufererwartung hat es in rechts-
fehlerfreier tatrichterlicher Würdigung maßgeblich darauf abgestellt, dass es
sich bei dem Fahrzeug nicht um einen "jungen Gebrauchtwagen" mit einer
(sehr) geringen Laufleistung und/oder einer nur wenige Monate zurückliegen-
den Erstzulassung handelte, sondern das erworbene Gebrauchtfahrzeug zum
Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits seit zwei Jahren und vier Monaten zum
Straßenverkehr zugelassen war und bei Vertragsschluss eine Laufleistung von
38.616 Kilometern aufwies.
(aa) Bei Fahrzeugen mit einer solchen Laufleistung und einer mehrere
Jahre zurückliegenden Erstzulassung darf ein Käufer ohne das Hinzutreten be-
sonderer Umstände nicht davon ausgehen, das Fahrzeug weise nur eine - auch
bei einem Neuwagen hinzunehmende - Standzeit vor der Erstzulassung von
höchstens zwölf Monaten auf. Das Berufungsgericht hat sich mit Recht von der
Erwägung leiten lassen, dass bereits durch die recht hohe Laufleistung eine
nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten ist und daher eine vor
der Erstzulassung eingetretene Standzeit von 19,5 Monaten und der hierauf
entfallende Alterungsprozess, die bei dem Kauf eines Neu- oder "Jahreswa-
gens" (noch) von Gewicht sind, zunehmend an Bedeutung verloren haben. Dies
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gilt erst recht, wenn man mit dem Berufungsgericht weiter in Rechnung stellt,
dass das Fahrzeug während seiner bisherigen Nutzung als Mietfahrzeug infolge
der ständig wechselnden Nutzer einer besonderen (wertmindernden) Bean-
spruchung ausgesetzt war.
(bb) Dass das Fahrzeug durch eine Standzeit vor der Erstzulassung kon-
krete Schäden erlitten hätte, die bei einem vergleichbaren Gebrauchtwagen,
der zeitnah zur Herstellung erstmals zum Straßenverkehr zugelassen wurde,
nicht vorlägen - allein dies ist aber, wie oben unter II 2 b bb (3) (c) (bb) ausge-
führt, für die objektive Käufererwartung beim Kauf eines "nicht mehr jungen"
Gebrauchtwagens, wie er hier vorliegt, maßgebend -, ist vom Berufungsgericht
nicht festgestellt; übergangenen Sachvortrag macht die Revision nicht geltend.
(cc) Auf die vom Berufungsgericht zusätzlich angestellte Erwägung, dass
für Mietwagenunternehmen erkennbar das Datum der Erstzulassung, an das
eine Herstellergarantie anknüpfe, und nicht das wahre Alter des Fahrzeugs von
Bedeutung sei, so dass solche Unternehmen weniger Bedenken hätten, "Hal-
denfahrzeuge" einzukaufen, kommt es nicht entscheidend an. Der Einwand der
Revision, das Berufungsgericht unterstelle einem durchschnittlichen Käufer in-
soweit ein "Insiderwissen", das dieser nicht haben könne, stellt das vom Beru-
fungsgericht gefundene Ergebnis daher nicht in Frage.
(dd) Auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe unter Ver-
stoß gegen §§ 284, 286 ZPO den unbestrittenen Vortrag des Klägers übergan-
gen, wonach ein Kaufinteressent das tatsächliche Baujahr erkannt habe und
deshalb nicht mehr bereit gewesen sei, den vom Kläger verlangten Preis für
das Fahrzeug zu bezahlen, bleibt ohne Erfolg. Es ist zwar möglich, dass ein
Käufer den Wert eines Fahrzeuges anhand dessen Baujahrs und einer daraus
abzuleitenden Modellreihenzugehörigkeit bestimmt. Wie aber bereits unter II 2 b
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aa ausgeführt, ist nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht maßgebend, wel-
che Beschaffenheit ein Käufer tatsächlich erwartet, sondern welche Erwartung
nach der Art der Sache objektiv berechtigt ist (Senatsurteil vom 7. Februar
2007 - VIII ZR 266/06, aaO mwN; vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07, aaO; vom
29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, aaO).
(c) Dass das Fahrzeug der aktuellen "Modellreihe 2010" angehörte,
konnte der Kläger aus den bereits angeführten Gründen und - wie das Beru-
fungsgericht zu Recht ausgeführt hat - sogar auf der Grundlage einer vom Klä-
ger akzeptierten Höchststandzeit von zwölf Monaten nicht erwarten. Im Kfz-
Handel ist es üblich, neue Modelle bereits in der zweiten Jahreshälfte des Vor-
jahres mit der Jahresbezeichnung des Folgejahres zu versehen (OLG Braun-
schweig, aaO, S. 1509). So verfuhr die Herstellerin nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Beru-
fungsgerichts auch hier. Die "Modellreihe 2010" wurde ab dem 1. Juli 2009 ge-
baut, so dass das am 18. Februar 2010 zugelassene Fahrzeug selbst bei einer
vom Kläger hingenommenen Standzeit von zwölf Monaten nicht zur "Modellrei-
he 2010" gehört hätte.
3. Entgegen der Ansicht der Revision kann der Kläger auch keinen
Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB wegen
unterbliebener Aufklärung über das Herstellungsjahr des Gebrauchtwagens
beanspruchen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung steht einem Scha-
densersatzanspruch des Käufers gegenüber dem Verkäufer wegen Verschul-
dens bei Vertragsschluss der grundsätzliche Vorrang des in §§ 434 ff. BGB ge-
regelten Sachmängelrechts entgegen (BGH, Urteile vom 27. März 2009 - V ZR
30/08, BGHZ 180, 205 Rn. 19 ff.; vom 12. Januar 2011 - VIII ZR 346/09, NJW-
RR 2011, 462, Rn. 16 mwN). Ein arglistiges (vorsätzliches) Verhalten hinsicht-
lich des Sachmangels, für das nach der vorstehend genannten Rechtsprechung
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der Vorrang des Sachmängelrechts nicht gilt (vgl. auch BGH, Urteil vom 6. No-
vember 2015 - V ZR 78/14, aaO Rn. 24 mwN), liegt hier, wie das Berufungsge-
richt rechtsfehlerfrei angenommen hat, nicht vor. Das Berufungsgericht hat im
Hinblick darauf, dass der Kläger ein Fahrzeug erhalten hat, das eine übliche
und objektiv berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies, das Be-
stehen einer Aufklärungspflicht der Beklagten und damit ein arglistiges Verhal-
ten rechtsfehlerfrei verneint. An dieser rechtlichen Bewertung war es entgegen
der Auffassung der Revision nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehindert.
Denn das Berufungsgericht hat insoweit keine von den Feststellungen des
Landgerichts abweichende tatsächliche Feststellung getroffen, sondern die ma-
terielle Rechtslage anders beurteilt als das Landgericht.
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr.Fetzer
Kosziol
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 27.11.2014 - 4 O 214/13 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 23.07.2015 - 9 U 2/15 -