Urteil des BGH vom 18.06.2015

Anwaltskosten, Zustellung, Hauptsache, Abgabe

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 224/14
vom
18. Juni 2015
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Juni 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 4. Zivilsenat in Frei-
burg - vom 12. September 2014 wird auf Kosten der Beklagten als
unzulässig verworfen.
Der
Gegenstandwert
des
Beschwerdeverfahrens
beträgt
18.343,51
€.
Gründe:
I.
Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich auf Zahlung des Kaufpreises
in Höhe von 110.000
€ für einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in
Anspruch genommen. Zusätzlich hat er die Zahlung von Zinsen aus der Haupt-
forderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem
25. Oktober 2013 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von
2.348,94
€ begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat
der Kläger Berufung eingelegt. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte am
25. Februar 2014 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster
Instanz den Kaufpreis in Höhe von 110.000
€ geleistet hatte, hat der Kläger zu-
gleich mit Einlegung der Berufung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erle-
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digt erklärt und den Zinsanspruch sowie den Anspruch auf vorgerichtliche Kos-
ten weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat die Erledigung der Hauptsache
festgestellt und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Zinsen aus der Hauptfor-
derung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom
25. Oktober 2013 bis 25. Februar 2014 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe
von 2.348,94
€ zu zahlen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen
wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. In dem ange-
strebten Revisionsverfahren will sie die vollständige Abweisung der Klage errei-
chen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Beklagte nicht dargelegt hat,
dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000
übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
1. Maßgebend für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist
das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen
Entscheidung. Nach einer einseitigen Erledigungserklärung richtet sich die Be-
schwer des Rechtsmittelführers in aller Regel - und auch hier - nach der Sum-
me der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten. An
die Stelle des Sachinteresses tritt für beide Parteien das Kosteninteresse (st.
Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 29. Januar 2015 - V ZA 23/14, juris Rn. 2
mwN).
In die Berechnung der Beschwer miteinzubeziehen sind weiter geltend
gemachte Nebenforderungen im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO, soweit sie Haupt-
forderungen geworden sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die
Hauptforderung infolge einer Erledigungserklärung - wie hier - nicht mehr Pro-
zessgegenstand ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2012 - IV ZB 19/11, MDR
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2012, 738 Rn. 5; Beschluss vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06, NJW 2008,
999 Rn. 8).
2. Danach übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht
20.000
€. Entgegen der Auffassung der Beklagten beträgt er nicht 22.063,93 €,
sondern lediglich 18.343,51
€.
a) Zu berücksichtigen sind zunächst die zur Hauptforderung gewordenen
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94
€ sowie die Zinsen
aus der nicht mehr rechtshängigen Hauptforderung in Höhe von - beziffert -
1.684,29
€, so dass sich nach der insoweit zutreffenden Berechnung der Be-
klagten ein Betrag in Höhe von 4.033,23
€ ergibt.
b) Als bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandene Kosten
sind die Kosten der ersten Instanz hinzuzurechnen, die sich auf insgesamt
12.068,46
€ belaufen. Sie setzen sich zusammen aus Gerichtsgebühren in Hö-
he von 3.078,00
€ und Anwaltsgebühren in Höhe von 2 x 4.495,23 €. Auf die
erstinstanzlichen Gesamtkosten von 12.068,46
€ hat das Berufungsgericht den
Berufungsstreitwert festgesetzt.
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten können aber nicht auch die
gesamten -
von ihr auf 5.961,74 € bezifferten - Kosten des Berufungsverfahrens
in die Berechnung der Beschwer miteinbezogen werden, sondern lediglich
2.241,82
€ (1.068 € Gerichtskosten zuzüglich 1.173,82 € Anwaltskosten).
aa) Für die Beschwer sind nur die bis zum Zeitpunkt der Erledigungser-
klärung bereits entstandenen Kosten zu berücksichtigen, nicht auch die erst
danach entstandenen Kosten. Da die einseitige Erledigungserklärung einen
Sachantrag beinhaltet, der die Zustellung an den Gegner oder die Abgabe einer
entsprechenden Erklärung in der mündlichen Verhandlung voraussetzt (§ 261
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Abs. 2 ZPO), genügt es allerdings, dass der Kostentatbestand noch vor diesem
Zeitpunkt erfüllt worden ist.
bb) Vorliegend hat die Beklagte die Erledigungserklärung in der Beru-
fungsschrift abgegeben, so dass nur die bis zur Zustellung dieses Schriftsatzes
an den Kläger bereits entstandenen Kosten für die Beschwer relevant sind.
Dies sind zum einen die Gerichtskosten, die sich bei einem von dem Beru-
fungsgericht gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzten und deshalb für die Gebüh-
renberechnung maßgeblichen
Streitwert von 12.068,46 € auf 1.068 € belaufen.
Soweit die Beklagte die Kosten auf der Grundlage eines Streitwerts von
16.101,69 € (12.068,46 € + 4.033,23 €) berechnen möchte, lässt sie die gericht-
liche Wertfestsetzung unberücksichtigt. Zum anderen ist mit der Berufungsein-
legung auch bereits eine 1,6-fache Verfahrensgebühr der Prozessbevollmäch-
tigten der Beklagten nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer entstanden.
Unter Zugrundelegung des gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Berechnung
der Rechtsanwaltsvergütung maßgeblichen Berufungsstreitwerts in Höhe von
12.068,46 € ergeben sich Anwaltskosten in Höhe von 1.173,82 €. Die weiteren
im Berufungsrechtszug angefallenen Anwaltskosten (Terminsgebühr der Pro-
zessbevollmächtigten der Beklagten und Anwaltskosten der Prozessbevoll-
mächtigten des Klägers) sind demgegenüber erst nach dem Wirksamwerden
der Erledigungserklärung entstanden und erhöhen die Beschwer der Beklagten
deshalb nicht.
d) Bei Addition der sich aus a) bis c) ergebenden Beträge errechnet sich
eine Beschwer der Beklagten in Höhe von 18.343,51
€ (4.033,23 € +
12.068,46
€ + 2.241,82 €), so dass die Beschwer 20.000 € nicht überschreitet.
An dem Ergebnis ändert sich nichts, wenn der Berechnung - dem Ansatz
der Beklagten insoweit folgend - ein Berufungsstreitwert in Höhe von
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16.101,69
€ zugrunde gelegt wird. Dann würden die bis zur Erledigungserklä-
rung entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens
2.624,98 € (1.276 € Ge-
richtskosten zuzüg
lich 1.348,98 € Anwaltskosten) statt 2.241,82 € betragen; es
ergäbe sich eine Beschwer von 18.726,21 €.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung
des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 3 ZPO. Maßgeblich ist die Be-
schwer der Beklagten (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG).
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Kazele
Göbel
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 21.03.2014 - 11 O 187/13 -
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 12.09.2014 - 4 U 65/14 -
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