Urteil des BGH vom 20.05.2015

Leitsatzentscheidung zu Grundpreis, Billigkeit, Kostendeckungsprinzip, Wohnung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 164/14
Verkündet am:
20. Mai 2015
Vorusso,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GG Art. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 20a; BGB § 241, § 315, § 433; ZPO § 253, § 256, § 313;
AVBWasserV § 2; SächsKAG § 10, § 12, § 13, § 14
Ein Wasserversorgungsunternehmen, dem in seinem Verbandsgebiet die Pflicht zur
öffentlichen Wasserversorgung übertragen ist und das dabei die einem Benutzungs-
zwang unterliegenden Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage versorgt,
kann bei seiner Tarifgestaltung für die Lieferung von Trinkwasser neben verbrauchs-
abhängigen Entgelten zugleich verbrauchsunabhängige Grundpreise in Ansatz brin-
gen. Es ist auch nicht unbillig im Sinne von § 315 BGB, wenn die für Wohngrundstü-
cke vorgesehenen Grundpreise ohne weitere Differenzierung lediglich auf die Anzahl
der Wohneinheiten abstellen und Wohnungsleerstände unberücksichtigt lassen.
BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 - VIII ZR 164/14 - OLG Dresden
LG Chemnitz
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Mai 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin
Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung der
Revision der Klägerin - das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts Dresden vom 6. Mai 2014 in der Fassung des Berich-
tigungsbeschlusses vom 18. Juni 2014 im Kostenpunkt und inso-
weit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden
ist. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Chemnitz vom 9. Mai 2011 wird zurückgewie-
sen.
Die Klägerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte ist ein öffentlich-rechtlicher Verband, dem die Pflicht zur öf-
fentlichen Wasserversorgung in seinem Verbandsgebiet übertragen ist. Inner-
halb dieses Gebietes besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang, wobei die
Versorgung der Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage nach Maß-
gabe der AVBWasserV erfolgt. Die Klägerin ist Eigentümerin der im Verbands-
gebiet gelegenen Grundstücke V. Straße , A. -Straße
,
A.
-Straße
und
A.
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Straße in D. . Diese sind mit Mehrfamilienhäusern bebaut und wei-
sen insgesamt 340 Wohneinheiten mit deutlich unterschiedlichen Größen auf.
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Der Beklagte stellt der Klägerin für jedes dieser Grundstücke Trinkwas-
ser über eine am jeweiligen Hausanschluss gelegene zentrale Entnahmestelle
bereit; von dort aus wird es innerhalb der Häuser an die einzelnen Wohnungen
verteilt. Mit Rechnungen vom 11. Februar 2010 berechnete der Beklagte auf
Grundlage seiner allgemeinen Tarife für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis zum
22. Januar 2010 einen verbrauchsunabhängigen jährlichen Grundpreis für die
Trinkwasserversorgung in Höhe von 151,20 € netto (171,68 € brutto) je Woh-
nung, insgesamt 50.686,39
€. Die dem Versorgungsverhältnis zugrunde geleg-
ten Tarife sehen für jede Wohneinheit einen einheitlichen Grundpreis vor, ohne
nach der jeweiligen Größe der Wohnungen oder der Anzahl der Bewohner zu
differenzieren. Mit diesem Grundpreis deckt der Beklagte im Mittel 59 % seiner
bei der Trinkwasserversorgung im Verbandsgebiet anfallenden Fixkosten ab.
Die Klägerin, die den genannten Betrag von 50.686,39
€ nur unter dem
Vorbehalt der Rückforderung geleistet hat, begehrt mit ihrer Klage dessen
Rückzahlung nebst Zinsen sowie zuletzt noch die Feststellung, dass der Be-
klagte nicht berechtigt sei, für die Bereitstellung von Trinkwasser für die vier
Wohngrundstücke undifferenzierte verbrauchsunabhängige Grundgebühren zu
verlangen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von 7.765,92 €
nebst Zinsen verurteilt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit ihrer vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbe-
gehren hinsichtlich der restlichen Klageforderung von 42.920,47 € nebst Zinsen
weiter, während der Beklagte mit seiner Revision die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils begehrt.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat Erfolg; die Revision der Klägerin ist da-
gegen unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch in Höhe von
7.765,92
€ aus § 812 Abs. 1 Satz 1, § 315 Abs. 3 BGB in Verbindung mit der
Tarifsatzung des Beklagten zu. Nur eine Grundpreisdifferenzierung nach Woh-
nungsgröße stelle sicher, dass das Jahresentgelt für Wohnungen bis zu 50 qm
im Vergleich zu größeren Wohnungen der Billigkeit entspreche. Das könne
nicht ohne Auswirkungen auf den geschuldeten Wassergrundpreis bleiben.
Vielmehr habe die Klägerin danach von den auf den Grundpreis erbrachten
Zahlungen von insgesamt 50.686,39 € einen Betrag von 7.057,92 € nicht ge-
schuldet und damit ohne Rechtsgrund entrichtet.
Zwischen den Parteien sei ein jedenfalls konkludent geschlossener Ver-
trag über die Trinkwasserversorgung (§ 2 AVBWasserV) zu den Tarifen des
Beklagten zustande gekommen. Auf diese Tarife seien die Regelungen der Bil-
ligkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB anwendbar. Denn privatrechtliche Tari-
fe für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere
Teil angewiesen sei, seien der Kontrolle gemäß § 315 BGB unterworfen. Die
Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der getroffenen Preisbestimmun-
gen trage der Beklagte. Zwar müsse nach den für Bereicherungsansprüche gel-
tenden allgemeinen Grundsätzen an sich derjenige die Rechtsgrundlosigkeit
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seiner Leistung nachweisen, der die Rückzahlung verlange. Das gelte jedoch
nicht, wenn er - wie hier - unter Vorbehalt geleistet habe.
Maßstab für die Billigkeitsprüfung seien in Anlehnung an das öffentliche
Recht die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Äquivalenz, das Kosten-
deckungsprinzip sowie das Willkürverbot. Dabei stehe dem Versorgungsunter-
nehmen hinsichtlich der preisbildenden Faktoren ein Ermessensspielraum für
seine unternehmerische Entscheidung zu, der nur begrenzt der gerichtlichen
Überprüfung unterliege. Insoweit dürfe es ebenso wie bei öffentlich-rechtlich
geregelten Gebühren für die Leistungen den Grundpreis nach einem Wahr-
scheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art und Umfang der aus der Lie-
ferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung als Anhalt für die vorzuhal-
tende Höchstleistungskapazität orientiere. Dabei bleibe es dem Versorgungsun-
ternehmen auch überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab es unter
verschiedenen zulässigen Maßstäben auswähle. Es sei nicht auf den zweck-
mäßigsten und vernünftigsten Maßstab beschränkt, sondern dürfe sich bei sei-
ner Auswahl auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, wobei gewisse
Ungenauigkeiten hinzunehmen seien.
Gemessen hieran sei dem Beklagten die Hereinnahme von im Mittel
59 % seiner Fixkosten in den verbrauchsunabhängigen Grundpreis als sachge-
recht zuzugestehen. Dies erfordere aber zwingend eine über die bloße Woh-
nungsanzahl hinausgehende Differenzierung innerhalb des Grundpreises nach
der Wohnungsgröße, um für kleinere Wohnungen mit ihrem Zuschnitt auf eine
entsprechend geringere Personenzahl unbillige Kosten durch einen ver-
brauchsunabhängigen Fixkostenanteil von circa 80 % am Gesamtpreis zu ver-
meiden. Die derzeit fehlende Differenzierung führe in einer mit einer Person
belegten Wohnung zu durchschnittlichen Jahreswasserkosten je Person in ei-
ner Größenordnung von etwa 200 €, bei zwei Personen von etwa 120 € und bei
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vier Personen von knapp 90 €. Dies widerspreche sowohl dem Gleichheits-
grundsatz als auch dem Äquivalenzprinzip.
Zwar werde die Anzahl der Wohneinheiten in der Instanzrechtsprechung
(z.B. OLG Naumburg, Urteil vom 13. November 2008 - 6 U 63/08) als tauglicher
und ausreichend differenzierender Maßstab für die Inanspruchnahme wegen
der Vorhaltekosten angesehen. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Insbesondere
gebe es entgegen der Ansicht des Beklagten keinen Erfahrungssatz, wonach
die Anzahl der Bewohner mit der Größe der Wohnung nicht steige. Selbst nach
dem Vorbringen des Beklagten seien lediglich 15 % der kleinen Wohnungen mit
einer Größe von bis zu 50 qm von mehr als einer Person bewohnt. Es sei daher
geboten, Differenzierungen nach der Wohnungsgröße vorzunehmen, um die
beträchtlichen Unterschiede in der jährlichen Belastung zu vermeiden, wobei
unter Wahrung des dem Beklagten zustehenden Spielraums die Grenze zwi-
schen Wohnungen mit einer Größe bis 50 qm und einer größeren Wohnung zu
ziehen sei. Weitergehende Unterscheidungen seien nicht veranlasst.
Ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip sei demgegenüber nicht
ersichtlich. Der ins Einzelne gehende Vortrag des Beklagten zu den Jahreser-
gebnissen sei unbestritten geblieben. Es sei vor diesem Hintergrund nicht er-
sichtlich, dass das Gesamtaufkommen des Beklagten die Gesamtkosten der
Wasserversorgung, abgesehen von dem auf einen fünfjährigen Kalkulations-
zeitraum geplanten Jahresergebnisgewinn von 0,44 % am Umsatzanteil, über-
schreite. Soweit die Klägerin darauf verweise, dass in Mittelsachsen die Bevöl-
kerung bis zum Jahr 2025 um 16 % zurückgehen werde, folge hieraus ebenfalls
kein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Denn angesichts der Versor-
gungsverpflichtung des Beklagten müsse dieser auch bei leerstehenden Woh-
nungen von einem Versorgungserfordernis ausgehen, solange diese Wohnun-
gen nicht endgültig zurückgebaut seien. Ebenso wenig könne ein Verstoß ge-
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gen das Kostendeckungsprinzip daraus abgeleitet werden, dass andernorts
angeblich geringere (Grund-)Preise verlangt würden; insoweit komme es viel-
mehr immer auf die konkreten Gesamtkosten der Wasserversorgung im jeweili-
gen Gebiet an, mit dem die von der Klägerin herangezogene Stadt Leipzig
schon strukturell nicht vergleichbar sei.
Da hiernach für kleinere Wohnungen ein Ansatz der vollen Grundgebühr
unbillig sei, sei diese auf zwei Drittel des Grundpreises der größeren Wohnun-
gen, also auf 107,85 €, herabzusetzen. Daraus errechne sich eine gemäß § 818
Abs. 3 BGB zurückzuerstattende Überzahlung der Klägerin in Höhe von insge-
samt 7.765,32
€. Ebenso sei hiernach die auch sonst zulässige Feststellungs-
klage im Hinblick auf die fehlenden Differenzierungen nach den Wohnungsgrö-
ßen begründet.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht den Beklagten zwar für be-
rechtigt erachtet, bei seiner Tarifgestaltung für die Lieferung von Trinkwasser
neben verbrauchsabhängigen Entgelten zugleich verbrauchsunabhängige
Grundpreise, und zwar auch in Fällen eines Wohnungsleerstandes, anzuset-
zen. Zu Unrecht hat es aber angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf
teilweise Rückzahlung des von ihr nur unter Vorbehalt gezahlten Wasserpreises
zustehe, weil der vom Beklagten für jede Wohneinheit ohne Rücksicht auf de-
ren Größe bemessene Grundpreis für kleine Wohnungen unbillig überhöht an-
gesetzt und deshalb insoweit nicht geschuldet gewesen sei (§ 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1, § 315 Abs. 3 BGB). Dementsprechend kann die Klägerin auch
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nicht mit ihrem auf das Erfordernis einer Grundpreisdifferenzierung abzielenden
Feststellungsbegehren durchdringen.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend und von beiden Revisi-
onen unbeanstandet davon ausgegangen, dass die Klägerin - wie nicht zuletzt
auch § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die
Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni 1980 (BGBl. I S. 750)
zeigt - Vertragspartnerin des mit dem Beklagten konkludent geschlossenen Ver-
trages über die Versorgung mit Trinkwasser und damit Schuldnerin des für die
erbrachten Lieferungen und Leistungen angefallenen Kaufpreisanspruchs
(§ 433 Abs. 2 BGB) geworden ist. Zustande gekommen ist der Vertrag dabei
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 AVBWasserV zu den für gleichartige Versorgungsver-
hältnisse geltenden Preisen des Beklagten, wie sie in den dafür festgesetzten
Tarifen ihren Niederschlag gefunden haben, soweit der Beklagte diese Preise
im Rahmen des ihm dabei zugewiesenen Leistungsbestimmungsrechts nach
billigem Ermessen festgesetzt hat und diese Festsetzungen entsprechend
§ 315 BGB einer Billigkeitskontrolle standhalten (vgl. Senatsurteil vom
17. Oktober 2012 - VIII ZR 292/11, BGHZ 195, 144 Rn. 19, 21; ferner etwa
BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - XII ZR 164/12, WM 2015, 643 Rn. 19;
jeweils mwN).
2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin ist das Berufungs-
gericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - wie auch § 14 Abs. 1 Satz 3
des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes (SächsKAG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 26. August 2004 (SächsGVBl. S. 418) für die parallele
Fallgestaltung einer öffentlich-rechtlichen Versorgung mit Wasser (vgl. § 35
Abs. 1 AVBWasserV) zeigt - ein Versorger bei seiner Tarifgestaltung jedenfalls
grundsätzlich berechtigt ist, für das Bereitstellen und ständige Vorhalten der
Trinkwasserversorgung in angemessener Höhe einen verbrauchsunabhängigen
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Grundpreis vorzusehen. Denn die Frage, in welcher Weise der Versorger diese
verbrauchsunabhängigen Kosten in seine Kalkulation einfließen lässt und ob sie
über den Arbeitspreis, über den Grundpreis oder im Wege einer Mischkalkulati-
on erwirtschaftet werden, obliegt grundsätzlich seiner freien unternehmerischen
Entscheidung, soweit er die dafür bestehenden rechtlichen Bindungen einhält
(vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 1984 - KVR 13/83, WM 1985, 490 un-
ter II 2 c cc; ferner auch BVerwG, MDR 1982, 431 f.). Dem Versorger steht
deshalb auch insoweit ein einseitiges, allerdings in bestimmter Weise rechtlich
gebundenes Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zu (vgl. Senatsurteil
vom 21. April 2010 - VIII ZR 97/09, NZM 2010, 558 Rn. 11, 14).
3. Hinsichtlich der dabei bestehenden Bindungen geht der Bundesge-
richtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Tarife von Unterneh-
men, welche mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnis-
ses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der
andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, nach billigem Ermessen
festgesetzt werden müssen und entsprechend § 315 BGB einer Billigkeitskon-
trolle unterworfen sind. Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung des Versor-
gungsunternehmens hergeleitet worden, gilt aber auch für den hier gegebenen
Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs. Denn in diesen Fällen muss der
Kunde, wenn er die Leistung in Anspruch nehmen will, mit dem Unternehmer
kontrahieren, auch wenn er mit dem vorgeschriebenen Preis oder Tarif nicht
einverstanden ist (zum Ganzen Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR
292/11, aaO Rn. 21 mwN).
Den sich daraus ergebenden Anforderungen, die insbesondere auch auf
dem in Rede stehenden Gebiet der Wasserversorgung Geltung beanspruchen
(Senatsurteil vom 13. Juli 2011 - VIII ZR 342/09, NJW 2011, 2800 Rn. 36), wird
die Tarifgestaltung des Beklagten gerecht. Dies gilt - entgegen der Auffassung
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der Revision der Klägerin - nicht nur für die Entscheidung, ob ein Grundpreis
erhoben werden soll und dieser etwaige Wohnungsleerstände zu berücksichti-
gen hat, sondern vielmehr - entgegen der Sichtweise des Berufungsgerichts
und der insoweit noch weiter gehenden Auffassung der Revision der Klägerin -
auch für die Bemessung des Grundpreises allein nach der Anzahl vorhandener
Wohneinheiten.
a) Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung von § 315 BGB im
konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob
das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt, die gesetzlichen Gren-
zen seines Ermessens überschritten, von dem Ermessen in einer dem Zweck
der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat oder von
einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang
zu einer fehlerfreien Ermessensentscheidung versperrt hat (st. Rspr.; Senatsur-
teile vom 12. Dezember 2012 - VIII ZR 341/11, RdE 2013, 123 Rn. 18; vom
21. April 2010 - VIII ZR 97/09, aaO Rn. 11; vom 8. Juli 2009 - VIII ZR 314/07,
WM 2009, 1957 Rn. 18; jeweils mwN). Ein derartiger Rechtsfehler ist dem Beru-
fungsgericht nur insoweit unterlaufen, als es für die als Verteilungsmaßstab
herangezogenen Wohneinheiten eine zusätzliche Differenzierung nach ihrer
Größe für geboten erachtet hat.
b) Ob die Preisbestimmung in einem Massengeschäft wie der Energie-
und Wasserversorgung der Billigkeit entspricht, ist durch eine Abwägung der
typischen Interessen der Vertragspartner wie auch der übrigen Anschlussneh-
mer sowie eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks zu bestimmen
(BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ 172, 315 Rn. 17; vom
24. November 1977 - III ZR 27/76, WM 1978, 1097 unter A II 2; jeweils mwN).
Geprägt wird diese Billigkeitskontrolle dabei maßgeblich durch den Umstand,
dass der Kläger auch im Rahmen des privatrechtlich ausgestalteten Nutzungs-
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verhältnisses an die grundlegenden Prinzipien des öffentlichen Finanzgebarens
gebunden ist (vgl. BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05,
NJW-RR 2006, 133 unter II 2 a; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 100/90,
BGHZ 115, 311, 318; jeweils mwN).
Zu diesen grundlegenden Prinzipien, denen ein beachtlicher Gerechtig-
keits- und Billigkeitsgehalt innewohnt und die aus Gründen der Bindung der
vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksich-
tigen sind, gehören insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der
Äquivalenz und der Kostendeckung (BGH, Urteile vom 10. Oktober 1991
- III ZR 100/90, aaO; vom 13. März 2003 - X ZR 106/00, NVwZ 2003, 1015 un-
ter 2 b (2)). Denn sie sind darauf angelegt zu gewährleisten, dass das Gebüh-
renaufkommen die (Gesamt-)Kosten der jeweiligen Einrichtung der Daseinsvor-
sorge deckt (vgl. § 10 Abs. 1 SächsKAG), zwischen Leistung und Gegenleis-
tung ein angemessenes Verhältnis besteht, die Gebühr insbesondere nicht in
einem groben Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung er-
brachten Leistung steht (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 SächsKAG), und
schließlich bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Maßstäbe der Heran-
ziehung in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so gewählt
sind, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in den Nutzungen Rechnung tra-
gen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Nutzern gewahrt bleibt
(BGH, Urteil vom 13. März 2003 - X ZR 106/00, aaO mwN).
c) Hieran gemessen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler weder
die grundsätzliche Entscheidung des Beklagten für die Erhebung eines Grund-
preises noch dessen Erhebung auch für leerstehende Wohneinheiten für unbil-
lig angesehen.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird als
Grundgebühr im Allgemeinen eine Benutzungsgebühr bezeichnet, die für die
Inanspruchnahme der Lieferungs- beziehungsweise Betriebsbereitschaft einer
Einrichtung erhoben wird. Mit ihr werden - wie auch § 14 Abs. 1 Satz 3 Sächs-
KAG zum Ausdruck bringt - die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten
der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sog.
Fixkosten wie z.B. Abschreibungsbeträge und Zinsen, vgl. §§ 12 f. SächsKAG)
ganz oder teilweise abgegolten. Sie wird deshalb nicht - verbrauchsabhängig -
nach dem Maß der Benutzung (Inanspruchnahme), sondern - verbrauchsunab-
hängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art
und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung
(z.B. Nenngröße des Wasserzählers, Zahl der Räume oder Zapfstellen, Brenn-
stellen) als Anhalt für die vorzuhaltende Höchstlastkapazität zu orientieren
pflegt (BVerwG, MDR 1982, 431; NVwZ 1987, 231; NVwZ-RR 2003, 300).
bb) Ohne Erfolg greift die Revision der Klägerin die Entscheidung des
Beklagten, überhaupt Grundpreise neben verbrauchsabhängigen Entgelten zu
erheben, im Rahmen des Zahlungsbegehrens als verfehlt und damit als unbillig
an, weil die Grundpreise den überwiegenden oder sogar weit überwiegenden
Anteil der gesamten Wasserkosten ausmachten und deshalb - dem Staatsziel
des Umweltschutzes (Art. 20a GG) zuwider - einem Verbraucher jeglichen An-
reiz zum Wassersparen nähmen. Zwar wäre es - wie auch § 14 Abs. 2 Satz 1
SächsKAG zeigt - dem Beklagten nicht von vornherein verwehrt gewesen, bei
seiner Preisbemessung umweltschonende Lenkungsziele ermäßigend oder er-
höhend zu berücksichtigen (vgl. dazu auch BVerfGE 108, 1, 18 f.). Eine in die
Billigkeitsprüfung einzustellende Verpflichtung hat dazu jedoch nicht bestanden.
Denn auch insoweit hat dem Beklagten ein weiter Entscheidungs- und Gestal-
tungsspielraum nicht nur dahin zugestanden, welche Entgeltmaßstäbe und
-sätze er für das Bereitstellen und Vorhalten der Trinkwasserversorgung auf-
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stellen wollte, sondern auch dahin, ob er mit seiner Entgeltregelung über eine
Kostendeckung hinausreichende Zwecke wie etwa solche einer begrenzten
Verhaltenssteuerung anstreben wollte (vgl. BVerfGE 50, 217, 226 f.). Dass die-
ser Spielraum aus besonderen Gründen zwingend in der von der Revision der
Klägerin geforderten Richtung verengt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Die
angeführte Staatszielbestimmung musste dazu jedenfalls keine Veranlassung
geben.
cc) Gleiches gilt für die von der Revision der Klägerin geforderte Berück-
sichtigung von Wohnungsleerständen. Von ihrem vorstehend dargestellten
Zweck ausgehend ist eine Grundgebühr als Gebühr für die Bereitstellung und
das Bereithalten einer jederzeit möglichen Wasserversorgung (Vorhalteleistung)
darauf angelegt, eine Leistung abzugelten, welche auch Wohneinheiten er-
bracht wird, die leer stehen und in denen kein Wasser verbraucht wird, so dass
eine Verbrauchsgebühr nicht zur Entstehung gelangt (vgl. OVG Magdeburg,
Urteil vom 14. April 2008 - 4 L 181/07, juris Rn. 24 f.; ferner OVG Münster,
NVwZ-RR 2001, 122, 123 mwN). Die Eigentümer von leerstehenden Wohnun-
gen partizipieren - was die Revision der Klägerin übersieht - nicht nur in glei-
chem Maße wie diejenigen bewohnter Räume an der Vorhalteleistung des Klä-
gers. Der Leerstand hat insbesondere auf die durch den Anschluss der Woh-
nungen verursachten Vorhaltekosten keine Auswirkungen. Denn die aus der
Lieferbereitschaft auch für diese Wohnungen folgende abrufbare Arbeitsleistung
verringert sich - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - bei
einem Leerstand jedenfalls so lange nicht, wie die Möglichkeit besteht, dass die
Wohnnutzung jederzeit wieder aufgenommen wird und der Anschlussnehmer
damit zugleich die sofortige Belieferung mit der benötigten Trinkwassermenge
beanspruchen kann (OVG Magdeburg, Urteil vom 14. April 2008
- 4 L 181/07, aaO Rn. 25).
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(1) Ohne Erfolg beruft sich die Revision der Klägerin demgegenüber da-
rauf, dass der Beklagte den nach den Behauptungen der Klägerin erheblichen
und künftig sogar noch zunehmenden Wohnungsleerständen sowie einer sich
daraus ergebenden Unwirtschaftlichkeit der Wohnraumerhaltung hätte Rech-
nung tragen und dementsprechend auf Leerstände in einem Teil der Wohnein-
heiten bei seiner Preisbemessung Rücksicht nehmen müssen. Denn solche
Rücksichtnahmepflichten, die sich zwar grundsätzlich auch in Versorgungsver-
hältnissen aus §§ 242, 241 Abs. 2 BGB ergeben können (vgl. dazu Senatsurteil
vom 21. April 2010 - VIII ZR 97/09, aaO Rn. 15), bestehen - wovon auch das
Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeht - jedenfalls nicht dahin, dass der Klä-
gerin das Leerstandsrisiko abgenommen werden müsste.
Insbesondere ergeben sich solche Rücksichtnahmepflichten nicht schon
daraus, dass die Beklagte im Verhältnis zu ihren Mietern bei der Umlegung von
Betriebskosten das Leerstandsrisiko zu tragen hat und bei erheblichem Woh-
nungsleerstand gehindert sein kann, die auf die leerstehenden Wohnungen ent-
fallenden Fixkosten der Wasserversorgung auf ihre Mieter umzulegen (vgl. Se-
natsurteil vom 6. Oktober 2010 - VIII ZR 183/09, NJW 2010, 3645 Rn. 22 f.). An
diesem Risiko hat der Beklagte schon deshalb nicht teil, weil er gleichwohl sei-
ne über die Grundgebühr abzugeltenden Belieferungskapazitäten jedenfalls so
lange vorhalten muss, wie die leerstehenden Wohnungen nicht auf unbestimm-
te Zeit entwidmet werden. Erst dann hätte er Anlass gehabt, die von ihm vorzu-
haltende Belieferungskapazität, die über den Grundpreis (teilweise) abgegolten
wird, dem verminderten Bedarf anzupassen.
(2) Zwar wird bisweilen erwogen, dass Leerstände, wenn sie im gesam-
ten Versorgungsgebiet ein solches Ausmaß annehmen, dass sie zur Wahrung
einer Typengerechtigkeit der Gebührentatbestände als eigenständiger Versor-
gungstyp schlechthin nicht mehr unberücksichtigt bleiben können, gegebenen-
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falls über einen eigenständigen Gebührentatbestand erfasst werden müssten
(vgl. dazu OVG Magdeburg, Urteil vom 14. April 2008 - 4 L 181/07, juris
Rn. 31 ff.). Ob dem zu folgen wäre, kann allerdings dahin stehen. Denn dass
die Leerstände auf das gesamte Versorgungsgebiet bezogen ein derartiges
Ausmaß angenommen haben, lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht
entnehmen. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf.
Zudem wäre bei Ansatz eines Grundpreises auch zu berücksichtigen,
dass § 7 Abs. 2 der Satzung des Beklagten über den Anschluss an die öffentli-
che Wasserversorgungsanlage und ihre Benutzung im Verbandsgebiet dem
Grundstückseigentümer im Rahmen des dem Verband wirtschaftlich Zumutba-
ren auf Antrag die Möglichkeit einräumt, den Bezug und damit zugleich die Be-
lieferungspflicht des Beklagten einschließlich der damit verbundenen Vorhalte-
leistungen etwa auf einen Teilbedarf zu beschränken.
d) Ohne Erfolg versucht die Revision der Klägerin, eine Unbilligkeit des
Grundpreises aus "krassen Unterschieden" in der Kostenstruktur verschiedener
Versorgungsgebiete, insbesondere einem Vergleich mit den Preisen für die
Wasserversorgung in Leipzig, herzuleiten. Dem hat das Berufungsgericht ohne
Rechtsfehler entgegengehalten, dass es nach dem insoweit maßgeblichen Kos-
tendeckungsprinzip auf die jeweils konkreten, insbesondere die örtlichen Gege-
benheiten ankomme, die etwa durch die Siedlungsdichte und die Länge der
Leitungswege geprägt seien, und dass das von der Klägerin zum Vergleich
herangezogene städtische Versorgungsgebiet in Leipzig keinen tauglichen
Maßstab gegenüber einem Versorgungsgebiet mit - wie hier - ländlicher Sied-
lungsstruktur bilden könne. Das leuchtet ein. Auch die Revision der Klägerin
vermag keine konkreten Angriffe gegen diese tatrichterliche Würdigung zu füh-
ren.
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e) Die von dem Beklagten allein nach der Zahl der Wohneinheiten vor-
genommene Bemessung des Grundpreises für die Versorgung mit Trinkwasser
kann - wie die Revision des Beklagten mit Recht rügt - entgegen der von der
Revision der Klägerin geteilten Auffassung des Berufungsgerichts ebenfalls
nicht als unbillig beanstandet werden. Insbesondere gebietet weder der Gleich-
heitssatz weitere Differenzierungen - etwa nach der Wohnungsgröße - noch
verstößt der gewählte Bemessungsansatz gegen das Äquivalenzprinzip.
(1) Der Gleichheitssatz, den das Berufungsgericht und noch weiterge-
hend die Revision der Klägerin als verletzt sehen, verbietet es einem Satzungs-
geber für die Gebührenbemessung und damit auch für die Bildung entspre-
chender Maßstäbe, wesentlich ungleiche Sachverhalte innerhalb einer Veranla-
gungskategorie gleich zu behandeln. Allerdings ist der Satzungsgeber
- Entsprechendes gilt im Rahmen des § 315 BGB für die privatrechtlich ausge-
stalteten Tarife des Beklagten - bei der Bestimmung der Merkmale, nach denen
Sachverhalte im Wesentlichen gleich anzusehen sind, innerhalb der Grenzen
der Sachgerechtigkeit frei. Dabei kann der Satzungsgeber je nach den Umstän-
den des Einzelfalls eine Auswahl unter verschiedenen Gebührenmaßstäben
treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitssatz eine Präferenz für einen be-
stimmten Maßstab ergibt. Die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers endet
erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die unterlassene Differenzierung
nicht mehr erkennbar ist (BVerwG, NVwZ-RR 1995, 348 f.; Beschluss vom
19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07, juris Rn. 7; jeweils
mwN). Ihm ist daher auch
bei der Bestimmung von - hier einschlägigen - Wahrscheinlichkeitsmaßstäben
ein weites Ermessen eingeräumt, so dass bei Vorliegen eines sachlich ein-
leuchtenden Grundes für eine gewählte Typisierung oder Differenzierung auf-
grund des Gleichheitssatzes keine noch darüber hinausgehende Verpflichtung
besteht, für eine Grundgebühr den (vermeintlich) zweckmäßigsten, vernünftigs-
ten, gerechtesten oder wahrscheinlichsten Maßstab anzuwenden (vgl. BVerwG,
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MDR 1982, 431, 432; NVwZ-RR 1995, 348 f.; ferner BVerwGE 112, 297,
299 f.).
Vor diesem Hintergrund ist im Abgabenrecht zugleich anerkannt, dass
Typisierungen und Pauschalierungen - insbesondere bei der Regelung von
Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und
Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein können (BVerwG, NVwZ 2005,
332, 333) und der Satzungsgeber sein Entscheidungsermessen hiervon leiten
lassen darf (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07, aaO).
Die Grenze des Gestaltungsermessens ist erst dann überschritten, wenn ein
sachlich einleuchtender Grund für eine mit der Typisierung getroffene oder un-
terlassene Differenzierung auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung
fehlt (vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1995, 594, 595; Beschluss vom 19. Dezember
2007 - 7 BN 6/07, aaO; jeweils mwN). Das schließt es ein, dass ein Satzungs-
geber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nicht gehalten ist, den je-
weils gewählten Maßstab derart weit auszudifferenzieren, dass möglichst jedem
Einzelfall - im Sinne einer Einzelfallgerechtigkeit - entsprochen wird (BVerwG,
Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07, aaO). Ausreichend ist viel-
mehr, dass die Höhe der Grundgebühr zu dem möglichen Umfang der Benut-
zung in eine, wenn auch nur annähernde, Beziehung gesetzt ist (BVerwG, MDR
1982, 431, 432).
(2) Gemessen an diesen Voraussetzungen überschreitet die Erhebung
des Grundpreises für jede Wohneinheit ohne weitere Differenzierung nach de-
ren Größe die Ermessensgrenzen eines Trinkwasserversorgers wie des Be-
klagten grundsätzlich nicht. Der von ihm gewählte Maßstab erfasst vielmehr in
sachlich einleuchtender Weise das Maß des den Anschlussnehmern gewährten
Vorteils sowie der durch die Vorhalteleistung verursachten Kosten.
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(a) Anders als das Berufungsgericht meint, ist ein Versorger aus Grün-
den der Billigkeit nicht verpflichtet, einen Maßstab zu wählen, der zusätzlich
nach der Größe der jeweiligen Wohneinheiten differenziert und diese in Grö-
ßenklassen dahin unterteilt, dass jedenfalls bei kleinen Wohnungen mit einer
Größe von bis zu 50 qm nur ein Bruchteil des vollen Grundpreises, hier zwei
Drittel, in Ansatz gebracht werden dürfen. Denn dabei nimmt das Berufungsge-
richt schon im Ansatz nicht hinreichend in den Blick, dass der den Anschluss-
nehmern durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten einer betriebsbereiten
Wasserversorgungsanlage gewährte Vorteil, jederzeit ausreichend mit Trink-
wasser versorgt zu werden, für jede Wohneinheit und ihre dadurch üblicher-
weise erst hergestellte ausreichende Benutzbarkeit unabhängig vom jeweiligen
Verbrauch und von den durch die Vorhalteleistung verursachten Kosten im
Großen und Ganzen gleich zu bewerten ist. Es berücksichtigt bei seiner Würdi-
gung auch nicht hinreichend, dass insbesondere das Maß der durch die Vorhal-
teleistung verursachten Kosten mangels individueller Ausscheidbarkeit einzel-
ner Leistungsteile unter Zuordnung zu speziellen Vorteilen keine weitere Diffe-
renzierung erfordert.
(b) Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die
für die Vorhalteleistung erhobene Grundgebühr zur sachgerechten Leistungser-
fassung maßgeblich an dem auf einem Grundstück in Abhängigkeit von der An-
zahl der potentiellen Nutzer maximal möglichen Trinkwasserverbrauch für die
vorzuhaltende (Höchstlast-)Kapazität zu orientieren hat (vgl. OVG Magdeburg,
Urteil vom 8. September 2011 - 4 L 247/10, juris Rn. 35 mwN). Allerdings ist
vom Berufungsgericht nicht belegt, ob und jedenfalls mit welcher Aussagekraft
ein von ihm angenommener und seiner Beurteilung zu Grunde gelegter Erfah-
rungssatz existiert, wonach die Anzahl der Bewohner mit der Größe der Woh-
nung steigt. Denn allein aus der Anzahl der Personen, die dort Trinkwasser zum
Verbrauch abrufen könnten, lässt sich - was das Berufungsgericht bei seiner
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Beurteilung aus den Augen verloren hat - eine für die nötige Typisierung ver-
lässliche Größe nicht ohne Weiteres, und zwar auch nicht über eine Differenzie-
rung nach Wohnungsgrößen, gewinnen.
Dass die tatsächliche Anzahl der jeweiligen Bewohner eines Grund-
stücks bei Massengeschäften der in Rede stehenden Art keinen tauglichen An-
knüpfungspunkt für die Bemessung des Grundpreises bilden kann, liegt allein
schon mit Blick auf den dafür erforderlichen Ermittlungs- und Verarbeitungsauf-
wand auf der Hand.
Ebenso wenig besitzt die Größe der jeweiligen Wohneinheiten eine hin-
reichende Aussagekraft über die Anzahl ihrer Bewohner und einer daraus ab-
leitbaren (Höchstlast-)Kapazität für die vorzuhaltende Trinkwassermenge. Denn
es besteht kein verlässlich feststellbares Verhältnis zwischen der Größe einer
Wohneinheit und der aus unterschiedlichsten Gründen variierenden Anzahl ih-
rer Bewohner. Insbesondere gibt es keinen belastbaren allgemeinen Erfah-
rungssatz, dass und in welchem Maße sich die Bewohnerzahl mit der Größe
einer Wohneinheit verändert (so auch OVG Magdeburg, Urteil vom 1. April
2004 - 1 K 93/03, juris Rn. 16; OLG Naumburg, ZMR 2005, 364, 365; aA wohl
OVG Lüneburg, KStZ 2004, 70, 71).
Ob nämlich eine Wohnung von bestimmter Größe unter gewöhnlichen
Umständen von einer Person, einer Familie oder einem Familienverband be-
wohnt wird, hängt - was das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht hinreichend
in Betracht gezogen hat - von den individuellen Umständen, namentlich den
Einkommens- und Vermögensverhältnissen, den Wohngewohnheiten, dem
Wohnumfeld und einer Vielzahl von weiteren sozialen, wirtschaftlichen und so-
ziokulturellen Bestimmungsfaktoren ab, die zu ermitteln und zu berücksichtigen
ein Versorger bereits kaum in der Lage sein dürfte, auf die er bei Ausübung
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seines Gebührengestaltungsermessens und einer dabei unerlässlichen Typisie-
rung aber jedenfalls billigerweise auch keine Rücksicht nehmen muss (OVG
Magdeburg, Urteil vom 1. April 2004 - 1 K 93/03, aaO). Dementsprechend hat
das Berufungsgericht auch keine nachvollziehbare Erklärung dafür geben kön-
nen, warum es die Grenze gerade bei einer Wohnungsgröße von 50 qm gezo-
gen und weitere Größendifferenzierungen abgelehnt hat.
(c) Hiervon ausgehend gibt es - wie der Senat mangels Ersichtlichkeit
weiterer beurteilungsrelevanter tatsächlicher Feststellungen selbst entscheiden
kann - keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte auch unter Billigkeitsge-
sichtspunkten gehindert gewesen wäre, bei Wohnraum den Grundpreis für die
von ihm bereitgestellte Vorhalteleistung allein nach der Anzahl der Wohneinhei-
ten zu bemessen, selbst wenn dies einen vergleichsweise groben, aber mit zu-
mutbarem Aufwand nicht präziser zu erfassenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab
darstellt. Im Gegenteil spricht für die Billigkeit des gewählten Maßstabs gerade
auch seine von der Revision des Beklagten zutreffend hervorgehobene Prakti-
kabilität, die zugleich den Interessen der Gesamtheit aller Anschlussnehmer an
der Verwendung eines möglichst einfachen, leicht handhabbaren und ohne
nennenswerten Aufwand verlässlich überprüfbaren Maßstabs maßgeblich ent-
gegenkommt.
f) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts verstößt eine Bemessung
der Grundgebühr nur nach der jeweiligen Zahl der Wohneinheiten auch nicht
gegen das kommunalabgabenrechtliche Äquivalenzprinzip. Das Äquivalenz-
prinzip besagt als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßig-
keitsgebots, dass eine Gebühr und entsprechend auch der hier in Rede ste-
hende Grundpreis nicht in einem groben Missverhältnis zu der damit abgegol-
tenen Leistung stehen dürfen. Dabei besteht zwar ein weiter Entscheidungs-
und Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Bemessung der Gebühr, mithin einer
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sachgerechten Verknüpfung zwischen dem Wert der Leistung und der Gebüh-
renhöhe. Allerdings wird dieser Spielraum einerseits begrenzt durch das Erfor-
dernis einer Beachtung des Kostendeckungsgrundsatzes, der eine Gebühren-
bemessung verbietet, die sich nicht darauf beschränkt, die Kosten der abzugel-
tenden Leistung ganz oder teilweise zu decken, sondern sich in ihrer Höhe völ-
lig von diesen Kosten entfernt (BVerwG, NVwZ 2003, 1385, 1386 mwN). Ande-
rerseits erfordert das Äquivalenzprinzip bei einem - wie hier - auf Kostende-
ckung abzielenden Entgelt, dass auch der gewählte Verteilungsmaßstab dem
Gleichheitssatz Rechnung trägt (BVerwG, NVwZ-RR 2002, 217, 218).
Dass der Beklagte bei Kalkulation seines Grundpreises gegen das Kos-
tendeckungsprinzip im Sinne eines Kostenüberschreitungsverbots verstoßen
haben könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch die Revision
der Klägerin erinnert dagegen nichts. Ebenso wenig kollidiert - wie bereits vor-
stehend unter II 3 c, e ausgeführt - die hieran anknüpfende Wahl eines bei
Wohngebäuden auf die bloße Zahl der Wohneinheiten ungeachtet ihrer tatsäch-
lichen Nutzung und Größe abstellenden Verteilungsmaßstabes mit dem Gleich-
heitssatz und in dieser Ausprägung auch nicht mit dem Äquivalenzprinzip.
4. Auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, das darauf abzielt, dem
Beklagten die Berechtigung abzusprechen, der Klägerin bei Belieferung der in
Rede stehenden Liegenschaften mit Trinkwasser einen Grundpreis in Rech-
nung zu stellen, der allein an das Vorhandensein von Wohneinheiten anknüpft,
dringt die Revision des Beklagten mit ihrem Klageabweisungsbegehren durch.
a) Allerdings mangelt es - anders als die Revision des Beklagten meint -
dem getroffenen Feststellungsausspruch nicht bereits an der erforderlichen Be-
stimmtheit. Zwar müssen Klageanträge und eine ihnen gemäß § 308 Abs. 1
Satz 1 ZPO folgende Verurteilung nach den daran gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2,
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§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu stellenden Anforderungen so bestimmt sein, dass
Gegenstand und Reichweite des Urteilsausspruchs feststehen. Insbesondere
muss bei einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO das Rechtsverhältnis, des-
sen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt wird, so genau bezeichnet sein,
dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der
Feststellung keinerlei Ungewissheit bestehen kann (BGH, Urteil vom 26. Juni
2008 - I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn. 31 mwN). Bei Verwendung aus sich
heraus noch nicht eindeutiger oder sonst auslegungsbedürftiger Begriffe und
Bezeichnungen ist es aber möglich, zur Bestimmung von Gegenstand und
Reichweite des Ausspruchs das zugrunde liegende Parteivorbringen bezie-
hungsweise Tatbestand und Gründe der Entscheidung ergänzend heranzuzie-
hen (Senatsurteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99, WM 2001, 378 unter
II 3 b; BAG, NJOZ 2012, 1782, 1785; jeweils mwN).
So verhält es sich hier. Denn das Berufungsgericht hat in den Gründen
seiner Entscheidung unter Bezugnahme auf seine Ausführungen zum Zah-
lungsbegehren klargestellt, dass es eine Grundpreisfestsetzung lediglich nach
der Anzahl der Wohneinheiten für undifferenziert erachten wollte, und dass die
erforderliche Differenzierung einzig und allein in einer unterschiedlichen preisli-
chen Behandlung von Wohneinheiten bis zu 50 qm und solchen mit einem dar-
über liegenden Flächenmaß bestehen sollte.
b) Der so zu verstehende Feststellungsausspruch ist jedoch aus den
vorstehend unter II 3 c, d wiedergegebenen Erwägungen unbegründet.
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III.
Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, so-
weit zum Nachteil des Beklagten erkannt ist; es ist daher insoweit aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil keine wei-
teren Feststellungen erforderlich sind und die Sache damit zur Endentschei-
dung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Revision des Beklagten zur
Wiederherstellung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Kosziol
Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 09.05.2011 - 4 O 2233/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 06.05.2014 - 9 U 745/11 -
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