Urteil des BGH vom 20.07.2012

Leitsatzentscheidung zu Treu Und Glauben, Wichtiger Grund, Dingliche Einigung, Nichtigkeit, Verwalter

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL UND VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 241/11
Verkündet am:
20. Juli 2012
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 12 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 4 Satz 1, § 46 Abs. 1 Satz 1
a) Hat derjenige, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, das Wohnungs-
eigentum nach materiellem Recht nicht wirksam erworben, so ist er zu der Erhe-
bung einer Anfechtungsklage nicht befugt; der wahre Berechtigte ist Träger der
mit dem Wohnungseigentum verbundenen Rechte und Pflichten.
b) Kann die Zustimmung zu der Veräußerung von Wohnungseigentum nach der Tei-
lungserklärung nur aus wichtigem Grund verweigert werden, wird ein die Zustim-
mung versagender Beschluss der Wohnungseigentümer im Regelfall auch dann
bestandskräftig, wenn ein wichtiger Grund zu Unrecht angenommen worden ist.
BGH, Urteil und Versäumnisurteil vom 20. Juli 2012 - V ZR 241/11 - LG Berlin
AG Schöneberg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil der Zivilkam-
mer 85 des Landgerichts Berlin vom 24. Mai 2011 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Amtsge-
richts Schöneberg vom 8. Oktober 2008 geändert. Die Klage des
Klägers zu 1 wird abgewiesen. Im Übrigen wird die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notarieller Erklärung vom 16. Dezember 1985 wurde das Grundstück
N str. 11 in B. durch die Miteigentümer, nämlich die Beklagten
zu 1 und 2 sowie Herrn Bo. und Frau Bi. , in Eigentumswohnungen
aufgeteilt. Die Teilungserklärung sieht vor, dass die Veräußerung des
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Wohnungseigentums der schriftlichen Zustimmung des Verwalters bedarf. Den
Miteigentümern Bo. und Bi. wurde die Einheit Nr. 3 zugewiesen, die sie
mit notariellem Vertrag vom 2. Juni 1986 an den Kläger zu 1 veräußerten; er
wurde am 13. Januar 1987 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Weil
die Zustimmung des Verwalters nicht nachgewiesen war, wurde 1992 ein
Amtswiderspruch in das Grundbuch eingetragen. Die Rechtsmittel des Klägers
zu 1 waren erfolglos. In der Eigentümerversammlung vom 12. September 1992
versagten die Wohnungseigentümer die Zustimmung zu der Veräußerung
durch Beschluss. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers zu 1
wies das Landgericht ab, weil es ihn nicht als klagebefugt ansah.
Im Jahr 2001 beantragten die Veräußerer ihre Wiedereintragung in das
Grundbuch. Der Kläger zu 1 machte geltend, die Wohnungseigentümer hätten
der Veräußerung konkludent zugestimmt. Das Amtsgericht wies den Antrag der
Veräußerer zurück; ihre Beschwerde war erfolglos. Der Amtswiderspruch wurde
im Jahr 2005 gelöscht. Die gegen die Veräußerer gerichtete Klage des Klägers
zu 1 auf Rückzahlung des Kaufpreises und Schadensersatz wies das
Landgericht mit Urteil vom 18. Juli 2007 mit der Begründung zurück, der Kläger
zu 1 habe infolge konkludenter Zustimmung der Wohnungseigentümer wirksam
Eigentum erworben.
In der Eigentümerversammlung vom 22. Februar 2008, zu der der Kläger
zu 1 - wie schon in den Vorjahren - nicht eingeladen war, wurden verschiedene
Beschlüsse gefasst. Der Kläger zu 1 macht zuletzt noch die Nichtigkeit der
Beschlüsse zu TOP 2, 7, 8, 10 und 12 geltend. Die Klägerin zu 2, eine weitere
Wohnungseigentümerin, will die Beschlüsse zu TOP 2, 8 und 12 für ungültig
erklären lassen. Das Amtsgericht hat die Nichtigkeit der Beschlüsse festgestellt.
Die Berufung des Beklagten zu 1 ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen
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Revision, deren Zurückweisung der Kläger zu 1 beantragt, will der Beklagte
zu 1 die Abweisung der Klagen erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger zu 1 sei klagebefugt. Weil er im
Grundbuch als Eigentümer eingetragen sei, sei sein Eigentum gemäß § 891
Abs. 1 BGB zu vermuten. Allerdings fehle es an einer ausdrücklichen
Zustimmung des Verwalters zu der Veräußerung. Ob dies ausreiche, um die
Vermutungswirkung zu beseitigen, könne dahinstehen. Denn jedenfalls sei die
Zustimmung konkludent von den übrigen Miteigentümern erteilt worden. Eine
Zustimmung der Beklagten zu 3 und 4, die ihr Wohnungseigentum erst nach
der fraglichen Veräußerung erworben hätten, sei nicht erforderlich. Der
- ohnehin gelöschte - Amtswiderspruch entkräfte die Vermutungswirkung
ebenso wenig wie die späteren Gerichtsverfahren. In der Sache führe die
fehlende Einladung des Klägers zu der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse,
weil sie von der Absicht getragen gewesen sei, ihn von der Mitwirkung an der
Willensbildung der Gemeinschaft auszuschließen.
II.
Weil die Klägerin zu 2 trotz ordnungsgemäßer Ladung in dem Verhand-
lungstermin nicht vertreten war, ist durch Versäumnis- und Endurteil zu ent-
scheiden, wobei das Urteil auf einer Sachprüfung beruht.
Die Revision hat Erfolg.
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A. Die von dem Kläger zu 1 erhobene Klage ist unzulässig. Das Beru-
fungsgericht hat ihn zu Unrecht als klagebefugt angesehen.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG darf die Anfechtungsklage nur von
einem Wohnungseigentümer erhoben werden. In der Regel ist derjenige Woh-
nungseigentümer, der im Wohnungsgrundbuch als Eigentümer eingetragen ist.
Der Bucheigentümer muss das Wohnungs- oder Teileigentum aber auch nach
materiellem Recht wirksam erworben haben. Fehlt es daran oder vollzieht sich
der Eigentumserwerb außerhalb des Grundbuchs, ist der wahre Berechtigte als
Wohnungseigentümer Träger der mit dem Wohnungseigentum verbundenen
Rechte und Pflichten (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 4 und § 46
Rn. 25; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 10 Rn. 3). Aus diesem
Grund muss derjenige, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, nicht
gemäß § 16 Abs. 2 WEG für die Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen
Eigentums aufkommen, wenn Kaufvertrag und dingliche Einigung infolge einer
erfolgreichen Anfechtung gemäß § 123 BGB rückwirkend entfallen sind. Eine
unrichtige Grundbucheintragung erzeugt zwar die auf dem öffentlichen Glauben
des Grundbuchs beruhenden Rechtswirkungen (§§ 891 ff. BGB), begründet
aber nicht die nur an die Eigentümerstellung anknüpfende Haftung. Die fakti-
sche Zugehörigkeit zur Eigentümergemeinschaft vermag die fehlende Rechts-
stellung nicht zu ersetzen (Senat, Beschluss vom 6. Oktober 1994
– V ZB 2/94,
NJW 1994, 3352, 3353; KG, NJW-RR 2003, 589 f.; OLG Düsseldorf, ZMR
2005, 719 f.; Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 4).
Folglich kommen dem zu Unrecht eingetragenen Bucheigentümer auch
keine Mitwirkungsrechte zu. Denn insbesondere das Stimm- und Anfechtungs-
recht muss mit der Verpflichtung korrespondieren, Kosten und Lasten zu tragen
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(Senat, Urteil vom 11. Mai 2012 - V ZR 196/11, WuM 2012, 392 Rn. 18, zum
Abdruck in BGHZ vorgesehen). Ebenso wie bei einer erfolgreichen Anfechtung
fehlt es an einem wirksamen Eigentumserwerb, wenn die nach der Teilungser-
klärung erforderliche Zustimmung zu der Veräußerung versagt wird. Das Zu-
stimmungserfordernis bezieht sich nämlich nicht nur auf den schuldrechtlichen,
sondern auch auf den dinglichen Vertrag (§ 12 Abs. 3 Satz 1 WEG; Klein in
Bärmann, aaO, § 12 Rn. 32).
2. Danach ist der Kläger zu 1 nicht Wohnungseigentümer, weil er das
Eigentum materiell-rechtlich nicht wirksam erworben hat. Es fehlt an der in § 6
Nr. 2 der Teilungserklärung (TE) vorgeschriebenen schriftlichen Zustimmung
des Verwalters zu der Veräußerung.
a) Zu der Zeit der Veräußerung ist eine wirksame Zustimmung nicht er-
teilt worden. Als Verwalter waren nach § 15 TE für das Jahr 1986 die Woh-
nungseigentümer Bo. und H. bestellt worden; nur letzterer hat
der Veräußerung zugestimmt. Dies war schon deshalb unwirksam, weil die
Verwalterbestellung nichtig ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine
Mehrheit von Personen nur dann wirksam zum Verwalter bestellt werden, wenn
sie als rechtlich selbständige Einheit handlungsfähig ist. Ein Beschluss der
Wohnungseigentümer, durch den mehrere Personen zum Verwalter bestellt
werden, ist nichtig und eine durch diese Personen gemäß § 12 WEG erteilte
Zustimmung unwirksam (Senat, Beschluss vom 18. Mai 1989 - V ZB 4/89,
BGHZ 107, 268, 272 f.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 1989 - II ZR 117/89,
WuM 1990, 128). Nichts anderes gilt, wenn eine solche Verwalterbestellung
- wie hier - nicht durch Beschluss, sondern durch eine Bestimmung der Tei-
lungserklärung erfolgt. Ob allein der Abschluss des Veräußerungsgeschäfts
zugleich als Zustimmung des Herrn Bo. in seiner Funktion als Verwalter ge-
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wertet werden kann und ob er angesichts seiner Beteiligung an dem Veräuße-
rungsgeschäft überhaupt als Verwalter zustimmen durfte, bedarf keiner Ent-
scheidung.
b) Die Veräußerung ist auch nicht durch eine nachträgliche Zustimmung
der Wohnungseigentümer wirksam geworden.
aa) Allerdings können die Wohnungseigentümer anstelle des Verwalters
die Zustimmung entweder durch einen förmlichen Mehrheitsbeschluss oder
durch die Erklärung aller übrigen Wohnungseigentümer erteilen. Ist die Verwal-
terbestellung - wie hier - nichtig, ergibt sich dies schon aus § 27 Abs. 3 Satz 2
WEG; im Übrigen wird der Verwalter bei der Erteilung der Zustimmung regel-
mäßig nur als Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter der Wohnungseigen-
tümer tätig, weshalb diese die Entscheidung zu jeder Zeit an sich ziehen kön-
nen (vgl. Senat, Urteil vom 13. Mai 2011 - V ZR 166/10, NZM 2011, 719 Rn. 9
mwN). Ob sie - wie das Berufungsgericht meint - die Zustimmung auch konklu-
dent erteilen können, kann dahinstehen. Denn in der Zeit vor 1992 fehlte den
übrigen Wohnungseigentümern jedenfalls das erforderliche Erklärungsbe-
wusstsein, weil sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht wuss-
ten, dass es an einer wirksamen Zustimmung fehlte. Anschließend verweiger-
ten sie die Zustimmung durch den Beschluss vom 12. September 1992.
bb) Wenn die Veräußerung infolge dieses Beschlusses unwirksam ge-
worden war, konnte sie durch eine spätere Zustimmung nicht mehr wirksam
werden. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird ein
schwebend unwirksames Rechtsgeschäft durch die Versagung der erforderli-
chen Genehmigung aufgrund der rechtsgestaltenden Wirkung endgültig un-
wirksam bzw. nichtig (vgl. nur Senat, Urteil vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98,
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NJW 1999, 3704 mwN; BGH, Urteil vom 30. März 1994 - XII ZR 30/92, BGHZ
125, 355, 358 jeweils mwN). Eine Bestätigung des unwirksamen Rechtsge-
schäfts im Sinne von § 141 BGB war zwar möglich, setzte aber den Bestäti-
gungswillen der Vertragsparteien voraus (Senat, Urteile vom 10. Februar 2012
- V ZR 51/11, NJW 2012, 1570 Rn. 21 f.; vom 1. Oktober 1999 - V ZR 168/98,
NJW 1999, 3704 jeweils mwN). Eine Bestätigung in dem maßgeblichen Ver-
hältnis zwischen dem Kläger zu 1 und den Veräußerern ist nicht festgestellt; für
sie ist auch nichts ersichtlich.
cc) Ohne Erfolg macht der Kläger zu 1 erstmals mit der Revisionserwide-
rung geltend, der Beschluss vom 12. September 1992 sei nichtig und habe
nicht zu der Unwirksamkeit der Veräußerung geführt, weil es zu der Zeit der
Beschlussfassung an einem - gemäß § 6 Nr. 3 TE, § 12 Abs. 2 WEG erforderli-
chen - wichtigen Grund für die Versagung der Zustimmung gefehlt habe. Die
Berufung auf die Nichtigkeit ist ihm zwar nicht gemäß § 48 Abs. 4 WEG ver-
wehrt, weil die von ihm erhobene Anfechtungsklage ohne Sachprüfung abge-
wiesen worden ist. Selbst wenn aber die Erwägungen der Wohnungseigentü-
mer, die sie zu der Annahme eines wichtigen Grundes im Sinne der Teilungs-
erklärung bewogen haben, der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten soll-
ten, führte dies nicht zu der Nichtigkeit des Beschlusses.
(1) Allerdings ist umstritten, welche Folge das Fehlen eines wichtigen
Grundes für den die Zustimmung versagenden Beschluss hat. Überwiegend
wird angenommen, er sei gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG
nichtig (BayObLG, NZM 2003, 481, 482; OLG Köln, NZM 2010, 557, 558; LG
Braunschweig, ZMR 2011, 158 f.; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 23
Rn. 132; Elzer in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 23 Rn. 106; Timme/Hogenschurz,
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WEG, § 12 Rn. 51). Nach anderer Ansicht ist er nur anfechtbar (Klein in Bär-
mann, aaO, § 12 Rn. 42).
(2) Der Senat teilt die zweite Ansicht. Richtig ist, dass die Bestimmung
des § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht dispositiv ist und die Wohnungseigentümer
geringere Anforderungen nicht vereinbaren dürfen. Gibt die Teilungserklärung
aber - wie hier - den richtigen Maßstab vor und gehen die Wohnungseigentü-
mer von diesem aus, ist der gefasste Beschluss nicht gemäß § 23 Abs. 4 Satz
1 WEG nichtig, wenn ein wichtiger Grund tatsächlich nicht vorlag. Ein anderes
Ergebnis wäre mit den Interessen der Beteiligten und dem Erfordernis der
Rechtssicherheit unvereinbar. Weil die Verweigerung der Genehmigung
rechtsgestaltend auf das schwebend unwirksame Veräußerungsgeschäft ein-
wirkt, muss zu einem nachprüfbaren Zeitpunkt feststehen, ob der Veräuße-
rungsvertrag endgültig unwirksam wird. Dies gilt umso mehr, als die Frage, ob
ein Grund als wichtig einzuordnen ist, in der Regel von Wertungen abhängt.
Andernfalls müssten die Wohnungseigentümer - die insoweit die Beweislast
tragen (Klein in Bärmann, aaO, § 12 Rn. 42 mwN) - das Vorliegen eines wichti-
gen Grundes, bezogen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung, ohne zeitliche
Grenzen nachweisen können. Der Beschluss kann allenfalls dann nichtig sein,
wenn er auf ersichtlich sachfremden Erwägungen beruht, die offenkundig kei-
nen wichtigen Grund darstellen. Im Regelfall ist jedoch anzunehmen, dass die
Wohnungseigentümer bei ihrer Entscheidung von den Vorgaben des Gesetzes
bzw. der Teilungserklärung ausgegangen sind. Dann kann nur mit der fristge-
bundenen Anfechtungsklage überprüft werden, ob der Grund, der sie zu der
Versagung der Zustimmung bewogen hat, tatsächlich als wichtig anzusehen ist.
(3) Daran gemessen ist der Beschluss bestandskräftig. Der Kläger zu 1,
der sich auf die Nichtigkeit beruft, macht nicht geltend, dass die Wohnungsei-
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gentümer die Vorgaben der Teilungserklärung bewusst außer Acht gelassen
und ersichtlich sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt haben.
c) Die Veräußerung ist auch nicht gemäß § 61 WEG am 15. Januar 1994
wirksam geworden. Nach dieser Vorschrift werden die Veräußerung und das
zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft trotz Fehlens einer nach § 12 WEG
erforderlichen Zustimmung wirksam, wenn - wie hier - die Eintragung in das
Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige
Veräußerung von Wohnungseigentum nach seiner Begründung handelt. Damit
wollte der Gesetzgeber Rechtsunsicherheiten beheben, die dadurch entstan-
den waren, dass eine Zustimmung gemäß § 12 WEG vor der Entscheidung des
Senats vom 21. Februar 1991 (V ZB 13/90, BGHZ 113, 374 ff.) bei einer Erst-
veräußerung nach der Teilung durch den Eigentümer allgemein als entbehrlich
angesehen wurde. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift ihrem Wortlaut ent-
sprechend auch dann eingreift, wenn es - wie hier - um eine Erstveräußerung
nach einer Teilung gemäß § 3 WEG geht (so Pause, NJW 1994, 501, 502),
oder ob ihr Anwendungsbereich auf Teilungen gemäß § 8 WEG beschränkt
werden muss (KG, NJW 1995, 62, 63 f.; Pick in Bärmann, aaO, § 61 Rn. 4).
Denn die Heilung konnte jedenfalls nur dann eintreten, wenn die Veräußerung
auch bei Inkrafttreten des Gesetzes noch schwebend unwirksam war. Daran
fehlt es, wenn sie - wie hier - schon vor Inkrafttreten des Gesetzes durch eine
bestandskräftige Versagung der Zustimmung endgültig unwirksam geworden
war.
d) Weil die Veräußerung seit dem Eintritt der Bestandskraft des Be-
schlusses vom 12. September 1992 unwirksam ist, ginge eine nach diesem
Zeitpunkt erklärte Zustimmung ins Leere. Aus diesem Grund sind die Woh-
nungseigentümer auch jetzt nicht nach Treu und Glauben zu der Genehmigung
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verpflichtet. Der Umstand, dass im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1 und
den Veräußerern eine Rückabwicklung des Kaufvertrags gescheitert ist, ändert
daran nichts. An diesem Rechtsverhältnis sind die übrigen Wohnungseigentü-
mer nicht beteiligt. Sie stehen nur zu den Veräußerern - die nach wie vor Woh-
nungseigentümer sind - in einer Rechtsbeziehung, nicht aber zu dem Kläger
zu 1; er ist nicht klagebefugt und nicht stimmberechtigt, muss aber auch die
Kosten und Lasten des Wohnungseigentums nicht tragen. Ob die Wohnungs-
eigentümer dann, wenn die Vertragsparteien den Vertrag nunmehr gemäß
§ 141 BGB bestätigen sollten, im Verhältnis zu den Veräußerern nach Treu und
Glauben zu der Erteilung der Zustimmung verpflichtet wären, bedarf keiner
Entscheidung.
B. Dagegen ist die Klägerin zu 2 klagebefugt; ihre Klage ist auch im Üb-
rigen zulässig. Das Berufungsgericht hat die Beschlüsse zu Unrecht als nichtig
angesehen. Weil der Kläger zu 1 nicht Wohnungseigentümer ist, durfte er zu
der Eigentümerversammlung nicht geladen werden; ohnehin führt die unterblie-
bene Ladung eines Wohnungseigentümers nach der Rechtsprechung des Se-
nats nur in ganz besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen zur Nichtigkeit
der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse (Urteil vom 20. Juli
2012 - V ZR 235/11, zur Veröffentlichung bestimmt; Beschluss vom
23. September 1999 - V ZB 17/99, BGHZ 142, 290, 294 f.). Weil das Beru-
fungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die von der Klä-
gerin zu 2 geltend gemachten Anfechtungsgründe nicht geprüft hat, ist die Sa-
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che insoweit gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und an das Beru-
fungsgericht zurückzuverweisen, damit die nötigen Feststellungen getroffen
werden können.
Krüger
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
AG Schöneberg, Entscheidung vom 08.10.2008 - 77 C 98/08 WEG -
LG Berlin, Entscheidung vom 24.05.2011 - 85 S 104/08 WEG -