Urteil des BGH vom 13.07.2012

Leitsatzentscheidung zu Eigentumswohnung, Rückkauf, Nichterfüllung, Immobilie, Vorvertrag

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 176/11
Verkündet am:
13. Juli 2012
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 311b Abs. 1 Satz 2
Verpflichtet sich der Verkäufer einer Immobilie formunwirksam zu deren Rückkauf, so
wird diese Verpflichtung nicht dadurch wirksam, dass ein Dritter auf Veranlassung
oder Vermittlung des Verkäufers die Immobilie formgerecht kauft (Bestätigung von
Senat, BGHZ 160, 368).
BGH, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 176/11 - OLG Karlsruhe
LG Heidelberg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Juni 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21. Juni 2011 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten
erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Heidelberg vom 30. November 2010 in der Fassung
des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Januar 2011 auf die Beru-
fung des Beklagten abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 1998 kauften die Kläger von
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren alleinvertretungsberechtig-
ter Gesellschafter der Beklagte war, eine Eigentumswohnung. Am Tag darauf
schlossen die Kläger mit dem Beklagten privatschriftlich einen sog. Gewährleis-
tungsvertrag, der u. a. eine Verpflichtung des Beklagten enthält, die Wohnung
zurückzukaufen. Die Kläger wurden als Wohnungseigentümer in das Grund-
buch eingetragen.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2008 forderten sie den Beklagten auf, die
Rückkaufsverpflichtung zu erfüllen. Daraufhin kaufte eine Bauträgergesell-
schaft, vertreten durch den Beklagten als geschäftsführenden Gesellschafter,
mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 2008 die Eigentumswohnung von
den Klägern. Später trat sie von dem Vertrag in Ausübung eines ihr eingeräum-
ten Rücktrittsrechts wieder zurück.
Die Kläger verlangen - soweit im Revisionsverfahren noch von Interes-
se - von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückkaufs-
verpflichtung in Höhe des vereinbarten Rückkaufpreises von 51.065,16
€ zu-
züglich 31,20
€ entrichteter Grundsteuern, Zug um Zug gegen Übereignung der
Eigentumswohnung,
sowie
Ersatz
vorgerichtlicher
Anwaltskosten
von
2.161,00
€ nebst Zinsen.
In den Tatsacheninstanzen ist die Klage insoweit erfolgreich gewesen.
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klä-
ger beantragen, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht den geltend gemachten Schadensersatzan-
spruch wegen Nichterfüllung der Rückkaufsverpflichtung unter dem Gesichts-
punkt des § 326 Abs. 2 BGB aF. Die Verpflichtung sei zwar zunächst wegen
Formmangels, §§ 125, 313 Satz 1 BGB aF, nichtig gewesen. Der Mangel sei
aber entsprechend § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB mit formgerechtem Abschluss
des Kaufvertrages mit der Bauträgergesellschaft am 19. Dezember 2008 geheilt
worden. Dass dieser Vertrag nicht mit dem Beklagten als dem Partner des
formunwirksamen Vertrages geschlossen worden sei, sei unschädlich. Ausrei-
chend sei, dass "insoweit ein Erfüllungszusammenhang" bestehe. Das sei hier
der Fall, weil der Beklagte ersichtlich die Bauträgergesellschaft veranlasst habe,
statt seiner der Verpflichtung zum Rückkauf nachzukommen. Inhaltlich entspre-
che der Vertrag mit der Bauträgergesellschaft der Regelung über den Rückkauf
in dem "Gewährleistungsvertrag". Die Erfüllung der Rückkaufsverpflichtung ha-
be der Beklagte verweigert. Dass die Bauträgergesellschaft statt seiner die
Wohnung gekauft habe, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Darin liege
keine befreiende Schuldübernahme, zumal die Käuferin von ihrem Rücktritts-
recht Gebrauch gemacht habe. Als Schadensersatz könnten die Kläger den
Kaufpreis für die Wohnung beanspruchen, den sie im Falle der Erfüllung erhal-
ten hätten, ferner Erstattung der entrichteten Grundsteuern, Zug um Zug freilich
gegen Übereignung der Wohnung.
Unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, § 286 Abs. 1 BGB aF billigt das
Berufungsgericht den Klägern schließlich die Erstattung vorgerichtlicher An-
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waltskosten zu, die ihnen wegen der Geltendmachung des Schadensersatzan-
spruchs entstanden sind.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung in den ent-
scheidenden Punkten nicht stand.
1. Zutreffend ist lediglich der Ausgangspunkt. Die Rückkaufsverpflichtung
hätte nach § 313 Satz 1 BGB aF der notariellen Beurkundung bedurft und war
sonach nichtig, § 125 BGB.
2. Rechtlich nicht haltbar ist demgegenüber die Auffassung des Beru-
fungsgerichts, die Rückkaufsverpflichtung sei entsprechend § 311b Abs. 1
Satz 2 BGB (richtig wäre: § 313 Satz 2 BGB aF) dadurch wirksam geworden,
dass die Bauträgergesellschaft auf Veranlassung des Beklagten die Eigen-
tumswohnung mit am 19. Dezember 2008 notariell beurkundetem Vertrag ge-
kauft habe.
a) Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass eine
formunwirksame Kauf- oder Verkaufsverpflichtung nicht nur durch Auflassung
und Eintragung, sondern auch dadurch geheilt werden kann, dass die Parteien
einen formwirksamen Vertrag mit entsprechender Kauf- oder Verkaufsverpflich-
tung schließen (Urteil vom 18. Dezember 1981 - V ZR 233/80, BGHZ 82, 398;
Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 373). Dies kommt in
erster Linie dann in Betracht, wenn ein formungültiger Vorvertrag durch Ab-
schluss eines formgültigen Hauptvertrages erfüllt wird, ist aber nicht auf diesen
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Spezialfall beschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03,
aaO).
Bedeutsam ist das freilich nicht für die die Beurkundungspflicht auslö-
sende Verpflichtung zum Kauf oder Verkauf. Denn ob diese durch den nachfol-
genden formwirksamen Verpflichtungsvertrag geheilt wird, ist nicht entschei-
dend, da der formwirksam abgeschlossene Vertrag den Rechtsgrund in sich
trägt (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, aaO S. 375). Das
Schicksal des unwirksamen Vorvertrages ist daher insoweit ohne Belang. Be-
deutsam ist die Heilungswirkung nur für weitere Verpflichtungen, die zwar Ge-
genstand des formunwirksamen ersten Vertrages waren, nicht aber Eingang in
den zweiten formwirksamen Vertrag gefunden haben. In diesen Fällen führt der
Umstand, dass der formunwirksame Vertrag nach § 313 Satz 2 BGB aF (nicht
anders nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) "seinem ganzen Inhalt nach gültig
wird", dazu, dass auch solche, nicht in dem formgerecht abgeschlossenen Ver-
trag enthaltene Pflichten wirksam werden.
Schon diese Zusammenhänge lassen erkennen, dass das Berufungsge-
richt die Regelung des § 313 Satz 2 BGB aF (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht
richtig erfasst hat. Denn wenn es einen "Erfüllungszusammenhang" annimmt
zwischen der formunwirksamen Verpflichtung des Beklagten, die Eigentums-
wohnung zurückzukaufen, und dem formwirksamen Kauf der Wohnung durch
die Bauträgergesellschaft, dann ist allein folgerichtig, dass der Beklagte seine
Rückkaufsverpflichtung dadurch erfüllt hat, dass er die Bauträgergesellschaft
zum Kauf veranlasst hat. Eine Schadensersatzverpflichtung nach § 326 BGB
aF kommt dann nicht mehr in Betracht. Die Annahme des Berufungsgerichts,
der Kauf der Wohnung durch die Bauträgergesellschaft führe zwar zur Heilung
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des Formmangels und damit zur Entstehung der Rückkaufsverpflichtung des
Beklagten, nicht aber zur Erfüllung, ist demgegenüber widersprüchlich.
b) Unabhängig davon ist die Bejahung eines "Erfüllungszusammen-
hangs" zwischen der formunwirksam vereinbarten Rückkaufsverpflichtung des
Beklagten und dem formwirksamen Kauf der Wohnung durch die Bauträgerge-
sellschaft rechtsfehlerhaft.
Der Senat hat sich in der Entscheidung vom 8. Oktober 2004 (V ZR
178/03, BGHZ 160, 368, 373 ff.) ausführlich mit der Frage befasst, unter wel-
chen Voraussetzungen in dem Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Dritten
die Erfüllung eines formunwirksamen Vorvertrages gesehen werden kann. Da-
nach fehlt es regelmäßig an dem notwendigen Erfüllungszusammenhang, wenn
ein Dritter anstelle des ursprünglich vorgesehenen Käufers den formwirksamen
Vertrag schließt. Das ist selbst dann nicht anders, wenn derjenige, der sich
formunwirksam zum Kauf verpflichtet hat, das Recht hatte, den Dritten als Käu-
fer zu vermitteln (aaO S. 377). In dem amtlichen Leitsatz dieser Entscheidung
hat das folgenden Ausdruck gefunden: "An einem solchen Erfüllungszusam-
menhang fehlt es, wenn der Verkäufer, ohne dass dazu eine Verpflichtung hatte
begründet werden sollen, auf Vermittlung des Vertragspartners an einen Dritten
verkauft und diesem das verkaufte Grundstück übereignet." Damit ist zugleich
die Ausnahme angesprochen. Der Verkauf an einen Dritten genügt den Anfor-
derungen an den zur Heilung nach § 313 Satz 2 BGB aF erforderlichen Erfül-
lungstatbestand, wenn der Verkäufer sich in dem Vorvertrag formunwirksam
verpflichtet hatte, an den Dritten zu verkaufen. Das war die Sachverhaltskons-
tellation, die der Senatsentscheidung vom 18. Dezember 1981 (V ZR 233/80,
BGHZ 82, 398) zugrunde lag, und dies allein rechtfertigte die dort angenomme-
ne Heilungswirkung, nicht die seinerzeit dafür gegebene Begründung (s. noch-
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mals Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368,
374 ff.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zum Rückkauf hatte
sich - formunwirksam - der Beklagte verpflichtet. An ihn, nicht an einen Dritten
(die Bauträgergesellschaft) sollten die Kläger verkaufen. Nur ein wirksamer
Kaufvertrag mit dem Beklagten hätte daher den Formmangel heilen können. Ob
der Beklagte den Verkauf an die Bauträgergesellschaft vermittelt oder veran-
lasst hat, ist ohne Belang.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich aus § 267
Abs. 1 BGB nichts anderes herleiten. Zum einen führte die Anwendung dieser
Norm zur Erfüllung und schlösse einen Schadensersatzanspruch wegen Nicht-
erfüllung von vornherein aus (s. o.). Zum anderen entscheidet über die Frage
der Heilungswirkung nicht die Norm des § 267 BGB, sondern die des § 313
Satz 2 BGB aF, und diese verlangt - nach der Auslegung des Senats - den Zu-
sammenhang zwischen dem unwirksamen Grundgeschäft und der Erfüllung
durch Auflassung und Eintragung. Die Auflassung an einen beliebigen Dritten
reicht gerade nicht. Strukturell nicht anders ist es bei der entsprechenden An-
wendung der Norm auf das Verhältnis von unwirksamem (Vor-)vertrag und
wirksamem Hauptvertrag.
3. Mangels wirksamer Rückkaufsverpflichtung des Beklagten, liegen we-
der die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfül-
lung, § 326 Abs. 2 BGB aF, noch die für den Ersatz eines Verzugsschadens,
§ 286 Abs. 1 BGB aF, vor.
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III.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, § 562 ZPO. Da die Auf-
hebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf den
festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache entscheidungsreif ist, hat der
Senat selbst zu entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Das führt zur vollständigen
Klageabweisung mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Schmidt-Räntsch
Roth
Brückner
Weinland
Vorinstanzen:
LG Heidelberg, Entscheidung vom 30.11.2010 - 2 O 313/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 21.06.2011 - 19 U 133/10 -
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