Urteil des BGH vom 25.09.2015

Leitsatzentscheidung zu Verwaltung, Kosten Und Nutzen, Nachschusspflicht, Belastung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 244/14
Verkündet am:
25. September 2015
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
WEG § 21 Abs. 3, § 27 Abs. 1 Nr. 4
a) Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungseigen-
tümergemeinschaft kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
b) Voraussetzung ist allerdings, dass das Risiko einer Nachschusspflicht der Woh-
nungseigentümer vor der Beschlussfassung erörtert wurde; dies muss aus dem
Protokoll der Eigentümerversammlung hervorgehen.
c) Ob ein Beschluss über eine Kreditaufnahme sich im Übrigen in den Grenzen des
den Wohnungseigentümern zustehenden Gestaltungsermessens hält, kann nicht
generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Ab-
wägung der allseitigen Interessen bestimmt werden.
BGH, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 244/14 - LG Karlsruhe
AG Pforzheim
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juli 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe
- XI. Zivilkammer - vom 7. Oktober 2014 wird auf Kosten der Be-
klagten zu 1 zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Mitglieder einer aus 201 Einheiten bestehenden Woh-
nungseigentümergemeinschaft. Die Anlage wurde in den 1980er-Jahren errich-
tet. In der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 14. August 2013
beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 1a die Fassadensanierung
mit einer förderfähigen Wärmedämmung mit Kosten von ca. 2.000.000
€ und
unter TOP 1b die Aufnahme eines KfW-Förderkredits (Nr. 152) in Höhe von ca.
1.320.000
€ sowie die Finanzierung des restlichen Betrages von ca. 900.000 €
durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage.
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TOP 1b lautet auszugsweise wie folgt:
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Unter TOP 1c beschlossen die Wohnungseigentümer die Wahl eines
Bauausschusses und unter TOP 1d die Ermächtigung der Verwaltung, des
Verwaltungsbeirats und des Bauausschusses zur Nachverhandlung mit den
drei günstigsten Anbietern sowie zur Auftragsvergabe. Unter TOP 4 beschlos-
sen sie die Beauftragung eines Ingenieurbüros mit der Begleitung der Fassa-
den- und Dachsanierung zu einem Honorar in Höhe von maximal acht Prozent
der anrechenbaren Baukosten.
Das Amtsgericht hat die gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerich-
tete Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Landgericht die Beschlüsse für ungültig erklärt. Dagegen richtet sich
die zugelassene Revision einer Wohnungseigentümerin, die die Abweisung der
Klage erreichen will. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts widerspricht die Finanzierung der
Fassadensanierung durch einen Kredit ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar
könne eine Kreditaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auch
zur Finanzierung eines Sanierungsvorhabens erfolgen. Bei der Beschlussfas-
sung müssten jedoch die wesentlichen Rahmenbedingungen der Kreditauf-
nahme feststehen. Daran fehle es hier, da der Handlungsspielraum der Verwal-
terin nicht eingeschränkt und die Tilgung nicht ausreichend bestimmt sei. Erfor-
derlich sei zudem eine Abwägung der Interessen der Eigentümer, der Bedin-
gungen der Kreditaufnahme und der Umstände des Einzelfalles. Diese Abwä-
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gung ergebe, dass die beschlossene Darlehensaufnahme unverhältnismäßig
sei. Es fehle an einer Option für einzelne Eigentümer, die Finanzierung selbst
zu übernehmen. Zudem müsse die Verwalterin, um das wirtschaftliche Risiko
aus der beabsichtigten Kreditaufnahme abschätzen zu können, vorab ermitteln,
welche Miteigentumsanteile unter Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungsbe-
schlage lägen und welche Miteigentumsanteile in welcher Höhe pfandrechtlich
belastet seien. Ohne eine für die Eigentümer transparente Darstellung ihrer
tatsächlichen wirtschaftlichen Risiken könne ein Beschluss über die Aufnahme
eines Darlehens nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Da es an
einem tragfähigen Finanzierungskonzept für die beschlossene Sanierung fehle,
entsprächen auch die übrigen Beschlüsse nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Die nur von einem der beklagten Mitglieder der Wohnungseigentü-
mergemeinschaft eingelegte Revision ist zwar statthaft und auch im Übrigen
zulässig. Da es sich bei beklagten Wohnungseigentümern im Beschlussmän-
gelprozess um notwendige Streitgenossen i.S.d. § 62 ZPO handelt (Senat, Ur-
teil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, NJW 2012, 1224 Rn. 9 mwN), ge-
nügt es für eine fristgemäße Revisionseinlegung, dass allein ein Streitgenosse
das Rechtsmittel eingelegt hat. Die übrigen Streitgenossen werden dadurch
nicht Rechtsmittelführer, sie sind jedoch als Parteien des Revisionsverfahrens
beteiligt (§ 62 Abs. 2 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - X ZR 94/10,
BGHZ 192, 245 Rn. 22 f.).
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B. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das Berufungsgericht hat die
angefochtenen Beschlüsse im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt.
1. Der Beschluss der Wohnungseigentümer, einen Teil der Kosten der
Sanierungsmaßnahme durch einen Kredit in Höhe von ca. 1.320.
000 € zu fi-
nanzieren, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass es in der Kompetenz der
Wohnungseigentümer liegt, die Aufnahme eines Kredits durch die Wohnungs-
eigentümergemeinschaft als Verband zu beschließen (Senat, Urteil vom
28. September 2012 - V ZR 251/11, BGHZ 195, 22 Rn. 7). Noch nicht geklärt
ist dagegen die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob und un-
ter welchen Voraussetzungen ein Beschluss über die Aufnahme eines Darle-
hens durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, bei dem es - wie hier -
nicht um die Deckung eines kurzfristigen Finanzbedarfs in überschaubarer Hö-
he geht, ordnungsmäßiger Verwaltung i.S.d. § 21 Abs. 3 WEG entspricht (offen
gelassen in Senat, Urteil vom 28. September 2012 - V ZR 251/11, BGHZ 195,
22 Rn. 8).
aa) Teilweise wird vertreten, dass eine Kreditaufnahme durch die Woh-
nungseigentümergemeinschaft, die nicht nur zur Überbrückung eines kurzfristi-
gen Liquiditätsengpasses dient und die Summe der Hausgeldzahlungen aller
Eigentümer für drei Monate übersteigt, grundsätzlich unzulässig sei. Das ge-
setzliche Finanzierungsmodell der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nach
§ 28 WEG darauf ausgerichtet, zeitnah durch Eigenmittel der Wohnungseigen-
tümer eine Deckung der Kosten herbeizuführen. Daher sei die Gemeinschaft
grundsätzlich zur Deckung ihres kompletten Finanzbedarfs durch Vorschuss-
zahlungen ihrer Mitglieder verpflichtet, ohne sich übermäßig zu überschulden
(BayObLG, NJW-RR 2006, 20, 23; OLG Hamm, ZWE 2012, 378; LG Bielefeld,
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NJW-RR 2012, 143; LG Köln, ZWE 2011, 45; LG München I, ZMR 2011, 239
Rn.
50;
Timme/Knop,
WEG,
2. Aufl.,
§ 27
Rn.
93 f.;
Nieden-
führ/Kümmel/Vandenhouten, WEG 11. Aufl., § 21 Rn. 36; Palandt/Bassenge,
BGB, 74. Aufl., § 21 WEG Rn. 9; Bub, ZWE 2010, 246 ff.; Schmidt, ZMR 2007,
90 ff.).
bb) Nach anderer Ansicht kann eine Kreditaufnahme durch die Woh-
nungseigentümergemeinschaft auch dann ordnungsmäßiger Verwaltung ent-
sprechen, wenn ein langfristiger, höherer Kredit aufgenommen werden soll.
Erforderlich sei eine umfassende Einzelfallbetrachtung unter Beachtung des
Selbstorganisationsrechts der Wohnungseigentümer und des daraus abzulei-
tenden Ermessensspielraums. Bei der in jedem konkreten Fall erforderlichen
Interessenabwägung seien insbesondere das gesetzliche Finanzierungssys-
tem, die Art und Dringlichkeit der zu finanzierenden Maßnahme, die Kreditkon-
ditionen, evtl. Fördergelder, Kosten und Nutzen für die Wohnungseigentümer,
die evtl. Freistellung einzelner Wohnungseigentümer von der Darlehensauf-
nahme sowie die individuelle Belastung des einzelnen Wohnungseigentümers
zu berücksichtigen (LG Düsseldorf, ZWE 2014, 44; LG Karlsruhe, ZMR 2012,
660; AG Berlin-Mitte, ZWE 2012, 291; AG Ettlingen, ZMR 2010, 808; Jennißen
in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 10a; Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl.,
§ 27 Rn. 242; Elzer, NZM 2009, 57; Abramenko, ZMR 2011, 173 ff.; Dötsch,
MDR 2013, 1441 ff.; Schultzky, MietRB 2013, 367 ff.; Drasdo, NJW-Spezial
2014, 417 ff.).
b) Der Senat entscheidet diese Frage im Sinne der letztgenannten Auf-
fassung dahin, dass auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits
durch die Wohnungseigentümergemeinschaft ordnungsmäßiger Verwaltung
entsprechen kann.
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aa) Die Befugnis der Wohnungseigentümer, den Finanzbedarf der Woh-
nungseigentümergemeinschaft auch durch die Aufnahme von Darlehen zu de-
cken, wird von dem Wohnungseigentumsgesetz vorausgesetzt (Senat, Urteil
vom 28. September 2012 - V ZR 251/11, BGHZ 195, 22 Rn. 7). Auch wenn der
Geldbedarf für die laufende Bewirtschaftung und die Instandhaltung einer
Wohnanlage im Grundsatz durch die Aufbringung der Mittel in Form von Vor-
schüssen (§ 28 WEG) und die Ansammlung einer angemessenen Instandhal-
tungsrücklage (§ 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG) aufgebracht werden soll, kann es ord-
nungsmäßiger Verwaltung entsprechen, größere Ausgaben mittels Aufnahme
eines Kredits durch die Wohnungseigentümergemeinschaft zu finanzieren. Das
Wohnungseigentumsgesetz enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass den Woh-
nungseigentümern diese seit Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungs-
eigentümergemeinschaft bestehende Möglichkeit trotz ihres Selbstorganisati-
onsrechts (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014 - V ZR 315/13, BGHZ 202,
346 Rn. 14; Schultzky, MietRB 2013, 367, 369) nur in besonders gelagerten
Ausnahmefällen zu Gebote stehen soll. Dies wäre auch mit seiner Zielsetzung,
möglichst vielen Bürgern, nicht nur einkommensstärkeren, den Erwerb einer
Eigentumswohnung zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 65), nur schwer
vereinbar. Nicht jedem Wohnungseigentümer ist es nämlich möglich und zu-
mutbar, bei einem größeren Finanzbedarf der Gemeinschaft, der durch den
Rückgriff auf die Instandhaltungslage nicht gedeckt werden kann, eine hohe
(anteilige) Sonderumlage aufzubringen. Zugleich ist den übrigen Wohnungsei-
gentümern und auch dem Gesetzgeber daran gelegen, dass Wohnanlagen
nicht infolge ausbleibender Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen
verfallen oder erheblich an Wert verlieren (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 29 u. 43).
Eine Kreditaufnahme durch die Gemeinschaft kann insbesondere in solchen
Fällen ein für die Wohnungseigentümergemeinschaft sinnvolles oder gar zwin-
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gend notwendiges Finanzierungsinstrument sein (vgl. Bub, ZWE 2010, 246,
247).
bb) Allerdings müssen die besonderen Haftungsrisiken berücksichtigt
werden, die für die Wohnungseigentümer mit einer Kreditaufnahme durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft verbunden sind (siehe dazu u.a. Dötsch,
MDR 2013, 1441, 1443; Bub, ZWE 2010, 246, 247; Abramenko, ZMR 2011,
173, 177). Im (Außen-)Verhältnis zur kreditgewährenden Bank haftet der ein-
zelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG zwar nur nach dem Ver-
hältnis seines Miteigentumsanteils. Im Innenverhältnis zur Wohnungseigentü-
mergemeinschaft droht dagegen eine Nachschusspflicht. Dies folgt aus der
Verpflichtung der Wohnungseigentümer, für einen ausgeglichenen Etat zu sor-
gen (§ 28 Abs. 1 Satz 2 WEG; vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005
- V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 175). Gibt es Zahlungsausfälle bei Wohnungsei-
gentümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend
höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder, wenn sich eine Finan-
zierungslücke während des laufenden Wirtschaftsjahrs auftut, durch eine Son-
derumlage ausgeglichen werden (Senat, Beschluss vom 15. Juni 1989
- V ZB 22/88, BGHZ 108, 44, 47). Das gilt in gleicher Weise, wenn einzelne
Wohnungseigentümer ihren Anteil an den Zins- und Tilgungsleistungen nicht
erbringen und dadurch Deckungslücken entstehen; denn auch diese Verbind-
lichkeiten gehören zu den Ausgaben im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
WEG, deren Aufbringung durch den Wirtschaftsplan oder durch dessen Ergän-
zung in Form einer Sonderumlage (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2014
- V ZR 168/13, NJW 2014, 2197 Rn. 19) sicherzustellen ist.
Eine solche Nachschusspflicht der übrigen Wohnungseigentümer kann
zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch eine Sonderumlage finanziert
wird und sich diese bei einzelnen Wohnungseigentümern als vorübergehend
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oder dauerhaft uneinbringlich erweist. Da eine Sonderumlage von den aktuellen
Wohnungseigentümern aufzubringen ist, wird aber meist hinreichend sicher
bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall zu rechnen ist; auch kann jeden-
falls die Durchführung von Maßnahmen, die Aufschub dulden, davon abhängig
gemacht werden, dass die beschlossene Sonderumlage von allen Wohnungs-
eigentümern gezahlt wird. Bei einem Darlehen lässt sich das Risiko des Aus-
falls einzelner Wohnungseigentümer dagegen nur sehr begrenzt abschätzen.
Zuverlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungseigentümer sind schon
wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich; darüber hinaus
muss stets damit gerechnet werden, dass es zu Eigentümerwechseln in dieser
Zeit kommt, sich also die Zusammensetzung der Gemeinschaft verändert.
Da ein Insolvenzverfahren über das Verwaltungsvermögen der Gemein-
schaft nicht stattfindet (§ 11 Abs. 3 WEG), ist die Nachschusspflicht theoretisch
unbegrenzt und trifft auch die Wohnungseigentümer, die den nach dem Ver-
hältnis ihres Miteigentumsanteils zu zahlenden Teil des Darlehens bereits er-
bracht haben. Die Wohnungseigentümer müssen so lange (erhöhte) Wohn-
geldbeiträge beschließen und leisten, bis die Gemeinschaft über ausreichende
Finanzmittel verfügt (vgl. Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG,
11. Aufl., § 11 Rn. 14). Der entsprechende Anspruch der Gemeinschaft gegen
die einzelnen Wohnungseigentümer kann zudem von den Gläubigern der Ge-
meinschaft, also auch einem Kreditgläubiger, gepfändet werden (Senat, Be-
schluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 174 f.).
Angesichts dieses Haftungsrisikos ist bei der Entscheidung über die Fi-
nanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhal-
tung geboten; ob sie ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, lässt sich nur
nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und un-
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ter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungsei-
gentümer feststellen.
cc) Bei dieser Abwägung sind insbesondere folgende Gesichtspunkte
von Bedeutung:
(1) Zunächst kommt es wesentlich auf den Zweck des Darlehens an. Er
ist nicht von vornherein auf bestimmte Maßnahmen begrenzt, muss aber für die
Gemeinschaft auch bei objektiver Betrachtung ein nicht unerhebliches Gewicht
haben. In erster Linie ist an Instandhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnah-
men zu denken. Auch insoweit bedarf es allerdings der Differenzierung. Je
dringlicher eine Maßnahme ist, desto eher treten andere Nachteile einer Finan-
zierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück. Handelt es sich um eine
Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG, ist zu berücksich-
tigen, dass der Gesetzgeber es den Wohnungseigentümern erleichtern wollte,
ihre Wohnanlage in wirtschaftlich vernünftiger Weise an die Erfordernisse der
Zeit anzupassen (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 224/11,
BGHZ 196, 45 Rn. 12 sowie BT-Drucks. 16/887 S. 10); auch ihre Finanzierung
mittels Darlehens kann daher ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. An-
gesichts des weit gefassten Modernisierungsbegriffs (vgl. Senat, Urteil vom
18. Februar 2011 - V ZR 82/10, NJW 2011, 1221) ist allerdings die Maßnahme
als solche in den Blick zu nehmen: Je notwendiger sie ist, um die Wohnanlage
auf einen zeitgemäßen Standard zu heben, desto eher wird eine Darlehensauf-
nahme ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
(2) Von Bedeutung ist ferner die Möglichkeit, die notwendigen Mittel
durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage und Erhebung einer Son-
derumlage aufzubringen.
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(a) Wird eine vorhandene Rücklage nicht zur Finanzierung der Sanie-
rungsmaßnahme eingesetzt, muss es hierfür triftige Gründe geben. Solche
Gründe können etwa darin liegen, dass aufgrund des Alters der Wohnanlage
und ihres Erhaltungszustandes mit weiterem Instandhaltungsbedarf zu rechnen
ist, für den die Rücklage ganz oder teilweise vorgehalten werden soll. Bei Maß-
nahmen, die Aufschub dulden, ist die Möglichkeit einer kurzfristigen Ansparung
der Rücklage in die Erwägung einzustellen. Erhält die Wohnungseigentümer-
gemeinschaft für eine Maßnahme staatliche Fördermittel, die bei einer späteren
Ausführung nicht mehr (sicher) zur Verfügung stünden, so ist andererseits auch
dies zu berücksichtigen (vgl. Elzer, NZM 2009, 57, 61; Gottschalg, NZM 2007,
860, 863).
(b) Den mit einer Darlehensaufnahme einhergehenden Belastungen und
Risiken sind die Vor- und Nachteile einer Finanzierung der Maßnahme mittels
Sonderumlage gegenüberzustellen. Eine Darlehensfinanzierung wird insbeson-
dere in Betracht kommen, wenn die Erhebung einer Sonderumlage die einzel-
nen Wohnungseigentümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungsfä-
higkeit einkommensschwächerer Wohnungseigentümer überforderte (vgl.
Schultzky, MietRB 2013, 367, 370; Jennißen, Die Verwalterabrechnung,
7. Aufl., Rn. 478; Abramenko, ZMR 2011, 173, 176).
(3) Relevant ist zudem die Höhe des Darlehensbetrages im Verhältnis zu
der Anzahl der Wohnungseigentümer. Sie kann im Hinblick auf die monatliche
Belastung der Wohnungseigentümer ein Indiz für oder gegen die Ordnungs-
mäßigkeit der Darlehensaufnahme (ebenso Riecke/Schmidt/Elzer/Abramenko,
WEG, 4. Aufl., § 16 Rn. 184e), aber auch wegen der möglichen Nachschuss-
pflicht der Wohnungseigentümer (s.o. zu II. B. 1. c aa) von Bedeutung sein.
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(a) Bei der Bewertung der Belastung, die sich für die einzelnen Woh-
nungseigentümer aus den Zins- und Tilgungsleistungen für das in Aussicht ge-
nommene Darlehen ergeben, ist zu berücksichtigen, ob angesichts des Alters
und des Zustands der Wohnanlage mit weiteren finanziellen Belastungen zu
rechnen ist, für die die (dann) vorhandene Instandhaltungsrücklage nicht aus-
reichend erscheint, und ob die künftigen Belastungen zusammen genommen
noch zumutbar sind. Dabei ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht feststehend,
sondern hängt von der Art der zu finanzierenden Maßnahme und deren Dring-
lichkeit ab.
(b) Ist angesichts der Höhe der Belastung und bereits bestehender
Wohngeldausfälle oder aufgrund anderer Umstände absehbar, dass die Woh-
nungseigentümergemeinschaft nicht in der Lage ist, den Kredit sicher zu bedie-
nen, entspricht eine Darlehensaufnahme aufgrund des Risikos für die übrigen
Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht ordnungsmäßiger Verwaltung (Jen-
nißen/Schmidt, Der WEG-Verwalter, 2. Aufl., Rn. 466; Drasdo, NZM 2014, 289,
290; vgl. auch LG Düsseldorf, ZWE 2014, 44, 45). Anders verhält es sich nur
dann, wenn die Kreditaufnahme der Durchführung einer keinen Aufschub dul-
denden Instandsetzungsmaßnahme dient, diese nicht aus der Instandhaltungs-
rücklage finanziert werden kann und eine Sonderumlage die finanziellen Mög-
lichkeiten der Wohnungseigentümer übersteigt (vgl. Senat, Urteil vom 17. Ok-
tober 2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 12).
(4) Weitere Aspekte für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit einer
Kreditaufnahme sind die Kreditkonditionen, insbesondere die Höhe der Zinsen
und der sonstigen Zusatzkosten, die Laufzeit des Darlehens und die Rückzah-
lungsbedingungen (vgl. Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 27 Rn. 242; Elzer,
NZM 2009, 57, 61; Drasdo, NJW-Spezial 2013, 417, 418). Um eine dauerhafte
Verschuldung der Gemeinschaft mit den damit verbundenen Risiken für die
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Gläubiger und für die Wohnungseigentümer zu vermeiden, muss die Rückzah-
lung so angelegt sein, dass der Kredit am Ende der Laufzeit zurückgezahlt ist.
Zugleich wird eine längere Laufzeit als zehn Jahre nur in Ausnahmefällen ord-
nungsmäßiger Verwaltung entsprechen, etwa dann, wenn die Finanzierung
einer unaufschiebbaren Maßnahme andernfalls nicht sichergestellt werden
kann.
dd) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts muss eine mehrheitlich
beschlossene Kreditaufnahme nicht zwingend eine Option für die Eigentümer
enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden
Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darlehensbetrages einzu-
zahlen.
(1) Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass ein Beschluss über die
Kreditaufnahme durch die Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich
nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann, wenn dem einzelnen
Wohnungseigentümer eine solche Abwendungsbefugnis eingeräumt wird und
er von den Kreditkosten sowie - durch entsprechende Vereinbarung mit dem
Kreditinstitut - von der quotalen Haftung des § 10 Abs. 8 WEG befreit wird. Auf
diese Weise werde dem Grundsatz Rechnung getragen, dass es Sache des
einzelnen Wohnungseigentümers sei zu entscheiden, wie er die Finanzmittel
aufbringe (Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 16 Rn. 10a; Jennißen, Die
Verwalterabrechnung, 7. Aufl., 478 f.; Gottschalg, NZM 2007, 860, 863; vgl.
auch Bub, ZWE 2010, 246, 248, 251; LG Düsseldorf, ZWE 2014, 44, 45; aA
AG Berlin-Mitte, ZWE 2012, 291, 292; offengelassen von Senat, Urteil vom
28. September 2012 - V ZR 251/11, BGHZ 195, 22 Rn. 16).
(2) Dieser Ansicht ist nicht beizutreten. Die Darlehensaufnahme ist ein
eigenständiges Finanzierungsinstrument der Wohnungseigentümergemein-
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schaft und nicht nur ein Behelf mit Elementen der Sonderumlage (vgl. Dötsch,
MDR 2013, 1441, 1444
: „Mischprodukt“), um Wohnungseigentümern, die durch
eine Finanzierung der Maßnahme per Sonderumlage finanziell überfordert wä-
ren, zu ausreichenden Mitteln zu verhelfen. Wird sie mehrheitlich beschlossen
und entspricht sie im Übrigen ordnungsmäßiger Verwaltung, muss sie auch von
den überstimmten Wohnungseigentümern mitgetragen werden (ebenso Elzer,
NZM 2009, 57, 62). Diese haben keinen Anspruch darauf, dass die Finanzie-
rung eines gemeinschaftsbezogenen Vorhabens nach ihren individuellen Präfe-
renzen gestaltet wird. Dies gilt umso mehr, als eine Kreditaufnahme auch für
einkommensstarke Wohnungseigentümer von Vorteil sein kann, etwa weil an-
dernfalls Maßnahmen, die den Wert der Anlage heben, ganz unterbleiben oder
zu einem späteren Zeitpunkt infolge von Preissteigerungen oder einer weiteren
Verschlechterung der Anlage wesentlich teurer ausgeführt werden müssen.
(3) Den Wohnungseigentümern ist es allerdings nicht verwehrt, liquiden
Wohnungseigentümern die Möglichkeit einzuräumen, ihren Anteil sofort zu ent-
richten, und den Kredit in entsprechend reduzierter Höhe aufzunehmen. Dass
Zins- und Tilgungsleistungen dann im Verhältnis der Wohnungseigentümer
untereinander nur von den übrigen Eigentümern zu tragen sind, kann in ent-
sprechender Anwendung von § 16 Abs. 3 WEG beschlossen werden. Im Au-
ßenverhältnis bleibt es allerdings zwingend bei der Haftung aller Wohnungsei-
gentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG. Sie kann nur mit Zustimmung des Gläubi-
gers, also etwa dadurch in Wegfall gebracht werden, dass das Darlehen in vol-
ler Höhe aufgenommen und den einzelnen Wohnungseigentümern seitens des
Darlehensgläubigers das Recht zu Sondertilgungen entsprechend ihrem Mitei-
gentumsanteil unter Befreiung von der Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG einge-
räumt wird.
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Entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Bub, ZWE 2010,
246, 251; Elzer, NZM 2009, 57, 60 f.) können die an der Kreditaufnahme nicht
beteiligten Wohnungseigentümer jedoch nicht im Innenverhältnis von etwaigen
Nachschusspflichten bei Fehlen liquider Mittel des Verbandes befreit werden.
Ein solcher Beschluss lässt sich insbesondere nicht auf eine entsprechende
Anwendung von § 16 Abs. 4 WEG stützen (a.A. Elzer, aaO; wohl auch LG
Bielefeld, NJW-RR 2012, 143 Rn. 33). Die Norm regelt die Möglichkeit einer
abweichenden Kostenverteilung, wenn eine bestimmte bauliche Maßnahme am
Gemeinschaftseigentum nur bestimmten Wohnungseigentümern zu Gute
kommt (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 24), erlaubt aber nicht, einzelne Wohnungs-
eigentümer von der Pflicht zur Finanzausstattung des Verbandes zu entbinden
(zutreffend Dötsch, MDR 2013, 1441, 1443).
ee) Schließlich muss auch die Beschlussfassung über die Aufnahme ei-
nes Darlehens gewissen Anforderungen genügen.
(1) Der Beschluss muss hinreichend bestimmt sein. Erforderlich ist die
Festlegung der wesentlichen Rahmenbedingungen der Kreditaufnahme. Der
Beschluss muss Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des
Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu über-
schreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten
so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist, oder ob eine
Anschlussfinanzierung erforderlich ist (vgl. Drasdo, NJW-Spezial 2013, 417).
Nicht zwingend erforderlich ist allerdings, dass der Beschluss die konkrete an-
teilige Beitragsleistung des einzelnen Wohnungseigentümers benennt, da de-
ren Höhe,
etwa wegen der Möglichkeit einer „Abwendungsbefugnis“ für einzel-
ne Wohnungseigentümer, aber auch infolge variabler oder in einem gewissen
Rahmen noch zu verhandelnder Zinskonditionen, veränderlich sein kann.
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(2) Ferner muss vor der Beschlussfassung über eine Kreditaufnahme
wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner
Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschusspflicht
der Wohnungseigentümer - auch derjenigen, die von
einer etwaigen „Abwen-
dungsbefugnis“ Gebrauch gemacht haben - Gegenstand der Erörterung in der
Wohnungseigentümerversammlung gewesen sein. Die Wohnungseigentümer
dürfen nicht dem Irrtum unterliegen, dass sie unter allen Umständen nur für
einen ihrem Miteigentumsanteil entsprechenden Anteil an Zins- und Tilgungs-
leistungen für das Darlehen haften. Die entsprechende Unterrichtung der Woh-
nungseigentümer ist in dem Protokoll der Eigentümerversammlung zu doku-
mentieren.
Zugleich bietet es sich an, die Wohnungseigentümer vor der Beschluss-
fassung über die aktuelle wirtschaftliche Situation der Wohnungseigentümer-
gemeinschaft, insbesondere über etwaige Wohngeldausfälle zu informieren.
Eine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse jedes Wohnungseigentü-
mers ist dagegen nicht erforderlich; sie kann im Verhältnis der Wohnungseigen-
tümer untereinander auch nicht verlangt werden. Anders als das Berufungsge-
richt meint, gilt dies in gleicher Weise für eine Offenlegung der Belastung des
jeweiligen Miteigentumsanteils durch Grundpfandrechte.
c) Gemessen daran entspricht der angegriffene Beschluss der Woh-
nungseigentümer über die Aufnahme eines Kredits nicht ordnungsmäßiger
Verwaltung.
aa) Allerdings ist der Beschluss entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts hinreichend bestimmt.
Dem steht nicht entgegen, dass in dem Beschluss über die Darlehens-
aufnahme lediglich die im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden Zinskondi-
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tionen von 0% genannt sind, der tatsächlich geltende Zinssatz für den KfW-
Förderkredit aber erst nach Eingang des Kreditantrages bei der Landeskredit-
bank Baden-Württemberg-Förderbank festgeschrieben werden soll. Entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts wird der Verwalterin hierdurch nicht ein
uneingeschränkter Handlungsspielraum eingeräumt. Ihr bleibt gerade kein
Spielraum, da sie ausschließlich bevollmächtigt wurde, einen Förderkredit nach
dem KfW-Förderprogramm Nr. 152 zu den bei Eingang des Kreditantrags gel-
tenden Bedingungen zu beantragen. Der Beschluss ist auch nicht deswegen zu
unbestimmt, weil bei der Beschlussfassung die endgültig geltenden Zinskondi-
tionen noch nicht feststanden. Im Hinblick darauf, dass der Beschluss über eine
Kreditaufnahme in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung gefasst
wurde, weil nach Angaben der Verwalterin unklar sei, ob der staatliche 0%-
Förderkredit im Jahr 2013 noch erhältlich sein werde, ist der Beschluss dahin-
gehend zu verstehen, dass es nur dann zum Abschluss eines Darlehensvertra-
ges kommen soll, wenn sich die Darlehensbedingungen gegenüber einer 0%-
Finanzierung nicht oder nur unwesentlich verändert haben.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt der Beschluss
auch erkennen, dass der Kredit am Ende der Laufzeit vollständig zurückgezahlt
sein soll und nicht eine Anschlussfinanzierung in Aussicht genommen wurde.
Die Laufzeit des Kredits ist ausdrücklich auf zehn Jahre beschränkt, wobei die
Tilgung nach Ablauf der tilgungsfreien Anlaufzeit in gleichbleibenden Annuitäts-
raten erfolgen sollte. Zudem ging es den Wohnungseigentümern darum, die
Sanierungsmaßnahmen über einen zinslosen Förderkredit zu finanzieren, was
im Fall einer Prolongation nach zehn Jahren nicht gewährleistet wäre. Die Aus-
legung des Beschlusses ergibt daher, dass das aufzunehmende Darlehen nach
Ende der Zinsbindung von zehn Jahren zurückgeführt sein soll.
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bb) Die Wohnungseigentümer haben jedoch die Grenzen ihres im Rah-
men der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung eingeräumten Gestaltungs-
ermessens überschritten.
(1) Das ergibt sich allerdings - wie bereits ausgeführt - nicht schon dar-
aus, dass der Beschluss über die Kreditaufnahme keine Option für die Woh-
nungseigentümer enthält, ihren Anteil selbst zu finanzieren und als Sonderum-
lage zur Reduzierung des Darlehensbetrages einzuzahlen, oder durch Sonder-
tilgungen von der - infolge der angestrebten 0%-Finanzierung allerdings ohne-
hin nicht gegebenen - Belastung von Zinszahlungen befreit zu werden.
(2) Ebenso wenig folgt eine Überschreitung des Ermessensspielraums
aus der erheblichen Höhe des aufzunehmenden Kredits. Angesichts der Größe
der Wohnanlage (201 Wohneinheiten) und den günstigen Zinskonditionen ist
der von dem einzelnen Wohnungseigentümer voraussichtlich aufzubringende
Anteil zumutbar. Eine alternative Finanzierung des Fehlbetrages von rd.
1,3 Mio.
€ im Wege einer Sonderumlage würde jeden Wohnungseigentümer
demgegenüber mit durchschnittlich 6.500
€ belasten und begründete damit das
Risiko, dass einzelne Wohnungseigentümer den auf sie entfallenden Betrag (je
nach Miteigentumsanteil unter Umständen auch deutlich höheren Betrag) nicht
zahlen oder nur in Raten aufbringen können. Demgegenüber gewährleistet das
von der Wohnungseigentümergemeinschaft gewählte Finanzierungskonzept
eine pünktliche, zuverlässige und vollständige Mittelaufbringung (vgl. LG Düs-
seldorf, ZWE 2014, 44, 45; Elzer, NZM 2009, 57, 62).
Zudem werden die Mittel auch für eine wirtschaftlich sinnvolle Moderni-
sierungsmaßnahme, nämlich für eine energetische Sanierung eingesetzt. So-
weit die Klägerin unter Hinweis auf die sich aus dem Energieausweis ergeben-
den Verbrauchswerte die Notwendigkeit einer solchen Sanierung im konkreten
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Fall bezweifelt, ist dies ein Einwand, der (nur) den Beschluss über die Durch-
führung der Sanierung (TOP 1a) betrifft.
Auch durch die Wahl einer auf zehn Jahre angelegten Darlehensrück-
zahlungsverpflichtung haben die Wohnungseigentümer ihren Ermessensspiel-
raum nicht überschritten. Angesichts des günstigen Zinssatzes ist die lange
Bindung nicht mit (wesentlichen) Mehrkosten für den einzelnen Wohnungsei-
gentümer verbunden; gleichzeitig führt die zeitlich gestreckte Rückzahlung zu
einer deutlichen Entlastung weniger finanzstarker Wohnungseigentümer.
(3) Bei der Beschlussfassung über die Kreditaufnahme haben die Woh-
nungseigentümer ihren Ermessenspielraum aber deshalb überschritten, weil sie
ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen
haben.
Dem Protokoll der Eigentümerversammlung lässt sich nicht entnehmen,
dass über das Risiko einer Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit von
Wohnungseigentümern unterrichtet worden ist. Die Beschlussvorlage erweckt
im Gegenteil mit der Formulierung, dass das Land Baden-Württemberg eine
Ausfallbürgschaft für Zahlungsausfälle von Miteigentümern übernimmt, den
irreführenden Eindruck, dass ein solches Risiko nicht bestehe, da die Bürg-
schaft die Wohnungseigentümergemeinschaft bei einem solchen Zahlungsaus-
fall absichere. Tatsächlich schützt die in Aussicht gestellte Bürgschaft aber
nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, vielmehr dient sie allein dem
Schutz der kreditgebenden Bank. Tritt der Bürgschaftsfall ein, ändert dies
nichts an der Verbindlichkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft und an
einer im Innenverhältnis bestehenden Nachschusspflicht; es kommt lediglich zu
einem Gläubigerwechsel (§ 774 BGB).
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2. Auch der unter TOP 1a gefasste Sanierungsbeschluss und die damit
im Zusammenhang stehenden Beschlüsse zu TOP 1c, 1d und 4 entsprechen
nicht ordnungsmäßiger Verwaltung; denn aufgrund der Ungültigerklärung des
Beschlusses über die Kreditaufnahme ist nicht gesichert, dass die Mittel zur
Finanzierung der in Aussicht genommenen Sanierungsmaßnahme aufgebracht
werden können (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juli 2011 - V ZR 176/10, NJW 2011,
2958 Rn. 8 mwN).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
RiBGH Dr. Roth ist in den Ruhestand
Brückner
getreten und daher an der Unterschrift
gehindert.
Karlsruhe, den 23. September 2015
Die Vorsitzende
Stresemann
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Pforzheim, Entscheidung vom 23.12.2013 - 12 C 82/13 -
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.10.2014 - 11 S 8/14 -
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