Urteil des BGH vom 24.02.2011

Leitsatzentscheidung zu Abnahme des Werkes, Dachgeschoss, Erfüllung, Verjährungsfrist, Besteller

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 61/10 Verkündet
am:
24. Februar 2011
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 634a n.F., 635 a.F.
Der Schadensersatzanspruch gegen den Architekten gemäß § 635 BGB a.F.
verjährt nach § 634a BGB n.F., sofern diese Vorschrift gemäß Art. 229 § 6
Abs. 1 EGBGB anwendbar ist. Die Verjährung beginnt erst, wenn die Abnahme
erfolgt ist oder Umstände gegeben sind, nach denen eine Erfüllung des Vertra-
ges nicht mehr in Betracht kommt (im Anschluss an BGH, Urteil vom
8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 = NZBau 2010, 768 = ZfBR
2010, 773).
BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - VII ZR 61/10 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
- 2 -
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den
Richter Dr. Kuffer, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick und den
Richter Halfmeier
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. März 2010 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin
entschieden worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin nimmt den beklagten Architekten auf Schadensersatz in An-
spruch.
2
Die Klägerin ließ ab 1990 Um- und Erweiterungsarbeiten an einem
Wohn- und Geschäftshaus ausführen. Nachdem die zunächst beauftragten Ar-
chitekten ihre Tätigkeit im September 1991 beendet hatten, wurde der Beklagte
für die Klägerin tätig. Im April 1992 schlossen die Parteien einen schriftlichen
Architektenvertrag, in dem dem Beklagten die Leistungen gemäß den Leis-
- 3 -
tungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI in der damals gültigen Fassung
übertragen wurden. Im Zuge dieser Baumaßnahme wurde ein sich über mehre-
re Stockwerke erstreckender Wintergarten an das Gebäude angebaut. Dieser
Wintergarten weist im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss eine unzu-
reichende Wärmedämmung und eine fehlerhafte Konstruktion auf. In der im
Dachgeschoss gelegenen, die letzte Etage des Wintergartenanbaus umfassen-
den Wohnung sind Feuchtigkeit und Schimmelpilz aufgetreten.
3
Der Beklagte hat seit Ende 1995 keine Architektenleistungen mehr für
die Klägerin erbracht. Diese hat die Leistungen des Beklagten erst während des
laufenden Berufungsverfahrens vorbehaltlich von Mängelrechten abgenommen.
4
Die Klägerin hat den Beklagten mit der im Jahr 2002 erhobenen Klage
u.a. wegen der mangelhaften Ausführung des Wintergartens auf Zahlung der
für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten in Anspruch genommen. Mit
am 2. März 2006 eingegangenem Schriftsatz vom 27. Februar 2006 hat sie die
Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten wegen der Mängel des Wintergar-
tens über das Zahlungsbegehren hinaus beantragt. Außerdem hat sie mit der
Begründung, die Dachgeschosswohnung sei wegen der Mängel unbewohnbar,
Schadensersatz wegen entgangenen Mietzinses für die Zeit ab 1. Juli 1995 ge-
fordert. Insoweit hat sie zunächst 35.700 € und später mit Schriftsatz vom
4. Juni 2008 weitere 11.100 € beansprucht. Des Weiteren hat sie beantragt
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 1. Juli 2008 bis zur Her-
stellung der Bewohnbarkeit der Dachgeschosswohnung monatlich 300 € zu
zahlen. Der Beklagte hat Verjährung eingewandt.
Das Landgericht hat der Klägerin Ersatz für die Kosten der Mängelbesei-
tigung zugesprochen und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr über
die insoweit bezifferten Schadensersatzansprüche hinaus jeden wegen unzu-
reichender Wärmedämmung und fehlerhafter Konstruktion des Wintergartens
5
- 4 -
im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss entstandenen und noch ent-
stehenden Schaden und Folgeschaden zu ersetzen. Die weitergehende Klage
hat es wegen Verjährung abgewiesen. Die gegen die Abweisung der Klage ein-
gelegte Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen und
auf die Berufung des Beklagten die Feststellungsklage abgewiesen. Mit der
vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre abgewiesenen Kla-
geansprüche insgesamt weiter.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum
Nachteil der Klägerin entschieden worden ist, und insoweit zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Rechtsverhältnis der Parteien sind mit Ausnahme der Verjäh-
rungsvorschriften (Art. 229 § 6 EGBGB) die bis 31. Dezember 2001 geltenden
Rechtsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches anwendbar (Art. 229 § 5
Satz 1, § 6 EGBGB).
7
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe gegen den
Beklagten ein Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB a.F. zu. Der Beklag-
te habe die ihm obliegende Bauüberwachungspflicht schuldhaft verletzt und
hafte daher für den sich aus der mangelhaften Errichtung der Wintergartenan-
bauten im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss ergebenden Schaden.
8
- 5 -
Der erst im Jahr 2006 geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der
Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz wegen unzureichender Wär-
medämmung und fehlerhafter Konstruktion des Wintergartens in der Wohnung
im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss sei jedoch verjährt. Gleiches
gelte für die Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen entgangener Miet-
einnahmen in der bis 30. Juni 2008 bezifferten Höhe von 46.800 € und den für
die Folgezeit gestellten Feststellungsantrag. Der Beklagte, der die Einrede der
Verjährung erhoben habe, könne daher die Erfüllung dieser Ansprüche verwei-
gern.
9
10
Die Klägerin habe die Architektenleistungen (zunächst) nicht abgenom-
men und damit die fünfjährige Gewährleistungsfrist nicht in Gang gesetzt. Die
Abnahme sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Klägerin habe zwar
wegen der Mängel am Wintergarten bereits im Jahre 1997 Schadensersatzan-
sprüche geltend gemacht und mit einem Teilbetrag gegen den Honoraran-
spruch des Beklagten aufgerechnet. Dies habe aber nicht zum Untergang des
Erfüllungsanspruchs geführt, weil sie weiterhin Erfüllung des Architektenver-
trags, insbesondere der Leistungsphase 9 des § 15 Abs. 2 HOAI a.F., vom Be-
klagten verlangt habe.
Mangels Abnahme der Architektenleistungen habe die Verjährungsfrist
nach § 195 BGB a.F. 30 Jahre betragen. Seit Inkrafttreten der Schuldrechtsre-
form betrage diese Frist gemäß § 195 BGB n.F. nur noch drei Jahre und sei ab
dem 1. Januar 2002 zu berechnen. Da die Klägerin seit Dezember 1997 Kennt-
nis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuld-
ners gehabt habe, sei die dreijährige Verjährungsfrist Ende 2004 abgelaufen.
Die erst danach geltend gemachten Ansprüche seien daher verjährt.
11
- 6 -
II.
Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Begrün-
dung des Berufungsgerichts trägt die Abweisung der Klageforderungen wegen
Verjährung nicht.
12
1. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht der Klägerin ge-
gen den Beklagten wegen schuldhafter Verletzung der Bauüberwachungspflicht
gemäß § 635 BGB a.F. ein Anspruch auf Ersatz des Schadens zu, der auf die
unzureichende Wärmedämmung und die fehlerhafte Konstruktion des Winter-
gartens im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss zurückzuführen ist.
13
14
2. Unzutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Schadens-
ersatzanspruch der Klägerin sei mit dem 31. Dezember 2004 verjährt.
15
a) Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die mit der Klage geltend
gemachten Schadensersatzansprüche mangels Abnahme der 30-jährigen Re-
gelverjährung des § 195 BGB a.F. unterlagen. Es folgt damit der früheren
Rechtsprechung des Senats zu den Fällen, in denen der Besteller Schadenser-
satz nach § 635 BGB a.F. verlangte, ohne die Architektenleistungen abgenom-
men oder die Abnahme endgültig verweigert zu haben. Der Senat hatte ent-
schieden, dass für diesen, eine Abnahme nicht voraussetzenden Gewährleis-
tungsanspruch die 30-jährige Verjährung gelte. Die fünfjährige Verjährungsfrist
des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. greife nicht ein, weil sie gemäß § 638 Abs. 1
Satz 2 BGB a.F. erst mit der Abnahme bzw. deren endgültiger Verweigerung zu
laufen beginne (BGH, Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 162/97, BauR
2000, 128, 129 = NZBau 2000, 22 = ZfBR 2000, 97).
b) Der Senat hat insoweit seine Rechtsprechung nach Erlass des Beru-
fungsurteils geändert. Er hat mit Urteil vom 8. Juli 2010 (VII ZR 171/08, BauR
2010, 1778 = NZBau 2010, 768 = ZfBR 2010, 773) darauf hingewiesen, dass
16
- 7 -
Ansprüche wegen Mängeln einer Werkleistung aufgrund von Verträgen, die vor
dem 1. Januar 2002 geschlossen worden sind, bereits vor der Abnahme ent-
stehen können. Er hat zudem entschieden, dass der Lauf der Verjährungsfrist
für diese Ansprüche nach § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. zu bestimmen ist und
grundsätzlich erst mit der Abnahme beginnt. Gleiches gilt, wenn der Besteller
das Werk zwar nicht abgenommen hat, er aber gleichwohl keine Erfüllung des
Vertrages mehr verlangt oder das vertragliche Erfüllungsverhältnis aus anderen
Gründen in ein Abwicklungs- und Abrechnungsverhältnis umgewandelt wird.
Das gilt auch für die Verjährung des auf Schadensersatz gerichteten Anspruchs
gegen den Architekten wegen fehlerhafter Leistungen, die sich bereits im Bau-
werk verkörpert haben. Dieser nach § 635 BGB a.F. zu ersetzende Mangelfol-
geschaden unterfällt ebenfalls der Verjährungsregelung des § 638 Abs. 1
Satz 1 BGB a.F.
An dieser neuen Rechtsprechung hält der Senat fest. Auf am
1. Januar 2002 bestehende und noch nicht verjährte Ansprüche sind gemäß
Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches in
der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden, soweit nicht der
Beginn, die Hemmung, die Ablaufhemmung und der Neubeginn der Verjährung
vor dem 1. Januar 2002 zu beurteilen sind. Auf die Verjährung eines am
1. Januar 2002 noch nicht verjährten Schadensersatzanspruchs gemäß § 635
BGB a.F. findet § 634a BGB n.F. Anwendung. Zwar wird diese Vorschrift in
§ 634 BGB n.F., auf den § 634a Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. Bezug nimmt, nicht
erwähnt. Das liegt aber lediglich daran, dass die Anspruchsgrundlagen wegen
Mängeln (§ 633 Abs. 2 Satz 1, § 635 i.V.m. § 634 BGB a.F.) aus Verträgen, die
vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden sind, überhaupt nicht genannt
werden, obwohl sie nach der Systematik des Gesetzes den neuen Verjährungs-
regelungen unterfallen. Deshalb gehört auch der gemäß § 635 BGB a.F. ent-
standene Schadensersatzanspruch wegen Mängeln zu den in § 634a Abs. 1
17
- 8 -
BGB n.F. in Bezug genommenen Ansprüchen. Denn bei diesem Anspruch han-
delt es sich ebenso wie bei den in § 634 Nr. 4 BGB n.F. erwähnten Ansprüchen
um einen Schadensersatzanspruch wegen Mängeln. Der Umstand, dass ein
solcher Anspruch nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht auch
vor der Abnahme entstehen konnte, ändert daran nichts. Ob die Entstehung
von Ansprüchen gemäß § 634 BGB n.F., der auf nach dem 31. Dezember 2001
geschlossene Verträge anwendbar ist, die Abnahme des Werkes voraussetzt,
spielt hierfür keine Rolle und kann weiterhin offen bleiben (vgl. BGH, Urteil vom
8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 = NZBau 2010, 768 = ZfBR
2010, 773).
III.
Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Senat
kann nicht selbst darüber entscheiden, ob der Anspruch verjährt ist. Die Ab-
nahme der Architektenleistungen, die nach § 634a Abs. 2 BGB n.F. Vorausset-
zung für den Beginn der Verjährung ist, ist erst während des Berufungsverfah-
rens erfolgt. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob
davor Umstände gegeben waren, nach denen eine Erfüllung des Vertrages
nicht mehr in Betracht kam. Insoweit hat es lediglich darauf hingewiesen, dass
in dem Verlangen nach Schadensersatz im Jahr 1997 keine Erfüllungsverwei-
gerung gelegen habe, weil die Klägerin noch Leistungen der Leistungsphase 9
nach § 15 Abs. 2 HOAI a.F. gefordert habe. Diese Ausführungen begegnen kei-
nen Bedenken. Soweit der Senat im Urteil vom 8. Juli 2010 (aaO Rn. 23) aus-
geführt hat, in den Fällen, in denen die Ansprüche des Bestellers auf Wande-
lung, Minderung oder Schadensersatz ausnahmsweise nicht von der Bestim-
mung einer Mängelbeseitigungsfrist abhingen, führe spätestens die Geltendma-
chung eines dieser Rechte zum Beginn der Verjährung, hat er die Fälle im Blick
18
- 9 -
gehabt, in denen ansonsten keine Erfüllung des Vertrages mehr in Betracht
kommt. Gleiches gilt für die Erwägungen, nach denen der Erfüllungsanspruch
nach einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erlischt.
Der Umstand, dass die Klägerin im Jahre 1997 noch Erfüllung des Ver-
trages gefordert hat, schließt es nicht aus, dass das Vertragsverhältnis in einem
Zeitraum von mehr als fünf Jahren vor Erweiterung der Klage im Jahre 2006 in
ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet worden ist. Das kann vor allem dann der
Fall sein, wenn Leistungen der Leistungsphase 9 nach § 15 Abs. 2 HOAI a.F.
und auch sonstige Erfüllungsleistungen aus dem Architektenvertrag nicht mehr
in Betracht kamen.
19
20
Ist die Klage in unverjährter Zeit im Jahre 2006 erweitert worden, ist da-
mit auch die Verjährung der erst im Jahre 2008 erhobenen Ansprüche gemäß
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. gehemmt worden. Denn insoweit handelt es sich
- 10 -
um wegen unzureichender Wärmedämmung und fehlerhafter Konstruktion des
Wintergartens im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss entstandene
Folgeschäden, die von dem Feststellungsantrag erfasst werden.
Kniffka
Kuffer
Safari
Chabestari
Eick Halfmeier
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 24.10.2008 - 3 O 107/02 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 09.03.2010 - 19 U 100/09 -