Urteil des BGH vom 16.09.2015

Quote, Kostenvorschuss, Anteil, Verfahrenskosten

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V I I I Z R 1 7 / 1 5
vom
16. September 2015
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2015 durch
die Richterin Dr. Fetzer als Vorsitzende, die Richterin Dr. Hessel sowie die
Richter Dr. Achilles, Dr. Bünger und Kosziol
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung der Revision gegen
das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom
4. Dezember 2014 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurück-
gewiesen.
Gründe:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen,
weil die dafür in § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Voraussetzungen nicht
vorliegen. Danach erhält eine Partei kraft Amtes, wie der Kläger, auf Antrag
Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse
nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits
wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, diese Kosten aufzubringen. Zwar
können die Kosten der Prozessführung nach den Angaben des Klägers aus der
Masse nicht gedeckt werden. Ihm kann jedoch Prozesskostenhilfe nicht ge-
währt werden, weil er nicht dargelegt hat, dass den am Gegenstand des
Rechtsstreits wirtschaftlich beteiligten Gläubigern die (weitere) Aufbringung der
dafür erforderlichen Kosten nicht zuzumuten ist.
1. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumu-
ten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die
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der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das
Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei
einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen
als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Das wiederum ist auf der Grundlage
einer wertenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, bei
der insbesondere die zu erwartende Verbesserung der Quote im Fall des Ob-
siegens des Verwalters, das Prozess- und das Vollstreckungsrisiko sowie die
Gläubigerstruktur zu berücksichtigen sind (BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 2012
- V ZB 138/11, NZI 2012, 626 Rn. 8; vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12,
ZInsO 2012, 2198 Rn. 2; vom 4. Dezember 2012 - II ZA 3/12, NZI 2013, 82
Rn. 2; vom 9. Oktober 2014 - IX ZA 12/13, ZInsO 2014, 2574 Rn. 2; jeweils
mwN).
2. Nach diesen Maßstäben ist entgegen der Auffassung des Klägers je-
denfalls der Gläubigerin L. & Co. GmbH (Gläubigerin Nr. 9 der Insolvenzta-
belle, Anlage AST3 zum Schriftsatz des Antragsstellers vom 14. Juli 2015) so-
wie der Gläubigerin Raiffeisenwarengenossenschaft T. -Süd eG (Gläubigerin
Nr. 17 der Insolvenztabelle) die Aufbringung der Verfahrenskosten zuzumuten.
a) Die Gläubigerin Nr. 9 ist mit einer zur Insolvenztabelle festgestellten
Forderung in Höhe von 20.866,43 € am Gegenstand des vorliegenden Rechts-
streits wirtschaftlich beteiligt. Dies entspricht einem Anteil von circa 12 % der
insgesamt zur Tabelle festgestellten Forderungen (173.060,67 €). Sie erhielte
auf diese Forderung keine Quote, wenn der Prozess nicht erfolgreich geführt
würde. Dasselbe gilt für die Gläubigerin Nr. 17, deren Forderung mit
78.777,51
€ festgestellt ist und einem Anteil von circa 46 % der festgestellten
Forderungen entspricht.
b) Bei vollem Klageerfolg und voller Realisierbarkeit der streitgegen-
ständlichen Forderung würde der Masse nach den Darlegungen des Klägers
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ein Betrag von 222.650,73 € zuzüglich Zinsen hieraus seit dem 15. März 2006
zufließen. Nach seinen Angaben beliefe sich die dann zu verteilende Masse auf
313.273,81 € und ergäbe sich eine Insolvenzquote von 79 %. Im Falle des Ob-
siegens erhielte die Gläubigerin Nr. 9 damit einen Betrag von 16.484,48 € und
die Gläubigerin Nr.
17 einen Betrag in Höhe von 62.234,23 €.
Dies entspricht jeweils ungefähr dem Vierfachen des auf beide Gläubige-
rinnen entfallenden Vorschusses für die Kosten der Rechtsverfolgung im Revi-
sionsverfahren. Für diese muss der Antragssteller, ausgehend von einem
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eitwert in Höhe von 222.650,73 €, voraussichtliche Prozesskosten in Höhe
von etwa 19.000
€ aufwenden. Verteilt man diese Gesamtkosten anteilig - ent-
sprechend dem Verhältnis ihrer in der Insolvenztabelle festgestellten Forderun-
gen zueinander - auf die Gläubigerinnen Nr. 9 und 17, so beträgt der auf die
Gläubigerin Nr.
9 (21 %) entfallende Kostenvorschuss rund 4.000 € und der auf
die Gläubigerin Nr. 17 (79 %) entfallende Kostenvorschuss rund 15.000
€.
Selbst bei Annahme eines Prozess- und Vollstreckungsrisikos von 50 % erhiel-
ten beide Gläubigerinnen über die ihnen dann zugute kommende Quote von
jedenfalls fast 40 % mehr als das Doppelte der aufzubringenden Kosten. Diese
Relationen erscheinen nach den Umständen des Falles ausreichend, um den
genannten beiden Gläubigerinnen eine Kostenaufbringung zuzumuten (vgl.
BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - II ZR 211/08, juris Rn. 2).
c) Ob die Gläubigerinnen bereit sind, sich an den Verfahrenskosten zu
beteiligen, ist demgegenüber für die Beurteilung der Zumutbarkeit unbeachtlich
(BGH, Beschlüsse vom 13. September 2012 - IX ZA 1/12, aaO Rn. 6; vom
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4. Dezember 2012 - II ZA 3/12, aaO Rn. 10; vom 9. Oktober 2014 - IX ZA
12/13, aaO Rn. 5).
Dr. Fetzer
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Bünger
Kosziol
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 03.12.2013 - 6 O 497/12 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 04.12.2014 - 2 U 29/14 -