Urteil des BGH vom 11.11.2011

Leitsatzentscheidung zu Kostenverteilung, Kostenbefreiung, Anwendungsbereich, Mehrheit, Reduktion

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 65/11
Verkündet am:
11. November 2011
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2; § 22 Abs. 1
a) Stimmt ein Wohnungseigentümer einer baulichen Maßnahme gemäß § 22
Abs. 1 WEG nicht zu, ist er gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG von
den damit verbundenen Kosten befreit; es kommt nicht darauf an, ob seine
Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich war oder
nicht.
b) Er kann die Kostenfreistellung auch nach Bestandskraft des Beschlusses
über die Durchführung der baulichen Maßnahme verlangen, sofern der Be-
schluss die Kostenverteilung nicht abschließend regelt.
BGH, Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 65/11 - LG München I
AG München
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer
des Landgerichts München I vom 28. Februar 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
München vom 23. September 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemein-
schaft. Auf der Eigentümerversammlung vom 7. November 2007 beschlossen
die Eigentümer unter TOP 4 mehrheitlich die Sanierung des gemeinschaftlichen
Schwimmbads, das nicht nur instandgesetzt, sondern zugleich unter Einbezie-
hung eines Teils der ehemaligen Hausmeisterwohnung um einen Ruheraum
erweitert werden sollte. Gleichzeitig beschlossen die Miteigentümer für diese
Maßnahmen eine nach Miteigentumsanteilen bemessene Sonderumlage. Bei-
den Beschlüssen stimmte der Kläger nicht zu. Seine gegen sie gerichtete An-
fechtungsklage war erfolglos, weil die Klagefrist nicht eingehalten war. In der
Eigentümerversammlung vom 20. April 2010 genehmigten die Eigentümer unter
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TOP 2 mehrheitlich die Jahresabrechnung. In der Gesamtabrechnung waren
die Kosten der Schwimmbadsanierung und -erweiterung ohne eine darauf be-
zogene Differenzierun
g mit insgesamt 68.024,60 € enthalten, die in den jeweili-
gen Einzelabrechnungen nach Miteigentumsanteilen verteilt wurden. Auf den
Kläger entfielen insgesamt 8.618,00
€. Auf seine Anfechtungsklage hat das
Amtsgericht den Beschluss zu TOP 2 für ungültig erklärt, soweit er die Einzel-
abrechnungen 2009 bezüglich der Verteilung der Gesamtkosten für die
Schwimmbadsanierung und -erweiterung betrifft. Auf die Berufung der Beklag-
ten hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts geändert und die Klage
abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklag-
ten beantragen, will der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Ur-
teils erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem in NZM 2011, 368 ff.
abgedruckt ist, meint, die 2007 gefassten Beschlüsse enthielten keine Vorga-
ben für die spätere Kostenverteilung. Die Kosten für die Schwimmbadsanierung
habe der Kläger - was er nicht in Abrede stelle - ohnehin gemäß § 16 Abs. 2
WEG anteilig zu tragen. Nichts anderes gelte für die mit der Schwimmbaderwei-
terung verbundenen Kosten. Allerdings sei die Maßnahme insoweit nicht recht-
mäßig beschlossen worden, weil gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Nr. 1
WEG die Zustimmung des Klägers erforderlich gewesen sei. Dennoch trete zu
seinen Gunsten keine Kostenbefreiung gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2
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WEG ein, weil diese Vorschrift nach der Gesetzessystematik nur diejenigen
Eigentümer betreffe, deren Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14
Nr. 1 WEG entbehrlich sei. Die Zulässigkeit der Maßnahme ergebe sich in Fäl-
len wie dem vorliegenden nicht aus § 22 Abs. 1 WEG, sondern aus der Be-
standskraft des Beschlusses über die Durchführung der Maßnahme. Mit dem
Wortlaut von § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG sei dies vereinbar, weil der
nicht zustimmende Eigentümer mangels rechtzeitiger Anfechtung so zu behan-
deln sei, als habe er zugestimmt. Jedenfalls sei die Vorschrift nach ihrem Sinn
und Zweck teleologisch zu reduzieren.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punk-
ten stand.
1. Eine Kostenbefreiung für den Kläger setzt voraus, dass die Schwimm-
baderweiterung eine bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG
darstellt. § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG ist nämlich weder auf Maßnah-
men der ordnungsgemäßen Instandsetzung und Instandhaltung gemäß § 21
Abs. 5 Nr. 2 WEG anwendbar (Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 202/10,
NJW 2011, 2660 Rn. 15) noch auf Maßnahmen gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1
WEG (Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 22 Rn. 350; Jennißen in Jennißen,
WEG, 2. Aufl., § 16 Rn. 153; Timme/Bonifacio, WEG, § 22 Rn. 259).
2. Insoweit zutreffend sieht das Berufungsgericht die Erweiterung des
Schwimmbads als eine solche bauliche Veränderung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1
WEG an. Denn aufgrund der Umgestaltung des zuvor anderweitig genutzten
Raumes war dieser Teil der Maßnahme keine modernisierende Instandsetzung
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im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG. Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme,
dass sie nicht § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG i.V.m. § 559 Abs. 1 BGB unterfiel. Aller-
dings erlaubt § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG infolge der Verweisung auf § 559 Abs. 1
BGB die Beschlussfassung durch qualifizierte Mehrheit in mehreren, unter-
schiedlichen Fallvarianten und hat hierdurch einen weiten Anwendungsbereich
(vgl. Häublein, NZM 2007, 752, 759). Zudem gibt die angeordnete entspre-
chende Heranziehung der mietrechtlichen Regelung des § 559 Abs. 1 BGB
nach der Rechtsprechung des Senats Raum für eine großzügigere Handha-
bung des Modernisierungsbegriffes (Urteil vom 18. Februar 2011 - V ZR 82/10,
NZM 2011, 281 Rn. 9). Im Hinblick auf die hier alleine in Betracht kommende
Alternative einer Maßnahme, die den „Gebrauchswert (…) nachhaltig erhöht“
(§ 22 Abs. 2 Satz 1 WEG i.V.m. § 559 Abs. 1 Alt. 1 BGB) genügt es, dass die
Maßnahme aus der Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers eine sinn-
volle Neuerung darstellt, die voraussichtlich geeignet ist, den Gebrauchswert
der Sache nachhaltig zu erhöhen (Senat, aaO.). Die Mehrheitsmacht umfasst
dagegen nicht eine Umgestaltung der Wohnanlage, die deren bisherige Eigen-
art ändert, wie etwa einen Anbau, eine Aufstockung, einen Abriss von Gebäu-
deteilen oder vergleichbare Änderungen (BT-Drucks. 16/887 S. 30). Danach
hält sich die Einschätzung des Berufungsgerichts, wonach die Einbeziehung
des zuvor anders genutzten Raumes in den Schwimmbadbereich keine ge-
brauchswerterhöhende Maßnahme darstellt, in den Grenzen des revisionsrecht-
lich nur eingeschränkt nachprüfbaren tatrichterlichen Ermessens. Dies gilt auch
für die Annahme, die Schwimmbaderweiterung beeinträchtige Rechte des Klä-
gers über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus mit der Folge, dass
seine Zustimmung zu der Erweiterung des Schwimmbads erforderlich gewesen
wäre. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Be-
schluss über die Sonderumlage dahingehend ausgelegt hat, dass er keine ab-
schließende Regelung der Kostenverteilung enthielt.
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3. Infolgedessen richtet sich die Verteilung der Kosten nach § 16 Abs. 2
und Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG. Ob die in § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2
WEG vorgesehene Kostenbefreiung auch zugunsten derjenigen Wohnungsei-
gentümer eintritt, die der Maßnahme nicht zugestimmt haben, obwohl dies ge-
mäß § 14 Nr. 1 WEG erforderlich gewesen wäre, ist umstritten. Die überwie-
gende Ansicht sieht die Erforderlichkeit der Zustimmung für die spätere Kosten-
befreiung als unerheblich an (OLG Düsseldorf, NZM 2006, 109 f.; OLG Hamm,
NJW-RR 1997, 970, 971; OLG München, ZMR 2008, 905; Becker in Bärmann,
WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 141; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 16
Rn. 153; anders als in der Vorauflage auch Niedenführ in Niedenführ
/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 16 Rn. 86; Riecke/Schmid/Elzer,
WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 284; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 16 WEG Rn. 256;
Timme/Bonifacio, WEG, § 16 Rn. 237; Becker, ZWE 2011, 231 f.; Blankenstein,
DWE 2011, 87, 91 f.; Gottschalg, NZM 2004, 529 f.). Nach anderer Auffassung,
der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, ist die Vorschrift nur auf die-
jenigen Wohnungseigentümer bezogen, die der Maßnahme nicht zustimmen
mussten (Spielbauer/Then, WEG, § 16 Rn. 71; Demharter, MDR 1988, 265,
266 f.). Der von dem Berufungsgericht herangezogene Beschluss des Bundes-
gerichtshofs vom 18. Januar 1979 (VII ZB 19/78, NJW 1979, 817, 818) stützt
diese Rechtsauffassung nicht. Er befasst sich zwar mit der Kostenbefreiung
zugunsten der nicht zustimmungspflichtigen Wohnungseigentümer, nicht aber
mit der Kostenverteilung in Folge eines Beschlusses, der ohne die erforderli-
chen Zustimmungen Bestandskraft erlangt hat.
4. Richtigerweise hängt die in § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG ange-
ordnete Kostenbefreiung nicht davon ab, ob die Zustimmung des Wohnungsei-
gentümers zu der Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erfor-
derlich war oder nicht.
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a) Dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist eine solche Differenzie-
rung nicht zu entnehmen. Maßgeblich ist danach nur, dass der Wohnungsei-
gentümer einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht zugestimmt hat,
und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte
Maß hinaus beeinträchtigt wird oder nicht. Dagegen meint das Berufungsge-
richt, seine Auslegung sei deshalb mit dem Wortlaut vereinbar, weil die Zu-
stimmung durch die Bestandskraft des Beschlusses ersetzt werde. Das über-
zeugt nicht. Die Problematik kann nämlich nur entstehen, wenn der Beschluss
keine abschließende Regelung der Kostenverteilung enthält. In diesem Fall hat
der Eintritt der Bestandskraft keine Auswirkungen auf die Kostenverteilung. Die
Bestandskraft reicht nicht weiter als der Inhalt des Beschlusses; sie bewirkt nur,
dass ein nicht rechtzeitig angefochtener Beschluss gültig ist, § 23 Abs. 4 Satz 2
WEG. Folge ist eine Duldungspflicht, nicht aber eine Fiktion der Zustimmung.
Vielmehr ist der Beschluss gültig, obwohl die Zustimmung (nach wie vor) fehlt.
b) Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift im Hin-
blick auf die Eigentümer, die der Maßnahme nicht zugestimmt haben, lässt sich
auch nicht im Wege einer teleologischen Reduktion erreichen.
aa) Eine teleologische Reduktion erfordert, dass der Anwendungsbereich
der Norm planwidrig zu weit gefasst worden ist (BVerfGE 88, 145, 167;
Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., S. 210 f.,
219 f.). Die Gesetzgebungsgeschichte ist unergiebig. Mit § 16 Abs. 6 Satz 1
WEG in der ab dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung ist die Regelung des § 16
Abs. 3 WEG aF wortgleich übernommen worden, obwohl die hier in Rede ste-
hende Auslegungsfrage schon vor der Neufassung umstritten war. Ob dieses
Problem erkannt und nicht für regelungsbedürftig gehalten oder aber übersehen
worden ist, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Deshalb könnte eine
teleologische Reduktion nur dann erfolgen, wenn Sinn und Zweck der Vorschrift
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sie eindeutig erforderten. Das ist nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat zwar
mit teilweise erwägenswerten Überlegungen begründet, warum es eine Anwen-
dung der Norm auf die zustimmungspflichtigen Wohnungseigentümer nicht für
sinnvoll erachtet. Zwingend ist aber keines dieser Argumente.
bb) Richtig ist allerdings, dass die Kostentragung häufig erst nach Durch-
führung der Maßnahme im Zusammenhang mit der Jahresabrechnung geregelt
wird. Auch kann die Kostenbefreiung einzelner Wohnungseigentümer Folge-
probleme im Hinblick auf den Gebrauch der baulichen Maßnahme nach sich
ziehen. Demgegenüber führt die Auffassung des Berufungsgerichts zu dem
nicht ohne weiteres einleuchtenden Ergebnis, dass ein Wohnungseigentümer,
der besonders beeinträchtigt wird, durch einen rechtswidrigen Beschluss Kos-
tennachteile hinnehmen muss. Für die dem Wortlaut entsprechende Anwen-
dung der Norm spricht jedenfalls, dass sie anders als die Gegenauffassung die
oft schwierig zu beantwortende Frage entbehrlich macht, ob ein Wohnungsei-
gentümer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus beeinträchtigt wird. Sie
bewirkt auch, dass der Beschluss über die bauliche Maßnahme nicht allein im
Hinblick auf die Kostenfolge angefochten wird. Schließlich ist zu bedenken,
dass § 16 Abs. 6 Satz 1 WEG einen begrenzten Anwendungsbereich hat, weil
sich die Norm - wie eingangs ausgeführt - allein auf bauliche Veränderungen
gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG bezieht. Der Anwendungsbereich dieser Vor-
schrift ist durch die Neuregelung des § 22 Abs. 2 WEG und die damit verbun-
dene Stärkung der Mehrheitsmacht eingeschränkt worden. Dass Wohnungsei-
gentümer sich an den Kosten für die verbleibenden Maßnahmen, die weder
eine modernisierende Instandsetzung noch eine Modernisierungsmaßnahme im
Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 WEG i.V.m. § 559 Abs. 1 BGB darstellen, nur
dann beteiligen müssen, wenn sie der Durchführung zugestimmt haben, ist ein
zumindest vertretbares Ergebnis. Ohnehin steht es den Wohnungseigentümern
frei, gemäß § 16 Abs. 4 WEG mit qualifizierter Mehrheit eine Kostenverteilung
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zu beschließen, die dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs Rech-
nung trägt; auch in diesem Fall ist § 16 Abs. 6 Satz 1 WEG unanwendbar, § 16
Abs. 6 Satz 2 WEG.
5. Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar
(§ 561 ZPO). Anders als erstmals mit der Revisionserwiderung geltend ge-
macht, kann die Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Kostenregelung
gemäß § 16 Abs. 4 WEG angesehen werden, auch wenn sie mit der erforderli-
chen qualifizierten Mehrheit beschlossen worden sein dürfte. Ob dem schon
entgegensteht, dass die vorgesehene Kostenverteilung nicht von § 16 Abs. 2
WEG, sondern nur von § 16 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 WEG abweicht und nicht
an den Gebrauch anknüpft, kann dahinstehen. Die Wohnungseigentümer waren
nämlich offenbar der Auffassung, die Kostenverteilung richte sich ohne weiteres
nach § 16 Abs. 2 WEG, und hatten deshalb nicht die Absicht, eine hiervon ab-
weichende, an dem Gebrauch orientierte Kostenverteilung zu regeln. Insoweit
verbietet es sich aus Gründen der Transparenz, einen solchen Beschluss nach-
träglich in die Jahresabrechnung hineinzulesen (vgl. zu § 16 Abs. 3 WEG Se-
nat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 Rn. 16). Das gilt bei
der auf die Kostenverteilung in einem Einzelfall bezogenen Norm des § 16
Abs. 4 WEG jedenfalls dann, wenn den Wohnungseigentümern - wie hier - bei
der Beschlussfassung nicht bewusst war, dass sie eine von dem an sich gülti-
gen Kostenverteilungsmaßstab abweichende Regelung trafen.
6. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzu-
heben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Weil die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung
bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und
nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat in der
Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist die Berufung der Be-
klagten zurückzuweisen. Weil die auf das Schwimmbad bezogenen Kosten in
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den Einzelabrechnungen insgesamt ohne eine Differenzierung nach den auf die
Sanierung und den auf die Erweiterung entfallenden Kosten verteilt worden
sind, hat das Amtsgericht die Beschlüsse zu Recht insgesamt für ungültig er-
klärt und auf die notwendige isolierte Berechnung und Verteilung der reinen
Sanierungskosten verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Stresemann
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 23.09.2010 - 483 C 487/10 -
LG München I, Entscheidung vom 28.02.2011 - 1 S 19089/10 WEG -
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