Urteil des BGH vom 23.04.2015

Rechtliches Gehör, Montage, Zusage, Lieferung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V I I Z R 1 6 3 / 1 4
vom
23. April 2015
in dem Rechtsstreit
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. April 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
und die Richterinnen Graßnack und Sacher
beschlossen:
Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion wird stattgegeben.
Der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln
vom 23. Juni 2014 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 98.563,05
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Werklohn aus einem
Vertrag über die Lieferung und Montage eines Wohnblockhauses in Anspruch.
Die Klägerin erstellt Fertighäuser. Die Beklagten traten im Jahr 2010 an
die Klägerin heran, da sie auf einem Grundstück ein nicht unterkellertes Wohn-
blockhaus errichten lassen wollten. Es schloss sich eine mehrmonatige Pla-
nungsphase an.
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Am 29. Juni 2012 unterzeichneten die Parteien einen schriftlichen Ver-
trag über die Lieferung und Montage eines Wohnblockhauses zum Festpreis
von 160.714
€ einschließlich 19 % Umsatzsteuer. In diesem Vertrag ist in der
Rubrik "Sonstiges" unter anderem Folgendes vermerkt:
"Vorbehaltlich Finanzierung."
Am 19. Dezember 2012 reichten die Beklagten bei der S.-Bank einen Fi-
nanzierungsantrag über 294.446
€ ein.
Am 9. Januar 2013 übergaben die Beklagten der Klägerin ein unter-
schriebenes Bemusterungsprotokoll.
Mit E-Mail-Schreiben vom 9. Januar 2013 bedankte sich die Klägerin für
dessen Übersendung, berechnete unter Berücksichtigung von Änderungen, die
sich aufgrund der Bemusterung ergeben hatten, die aktuelle Auftragssumme
mit 205.772
€ einschließlich 19 % Umsatzsteuer und übersandte den Beklagten
einen neuen Vordruck für die Finanzierungsbestätigung. In diesem Schreiben
heißt es unter anderem:
"Bitte geben Sie uns diesen Vordruck von Ihrer Bank unterzeich-
net schnellstmöglich wieder zurück, damit wir mit der Fertigung Ih-
res Hauses beginnen können."
Am 11. Januar 2013 fand eine Besprechung zwischen den Parteien statt,
deren Inhalt und Ergebnis streitig sind.
Die Klägerin begann Anfang des Jahres 2013 mit den Fertigungsarbei-
ten.
Am 24. Januar 2013 fragte die Klägerin bei den Beklagten an, ob die Fi-
nanzierungsbestätigung vorliege. Hierauf baten die Beklagten die Klägerin unter
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Verweis auf die noch nicht vorliegende Finanzierungsbestätigung, die Arbeiten
an ihrem Haus zunächst zurückzustellen.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2013 teilte die S.-Bank den Beklagten mit:
"
… am 25.01.2013 haben Sie eine Nachfinanzierung in Höhe von
64.277,00
€ beantragt, die den bereits laufenden Finanzierungs-
antrag vom 19.12.2012 für das Bauvorhaben
… L. … auf insge-
samt 358.723,00
€ erhöht.
Aufgrund der vorliegenden Informationen ist eine Kreditvergabe
zur Zeit leider nicht möglich."
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Januar 2013 nahmen die Beklagten
von der Durchführung des Bauvorhabens Abstand und erklärten vorsorglich
Rücktritt, Kündigung und Anfechtung des Vertrags.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe nach § 649 BGB ein Anspruch
a
uf Vergütung in Höhe von 98.563,05 € zu. Diesen Betrag hat sie mit der Klage
geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Beru-
fungsgericht nach vorangegangenem Hinweisbeschluss mit einstimmigem Be-
schluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung
der Revision in diesem Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwer-
de, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.
II.
1. Das Berufungsgericht führt, soweit für die Beschwerde von Bedeu-
tung, im Wesentlichen aus, das Landgericht habe das Zustandekommen eines
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die Beklagten als Besteller bindenden Werkvertrags zu Recht verneint. Der
schriftliche Vertrag vom 29. Juni 2012 habe unter der Bedingung der Finanzier-
barkeit durch die Beklagten als Bauherren gestanden. Tatsächlich sei eine Zu-
sage über die Finanzierung der Auftragssumme von der Bank der Beklagten
nicht erteilt worden. Das Landgericht habe hierzu festgestellt, dass die Beklag-
ten unter dem 19. Dezember 2012 eine Finanzierungszusage mit einem Volu-
men von 294.446
€ beantragt hatten. Diesem Finanzierungsantrag habe die
von den Beklagten kontaktierte S.-Bank indes nicht entsprochen. Das ergebe
sich aus deren Schreiben vom 23. April 2013, in welchem es heiße, dass die
Finanzierungsanfrage bis zur schriftlichen Ablehnung bearbeitet worden sei und
es zu keinem Zeitpunkt eine mündliche oder schriftliche Zusage gegeben habe.
Ein Wegfall des vereinbarten "Vorbehalts der Finanzierung" sei nicht ein-
getreten. Das Vorbringen der Klägerin reiche nicht aus, eine solche die bisheri-
ge Vertragsvereinbarung abändernde Vereinbarung der Parteien am
11. Januar 2013 darzutun. Zwar könnte ein Verzicht auf das Erfordernis einer
Finanzierungszusage erwogen werden, sofern die Beklagten eine Ausführung
des Auftrags "ohne Wenn und Aber" gewünscht hätten, wie die Klägerin be-
haupte. Die Äußerung eines solchen Wunsches durch die Beklagten und des-
sen Annahme durch die Klägerin sei jedoch nicht in rechtlich erheblicher Weise
dargetan.
Dem Vortrag der Klägerin zur Erteilung eines unbedingten Fertigungsauf-
trags stehe der Inhalt der E-Mail-Nachfrage der Klägerin vom 24. Januar 2013
nach dem Vorliegen einer Finanzierungsbestätigung entscheidend entgegen.
Zwar bringe die E-Mail-Rückantwort des klägerischen Mitarbeiters F. vom
24. Januar 2013, 11.41 Uhr zum Ausdruck, dass die Beklagten am 22. Januar
2013 erklärt haben sollen, die Sache sei bei der Bank durch, woraufhin dann für
den 4. Februar 2013 ein Liefertermin vereinbart worden sei. Diesen Ausführun-
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gen zur mündlichen Erteilung eines unbedingten, vom Finanzierungsvorbehalt
losgelösten Fertigungs- und Lieferauftrags der Beklagten und dem darauf fu-
ßenden Prozessvorbringen der Klägerin stehe indes nicht nur die E-Mail-
Nachfrage vom 24. Januar 2013, 08.19 Uhr, sondern auch der Inhalt des vor-
prozessualen Schreibens der Klägerin vom 1. Februar 2013 entgegen. In die-
sem Schreiben werde ausgeführt, dass seitens der Beklagten die Finanzierung
als geklärt und eine Abholung der Bankbestätigung für den kommenden Montag
angekündigt worden sei, indes gleichwohl auch in der folgenden Woche keine
Bestätigung vorgelegt worden sei. Hätte es eine mündliche Einigung über den
Wegfall des Finanzierungsvorbehalts gegeben, wäre nicht erklärlich, dass die
Klägerin ausdrücklich dazu Nachfrage halte. Soweit die Beklagten die Finanzie-
rungsbestätigung als geklärt bezeichnet haben sollten, führe das nicht zur An-
nahme einer Vereinbarung der Parteien über deren Wegfall.
2. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision
führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Berufungsgericht, § 544 Abs. 7 ZPO. Der Beschluss
des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 2 ZPO verletzt den Anspruch der
Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise, Art. 103
Abs. 1 GG.
a) Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt
gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl.
BGH, Beschluss vom 29. April 2013 - VII ZR 37/12, juris Rn. 9; BVerfG,
NJW 2009, 1585 Rn. 21). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Ge-
richt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ab-
lehnung eines Beweisantrags für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist,
wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt
werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (vgl. BVerfG,
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ZIP 1996, 1761, 1762; BGH, Urteil vom 23. April 1991 - X ZR 77/89, NJW 1991,
2707, 2709; Urteil vom 12. Juli 1984 - VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, 2889).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall eine Ver-
letzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör vor. Das von der
Klägerin unter Zeugenbeweis (Zeugin D.) gestellte Vorbringen im Schriftsatz
vom 16. Mai 2014, Seite 2-4, Blatt 195-197 d.A., wonach die Beklagten bei der
Besprechung am 11. Januar 2013 vom Finanzierungsvorbehalt des Vertrags
Abstand genommen hätten und die Vertragsdurchführung wünschten, weil das
Finanzierungsthema für sie erledigt gewesen sei, woraufhin der Geschäftsfüh-
rer der Klägerin seinerseits von der Vorlage der Finanzierungsbestätigung ab-
gesehen und die Vertragsdurchführung zugesichert habe, ist erheblich. Die Be-
rücksichtigung dieses Beweisangebots kann nicht mit der Begründung unter-
bleiben, das betreffende Vorbringen der Klägerin stehe zu anderweitiger Kor-
respondenz der Klägerin im Widerspruch. Die Nichtberücksichtigung eines er-
heblichen Beweisangebots wegen derartiger vermeintlicher Widersprüche läuft
auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswür-
digung hinaus und verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss
vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 11; Beschluss vom
19. November 2008 - IV ZR 341/07, RuS 2010, 64 Rn. 3). Derartige Widersprü-
che können im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden (vgl. BGH, Be-
schluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 11).
c) Auf dem Verfahrensverstoß kann die angefochtene Entscheidung des
Berufungsgerichts auch beruhen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das
Berufungsgericht bei Erhebung des genannten Zeugenbeweises angenommen
hätte, der im Vertrag vom 29. Juni 2012 enthaltene Finanzierungsvorbehalt sei
aufgrund des am 11. Januar 2013 zwischen den Parteien Vereinbarten hinfällig
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geworden. Des Weiteren ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht
eine für die Klägerin günstigere Entscheidung getroffen hätte.
3. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht im Übrigen Gele-
genheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen der Klägerin in der Nicht-
zulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen.
Eick
Kartzke
Jurgeleit
Graßnack
Sacher
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 28.08.2013 - 7 O 84/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.06.2014 - 11 U 128/13 -
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