Urteil des BGH vom 12.11.2014

Leitsatzentscheidung zu Abrechnung, Wohnung, Vermieter, Verbrauch, Mietrecht

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 112/14
Verkündet am:
12. November 2014
Ring
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 556 Abs. 3; HeizkostenVO § 9 Abs. 1
Für die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung ist es ohne
Bedeutung, ob die dort für den jeweiligen Mieter angesetzten Kosten auf abgelese-
nen Messwerten oder einer Schätzung beruhen und ob eine eventuell vom Vermieter
vorgenommene Schätzung den Anforderungen des § 9a Heizkostenverordnung ent-
spricht. Einer Erläuterung der angesetzten Kosten bedarf es nicht.
BGH, Urteil vom 12. November 2014 - VIII ZR 112/14 - LG Mannheim
AG Mannheim
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. November 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger sowie die
Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Mannheim vom 26. März 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist seit 2003 Mieter einer Wohnung in Mannheim. Der Beklag-
te erwarb die Wohnung nach Abschluss des Mietvertrags und trat als Vermieter
in das Mietverhältnis ein.
Der Kläger, der nach den Vereinbarungen im Mietvertrag zu monatlichen
Betriebskostenvorauszahlungen verpflichtet ist, errechnete für den Zeitraum
1. August 2010 bis 31. Juli 2011 ein Betriebskostenguthaben zu seinen Guns-
ten in Hö
he von 485,14 €, dessen Zahlung er mit der Klage verlangt. Der Be-
klagte rechnete über die den genannten Zeitraum betreffenden Betriebskosten
seinerseits am 12. Juli 2012 ab. Diese Abrechnung weist einen Saldo zu seinen
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Gunsten in Höhe von 1.051,44 € aus, auf dessen Zahlung der Beklagte den
Kläger widerklagend in Anspruch nimmt.
Der Beklagte wies am Ende seiner Abrechnung vom 12. Juli 2012 darauf
hin, dass die eingestellten Heizkosten nach dem prozentualen Vorjahresver-
brauch auf 1.651,30 € und die Kosten für Warmwasser nach vergleichbaren
Räumen auf 217,86 € geschätzt worden seien. Nach Auffassung des Klägers
entspricht die Abrechnung vom 12. Juli 2012 nicht den formellen Anforderungen
an eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung, weil er nicht in der Lage
sei, die Abrechnung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Das Amtsgericht hat die Klage und die Widerklage abgewiesen. Das
Landgericht hat die lediglich vom Beklagten eingelegte Berufung zurückgewie-
sen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Betriebskostenabrechnung des Beklagten vom 12. Juli 2012 genüge
den an sie zu stellenden formellen Anforderungen nicht, so dass ein Zahlungs-
anspruch des Beklagten nicht bestehe.
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Formell ordnungsgemäß sei eine Betriebskostenabrechnung, wenn sie
den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspreche, also eine geordne-
te Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben darstelle sowie regelmä-
ßig eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung
der zu Grunde gelegten Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des
Mieters und den Abzug seiner Vorauszahlungen enthalte. Hinsichtlich der Er-
läuterung des Umlageschlüssels sei erforderlich, dass der Vermieter offenlege,
wie sich die jeweiligen Quoten ermittelten.
Anderes gelte allerdings, wenn die angegebenen Verbrauchswerte auf
Schätzungen beruhten. Denn in diesem Fall sei der Wertansatz nicht aus sich
heraus verständlich, so dass auch die Grundlagen der Schätzung anzugeben
seien. Diesen Anforderungen genüge die Abrechnung der Beklagten vom
12. Juli 2012 nicht. Zwar sei in der Abrechnung angegeben, dass die Heizkos-
ten nach dem prozentualen Vorjahresverbrauch und die Warmwasserkosten
nach vergleichbaren Räumen geschätzt worden seien. Diese Angaben ließen
jedoch nicht erkennen, welche der Schätzmethoden nach § 9a Heizkostenver-
ordnung konkret Anwendung gefunden habe.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts entspricht die dem Kläger von dem Beklag-
ten für den Zeitraum 1. August 2010 bis 31. Juli 2011 erteilte Betriebskostenab-
rechnung vom 12. Juli 2012 den formellen Anforderungen.
1. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, ist eine
Betriebskostenabrechnung formell ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen
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Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstel-
lung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Die Angaben in der Betriebskos-
tenabrechnung müssen es dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anste-
henden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an
diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.; z.B. Se-
natsurteile vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 22/13, WuM 2013, 734 Rn. 13; vom
15. Februar 2012 - VIII ZR 197/11, NJW 2012, 1502 Rn. 23 f.; vom 23. Juni
2010 - VIII ZR 227/09, WuM 2010, 493 Rn. 11; jeweils mwN).
2. Diesen Anforderungen wird die Betriebskostenabrechnung des Be-
klagten vom 12. Juli 2012 gerecht.
a) Aus dieser Abrechnung sind sowohl der Gesamtbetrag der umzule-
genden Heiz- und Warmwasserkosten (Heizung 6.483,24
€; Warmwasser
3.171,03 €) als auch der angewendete Umlagemaßstab ersichtlich.
Die Umlage nach Grundkosten (jeweils 30 % der Gesamtkosten) ist je-
weils nach dem Flächenmaßstab erfolgt, wobei sowohl die Gesamtfläche als
auch die Fläche der Wohnung des Klägers angegeben sind, so dass der sich
für ihn ergebende Anteil rechnerisch nachvollziehbar ist.
Bei der Umlage nach Verbrauch (70 % der Gesamtkosten, bei den Heiz-
kosten 4.538,27
€, bei den Warmwasserkosten 2.219,72 €) lässt sich der Ab-
rechnung entnehmen, dass bezüglich der Heizkosten Verbrauchseinheiten und
beim Warmwasser die verbrauchte Warmwassermenge zugrunde gelegt wur-
den.
Auch für die Wohnung des Klägers sind eine konkrete Warmwassermen-
ge (22,82 cbm) angegeben, ferner für jeden Raum in der Wohnung konkrete
Verbrauchseinheiten, deren Summe sich auf 8.260,75 Einheiten beläuft. Da in
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der Abrechnung außerdem die Gesamtsumme aller Verbrauchseinheiten im
Abrechnungsobjekt angegeben ist (22.702,97 Einheiten), kann der als Anteil
des Klägers ausgewiesene Betrag der Verbrauchskosten der Heizung
(1.651,30
€) rechnerisch nachvollzogen werden. Entsprechendes gilt für die
Umlage von 70 % der Warmwasserkosten nach Verbrauch, die nach dem Ver-
hältnis des für die Wohnung des Klägers angegebenen Verbrauchs (22,82 cbm)
zum Gesamtverbrauch (232,51 cbm) im Abrechnungsobjekt verteilt wurden.
Eine in diesem Sinne verstandene Nachvollziehbarkeit genügt für die formelle
Ordnungsgemäßheit der Abrechnung.
Dass die für die Wohnung des Klägers angesetzten Verbrauchseinheiten
nicht auf abgelesenen Werten beruhen, sondern aufgrund einer "prozentualen
Schätzung aufgrund des Vorjahresverbrauchs" ermittelt worden sind und die als
Verbrauch angesetzte Warmwassermenge nicht auf einer Messung, sondern
auf "einer Schätzung anhand vergleichbarer Räume" beruht, rechtfertigt keine
andere Beurteilung.
b) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung und einer in der
Instanzrechtsprechung (AG Berlin-Schöneberg, WuM 1978, 23; AG Neuruppin,
WuM 2004, 538, 539; LG Berlin, GE 2007, 1190; LG Berlin, GE 2011, 612;
AG Berlin-Charlottenburg, GE 2011, 756, 757; AG Köln, WuM 2012, 582;
AG Berlin-Tiergarten, WuM 2012, 618, 619; OLG Köln, Urteil vom 25. Juli 2014
- 1 U 45/13, BeckRS 2014, 18065 unter II 2 c bb [zum Gewerberaum]) und im
Schrifttum (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 11. Aufl., § 9a HeizKV Rn. 30;
Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. V 523; Staudinger/Weitemeyer, BGB,
Neubearb. 2014, Anhang B zu § 556c BGB - HeizkostenV Rn. 9) vertretenen
Ansicht, sind an die formelle Ordnungsgemäßheit einer Heizkostenabrechnung
keine weitergehenden Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss der Ver-
mieter nicht bereits auf dieser Ebene darlegen und erläutern, auf welche Weise
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er in Fällen einer in der abzurechnenden Wohnung unterbliebenen Ver-
brauchsablesung die dann gemäß § 9a Abs. 1 Heizkostenverordnung als Ver-
brauchswerte dieser Wohnung anzusetzenden Werte im Einzelnen ermittelt hat.
Es bedarf insoweit weder einer Beifügung der Vorjahresabrechnung, aus der
die damals ermittelten Werte ersichtlich sind, noch weiterer Angaben oder Er-
läuterungen, anhand derer der Mieter die materielle Richtigkeit des für ihn an-
gesetzten Werts im Einzelnen nachvollziehen kann, denn damit würde die Ab-
rechnung überfrachtet (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2008 - VIII ZR 261/07,
NJW 2008, 2260 Rn. 14; ähnlich: Lützenkirchen/Lützenkirchen, Mietrecht 2013,
§ 9a HeizKV Rn. 3; Langenberg, Betriebskostenrecht, 7. Aufl., Rn. K 250). Für
die formelle Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung ist es ohne
Bedeutung, ob die dort für den jeweiligen Mieter angesetzten Kosten auf abge-
lesenen Messwerten oder einer Schätzung beruhen und ob eine eventuell vom
Vermieter vorgenommene Schätzung den Anforderungen des § 9a Heizkosten-
verordnung entspricht.
III.
Nach allem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist auf-
zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist,
ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-
rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich
- von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig - bisher nicht mit der materiellen
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Richtigkeit der Abrechnung des Klägers vom 12. Juli 2012 beschäftigt. Dies
wird nachzuholen sein.
Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider
Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 26.07.2013 - 10 C 125/13 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 26.03.2014 - 4 S 99/13 -