Urteil des BGH vom 20.06.2012

Leitsatzentscheidung zu Zustand der Mietsache, Vermieter, Beendigung, Rückzahlung, Bereicherungsanspruch

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 12/12
Verkündet am:
20. Juni 2012
Ring,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 548 Abs. 2
Zahlt der Mieter aufgrund einer unwirksamen Schönheitsreparaturenklausel an den
Vermieter einen Abgeltungsbetrag für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen, so
unterliegt der sich hieraus ergebende Bereicherungsanspruch des Mieters der kurzen
Verjährung des § 548 Abs. 2 BGB (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom
4. Mai 2011 - VIII ZR 195/10, NJW 2011, 1866).
BGH, Urteil vom 20. Juni 2012 - VIII ZR 12/12 - LG Berlin
AG Berlin-Neukölln
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren ge-
mäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 23. Mai 2012 durch den
Richter Dr. Frellesen als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Milger sowie die Rich-
ter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 65
des Landgerichts Berlin vom 13. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neu-
kölln vom 18. November 2010 (Az.: 7 C 287/10) wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war bis zum 31. August 2007 Mieter einer Wohnung der Be-
klagten in Berlin. Im Mietvertrag vom 18. Januar 1980 ist in den Allgemeinen
Vertragsbestimmungen unter Nr. 5 "Erhaltung der überlassenen Räume" ein
Fristenplan zur Durchführung der Schönheitsreparaturen enthalten und in Ab-
satz 2 unter anderem folgendes geregelt:
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"
(2) …
Das Mitglied ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung der Genossenschaft
von der bisherigen Ausführungsart abzu
weichen…"
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 untersagte die Beklagte dem Kläger we-
gen in der Wohnung anstehender Modernisierungsarbeiten die Durchführung
der Schönheitsreparaturen und forderte stattdessen einen Ausgleichsbetrag in
Höhe von 7.310 €, den der Kläger am 8. August 2007 bezahlte. Mit Schreiben
vom 25. November 2009 und vom 9. Dezember 2009 forderte der Kläger die
Beklagte erfolglos zur Rückzahlung dieses Betrages auf.
Mit der am 23. April 2010 eingereichten und am 15. Juni 2010 zugestell-
ten Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 7.310 € nebst Zinsen
sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwa
ltskosten in Höhe von 661,16 € nebst
Zinsen in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung des geltend ge-
machten Anspruchs.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat -
nachdem der Kläger die Klage in Höhe von 1.775,08 € sowie der geltend ge-
machten Rechtsanwaltskosten zurückgenommen hatte - auf die Berufung des
Klägers der Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in Höhe von
5.534,92 € nebst Zinsen stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-
senen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtli-
chen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von
Interesse - zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte habe den vom Beklagten nach Klagerücknahme noch ge-
forderten Betrag ohne Rechtsgrund erlangt und sei daher gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt.1 BGB zu dessen Rückzahlung verpflichtet. Die vertragliche Rege-
lung über die Schönheitsreparaturen, wonach der Mieter ohne Zustimmung des
Vermieters nicht von der bisherigen Ausführungsart habe abweichen dürfe, sei
unwirksam.
Der Anspruch des Klägers sei entgegen der Auffassung des Amtsge-
richts nicht verjährt. Die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 2 BGB sei auf
die auf Rückzahlung von Abgeltungsbeträgen für nicht ausgeführte Schönheits-
reparaturen gerichteten Bereicherungsansprüche nicht anzuwenden. Denn für
die Frage, ob die gezahlten Abgeltungsbeträge zurückverlangt werden könnten,
spiele der Zustand der Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses keine
Rolle, so dass das zentrale Argument für eine Anwendung des § 548 Abs. 2
BGB entfalle. Dabei werde von der Kammer nicht verkannt, dass Sinn und
Zweck des § 548 Abs. 2 BGB darin liege, die wechselseitigen Ansprüche der
Mietvertragsparteien - auch bereicherungsrechtlicher Natur - nach Beendigung
des Mietverhältnisses möglichst rasch abzuwickeln, und deshalb § 548 Abs. 2
BGB weit auszulegen sei. Zwar sei der Zustand der Mietsache bei der Festle-
gung des Abgeltungsbetrags von Bedeutung, nicht jedoch bei der Entscheidung
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über die Rückforderung desselben. Hier komme es allein auf das Bestehen des
Rechtsgrundes an, welcher bei Unwirksamkeit der Renovierungsklausel fehle.
Auch dass die Mieter, die einen Abgeltungsbetrag bezahlt hätten, in Fol-
ge dieser Entscheidung besser stünden, als die Mieter, die Schönheitsreparatu-
ren aufgrund einer unwirksamen Klausel ausgeführt hätten und nach Erhebung
der Verjährungseinrede durch den Vermieter ihre Aufwendungen nach Ablauf
der in § 548 Abs. 2 BGB bestimmten Frist nicht mehr mit Erfolg zurückfordern
könnten, rechtfertige keine andere Bewertung.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der vom Klä-
ger geltend gemachte Rückforderungsanspruch ist gemäß § 548 Abs. 2 BGB
verjährt.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in
Nr. 5 Abs. 2 des Mietvertrags bestimmte Regelung über die Ausführung von
Schönheitsreparaturen den Mieter unangemessen benachteiligt, weil sie dem
Mieter auch während des Bestehens des Mietverhältnisses eine bestimmte
Ausführungsart vorschreibt (Senatsurteil vom 22. Februar 2012 - VIII ZR
205/11, WuM 2012, 194 Rn. 9 ff. mwN). Damit bestand für die vom Kläger im
August 2007 zur Abgeltung der Schönheitsreparaturen geleistete Zahlung - wie
das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat - kein Rechtsgrund.
2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der aufgrund dessen entstan-
dene Bereicherungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB
sei nicht gemäß § 548 Abs. 2 BGB verjährt, begegnet indes durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
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a) Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen sämtliche Ansprü-
che, die der Mieter wegen der Durchführung von Schönheitsreparaturen gegen
den Vermieter erhebt, der kurzen Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB, mithin
auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (Senatsurteil vom
4. Mai 2011 - VIII ZR 195/10, NJW 2011, 1866 Rn. 13 ff. mwN). Es macht dabei
keinen Unterschied, ob der Mieter - jeweils in Verkennung der Unwirksamkeit
der Renovierungsklausel - die Schönheitsreparaturen selbst durchführt bezie-
hungsweise durchführen lässt und vom Vermieter anschließend den hierfür
aufgewendeten Betrag fordert, oder ob der Mieter an den Vermieter einen Ab-
geltungsbetrag für die nicht durchgeführten Schönheitsreparaturen zahlt. So-
wohl die geldwerte Sachleistung als auch der Abgeltungsbetrag dienen der
Verbesserung der Mietsache und sind deshalb als Aufwendungen auf die Miet-
sache im Sinne des § 548 Abs. 2 BGB anzusehen.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die beiden Fallgestaltungen seien
hinsichtlich der Verjährung deshalb unterschiedlich zu betrachten, weil es sich
bei der Rückforderung eines Abgeltungsbetrags nicht um einen Anspruch han-
dele, der vom Zustand der Mietsache zur Zeit der Rückgabe abhänge, trifft nicht
zu. Auch der Bereicherungsanspruch nach rechtsgrundlos durchgeführter Re-
novierung durch den Mieter selbst ist dem Grunde nach von dem Zustand der
Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses unabhängig. Ungeachtet des-
sen handelt es sich in beiden Fallgestaltungen um Ansprüche, die im Zusam-
menhang mit dem Zustand der Mietsache stehen, denn ihnen ist gemeinsam,
dass es sich bei dem Geldbetrag, der kondiziert werden soll, um eine Aufwen-
dung des Mieters handelt, die er im Zusammenhang mit dem Zustand der Miet-
sache erbracht hat. Über den Ersatz solcher Aufwendungen soll nach dem Sinn
und Zweck des § 548 Abs. 2 BGB - unabhängig von der (anspruchs-)recht-
lichen Einordnung - nach Beendigung des Mietverhältnisses alsbald Klarheit
herrschen (Senatsurteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 195/10, aaO Rn. 14 f.).
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Auch gibt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keinen
sachlichen Grund, der es rechtfertigen würde, den Mieter, der die Mietsache
infolge einer (von ihm unerkannt) unwirksamen Klausel selbst renoviert, hin-
sichtlich der Verjährung seines Bereicherungsanspruchs anders zu behandeln
als den Mieter, der zur Abgeltung einer vermeintlichen Renovierungsverpflich-
tung an den Vermieter einen Geldbetrag zahlt.
b) Das Mietverhältnis der Parteien endete nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts am 31. August 2007. Die sechsmonatige Verjährungsfrist
des § 548 Abs. 2 BGB war daher bei Einreichung der Klage im April 2010 längst
abgelaufen. Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift mit-
hin durch.
III.
Das Berufungsurteil kann nach allem keinen Bestand haben; es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind,
hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der
geltend gemachte Anspruch verjährt ist, hat die Klage keinen Erfolg. Die Beru-
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fung des Beklagten gegen das die Klage abweisende Urteil des Amtsgerichts ist
daher zurückzuweisen.
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Berlin-Neukölln, Entscheidung vom 18.11.2010 - 7 C 287/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 13.12.2011 - 65 S 10/11 -