Urteil des BGH vom 13.10.2016

Grundstück, Glaubhaftmachung, Zaun, Duldungspflicht

ECLI:DE:BGH:2016:131016BVZR14.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 14/16
vom
13. Oktober 2016
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Kazele, Dr. Göbel und Dr. Hamdorf
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Urteil des Landgerichts Landshut - 1. Zivilkammer - vom
9. Dezember 2015 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig
verworfen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000
€.
Gründe:
I.
Den Beklagten gehört ein unbebautes Grundstück, dessen Verbindung
zum öffentlichen Weg durch einen schmalen Streifen dieses Grundstücks her-
gestellt wird, auf dem sich ein asphaltierter Weg befindet. Diesen Weg nutzt die
Klägerin als Zufahrt zu ihrem im hinteren Teil mit einem Wohnhaus und einem
als Pferdestall dienenden Schuppen bebauten Grundstück, das seinerseits an
einer öffentlichen Straße liegt. Die Beklagten beabsichtigen, die Einfahrt zum
Grundstück der Klägerin an ihrem Weg durch einen Zaun zu verschließen und
den Weg zur öffentlichen Straße hin mit einem Tor zu versehen. Sie verweisen
die Klägerin darauf, an der öffentlichen Straße eine Zufahrt anzulegen, womit
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die Gemeinde auch einverstanden ist. Die Klägerin verlangt, soweit hier noch
von Interesse, von den Beklagten, es zu unterlassen, die bisher von ihr genutz-
te Fahrt einzuzäunen und zu verändern.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat sie auf
die Berufung der Beklagten hin abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelas-
sen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Verwerfung die Beklagten be-
antragen, möchte die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz
erreichen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin weder
dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass der Wert der mit der Revision gel-
tend zu machenden Beschwer 20.000 € übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8
EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Re-
visionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zu-
lässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer inner-
halb laufender Begründungsfrist darlegen und glaubhaft machen, dass er mit
der Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von
20.000 € übersteigt, abändern lassen will (Senat, Beschluss vom
14. Januar 2016 - V ZR 94/15, juris Rn. 5 mwN).
2. Die Klägerin möchte mit ihren Unterlassungsanträgen nicht eine von
dem Zaun und dem Tor als Einrichtungen, die die Beklagten auf ihrem Grund-
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stück errichten wollen, ausgehende Beeinträchtigung abwehren, sondern das
von ihr in Anspruch genommene Recht zur Benutzung des Wegs als Zufahrt zu
ihrem Grundstück verteidigen.
3. Der Wert der mit der angestrebten Revision geltend zu machenden
Beschwer bestimmt sich deshalb in entsprechender Anwendung von § 7 Alt. 1
ZPO nach dem gemäß § 3 ZPO zu schätzenden Interesse der Klägerin an der
Duldungspflicht der Beklagten. Der Wert dieses Interesses entspricht dem Wert,
den das Fahrtrecht für ihr Grundstück hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Juli
2012 - V ZR 29/12, juris Rn. 3, vom 12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, NZM
2015, 99 Rn. 6, 8 und vom 7. Juli 2016 - V ZR 11/16, juris Rn. 5 für Notweg-
recht). Diesen Wert hat die Klägerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
a) Den Wertverlust, den ihr Grundstück durch die Schließung des Wegs
auf dem Grundstück der Beklagten erführe, hat die Klägerin nicht beziffert. Sie
hat sich dazu - anders als die Beschwerdeerwiderung nahelegt - auch nicht auf
ihren Vortrag in den Tatsacheninstanzen bezogen, in dem sie diesen Wert zwar
beziffert, aber nicht ansatzweise erläutert hat. Zudem fehlt jede Glaubhaftma-
chung.
b) Zur Darlegung ihrer Beschwer genügte auch nicht der Vortrag der
Klägerin, für die Schaffung eines Ersatzwegs auf ihrem eigenen Grundstück
müsse sie 100.000 € aufwenden. Zweifelhaft ist schon, ob der entsprechend § 7
ZPO maßgebliche Wertverlust eines Grundstücks bei Schließung eines Zuwegs
den Kosten für die Anlegung eines Ersatzwegs auf dem eigenen Grundstück
entspricht, in dessen Wert sich solche Kosten nicht niederschlagen müssen.
Die umgekehrte Frage, ob die Wertsteigerung eines Grundstücks durch die
Schaffung eines Zuwegs dem Wert der Kosten für dessen Herstellung ent-
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spricht, hat der Senat nämlich aus diesem Grund verneint (Beschluss vom
12. Dezember 2013 - V ZR 52/13, NZM 2015, 99 Rn. 8).
c) Ob sich unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen hier etwas
anderes ergibt, bedarf keiner Entscheidung. Die angeblich erforderlichen Kos-
ten für die Anlegung eines Ersatzwegs sind weder substantiiert dargelegt noch
glaubhaft gemacht. Die Klägerin hat
den Betrag von 100.000 € in den Tatsa-
cheninstanzen mit dem nicht weiter präzisierten Hinweis auf schwierige Boden-
verhältnisse und die Notwendigkeit einer Pfahlgründung erläutert. Das genügt
zur Darlegung einer 20.000 € übersteigenden Beschwer nicht. Es ist nicht
nachvollziehbar, weshalb ein Ersatzweg auf dem eigenen Grundstück der Klä-
gerin einer aufwendigen Pfahlgründung bedarf, während der nur wenig entfern-
te Weg auf dem benachbarten Grundstück der Beklagten nach dem Gutachten
des Gerichtssachverständigen keine besondere Gründung erfahren hat und
sich dessen ungeachtet für die Zwecke der Klägerin nutzen lässt. Es fehlt zu-
dem auch insoweit an einer Glaubhaftmachung.
4. Der Senat schätzt den Wert der Beschwer unter Berücksichtigung der
eigenen Angaben der Klägerin und der Erwägungen des Berufungsgerichts
zum Streitwert des Berufungsverfahrens auf 5.000 €.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstands-
wert des Beschwerdeverfahrens entspricht hier dem dargelegten Wert der Be-
schwer.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Göbel Hamdorf
Vorinstanzen:
AG Freising, Entscheidung vom 02.12.2014 - 7 C 1133/13 -
LG Landshut, Entscheidung vom 09.12.2015 - 12 S 3571/14 -
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