Urteil des BGH vom 23.01.2015

Leitsatzentscheidung zu Zgb, Grundstück, DDR, Grunddienstbarkeit, Pachtvertrag

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 318/13
Verkündet am:
23. Januar 2015
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
SachenRBerG § 3 Abs. 2, § 116 Abs. 1
a) Der Anspruch auf Bestellung einer Erschließungsdienstbarkeit ist gemäß § 116
Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG wegen eines Mitbenutzungsrechts (§§ 321, 322 ZGB)
nur ausgeschlossen, wenn das Recht - unbeschadet eines etwaigen späteren Er-
löschens auf Grund von § 8 GBBerG - nach dem Wirksamwerden des Beitritts
gemäß Art. 233 § 5 EGBGB fortbestand.
b) Für eine einschränkende Auslegung von § 116 SachenRBerG im Lichte des
Nachzeichnungsprinzips (§ 3 Abs. 2 SachenRBerG) ist kein Raum, wenn die Er-
schließung einer nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz bereinigungsfähigen
Hauptnutzung rechtlich abgesichert werden soll.
BGH, Urteil vom 23. Januar 2015 - V ZR 318/13 - Kammergericht
LG Berlin
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Rich-
terin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und
Dr. Göbel
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Kammerge-
richts vom 6. Dezember 2013 wird auf Kosten des Beklagten zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger nutzen seit dem 1. Januar 1975 auf Grund eines Pachtver-
trags mit dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK)
eine Parzelle in einer Kleingartenanlage auf einem Grundstück des beklagten
Landes Berlin (fortan: der Beklagte) im Ortsteil W. des Bezirks Pankow.
Auf der Parzelle befand sich zunächst eine Gartenlaube. Diese bauten die Klä-
ger in den Jahren 1980 bis 1982 zu einem Wohnhaus aus und wohnen darin
seitdem dauerhaft.
Auf Antrag der Kläger hat das Landgericht ihre Berechtigung festgestellt,
die Parzelle - eine unvermessene Teilfläche des Grundstücks des Beklagten -
zu den Bedingungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes anzukaufen oder
die Bestellung eines diesem Gesetz entsprechenden Erbbaurechts daran zu
verlangen. Darüber hinaus hat es den Beklagten verurteilt, zugunsten der von
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den Klägern genutzten unvermessenen Teilfläche die Eintragung eines Geh-
und Fahrrechts in Form einer Grunddienstbarkeit auf dem Grundstück der
Kleingartenanlage zu bewilligen.
Die nur gegen die Verurteilung zur Bewilligung der Grunddienstbarkeit
gerichtete Berufung hat das Kammergericht zurückgewiesen. Dagegen wendet
sich der Beklagte mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision, mit
welcher er die Abweisung der Klage insoweit erreichen möchte. Die Kläger be-
antragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht den Klägern nach § 116
SachenRBerG ein Anspruch auf Begründung der in erster Instanz zuerkannten
Grunddienstbarkeit zu. Der Weg in der Kleingartenanlage, dessen Benutzung
durch die Dienstbarkeit gesichert werden solle, sei vor dem 3. Oktober 1990 zur
Erschließung und Entsorgung der Parzelle genutzt worden und seine Benut-
zung auch weiterhin hierfür erforderlich. Er sei nicht durch ein Mitbenutzungs-
recht nach §§ 321, 322 ZGB gesichert. Die Begründung einer Dienstbarkeit wi-
derspreche auch nicht dem in § 3 Abs. 2 SachenRBerG festgelegten Nach-
zeichnungsprinzip.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
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1. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
erhobenen prozessualen Einwände gegen seine Verurteilung zur Bewilligung
der Dienstbarkeit als solche und gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags der
Kläger, auf dem diese Verurteilung beruht, greifen nicht durch.
a) Die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der Dienstbarkeit ist
rechtlich zulässig.
aa) Richtig ist allerdings, dass das angefochtene Urteil nicht nach § 894
ZPO durch Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch vollstreckt werden
kann. Dazu müsste nicht nur das dienende, sondern auch das herrschende
Grundstück nach Maßgabe von § 28 GBO bezeichnet werden (vgl. Demharter,
GBO, 29. Aufl., § 28 Rn. 11). Diese Bezeichnung müsste zudem dem Urteil zu
entnehmen sein (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2011 - V ZB 58/11,
NJW 2012, 530 Rn. 7, 13). Daran fehlt es hier schon deshalb, weil sich die Klä-
ger noch nicht für den Ankauf der Teilfläche oder für die Bestellung eines Erb-
baurechts zu deren baulicher Nutzung entschieden haben. Das ist aber un-
schädlich.
bb) Die Verurteilung zur Abgabe einer Bewilligung ist nämlich nicht nur
dann zulässig, wenn das Urteil nach § 894 ZPO vollstreckt werden kann, son-
dern auch, wenn eine Vollstreckung nach § 888 ZPO in Betracht kommt.
(1) Anders als der Beklagte meint, schließt § 894 ZPO eine Verurteilung,
die (nur) nach § 888 ZPO vollstreckt werden kann, nicht aus. Die Vorschrift er-
leichtert die Vollstreckung für den Fall, dass ein Grundbuchvollzug ohne Weite-
res möglich ist. Ihr lässt sich indessen nicht entnehmen, dass die Verurteilung
zur Abgabe einer Bewilligung nur dann zulässig wäre. Das Gegenteil folgt
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schon daraus, dass die Erleichterung in § 894 ZPO nur für die Verurteilung zur
Abgabe einer Bewilligung in einem gerichtlichen Urteil oder Beschluss, nicht
aber für die vollstreckbare Verpflichtung zur Abgabe einer Bewilligung in ande-
ren Vollstreckungstiteln, z.B. einem Vergleich, vorgesehen ist (dazu:
Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 894 Rn. 3). Solche Titel können ohne zusätzli-
che Leistungsklage nach § 894 ZPO (dazu: BGH, Urteil vom 19. Juni 1986
- IX ZR 141/85, BGHZ 98, 127, 129) nur nach § 888 ZPO vollstreckt werden.
(2) Die Voraussetzungen einer Vollstreckung nach § 888 ZPO liegen hier
vor.
(a) Die Verurteilung zur Bewilligung einer Grunddienstbarkeit ist nach
§ 888 ZPO vollstreckbar, wenn sich dem Urteilsausspruch - gegebenenfalls un-
ter Zuhilfenahme des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe des zu voll-
streckenden Urteils - entnehmen lässt, welche Erklärung der Schuldner abge-
ben soll (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - I ZB 57/10, BGHZ 190, 1
Rn. 9 f., 13). Dieser Anforderung genügt das Urteil des Landgerichts. Aus ihm
ergibt sich unmittelbar, dass der Beklagte den Klägern eine Grunddienstbarkeit
zu bewilligen hat und welche Befugnisse diese Dienstbarkeit vermitteln soll.
Dem Urteilsausspruch lässt sich ferner entnehmen, dass das herrschende
Grundstück entweder ein aus der von den Klägern genutzten, unvermessenen,
in dem Ausspruch aber näher bezeichneten Teilfläche des Grundstücks des
Beklagten zu bildendes neues Grundstück sein soll oder ein den Klägern zur
baulichen Nutzung dieser Teilfläche zu bestellendes Erbbaurecht an dem Ge-
samtgrundstück des Beklagten oder an einem aus der Teilfläche zu bildenden
neuen Grundstück.
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(b) Dass die Entscheidung zwischen diesen Alternativen derzeit noch of-
fen ist, steht einer Vollstreckung des Urteils nach § 888 ZPO nicht entgegen.
Diese Entscheidung und die Bildung des maßgeblichen herrschenden „Grund-
stücks“ sind nach dem Ausspruch in dem Urteil des Landgerichts nämlich Be-
dingungen, von deren Eintritt die etwa notwendig werdende Vollstreckung aus
dem Urteil abhängt. Der Eintritt dieser Vollstreckungsbedingungen muss und
kann aber auch nach § 726 ZPO im Klauselerteilungsverfahren nachgewiesen
werden.
b) Die Kläger haben auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse für
den Hilfsantrag, auf dem die angefochtene Verurteilung beruht.
aa) Dem Beklagten ist allerdings zuzugeben, dass einer Klage auf Abga-
be eine Bewilligung regelmäßig das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn das an-
gestrebte Urteil - wie hier - nicht nach § 894 ZPO vollstreckt werden könnte (vgl.
Senat, Urteil vom 24. April 1987 - V ZR 228/85, NJW 1988, 415, 417). Norma-
lerweise könnte das Urteil dann nämlich auch nicht nach § 888 ZPO vollstreckt
werden. Die Bewilligung, die der Schuldner erklären soll, wäre in dem Urteil
mangels der zum Vollzug im Grundbuch erforderlichen Angaben nicht hinrei-
chend bestimmt. Diese Bestimmung könnte im Vollstreckungsverfahren auch
nicht nachgeholt werden (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - I ZB 57/10,
BGHZ 190, 1 Rn. 13).
bb) Das ist hier aber anders. Die Verurteilung des Beklagten zur Abgabe
der Bewilligung kann nur deshalb nicht nach § 894 ZPO vollstreckt werden, weil
das dazu in dem Urteil zu bezeichnende herrschende Grundstück entsprechend
der Entscheidung der Kläger für den Ankauf oder für die Bestellung eines Erb-
baurechts noch gebildet werden muss. Dieser Umstand steht aber, wie darge-
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legt, nach Eintritt einer entsprechenden, hier auch vorgesehenen Vollstre-
ckungsbedingung der Vollstreckung nach § 888 ZPO nicht entgegen. Deshalb
kann einem entsprechenden Antrag das Rechtsschutzinteresse auch nicht ab-
gesprochen werden. Daran ändert es nichts, dass die Kläger stattdessen die
Feststellung der Bewilligungsverpflichtung des Beklagten hätten beantragen
können und in erster Instanz auch beantragt haben. Die Zulässigkeit eines sol-
chen Antrags ergibt sich aus der Regelung in § 108 Abs. 1 SachenRBerG. Die-
se Regelung gilt, was das Landgericht verkannt hat, nicht nur bei den in Kapi-
tel 2 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes geregelten Ansprüchen auf An-
kauf des Grundstücks nach §§ 61, 81 oder 82 SachenRBerG oder auf Bestel-
lung eines Erbbaurechts nach § 32 SachenRBerG, sondern schlechthin bei
„Ansprüchen nach diesem Gesetz“, mithin bei allen Ansprüchen nach dem Sa-
chenrechtsbereinigungsgesetz, auch solchen nach § 116 SachenRBerG. Das
hinderte die Kläger aber nicht, einen Leistungsantrag zu stellen, wenn die Vo-
raussetzungen für eine Vollstreckung nach § 888 ZPO, wie hier, ausnahmswei-
se durch eine Vollstreckungsbedingung sichergestellt werden können.
2. Die Verurteilung des Beklagten ist auch in der Sache richtig. Die Klä-
ger können nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG von dem Beklagten die Begrün-
dung einer Grunddienstbarkeit mit dem zuerkannten Inhalt verlangen.
a) Anders als der Beklagte meint, ist die Vorschrift nicht nur entspre-
chend, sondern unmittelbar auf den Fall der Kläger anwendbar. Die Kläger sind
zwar bislang weder Eigentümer eines über das Grundstück des Beklagten er-
schlossenen Grundstücks noch Inhaber eines entsprechenden Erbbaurechts.
Das setzt die Vorschrift aber nicht voraus. Sie gilt auch, wenn das Grundstück,
dessen Erschließung durch eine Dienstbarkeit rechtlich abgesichert werden
soll, erst zur Erfüllung des Bereinigungsanspruchs des Nutzers nach §§ 32, 61
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SachenRBerG gebildet wird. Das folgt aus § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG.
Danach genügt es, wenn die rechtliche Absicherung der vor dem 2. Oktober
1990 begründeten Nutzung des anderen Grundstücks im Beitrittsgebiet in ein-
zelnen Beziehungen (Nummer 1 der Vorschrift) für die Erschließung oder Ent-
sorgung eines eigenen
„Bauwerks“ erforderlich ist. Mit dem „eigenen Bauwerk“
spricht die Vorschrift die in § 12 SachenRBerG definierte bauliche Nutzung
fremder Grundstücke an, die unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 5
und 9 SachenRBerG einen Ankaufsanspruch nach § 61 SachenRBerG oder
nach § 32 SachenRBerG einen Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts
begründet.
b) Die Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht ein-
schränkend auszulegen.
aa) Die Beklagte meint, die Bestellung einer Grunddienstbarkeit sei zur
Erschließung nicht erforderlich; das gegebene Notwegrecht nach § 917 BGB
reiche aus. Jedenfalls widerspreche die Anwendung der Vorschrift auf den Fall
der Kläger dem Nachzeichnungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG.
Beides ist nicht richtig.
bb) Der Gesetzgeber hätte, das ist dem Beklagten zuzugeben, auf die
Einführung eines Anspruchs auf Bestellung einer Dienstbarkeit zur Bereinigung
ungesicherter Erschließungen aus der Zeit vor dem 3. Oktober 1990 verzichten
und es statt dessen bei der Anwendung der Vorschriften über den Notweg in
§ 917 BGB belassen können. Er hat sich mit dem Erlass von § 116 Sachen-
RBerG gegen diesen Lösungsansatz entschieden. Sein Ziel war es, die Er-
schließung dauerhaft rechtlich abzusichern (Entwurfsbegründung in BT-Drucks.
12/5992 S. 179). Er ist dabei als selbstverständlich davon ausgegangen, dass
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eine solche Absicherung zweckmäßigerweise so erfolgen sollte, dass sie den
baurechtlichen Anforderungen des § 30 Abs. 2 BauGB entspricht. Das ist aber
nur mit einer Baulast nach Landesrecht oder einer Dienstbarkeit zu erreichen,
nicht mit einem Notweg nach § 917 BGB (Senat, Urteile vom 26. Mai 1978
- V ZR 72/77, WM 1978, 1293, 1295, vom 10. Oktober 1986 - V ZR 115/85, un-
veröff., Umdruck S. 5 und vom 22. Juni 1990 - V ZR 59/89, NJW 1991, 176,
177; BVerwG, NJW 1976, 1987, 1989; OVG Bremen, BRS 66 Nr. 71 S. 330).
cc) Der Begründung einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Kläger steht
auch das Nachzeichnungsprinzip nicht entgegen. Dieses ist auf den Anspruch
auf Begründung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG nicht anwend-
bar, wenn mit der Dienstbarkeit die Erschließung einer bereinigungsfähigen
Hauptnutzung dauerhaft rechtlich gesichert werden soll.
(1) Das Nachzeichnungsprinzip ist in § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG
geregelt und gilt unmittelbar nur für die Bereinigung der baulichen Nutzung
fremder Grundstücke. Die Vorschrift hat insoweit eine doppelte Bedeutung. Sie
soll zum einen die atypischen Sachverhalte auffangen, die sich wegen der häu-
figen und vielgestaltigen Missachtung gesetzlicher Regelungen durch die Be-
hörden der DDR nicht lückenlos in den gesetzlichen Regelbeispielen erfassen
lassen. Zum anderen soll sie eine Abgrenzung zwischen Sachenrechtsbereini-
gung und Schuldrechtsanpassung ermöglichen, die nicht ausschließlich auf die
Rechtsform der Nutzung mit baulicher Investition abstellt (Senat, Urteil vom
8. November 1996 - V ZR 7/96, NJW 1997, 457). Dingliche Rechtspositionen
sollen bei der Sachenrechtsbereinigung nur, aber auch stets dann begründet
werden, wenn ihre Begründung nach dem Recht der DDR grundsätzlich mög-
lich war und planwidrig unterblieben ist (Senat, Urteile vom 14. November 2003
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- V ZR 72/03, WM 2004, 1394, 1395 und vom 20. Februar 2009 - V ZR 184/08,
NJW-RR 2009, 1028 Rn. 11).
(2) Ein vergleichbares Abgrenzungsbedürfnis kann sich bei der isolierten
Bereinigung ungesicherter Erschließungen nach § 116 SachenRBerG ergeben.
Auch ungesicherte Erschließungen sind nach der Rechtsprechung des Senats
nicht immer, sondern nur bei Sachverhalten zu bereinigen, bei denen die Mit-
benutzung eines fremden Grundstücks zwar der zivilrechtlichen Absicherung
entbehrte, aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-
typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde. Entscheidend ist
deshalb der Umstand, dass der Mitbenutzung zu DDR-Zeiten ein zumindest
faktischer Schutz zukam (Senat, Urteile vom 22. Oktober 2004 - V ZR 70/04,
ZOV 2005, 29 und vom 10. März 2006 - V ZR 48/05, NJW-RR 2006, 960
Rn. 15).
(3) Hier geht es aber nicht um die isolierte Bereinigung einer ungesicher-
ten Erschließung. Die Kläger verlangen die Bestellung der Grunddienstbarkeit
nicht, weil ihrem an sich nicht bereinigungsbedürftigen Grundstück die notwen-
dige Erschließung fehlt, sondern deshalb, weil die ihnen nach dem Sachen-
rechtsbereinigungsgesetz zustehende Bereinigung ihrer Wohnnutzung ohne die
rechtliche Absicherung ihrer Erschließung nicht gelingen kann. Bei der rechtli-
chen Absicherung der Erschließung einer bereinigungsfähigen Hauptnutzung
stellt sich die Frage nach einer Nachzeichnung nicht. Der Bereinigungsbedarf
entsteht nicht aus Versäumnissen in der ehemaligen DDR, sondern, wie das
Berufungsgericht in der Sache richtig gesehen hat, aus der Bereinigung der
Hauptnutzung. Deren Bereinigungsfähigkeit rechtfertigt unter den Vorausset-
zungen des § 116 SachenRBerG die Absicherung der Erschließung durch
Dienstbarkeiten. Für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift im Lichte
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des Nachzeichnungsprinzips ist in dieser Fallgestaltung kein Raum. Sie wider-
spräche im Gegenteil dem Zweck der Vorschrift.
(4) Es kommt deshalb nicht darauf an, ob, wie der Beklagte meint, eine
dingliche Absicherung der Erschließung nach dem Recht der DDR nicht mög-
lich gewesen wäre.
c) Die tatbestandlichen Voraussetzung eines Anspruchs auf Bestellung
einer Erschließungsdienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG sind gege-
ben.
aa) Nach dieser Vorschrift kann derjenige, der ein Grundstück im Bei-
trittsgebiet in einzelnen Beziehungen nutzt, von dem Eigentümer die Bestellung
einer Grunddienstbarkeit verlangen, wenn die Nutzung vor Ablauf des 2. Okto-
ber 1990 begründet wurde (Nummer 1 der Vorschrift) und für die Erschließung
oder Entsorgung eines eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderlich ist
(Nummer 2 der Vorschrift) und wenn ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 312
und 322 ZGB nicht begründet wurde (Nummer 3 der Vorschrift). Gegen die
Feststellung des Berufungsgerichts, die Voraussetzungen nach § 116 Abs. 1
Nr. 1 und 2 SachenRBerG lägen vor, erhebt der Beklagte keine Einwände; sol-
che sind auch nicht ersichtlich. Der Beklagte macht vielmehr geltend, der An-
spruch scheitere daran, dass den Klägern mit dem Pachtvertrag ein Mitbenut-
zungsrecht nach §§ 321, 322 ZGB eingeräumt worden sei. Dieser Einwand trifft
nicht zu.
bb) Den Klägern stand kein Mitbenutzungsrecht zu, das ihren Bestel-
lungsanspruch nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG ausschließt.
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(1) Die in dem Pachtvertrag mit dem VKSK vorgesehene Berechtigung,
die Gemeinschaftseinrichtungen der Kleingartenanlage mitzubenutzen, kann
allerdings als ein Mitbenutzungsrecht zwischen Nutzungsberechtigten nach
§ 321 Abs. 1 Satz 1 ZGB anzusehen sein. Zwar ist das Zivilgesetzbuch der
DDR gemäß § 1 EGZGB erst am 1. Januar 1976 und damit nach dem Beginn
des Pachtverhältnisses zwischen dem Kläger und dem VKSK - dem 1. Januar
1975 - in Kraft getreten. Die Mitbenutzungsberechtigung der Kläger aus dem
Pachtvertrag bestand aber nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB fort. Es spricht auch
viel dafür, dass sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 EGZGB ab dem 1. Januar 1976
nach den für die Mitbenutzung von Grundstücken geltenden Vorschriften zu
behandeln war (vgl. OG-DDR, NJ 1989, 80, 81). Ob und gegebenenfalls unter
welchen Voraussetzungen das in solchen Fallgestaltungen anzunehmen ist und
ob auch solche übergeleiteten Mitbenutzungsbefugnisse den Anspruch nach
§ 116 Abs. 1 SachenRBerG ausschließen, hat der Senat bislang offen gelassen
(vgl. Urteil vom 10. März 2006 - V ZR 48/05, NJW-RR 2006, 960 Rn. 8 f.). Die
Fragen bedürfen auch hier keiner Entscheidung.
(2) Nicht entschieden werden muss ferner, ob ein Mitbenutzungsrecht an
dem Grundstück des Beklagten überhaupt hätte begründet werden können.
Das ist zweifelhaft. In dem Prüfbescheid, den das Landgericht erwähnt, ist als
Eigentümer die Stadt Berlin ausgewiesen. Sollte das zutreffen, wofür spricht,
dass der Beklagte heute Eigentümer ist, war es damals Volkseigentum. An
Volkseigentum konnte ein Mitbenutzungsrecht indessen nicht begründet wer-
den. § 321 ZGB galt zwar auch für sozialistisches Eigentum (Ministerium der
Justiz der DDR [Hrsg.] Kommentar zum ZGB, 2. Aufl., § 321 Anm. 1.1 a.E.).
Davon erfasst war aber nur das Eigentum von sozialistischen Genossenschaf-
ten und von gesellschaftlichen Organisationen der Bürger (vgl. § 18 Abs. 1
ZGB). Das Volkseigentum durfte dagegen nach § 20 Abs. 3 Satz 2 ZGB man-
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gels ausdrücklicher abweichender Vorschriften nicht belastet werden, so dass
daran Mitbenutzungsrechte nicht begründet werden konnten (vgl. dazu Senat,
Urteil vom 14. November 2003
– V ZR 72/03, WM 2004, 1394, 1395 f. und Mi-
nisterium der Justiz der DDR [Hrsg.] Kommentar zum ZGB, 2. Aufl., § 322 Anm.
1.1 a.E.). Ob das Grundstück damals in Volkseigentum stand, muss indessen
nicht aufgeklärt werden.
(3) Der Anspruch auf Bestellung einer Erschließungsdienstbarkeit schei-
tert nämlich schon deshalb nicht an dem Ausschlusstatbestand des § 116
Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG, weil dieser nur für die Begründung von Mitbenut-
zungsrechten gemäß §§ 312, 322 ZGB gilt, die nach Art. 233 § 5 Abs. 1
EGBGB fortbestanden. Das sind nur Mitbenutzungsrechte, deren Begründung
der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedurfte.
(a) (aa) Der Wortlaut des § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG sieht eine
solche Einschränkung allerdings nicht vor. Danach scheitert der Anspruch
schlechthin dann, wenn überhaupt ein Mitbenutzungsrecht nach §§ 312, 322
ZGB begründet wurde. Ob und aus welchen Gründen es der Zustimmung des
Eigentümers bedurfte oder nicht, ist nach dem Gesetzestext unerheblich. In
diesem Punkt geht der Wortlaut aber über das Gewollte hinaus und verfehlt den
Zweck der Vorschrift.
(bb) Der Ausschlusstatbestand in § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG soll
verhindern, dass der Mitbenutzer von dem Eigentümer des zu Erschließungs-
zwecken mitgenutzten fremden Grundstücks die Bewilligung einer Dienstbarkeit
verlangen kann, auch wenn er darauf gar nicht angewiesen ist. Der Anspruch
soll dem Mitbenutzer nur zustehen, wenn die erforderliche dingliche Absiche-
rung der Erschließung seines Grundstücks oder Bauwerks in der DDR planwid-
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rig unterblieben ist und jetzt durch Begründung von Dienstbarkeiten nachgeholt
werden muss (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 12/5992 S. 179). Ein solcher
Bereinigungsbedarf entsteht naturgemäß nicht, wenn die erforderliche dingliche
Absicherung bei dem Wirksamwerden des Beitritts schon bestand und danach -
unbeschadet eines etwaigen späteren Erlöschens nach § 8 GBBerG (dazu: Se-
nat, Urteil vom 10. März 2006 - V ZR 48/05, NJW-RR 2006, 960 Rn. 17) -
grundsätzlich erhalten blieb (insoweit zutreffend KG, Urteil vom 19. Juni 2013
- 24 U 168/12, unveröffentlicht, Umdruck S. 17). Nach Art. 233 § 5 Abs. 1
EGBGB bleiben nicht alle Mitbenutzungsrechte nach § 321 Abs. 1 bis 3, § 322
ZGB bestehen, sondern nur diejenigen, deren Begründung der Zustimmung des
Eigentümers bedurfte. Deshalb ist der Mitbenutzer nur bei solchen Mitbenut-
zungsrechten auch ohne eine Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG ausrei-
chend rechtlich abgesichert. Dieser Umstand gebietet eine teleologische Re-
duktion des Ausschlusstatbestands in § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG, der
nur bei Bestehen solcher Mitbenutzungsrechte, mithin nur gilt, wenn das Mitbe-
nutzungsrecht der Zustimmung des Eigentümers bedurfte und diese Zustim-
mung auch vorliegt.
(b) Ein solches Mitbenutzungsrecht ergibt der Pachtvertrag der Kläger
mit dem VKSK nicht.
Der Zustimmung des Eigentümers bedurfte ein Mitbenutzungsrecht,
wenn es im Grundbuch eingetragen werden sollte (§ 322 Abs. 1 ZGB), wenn
die Mitbenutzung dauerhaft sein sollte (§ 321 Abs. 1 Satz 3 ZGB) und wenn
eine vorübergehende Nutzung die Rechte des Eigentümers beeinträchtigte
(§ 321 Abs. 1 Satz 4 ZGB). Eine Buchung des Rechts im Grundbuch ist in dem
Pachtvertrag nicht vorgesehen. Sie kam auch der Sache nach von vornherein
nicht in Betracht, selbst wenn der Eigentümer selbst die Verpachtung vorge-
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nommen hätte. Die Befugnis zur Mitbenutzung der Gemeinschaftseinrichtungen
der Kleingartenanlage sollte nicht dauernd, sondern nur vorübergehend, näm-
lich nur solange bestehen, wie der Pachtvertrag bestand. Die Buchung des
Rechts im Grundbuch hätte die Beendigung des Pachtvertrags und damit die
Verwaltung der Kleingartenanlage unnötig erschwert. Dieser Umstand spricht,
was aber nicht aufgeklärt werden muss, überdies dafür, dass die damals nach
§ 322 Abs. 1 Satz 2 ZGB, § 2 Abs. 1 Buchstabe h GVO in der hier maßgebli-
chen Fassung vom 15. Dezember 1977 (GBl. 1978 I S. 73) erforderliche
Grundstücksverkehrsgenehmigung für das Mitbenutzungsrecht nicht erteilt wor-
den wäre. Die Zustimmung des Eigentümers war schließlich auch nicht wegen
einer Beeinträchtigung seiner Rechte erforderlich. Diese wurden durch die Be-
fugnis der Pächter zur Mitbenutzung der Gemeinschaftsanlagen in der Kleingar-
tenanlage nicht beeinträchtigt, weil das Grundstück ohnehin für die Kleingarten-
anlage benutzt wurde.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.03.2013 - 38 O 575/11 -
KG, Entscheidung vom 06.12.2013 - 6 U 62/13 -
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