Urteil des BGH vom 27.02.2015

Leitsatzentscheidung zu Auflösende Bedingung, Vergütung, Verwalter, Verwaltung, Anfechtungsklage

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 114/14
Verkündet am:
27. Februar 2015
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 26
Die
Bestellung
des
Verwalters
entspricht
grundsätzlich
nur
dann
ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn in derselben Eigentümerversammlung, in
der die Bestellung erfolgt, auch die Eckpunkte des abzuschließenden
Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt
werden; hiervon kann nur unter besonderen Umständen übergangsweise
abgewichen werden.
BGH, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 114/14 - LG Berlin
AG Schöneberg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landge-
richts Berlin vom 8. April 2014 wird auf Kosten der Beklagten zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der
Anlage gehören vier Wohneinheiten. Weil die Amtszeit des bisherigen
Verwalters
am
31. Dezember
2012
endete,
wurde
in der
Eigen-
tümerversammlung vom 11. Dezember 2012 zu TOP 14A beschlossen, ihn für
die Zeit bis zum 31. Dezember 2017 erneut zum Verwalter zu bestellen. Unter
TOP 15 wurde sodann folgender Beschluss gefasst:
„Der
Verwaltungsbeirat
erhält
das
Mandat
der
Eigentümerversammlung,
mit
der
Verwaltung
über
den
Verwaltervertrag zu verhandeln. Ein Verwaltervertrag wird auf der
Basis des von Rechtsanwalt Dr. K. vorgeschlagenen
Vertrages mit dem Verwaltungsbeirat verhandelt und in einer
außerordentlichen Eigentümerversammlung, vorgeschlagen bis
zum 28. Februar 2013, beschlossen. Sollte es keinen
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Mehrheitsbeschluss für den neuen, verhandelten Verwaltervertrag
geben, endet die Amtszeit des Verwalters am 28. Februar 2013.“
Gegen den zu TOP 14A gefassten Beschluss wenden sich die Kläger mit
der Anfechtungsklage. Das Amtsgericht hat den Beschluss für ungültig erklärt.
Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der
zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, wollen
die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, die Wohnungseigentümer hätten den ihnen
zustehenden Beurteilungsspielraum jedenfalls deswegen überschritten, weil die
Bestellung des Verwalters erfolgt sei, ohne dass zugleich die Vergütung
geregelt worden sei. Zwar habe das Ende der laufenden Bestellung
bevorgestanden; auch stellten die Bestellung und der Abschluss des
Verwaltervertrags unterschiedliche Rechtsakte dar. Die Auswahl des Verwalters
werde aber inhaltlich wesentlich durch die wirtschaftlichen Eckpunkte des
Verwaltervertrags bestimmt. Ihrem Anliegen, einen Zeitraum ohne Verwalter zu
vermeiden, hätten die Wohnungseigentümer durch eine Bestellung bis zum
28. Februar 2013 Rechnung tragen können. Zwar hätten sie zu TOP 15 einen
Beschluss gefasst, wonach die Bestellung beendet werde, wenn der
Verwaltervertrag keine Mehrheit finde. Dies ändere aber nichts daran, dass die
Wohnungseigentümer die Vergütung bei Vornahme der Bestellung nicht
gekannt hätten. Die bei einer mehrheitlichen Billigung des Verwaltervertrags
unterlegenen Wohnungseigentümer könnten (nur) diesen Beschluss anfechten,
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während ihnen ein zeitgleiches Vorgehen gegen die Verwalterbestellung
aufgrund des Fristablaufs verwehrt sei; daher müsse es möglich sein, die
Bestellung allein deshalb anzufechten, weil es an einer Entscheidung über die
Vergütung in derselben Eigentümerversammlung fehle.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Die Bestellung des Verwalters widerspricht allerdings erst dann den
Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 WEG,
wenn die Wohnungseigentümer den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum
überschreiten; dies ist anzunehmen, wenn die Bestellung objektiv nicht
vertretbar erscheint (Senat, Urteil vom 22. Juni 2012
– V ZR 190/11, NJW 2012,
3175 Rn. 7 f.). Dabei ist zwischen der Bestellung des Verwalters als Organ der
Wohnungseigentümergemeinschaft und Vertreter der Wohnungseigentümer
einerseits und dem Verwaltervertrag andererseits zu unterscheiden. Zwar wird
die Auswahl des Verwalters wesentlich von den wirtschaftlichen Eckpunkten
des Verwaltervertrags bestimmt (Senat, Urteil vom 22. Juni 2012
– V ZR
190/11, aaO Rn. 11); es handelt sich aber um verschiedene Rechtsakte, die
lediglich inhaltlich verknüpft sind. Aus diesem Grund hat der Senat eine
getrennte Beschlussfassung über die Bestellung des Verwalters und die
Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrags in einer Fallkonstellation
gebilligt, in der beide Beschlüsse in derselben Eigentümerversammlung erörtert
und gefasst wurden (Urteil vom 22. Juni 2012
– V ZR 190/11, aaO Rn. 12).
2. Ob die Bestellung des Verwalters auch dann ordnungsmäßiger
Verwaltung entsprechen kann, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die
Eckpunkte des Verwaltervertrags noch nicht feststehen, ist umstritten; der
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Senat hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (Urteil vom 22. Juni 2012
– V ZR 190/11, aaO).
a) Teilweise wird eine isolierte Bestellung des Verwalters unter Hinweis
auf die Trennung zwischen Organstellung und Vertrag für zulässig gehalten (LG
Karlsruhe, ZWE 2011, 369, 370; Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 26
Rn. 51; ders., ZWE 2012, 327 f.; zweifelnd Jennißen in Jennißen, WEG,
4. Aufl., § 26 Rn. 34).
b)
Dagegen
widerspricht
es
nach
überwiegender
Ansicht
ordnungsmäßiger Verwaltung, den Verwalter zu bestellen, ohne zugleich die
vertraglich geschuldete Vergütung und die Dauer des Verwaltervertrags zu
regeln (vgl. nur OLG Hamm, ZWE 2002, 486, 489; OLG Düsseldorf, ZWE 2006,
396, 400; LG Düsseldorf, ZWE 2012, 327; AG Schöneberg, GE 2013, 68;
Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 10. Aufl., § 26 Rn. 21;
Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 26 Rn. 15 aE; MünchKomm-
BGB/Engelhardt, 6. Aufl., § 26 WEG Rn. 4). Eine Ausnahme wird teilweise bei
der Wiederwahl des Verwalters gemacht, weil die Auslegung der Bestellung
ergebe, dass die bisherigen Vertragskonditionen weitergelten sollen (vgl.
MünchKomm-BGB/Engelhardt, 6. Aufl., § 26 WEG Rn. 4 aE).
c) Der Senat hält es im Grundsatz für erforderlich, dass in derselben
Eigentümerversammlung, in der die Bestellung des Verwalters erfolgt, auch die
Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in
wesentlichen Umrissen geregelt werden; hiervon kann nur unter besonderen
Umständen übergangsweise abgewichen werden.
aa) Bei einer erstmaligen Bestellung des Verwalters ist die Festlegung
der wesentlichen vertraglichen Eckpunkte schon deshalb erforderlich, weil
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mehrere Angebote einzuholen sind (Senat, Urteil vom 1. April 2011
– V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 11 ff.). Ein tragfähiger Vergleich zwischen
mehreren Anbietern ist den Wohnungseigentümern nur möglich, wenn sie
deren Konditionen kennen. Das bedeutet nicht etwa, dass der günstigste
Anbieter gewählt werden müsste; die Entscheidung über die Bestellung muss
jedoch auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen werden.
bb) Bei einer Wiederbestellung des amtierenden Verwalters ist ein
solcher Angebotsvergleich zwar nicht erforderlich, sofern der Sachverhalt
unverändert geblieben ist (Senat, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 96/10, aaO).
Aber auch in diesem Fall müssen die Wohnungseigentümer bei der Bestellung
wissen, worauf sie sich einlassen. Ausreichend ist es, wenn sich aus den
Gesamtumständen ergibt, dass der Verwalter zu den bisherigen Konditionen
(insbesondere der Vergütung) weiter tätig sein wird; hinsichtlich der Laufzeit
des Vertrags können die Wohnungseigentümer davon ausgehen, dass diese
- der Üblichkeit entsprechend (vgl. Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 26
Rn. 172) - mit dem Bestellungszeitraum übereinstimmen soll.
cc) Zu den Eckpunkten des Verwaltervertrags, die bei der Bestellung in
wesentlichen Umrissen geregelt werden bzw. bekannt sein müssen, gehören
Laufzeit und Vergütung. Beide Gesichtspunkte sind nicht nur für den
Verwaltervertrag, sondern auch für die Auswahlentscheidung im Rahmen der
Bestellung von wesentlicher Bedeutung. Hinsichtlich der Laufzeit darf nicht
offen bleiben, ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird oder ob
beide Seiten eine längere Bindung eingehen werden. Die Bedeutung der
Vergütung versteht sich von selbst. Es liegt im allseitigen Interesse, deren Höhe
bei der Bestellung in wesentlichen Umrissen festzulegen, um Streit über die
andernfalls geschuldete branchenübliche Vergütung (§ 675 Abs. 1, § 612
Abs. 2 BGB) zu vermeiden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Verwalter
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ohne Festlegung der vertraglichen Eckpunkte für eine längere Laufzeit bestellt
wird, aber auch bei einer Bestellung auf unbestimmte Zeit. In letzterem Fall
kann er zwar jederzeit abberufen werden (insoweit zutreffend Merle in
Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 51); für die Zeit seiner Tätigkeit schulden
die Wohnungseigentümer aber (ebenso wie bei der Bestellung für eine kurze
Laufzeit) die (streitanfällige) übliche Vergütung. Dies kann nur unter
besonderen Umständen und übergangsweise hinzunehmen sein.
3. An diesen Grundsätzen gemessen hat das Berufungsgericht den zu
TOP 14A gefassten Beschluss im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt.
a) Bei der Entscheidung über die Bestellung stand nicht fest, in welcher
Höhe eine Vergütung geschuldet war. Zwar sollte der bisherige Verwalter
erneut bestellt werden, aber gerade nicht zu den bisherigen Konditionen; der
vorliegende Vertragsentwurf war erklärtermaßen nicht endgültig ausgehandelt
und sollte deshalb durch die Eigentümerversammlung gebilligt werden.
b) Die Bestellung ist im Ergebnis auch nicht als Übergangsregelung
anzusehen, die hinzunehmen sein kann, wenn - wie hier - das Ende des
Bestellungszeitraums unmittelbar bevorsteht und sich eine Zeit ohne Verwalter
nur durch eine vorübergehende Bestellung vermeiden lässt.
aa) Für die erfolgte Bestellung mit einer festen Laufzeit bis zum
31. Dezember 2017 bestand keine Notwendigkeit. Die Bestellung bis zum
28. Februar 2013 wäre ausreichend gewesen, um die Verwaltung in der
Übergangszeit zu gewährleisten, zumal für die Billigung des Verwaltervertrags
ohnehin eine weitere Eigentümerversammlung erforderlich war. Allerdings war
es - anders als das Berufungsgericht meint - nicht ausgeschlossen, den
Verwalter für einen längeren Zeitraum zu bestellen, sofern die Bestellung klar
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und eindeutig unter der auflösenden Bedingung stand, dass bis zum
28. Februar 2013 ein gültiger Beschluss über die wesentlichen Eckpunkte des
abzuschließenden Verwaltervertrags gefasst wurde. Auf diese Weise wäre
gewährleistet gewesen, dass die Bestellung endete, wenn keine Willensbildung
im Hinblick auf den Verwaltervertrag zustande kam.
bb) Eine solche Bedingung enthält der zu TOP 14A gefasste Beschluss
jedoch nicht. Er ist isoliert und ohne Heranziehung des Beschlusses zu TOP 15
zu würdigen, wonach die Amtszeit des Verwalters am 28. Februar 2013 endete,
wenn „es keinen Mehrheitsbeschluss für den neuen, verhandelten
Verwaltervertrag geben“ sollte.
(1) Dass diese Regelung bei der Auslegung des Beschlusses zu TOP
14A unberücksichtigt bleibt, ist eine Folge der Entscheidung der
Wohnungseigentümer, trotz des unmittelbaren rechtlichen Zusammenhangs
hierüber
getrennt und nicht als „Gesamtpaket“ abzustimmen. Für diese
Vorgehensweise gab es
– wie der Klägervertreter in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat zu Recht hervorgehoben hat
– keinen sachlichen
Grund. Eine ordnungsmäßige Verwaltung muss auch dem Minderheitenschutz
Rechnung tragen. Dazu gehört es, dass die Wohnungseigentümer ihren Willen
klar zum Ausdruck bringen und der Minderheit die Wahrnehmung ihrer Rechte
nicht unnötig erschweren.
(2) Daran fehlt es hier. Zwar könnte dem zu TOP 15 gefassten Beschluss
bei der gebotenen objektiven und nächstliegenden Auslegung (vgl. hierzu nur
Senat, Urteil vom 10. Oktober 2014
– V ZR 315/13, WuM 2015, 47 Rn. 8 mwN,
vorgesehen zum Abdruck in BGHZ) eine auflösende Bedingung hinsichtlich der
Bestellung bis zum 31. Dezember 2017 entnommen werden. Wegen der
getrennt erfolgten Abstimmung bedarf dies aber jedenfalls näherer Begründung;
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immerhin wurde die Mehrheitsentscheidung über die langfristige Bestellung vor
der anschließend beantragten Einschränkung und unabhängig von ihr getroffen.
Kam später eine Mehrheit für den verhandelten Verwaltervertrag zustande,
musste die unterlegene Minderheit annehmen, dass sie - wie es die hiesigen
Kläger erfolgreich getan haben - zwar gegen diesen Beschluss vorgehen, aber
wegen des Fristablaufs keine Anfechtungsklage mehr gegen die Bestellung
erheben konnte. Dass der Beschluss zu TOP 15 auch für den Fall einer solchen
erfolgreichen Anfechtungsklage eine auflösende Bedingung enthielt, lässt sich
der Regelung nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen. Darüber hinaus
bestand die Gefahr, dass andere Wohnungseigentümer gegen den zu TOP 15
gefassten Beschluss erfolgreich Anfechtungsklage erhoben, während der
Beschluss zu TOP 14A nicht mehr fristgerecht angegriffen werden konnte.
Damit hätte im Ergebnis keine Übergangsregelung vorgelegen, sondern es
wäre bei der Bestellung bis zum 31. Dezember 2017 verblieben; die Minderheit
hätte nur die Abberufung des Verwalters durchsetzen können. Auch wenn sich
die Zulässigkeit einer isolierten Anfechtbarkeit des Beschlusses zu TOP 15 aus
diesem Grund verneinen ließe, rief die getrennte Beschlussfassung jedenfalls
eine Reihe von vermeidbaren rechtlichen Unklarheiten und Risiken hervor,
denen die Kläger aus ihrer Sicht nur begegnen konnten, indem sie den
Beschluss zu TOP 14A
– wie geschehen – fristgerecht anfochten und einer
eigenständigen rechtlichen Würdigung unterziehen ließen.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann
Roth
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
AG Schöneberg, Entscheidung vom 25.09.2013 - 774 C 2/13 -
LG Berlin, Entscheidung vom 08.04.2014 - 85 S 200/13 WEG -
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